Leipzig-Eutritzsch: Arbeiterstadtteil mit Vielfalt

  • Leipzig-Eutritzsch: Arbeiterstadtteil mit Vielfalt

    Heute möchte ich euch Eutritzsch vorstellen, ein kleiner, schmaler Stadtteil ca. 3km nördlich der Innenstadt gelegen. Gebt euch keine Mühe, "Eutritzsch" richtig auszusprechen oder gar behalten zu können, die gehäufte Ansammlung von Konsonanten verrät den slawischen Ursprung.


    Nach der Industrialisierung kristallisierte sich Eutritzsch zunehmend als Arbeiterwohnviertel heraus, das man dem Stadtteil noch heute ansieht. Statt gepflegter Bürgerlichkeit wie in Gohlis, das unmittelbar westlich von Eutritzsch anschließt, trifft man hier auf Mietskasernen von der Gründerzeit bis in die 1950er-Jahre hinein - wenn auch in architektonischer Hinsicht nicht uninteressant. Aber auch Villen reicher Fabrikbesitzer und sogar ein Hauch des alten Dorfes Eutritzsch vor der Industrialisierung lassen sich hier erahnen.



    Für Statistiker wie mich noch ein paar Fakten zum Stadtteil, bevor es mit den Bildern losgeht, zusammengestellt von der Stadt Leipzig:


    Einwohner 2008 (2007): 11.101Ew (10.891)
    Ausländeranteil 2007 (2006): 7% (6,9%)
    Arbeitslose 2007 (2006): 12,8% 13,9%


    Wohngebäude, erbaut bis 1918: 437
    Wohngebäude von 1919 bis 1948: 503
    Wohngebäude von 1949 bis 1990: 124
    Wohngebäude, erbaut ab 1991: 237



    Die meisten Fotos entstanden an einem Sonntagmorgen im Juli bei einer Stunde Fußmarsch, ein paar wenige letzte Woche.



    Eckgebäude Coppistr./Renkwitzstr. (Bj. 1924)



    Expressionismus an einer Villa der späten 1920er-Jahre



    Zwischen Delitzscher und Geibelstraße erstrecken sich ein paar rustikale Wohnhäuser, die man eher in waldreicheren Gegenden vermutet, in Leipzig hingegen, noch dazu im Arbeiterviertel, sind sie eine Besonderheit.






    Zwei weitere Ansichten aus diesem Gebiet




    Ein paar Aufnahmen vom Kreuzungsbereich Wittenberger Str./Delitzscher Str.


    In den 1990er-Jahren wurden in der Delitzscher Str. viele Baulücken geschlossen, u.a. für das neue Stadtteilzentrum Eutritzscher Zentrum. Zuerst aber ein Überblick von der Delitzscher Str.


    Eutritzscher Zentrum, ein typisches Vertreter der Nachwendejahre


    Blick auf besagten Kreuzungsbereich. Der Altbau wurde in das EKZ integriert.



    Weitere Aufnahmen aus dem Kreuzungsbereich, hier eine Villa im Renaissancestil, vor vielen Jahren schon saniert, das gelbe Dach stammt noch aus DDR-Zeit.



    Hier eine typische Fabrikantenvilla aus der Grünerzeit mit (vermutlich) 1920er-Jahre-Anbau auf der Rückseite.



    Noch eine Ansicht




    Runter die Wittenberger Str. entlang gibt es viel einfache Gründerzeitbebauung



    Für erwähnenswert halte ich diese Sporthalle, die vom Jugendstilarchitekten Paul Möbius 1895 entworfen wurde.



    Gastwirtschaft Lutherburg




    Jetzt kommen wir zu drei Arbeiterensembles, die sehr nah beieinanderstehen, aber doch unterschiedlicher kaum sein können, denn einmal prägen sie den Gründerzeitstil, ein anderes Mal den Expressionismus der 1920er-Jahre und ein drittes Mal den klassischen Bauhausstil.


    Die sog. Meyerschen Häuser, die von Unternehmer Julius Meyer (ein Enkel von Lexikonverleger Joseph Meyer) gestiftet wurden, habe ich u.a. schon in der Galerie "Westbesuch in Leipzig" vorgestellt. In Eutritzsch steht nun ein weiterer von insgesamt vier Wohnkomplexen. Er entstand wie die anderen um 1900 und zählt zu den ersten Sozialwohnungsbauten in Leipzig.





    Der Innenhof ist eigentlich eine Parklandschaft mit Kleingartenverein. Hier ein Ausschnitt:






    User Leipziger hat uns ja schon viel von der Revitalisierung rund um die Zerbster Straße gezeigt. Das Ergebnis hat mich auf meiner Streiftour auch umgehauen. Der Abriss der Häuser war eigentlich beschlossene Sache, nur durch die Intervenierung des Stadtforum Leipzig konnte dieser Abriss in letzter Minute gestoppt werden. Es fand sich ein Investor, der diese Häuser aufkaufte und seitdem saniert. Die Arbeiten sind inzwischen so gut wie abgeschlossen.


    Zum Vergleich noch eine Aufnahme von 2006, um zu verdeutlichen, wie verloren die Wohngebäude damals noch aussahen.



    Inzwischen hat sich dort einiges getan, seht selbst.




    Klasse, selbst die Hofseite kann sich mehr als sehen lassen




    Ein Blick rüber zur Theresienstraße. Das ehemalige Krankenhaus, ich glaube, bis tief in die 1990er-Jahre in Betrieb, wartet auf seine Neunutzung.



    Besagtes drittes Wohnensemble im Bauhausstil




    Auf der gegenüberliegenden Seite beginnt das Industriegebiet. Die meisten Betriebe haben abgewirtschaftet und sind geschlossen. Hier und da werden sie aber auch weiterhin genutzt.




    Nördlich der Wittenberger Str. befinden sich noch unsanierte Wohnungen aus den 1920er-Jahren, zum Teil sind sie aber noch bewohnt. Wenn ich mich recht entsinne, hat die CG-Gruppe (u.a. Sanierung Blüthner Carré) aufgekauft und will sie bis 2010 sanieren.



    Hier ein unbewohntes Gebäude vermutlich aus den 1950er-Jahren.



    Arbeiterwohnblock gegenüber vom Eutritzscher Markt



    Das ehemalige Rathaus von Eutritzsch wurde zu einem Wohnhaus umfunktioniert.



    Abendliches Halligalli verspricht im Sommer dieser "Beach"club.




    Entlang der Gräfestraße ist zum Teil ein wenig vorgründerzeitliche Dorfidylle erhalten geblieben. Hier eine Jugendstilvilla



    Dieses Fachwerkhaus wurde auch in letzter Minute aufgrund einer Initiative vorm Abriss gerettet. Heute befindet sich darin eine kleine Malerfirma.



    Auf einem brachliegenden Gelände ein Stück weiter hinten entlang der Gräfestraße wurde eine kleine Einfamlilienhaussiedlung gebaut.



    Schräg gegenüber befindet sich die Christuskirche, eines der ältesten Kirchen Leipzigs. Der Turm stammt noch aus dem 13. Jh. Von 1489 bis 1503 wurde sie von Benedikt Eisenberg im gotischen Stil umgebaut.




    Immer noch in der Gräfestraße dieses Wohnhaus aus dem frühen 19.Jh.




    Weitere Ansichten




    Ausgerechnet eine Grundschule, ein verkommener Plattenbau, der sich aufgrund des vielen Grüns zumindest im Sommer Gott sei Dank versteckt, muss das hässlichste Gebäude des Stadtteils sein.



    Westlich des Plattenbaus erstreckt sich der Brettschneiderpark. Klein, aber fein.




    Der Park schließt westlich mit diesen sehr hübschen Reihenhäusern aus den 1920er-Jahren ab.




    Und weiter westlich davon gibt es Straßenzüge, die von diesen Wohngebäuden, vermutlich in den 1930er-Jahren für Beamte errichtet, gesäumt sind.



    Einige Straßen erweisen sich hier als echte Bordsteinkiller. Man vergleiche den großen TetraPak mit dem Bordstein.



    In der Nähe der Albert-Bleichert-Werke, am Übergang zu Gohlis, stehen noch ein paar ganz nette Villen.





    Eigene Bilder

  • ^ Geniale Bildersammlung von einem bisher recht stiefmütterlich behandelten Stadtteil hier im Forum. Großes Dankeschön!


    Interessant finde ich, wie "sozialer Wohnungsbau" (!!!) vor 100 Jahren ausgeschaut hat. So eine optische, als auch materielle Qualität und Harmonie findet man heute selbst im Musikviertel nur in den seltensten Fällen bei Neubauten. Ihr wisst was ich meine. ;)
    Menschenskinder haben sich die Zeiten geändert... . Es ist einfach unglaublich! :confused:


    Interssant auch, wieviel Aufenthaltsqualität ein paar Bäume und ein Grünbereich, abgegrenzt von einem Minizaun, schaffen können. Das sind wirklich einfachste, kostengünstige Methoden um die Attraktivität gesamthaft zu erhöhen.


    Und mit jeder Sanierung eines Art Deco-Baus steigt mein Interesse und die Begeisterung für diesen Architektur-Stil. Er wirkt einfach erfrischend anders als die sonst üblichen Gründerzeitbauten, ohne aber aus der Reihe zu tanzen und sich in den Vordergrund zu spielen. Ich glaube so etwas nennt man Understatement! Und darauf kommt es meiner Meinung nach an, um eine gewisse Ruhe und Wohlfühlatmosphäre bei der Mehrzahl der Menschen zu schaffen.

  • Zwei kurze Anmerkungen.


    Das ehemalige Rathaus Leizig-Eutitzsch wurde zum Geschäftssitz der Wohnungsgenossenschaft Transport e.G. (WOGETRA) umgenutzt worden (Nicht in Wohnungen).:)
    Die "Strandbar" am Eutritzscher Markt gibt es leider nicht mehr.:mad:
    Bei den letzten beiden Bildern handelt es sich um die "Bleichertsche Villa", diese hatte zur Entstehungszeit schon ein beheiztes Schwimmbecken, im Keller, eingebaut.:)
    Diese ist gehört aber schon zu Gohlis (Geibelstrasse ist die Grenze)


    Gruß



    Joauch