Spaziergang in Hannover

  • "Ich hoffe, da passiert mal ein Umdenken in Deutschland - hin zur kleinparzellierten Bauweise."


    Dein Wort in Gottes Ohren - ich versuche realistisch zu bleiben und deshalb hoffe ich wenigstens, dass ein gesunder Ausgleich zwischen Moderne und Tradition entsteht bzw. auch eine Verbindung aus beiden als dritten Weg neben den anderen (gleichberechtigt). Leider ist - so meine Vermutung - eine regelrechte Schieflage hin zur Moderne vorhanden (über Jahrzehnte).


    In diesem Sinne mal eine Äußerung des Architekturbüros "Weise & Treuner":


    "Seit langer Zeit scheint hierzulande festzustehen, wie moderne, zeitgemäße Häuser auszusehen haben. So sollten sie kubische Formen haben, von überflüssigem Schmuck befreit sein und möglichst kein steiles Dach haben. Endlose Glasfassaden sollen die Verschiedenheit von Innen und Außen aufheben. Allein das programmatische Weiß oder Grau sind erwünschte und erlaubte „Farben“. Die menschliche Wahrnehmung läßt sich offensichtlich in fast jedes noch so strenge Korsett pressen? Es ist nicht verwunderlich, dass gerade in unserer von visuellen und medialen Reizen überfluteten Zeit, die Ästhetik auf Reduktion setzt.


    Doch trotz aller intellektuellen und ästhetischen Denkverbote ist die Sehnsucht nach traditioneller Architektur bei vielen Menschen vorhanden und gegenwärtig. Angesichts der fatalen Entwicklung im Städtebau seit der Moderne, die die gesichtslos monotone Stadt mit all den mittlerweile zu Tage getretenen sozialen Problemen begünstigt hat, ist es schon legitim über Alternativen nachzudenken.


    Warum sollen eigentlich die Prinzipien, die jahrhundertelang unseren Städten und ihrer Architektur zu Charakter und Vollkommenheit verholfen haben, nicht belebt und weiterentwickelt werden? Zum Beispiel die bewährten Prinzipien der Anpassung der Architektur an topographische und klimatische Gegebenheiten, regionale handwerkliche Überlieferungen, die Verwendung traditioneller guter Baumaterialien des Ortes oder die Kleinteiligkeit eines gewachsenen Katasters. Die überbelastete Biosphäre mit immer knapper werdenden Ressourcen verlangt die Beachtung solch elementarer Grundsätze schon aus ökologischem Blickwinkel.


    Architektur, früher als Baukunst bezeichnet, war in ihrem Streben nach Harmonie und Vollkommenheit nicht ohne handwerkliches Können und künstlerische Intuitionen möglich. Gute Architektur lebte immer durch die gereiften künstlerischen Formen. Warum sprechen alte Städte noch heute zu uns in verständlicher Sprache? Jede Form trägt etwas. Form ist immer Sprache. Formlos ist sprachlos.
    (http://www.weiseundtreuner.de)"


    "Die Shopping-Center-Architektur finde ich äußerst bedrohlich. Es zählt nur noch Rendite auf möglichst viel Quadratmeter. Fassadentechnisch kommt da auch nur billigster Mist raus."


    Manchmal frage ich mich, was überhaupt noch zählt - Bsp. - in Dresden sind leider die Touristenzahlen rückläufig, trotzdem werden Hotels über Hotels gebaut. Es ist nichts neues, dass die Kaufkraft sinkt - im Osten viell. noch schlimmer - trotzdem werden Einkaufstempel über Einkaufstempel gebaut.


    Adios

  • Wir sind jetzt ja zwar etwas abgekommen vom Spaziergang; aber das ist ja wirklich einer der wenigen Architekten, der die Lage erkannt hat. Die ganzen Objekte auf der HP sehen einfach umwerfend aus - und trotzdem ganz klassisch und hochwertig. Was mich besonders freut: endlich keine dämlichen Flachdächer mehr. Warum mögen das bloß Architekten?


    Wenn ich später mehr Geld hab, bestell ich mir bei denen ein Haus!

  • Unsinn, die "Lage" haben schon viele erkannt. Nur, was nutzt ihnen das? Schlagt Euch doch aus dem Kopf, Architekten würden darüber bestimmen, was von privaten Investoren gebaut wird! Die machen allenfalls Vorschläge. Wenn dieses Büro offensiv mit seiner Überzeugung wirbt, dann muss es sich bereits durch andere glückliche Umstände etabliert haben. Andernfalls wären diese Ausführungen nämlich wirtschaftlich ziemlich unklug, bedeuten sie doch übersetzt: Wir arbeiten nur für Idealisten mit großem Budget und gering ausgeprägten Gewinnabsichten.


    Und zu den Flachdächern: aufwändige Dachstuhl-Konstruktionen mit Sattel-, Walm-, Mansard- oder sonstigen Dächern sind heute nicht mehr notwendig, um ein Dach wetterfest zu bekommen. Ausserdem generieren die Dachräume nur beschränkt vermarktbare Nutzfächen (nicht umsonst wohnte früher vornehmlich der Pöbel unterm Dach oder der Raum wurde als Lagerfläche etc. genutzt). Das sind erstmal die banalen Ursachen. Ausserdem zeigt die Geschichte, dass es einerseits sehr wohl anerkannte historische Bauten mit Flachdächern gibt (auch wenn das in der Praxis meist flach geneigte Dächer hinter einer Attika waren; aber das ist heute meist auch nicht viel anders), andererseits Satteldächer oder Frontgiebel alleine ein Haus noch nicht attraktiv machen (dafür gibt' allerhand Beispiele aus der NS-Zeit, der Nachkriegsära oder bei aktuellen Häuslebauer-Projekten). Man kann das knappe Geld m. E. an der Fassade oder im Innern sinnvoller einsetzen, als es in unnützen Dachlandschaften zu verbraten. Der Passant finanziert es ja nicht.