Mein Punkt war der, dass es Essen (nach Eigenwerbung übrigens "Die Einkaufsstadt") deutlich härter trifft als Braunschweig. Das ist bei aller Unvergleichlichkeit Braunschweigs nicht von der Hand zu weisen. (Anm.: Wenn Sie sagen, dass das Umland von Essen ganz anders sei als das von Braunschweig, dann haben Sie damit etwas getan, was Sie vorher für unmöglich erklärt haben: Die beiden Städte miteinander verglichen).
Nochmal: Die Innenstadt von Braunschweig ist durch die Schließung eines der zwei Warenhäuser nicht lebensbedrohlich getroffen. Zumal es dasjenige ist, dass nicht direkt an der Haupt-Einkaufsmeile liegt.
Worin ich Ihnen zustimme, ist, dass die Schließung von Karstadt Sport ein Problem werden könnte, insbesondere, da es nur zwei Häuser entfernt ist von der leerstehenden Burgpassage (ganz leerstehend? Nein! Eine kleine, national operierende kleine Kaffeeröster-Kette... ), und somit die Gegend weiter belastet.
Hier wäre interessant, zu wissen, wem die Gebäude gehören: Denn auch hier sehe ich eine Chance. Durch die Aufwertung der zum Damm hin fensterlosen Fassade (Ich erkenne langsam ein Muster) könnte Fenster bekommen und sich vielleicht ein bißchen besser in die zwar heterogenen, aber eher hochwertigen Fassaden des Straßenzuges einfügen, statt dort als klotziger Fremdkörper (Jepp. Definitiv ein Muster) zu wirken. Aber dazu müsste man den Eigentümer erreichen, was nicht immer ganz so leicht ist...
Ich denke auch, dass in einer Innenstadt mit den frei werdenden Flächen kreativer umgegangen werden muss: Sie wieder vorwiegend dem (Luxus-)Konsum durch Einkaufen zu verschreiben, hat verschiedene Nachteile:
Zum einen schließt so eine Innenstadt Menschen aus, die sich das ständige Umwälzen der eigenen Gaderobe nicht leisten können oder die kein Interesse am Shopping-Nachmittag haben.
Zu anderen bin ich ähnlicher Meinung wie der Chef des Einzelhandesverbandes in Essen. Mit dem Siechen des Vollsortimenters einher geht: Die 'Hundeknochen-City' hat sich überlebt. Ein Kaufhaus an jedem Ende der Einkaufsmeile, dazwischen kleintiliger Einzelhandel, das war mal eine sichere Bank für das Funktionieren einer Innenstadt. Nach dem Prinzip funktionierte auch BS: Man ging zu Horten, lief durch den Tunnel, dann den Damm entlang und endete bei Karstadt. Das diese Route schlichtweg nicht mehr der heutigen Realität entspricht, kann man schon daran ablesen, dass der Fußgängertunnel nicht im Ansatz den gleichen Fußgängerstrom aufweißt wie der Damm oder Hutfiltern. Da geht aber kaum noch jemand durch, was auch zeigt, wie wenig überlebenswichtig dieses Haus für die Einkaufsstadt ist. Und auch zeigt es, wer hier von wem abhängt. Da gab es nämlich dank Onlinehandel in den letzen Jahren eine Umkehr: Waren es früher die Vollsortimenter, die eine Lage aufwerteten, bisweilen überhaupt erst als Einkaufslage definierten, sind sie heute ebenso von einer gute Lage und Fußgängerströmen abhängig wie jeder andere auch.
Und diese Faktoren werden nicht mehr nur durch Einkaufsmöglichkeiten definiert.
Deswegen gehe ich sogar noch einen Schritt weiter: Eine nur auf Einzelhandel fokussierte Innenstadt wird immer weniger Menschen hinter dem Ofen Rechner hervorlocken. Es darf jetzt nicht der Fehler gemacht werden, zu hoffen, dass es mit neuem Einzelhandel getan ist.
Stattdessen: Moderne Konzepte, ruhig mal was ausprobieren. Ich gehe zum Beispiel davon aus, dass demnächst die Nachfrage nach Co-Working-Spaces explodieren wird. Die Corona-Pandemie hat vor allem eines gezeigt: Das 'Homeoffice' (der Begriff ist so falsch, dass ich Anführungsstriche setzen muss) keine Erfindung für Faulpelze ist, um sich der Überwachung durch den Chef zu entziehen, sondern tatsächlich funktioniert. Und obendrein spart es den Unternehmen auch noch Geld. Aber nicht jeder hat zuhause einen Arbeitszimmer, also wird die Nachfrage nach flexibel anmietbaren Büroräumen ansteigen.
Gleichzeitig steigt das Bedürfnis der Menschen, andere Menschen zu treffen. Zoom und WebEx zum Trotze fühlt man sich einsam, wenn man drei Tage am Stück keinen realen Menschen trifft. Treffpunkt war in der Stadt schon immer die Stadtmitte. Aber diesen Rang muss sie sich jetzt wieder zurück erobern. Und was nutzt es da, ein 'One-Trick-Pony' aufrecht zu erhalten, wenn diesen Trick immer weniger Menschen sehen wollen? Nur, wenn es einer Stadt gelingt, noch andere Bedürfnisse und Wünsche der Menschen zu erfüllen (im obigen Beispiel das Bedürfnis nach soziaer Nähe), kann auch der Einzelhandel überleben. Das sollte jetzt, da Fläche frei werden wird, ebenfalls bedacht werden. Das jedoch ist ein Vorteil: Es werden ja gerade Flächen für neue Konzepte frei. Und das ist, wenn man es klug zu nutzen weiß, eher eine Chance denn eine Katastrophe.
Zudem: Ich wage schwer zu bezweifeln, dass es ein herber Schlag für das Magniviertel ist. Dem nämlich hat das Gebäude den Rücken zugewandt. Damit das Magniviertel profitierte, müsste aber das Kaufhaus einen Bezug dazu haben. Hat es aber nicht. Wer aus dem Kaufhaus heraustritt und ins Magniviertel geht, der hatte das mehrheitlich von vorne herein vor, und geht auch da hin, wenn das Haus nicht mehr steht. Es ist eher die Aufgabe der neuen Nutzung, die Leute über die Straße zu locken, um sie dann ins Magniviertel einzuladen. Hat das Kaufhaus ersteres getan, war es beim zweiten Punkt eher hinderlich.