Das Positive vorweg: Neue Ideen sind immer gut, denn sie erweitern den Horizont und bringen wiederum neue Ideen und Lösungen hervor. Ich finde auch den Entwurf für diese Oper recht gelungen, es ist jedenfalls keine Stangenware, sondern zumindest halbwegs spektakuläre Architektur.
Das war es aus meiner Sicht aber auch schon. Wie wir gelernt haben, sollten wir bei nachts-leuchtenden Renderings immer misstrauisch sein - in der Realität wird das nie so aussehen. Solch ein hell-leuchtender Baukörper wird es die meiste Zeit des Tages nicht geben.
Das größere Manko ist m. E. aber der Standort, sowohl von Variante 1 wie auch von Variante 2. Ich kann mich mit beiden nicht wirklich anfreunden. Ich verstehe zwar die Intention,, einerseits Oper und Schauspiel möglichst beieinander zu lassen, um Synergien während des Betriebs nutzen zu können bzgl. Werkstätten etc. und andererseits während der Bauphase keine aufwändige Zwischenlösung nutzen zu müssen.
Aber wenn man sich Variante 1 so betrachtet, so wird hier ein herausragendes kulturelles Bauwerk - eine Oper - das zudem eine halbe Milliarde Euro oder mehr öffentliche Gelder verschlingen wird, in eine enge Ecke zwischen mehrere Hochhäuser gequetscht. Das ist m. E. keine gute Lösung. Ein solches Bauwerk benötigt Platz, es ist prädestiniert dazu, auch städtebaulich ein Leuchtturmprojekt zu sein und über seine unmittelbare Umgebung hinaus zu wirken. An dieser Stelle kann es das nicht.
Das Grundstück ist einfach zu schmal dafür, um die Front des Bauwerks zur Taunusanlage hin auszurichten. Man behilft sich damit, das Bauwerk um 90 Grad zu drehen, sodass die eigentliche Frontseite gegen die Wand des benachbarten Japancenters schaut, und öffnet das Foyer zu beiden Seiten hin. Davon ist aber eigentlich nur die Seite zum Park hin attraktiv, in die enge Hochhausschlucht der Neuen Mainzer verirrt sich derzeit jedenfalls kaum jemand - auch, wenn es natürlich die Chance böte, sie durch dieses Projekt zu beleben, was angesichts des nahen FOUR auch gelingen könnte. Trotzdem: mir genügt es nicht, nur den eigentlichen Seiteneingang zur Taunusanlage hin auszurichten.
Hinzu kommt, dass offenbar zumindest ein Teil des Bühnenbaus im Fuß des Hochhauses untergebracht werden soll, denn das eigentliche Operngebäude beherbergt nach den Renderings offenbar hauptsächlich das Foyer und den Zuschauerraum, der üblicherweise deutlich größere Bühenbau ist hier aber nicht sichtbar. Wenn aber die untersten 8 oder 10 Geschosse des Hochhauses praktisch aus einem Hohlraum bestehen, dann dürfte sich die Gestaltung von Eingangsbereich und Erschließungskern eines so schmalen Hochhauses als schwierig erweisen.
Als Drittes ist noch anzumerken, dass Opernhäuser meistens nur eine ansprechende Vorderseite haben und eine hässliche Rückseite. Irgendwo muss schließlich auch die Andienung untergebraucht werden für Requisiten, Catering etc. Selbst die Alte Oper hat einen solchen etwas weniger attraktiven Andienungsbereich. Wo will man das aber hier unterbringen? Im Fuß des Hochhauses? Irgendwo an der Neuen Mainzer Straße? Das macht die Straße jedenfalls nicht schöner und die gegenüberliegenden Hochhäuser werden sich bedanken, wenn sie die Mülltonnen vor ihr Foyer gestellt bekommen.
Genau das stört mich aber noch mehr an Variante 2. Ein Gebäude an diesem Standort liegt praktisch mittendrin, es ist von allen Seiten gut einsehbar, es gibt keine "Rückseite". Eine versteckte Andienungs-Zufahrt ist hier somit kaum möglich, es sei denn, man ordnet sie irgendwie unterirdisch an, wofür man aber wiederum eine Lkw-taugliche Rampe benötigen würde.
Noch mehr stört mich an dieser Stelle aber die Verletzung des Wallservituts. Die Taunusanlage muss einfach frei bleiben und gehört nicht zugebaut, auch nicht für ein Opernhaus - die beiden Gebäude, die es schon gibt, sind genug. Und wenn man die Wallanlagen schon irgendwo zubauen muss, dann bestimmt nicht gerade an dieser Stelle. Hier kommen die meisten Passanten vorbei, weil hier die Hauptverbindung zwischen City und Kaiserstraße/Hauptbahnhof entlang führt. HIer würde man den Vorplatz und die Sicht auf das dann neue Schauspielhaus zustellen. Und schließlich würde würde man hier dem (abgesehen von der Alten Oper) schönsten Gebäude an den gesamten Wallanlagen einen Klotz vor die Nase setzen - dem Fürstenhof. Sicher könnten zwei gegenüberliegende Gebäude dieser Art wie Oper und Schauspie im Sinne eines Kulturcampus ihren Reiz haben, das ist gar keine Frage und auch nicht die schlechteste Idee. Aber doch bitte nicht an dieser Stelle.