Selbst die SPD sieht langsam ein, dass die Vorschriften in Deutschland im EU Vergleich die mit Abstand am höchsten sind. Durch manchen Behördenvorschrift Wegfall könnten laut Bericht die Baukosten um bis zu 20% gesenkt werden
Der verlinkte Bericht benennt einen Teil des Problems:
"Nirgendwo sonst in der Europäischen Union gibt es so viele Bauvorschriften wie hierzulande. Bis zu 8.000 DIN-Normen sind in Deutschland zu erfüllen. Nur zehn Prozent davon sind Gesetzespflicht. Doch nur wer alle 8.000 Normen einhält, geht auf Nummer sicher, dass er nicht später von Mieterinnen und Mietern oder von Käuferinnen und Käufern verklagt wird - wegen angeblicher Baumängel."
Das mit "nirgendwo sonst in der EU" lassen wir mal weg, das ist dumme Propanda und führt am Thema vorbei.
Es verschränken sich also die bauordnungsrechtlich und die kaufrechtliche Ebene. Wegen Baumängeln kann vom Käufer (auf Schadenersatz, Nachbesserung, kaufpreisminderung z.B.) nur verklagt werden, wer die vertraglich geschuldete Leistung nicht liefert. Diese wird oft in DIN-Normen definiert, sie beschreiben den Stand der Technik oder die anerkannten Regeln der Technik, womit das vertraglich Geschuldete umschrieben wird. Was schuldet der Wohnungs-/Hausverkäufer, wenn nicht "Stand der Technik" oder eine Bauausführung nach den anerkannten Regeln der Technik? Man kann jetzt alle DINs ausmisten, abschaffen, keine neuen mehr erlassen.
Die DIN und EN, VDE-Standards usw. werden nicht behördlich vorgeschrieben, sie kommen aus der Industrie, aus den Verbänden, Kammern, Innungen, Normungsremien und woher sonst noch und erleichtern das Wirtschaften (Herstellen, Handeln, Verarbeiten, Verwenden, Verkaufen usw.) enorm. Wie einfach ist es, zur Beschreibung der vertraglich geschuldeten Leistungen auf etwas generell Konkretes wie eine Norm zu verweisen? Was soll denn in Verbraucherverträgen dann drin stehen, wenn nicht in weitem Umfang auf Normen verwiesen werden kann? Die Verbraucherseite wäre der Marktmacht der Bauträger, Baufirmen Hersteller usw. rettungslos ausgeliefert.
(Rekurs auf die EU: nirgendwo sonst, ist das Kaufrecht und die Rechtsprechung dazu so wie in Deutschland, weil die Gesetze unterschiedlich sind; und so wie in einigen anderen EU-Ländern möchtest du als Wohnungskäufer nicht behandelt werden. Aber es stimmt, man kann die Standards (= Errungenschaften) absenken, bei der Qualität, beim Komfort, beim Rechtsschutz, beim Sicherheitsniveau, bei Umweltauswirkungen auch über Bord schmeissen).
Die Bauordnungen definieren (hier Text aus Hessen, HH sinngemäß oder gar wortgleich):
§ 3 HBO: Anlagen sind so anzuordnen, zu errichten, zu ändern und instand zu halten, dass die öffentliche Sicherheit und Ordnung, insbesondere Leben, Gesundheit und die natürlichen Lebensgrundlagen nicht gefährdet werden. Dabei sind die Grundanforderungen an Bauwerke nach Anhang I der Verordnung (EU) Nr. 305 / 2011 zu berücksichtigen. Dies gilt auch für die Beseitigung von Anlagen und bei der Änderung ihrer Nutzung.
Das gehen wir sicher noch alle mit. Aber dann heißt es auch (§ 90 HBO):
Die Anforderungen nach § 3 können durch Technische Baubestimmungen konkretisiert werden. 2Die Technischen Baubestimmungen sind zu beachten. 3Von den in den Technischen Baubestimmungen enthaltenen Planungs-, Bemessungs- und Ausführungsregelungen kann abgewichen werden, wenn mit einer anderen Lösung in gleichem Maße die Anforderungen erfüllt werden und in der Technischen Baubestimmung eine Abweichung nicht ausgeschlossen ist;...
Die genannte Konkretisierung durch Technische Baubestimmungen erfolgt dann auf dem Erlasswege. Heraus kommt, was die Branche kritisiert, nämlich das hier (gibts mehr oder weniger gleichlautend in allen Buindesländern):
Hessische Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (H-VV TB) (Umsetzung der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische BaubestimmungenAusgabe 2023/1) Erlass vom 29. September 2022 (StAnz. S. 1189)
Nicht alles, was da drin steht, ist in allen BVH zu beachten, aber spannend wäre schon zu erfahren, wer darin was konkret gestrichen haben möchte und warum (Überflüssig? Teuer? zu Kompliziert?). Wie wärs, den Schallschutz im Hochbau zu streichen? Erspart teueren Fußbodenaufbau. Trittschalldämmung? Fast ganz Resteuropa kommte ohne aus. Aber möchtest du im Geschosswohnungsbau die Sanitärgeräusche und den Fernseher deiner Nachbarn hören? Jedes Stühlerücken?
Man kann auch für billige Plastikschläuche auf vergütete Wasserleitungen verzichten, halt um den Preis von gigantischen Wasserschäden nach Jahrzehnten. Im Grunde ist fast alles verzichtbar, mal abgesehen von Statik, Wärmeschutz und Brandschutz. Barrierefreiheit? Wozu? Ging früher auch ohne.
Dass im Wohnungsbau "die 8.000 Normen" eingehalten werden müssten, ist Quatsch. Wenn du keine Gastherme oder einen ofen einbaust, brauchts keine Normen über Feuerstätten usw. Wer keine oberirdischen Kraftstofftanks verendet, braucht sich nicht um die Löschwasserrückhalterichtline zu kümmern. Wer keine Feuerlöschanlage einbaut, braucht das Regelwerk zu CO2-Anlagen nicht, wer nicht mit Holz baut, braucht die Holzbaunormen nicht usw.
Umgekehrt: kann man der Baubranche trauen, wenn man sie nicht reguliert? Würden bestimmte Holzschutzmittel nicht verboten sein, würden sie immer noch verwendet, wenn sie nur billig genug sind; Asbest dito,