Mal wieder was Aktuelles.
In der Berliner Zeitung (leider hinter der Bezahlschranke, vllt gibt es jemanden mit Zugang der uns mehr zu dem Artikel erzählen kann?) gibt es einen Artikel über den möglichen Ausbau der Windkraft in Berlin. Da ich auf den Artikel ja leider nicht eingehen kann, werde ich das Artikelfoto zum Anlass nehmen über die mögliche Bedeutung der Windkraft im urbanen Raum zu philosophieren.
https://berliner-zeitung.imgix…s&rect=1346,226,3955,2966
.Berliner Zeitung, Plötzliches Ende der Flaute: Berlin will Windkraft-Metrople Deutschlands werden.
Zu sehen ist ein Rendering der Firma Mowea mit Sitz in Berlin. Dargestellt werden mehrere Einheiten des Mowea Swing bestehend aus je 2x Windkraftgeneratoren und 2x Photovoltaikmodulen mit pro Einheit 1,79 kWp (kilowatt-peak = Maximalleistung) und projektiertem Jahresertrag von ca 2.290 kWh. Auf dem Rendering sind 3 Einheiten abgebildet, nach Angaben des Herstellers würde so auf dem Dach, freundlich aufgerundet, ein Jahresertrag von ca 7.000 kWh erzeugt werden, entsprechend etwa zwei 3-Personenhaushalten. Bei der Photovoltaik verbrauchsgerecht zu den Tageszeiten, bei der Windkraft zufällig verteilt mit Maximum in den Wintermonaten.
Da steckt doch erstmal viel gutes drin, eine lokale Berliner Firma vertreibt Energieanlagen die, sind sie erstmal produziert, mit kostenlosen, quasi unerschöpflichen Naturphänomen Strom nah am Verbraucher bereit stellen. Die Kombination von Photovoltaik und Windkraft erscheint auch sinnvoll. Warum glaube ich trotzdem nicht an den Erfolg? Zumindest von diesem Produkt, der Firma selbst wünsche ich von Herzen immer eine handbreit positiven Deckungsbeitrag in der Bilanz.
Mit den Photovoltaikmodulen sehe ich kein Problem, diese Technik ist definitiv mittlerweile etabliert und liefert selbst bei uns am 52° Breitengrad noch gute Erträge. Nach wie vor und nach Stand der Technik stellen für mich Photovoltaik- und Solarthermiemodule die sinnvollste Art dar im urbanen Raum verbrauchernah Wärme/Kälte und Elektrizität bereit zu stellen. Moderne Module bieten selbst dem kleinen Privatnutzer mit Anlagengrößen <10kWp über die Nutzungsdauer Stromgestehungskosten von 6-11 Cent/kWh ohne Speicher bzw. 7-19 Cent/kWh mit Speicher. Quelle
Aus der Quelle gehen auch die Stromgestehungskosten von Windkraftanlagen hervor. Allerdings nicht die im Zeitungsartikel beworbenen Kleinwindanlagen sondern die großen, aufgemasteten Windkraftanlagen, diese bewegen sich zwischen 4-8 Cent/kWh an Land bzw. 7-12 Cent/kWh auf dem Meer. Ebenfalls sehr gute Werte. Deswegen wird diese Technologie ja auch gefördert, wenn es auch zunehmend zu Konflikten in der Bevölkerung mit steigender Dichte an Windkraftanlagen kommt.
Wie steht es denn nun um die Windräder auf dem Dach in der Stadt und unterscheiden sie sich so von ihren großen Geschwistern auf Feld und Meer?
Ich habe viele meiner Argumente dazu bereits in diesem Thread erwähnt, aber ich will sie hier nocheinmal anhand der technischen Daten des von Mowea beworbenen Windkraftgeneratores erläutern.
Laut Mowea besteht eine Einheit aus 2 Turbinen mit je 1,7m Rotor-Durchmesser, das entspricht 2,2m² Wirkfläche im Wind, insgesamt pro Einheit also runde 4,5m². Die Nennleistung der Gesamteinheit beträgt 1 KWoder 500 Watt pro Rotor. Mowea gibt den projektieren Jahresertrag mit 1500 kWh/Jahr an.
Oder anschaulicher: laufen die Rotoren mit Nennleistung kann je 1 Rotor etwa einen PC-Arbeitsplatz versorgen, auf dem Rendering sind 6 Rotoren zu sehen, die damit im gesamten Bürogebäude entsprechend 6 PCs versorgen könnten. Ist das viel? Ist das wenig? Mowea nutzt zur Errechnung der Jahreserträge eine mittlere Jahreswindgeschwindigkeit von 5m/s (18km/h) am Standort. In Anbetracht, dass die Generatoren genau 1 KW Leistung haben und damit in einer Stunde genau 1kWh erzeugen, ein Jahr 8760 Stunden hat, geht Mowea entsprechend der 1500kWh Ertrag von 17% Volllaststunden pro Jahr aus. Das finde ich fair und ehrlich! Da sind nahezu alle anderen Hersteller deutlich frecher und geben absolute Phantasiewerte an.
Zum Vergleich: Photovoltaik erbringt in Berlin pro m² und Jahr einen Ertrag von runden 1000kWh, auf einer Fläche von 4,5m² entsprechend ca 4500 kWh.
Nun nutzen die Rotoren aber Raum in der Höhe aus, auf der Dachfläche selbst benötigen sie nur die Fläche ihrer Aufständerung und stehen damit wenig in Konkurrenz zu den Modulen, ist dann die Kombination nich doch wieder sinnvoll? Generell schon, aber auch da sehe ich viel Konflikpotential. Ist es nicht eher sinnvoll die Resscourcen zur Produktion von Photovoltaik zu nutzen und damit erstmal die horizontalen Dachflächen zu nutzen um den Ertrag zu maximieren und gemessen am Ressourceneinsatz zu optimieren? Gäbe es hier Lösungen beispielweise die Lichtmaschinen von Gebrauchtwagen in den Windgeneratoren zu nutzen sähe das schon wieder anders aus. Lichtmaschinen in Autos decken Leistungen bis 3 KW ab und harmonieren damit sehr gut in der Leistungsklasse der Kleinwindanlagen.
Die Kombination aus Windkraft und Photovoltaik in einer Einheit wirft allerdings auch das Problem des Schattenwurfs auf. Der ständig über die Module wandernde Schatten führt im Schattenbereich nicht nur zu einer verminderten Stromproduktion sondern sogar zu einem lokalen Stromverbrauch. Damit sinkt der Wirkungsgrad ganz erheblich. Moderne Solarregler benutzen variable Widerstände um über MPPT (Maximum Power Point Tracking) das Produkt aus Strom und Spannung zu maximieren. Wie gut die Regler auf Schatten reagieren hängt von ihrer Abtastrate sprich ihrer zeitlichen Auflösung der Nachreglung des Widerstandes ab. Auch möglich, dass die Rotoren bei Nenndrehzahl schnell genug laufen, dass ihre Schatten so schnell über die Module laufen, dass es zu keiner Abnahme der Spannung kommt. Dazu ist mir nichts bekannt. Definitiv problematisch wird es und das wird häufiger vorkommen, wenn die Sonne scheint aber kein Wind weht. Dann stehen die Rotoren (und der Mast) und werfen einen festen Schatten. Klingt trivial bei den kleinen Rotoren, aber schon kleinflächige Verschattungen können, je nach Modulkonzeption, zu 25-30% Minderertrag führen. Dann gleicht die Stromproduktion der Windgenerationen in etwa genau das aus was sie in der Photovoltaik verhindern...
Was in bisherigen Windkraftanlagen auf Dächern die größten Probleme bereitet hat ist allerdings die Windgüte. WIe bereits von mir in diesem Thread erwähnt sind die horizontalen WIndgeneratoren, wie es die Rotoren nunmal sind, auf eine möglichst gleichmäßige, laminare Strömung angewiesen. Deswegen bauen wir die großen WIndkranftanlagen auf dem Feld auch so hoch, damit die Rotoren über der Rauigkeit der Bodenstruktur im freien Luftstrom hängen. In der Stadt ist die Situation eine völlig andere. Und wenn der Hersteller hier von durchschnittlichen Winden von 5 m/s schreibt, sagt das nichts über dessen Güte aus. In der Stadt gibt es zahlreiche Hindernisse an denen der Wind sich verwirbelt, es gibt Thermiken an warmen Hausfassden, es gibt Windverschattungen durch nahestehende Strukturen, etc.
Die Erfahrungen zeigen das all das zu deutlichen Mindererträgen führt (die Mowea allerdings mit den 17% Volllaststunden bereits ehrlich angegeben hat), desweiteren führen die Kraftgradienten im Rotorverlauf durch ungleichmäßige Anströmungen zu Schwingungen die sich auf die Hausstruktur übertragen, die durchaus dazu führen, dass die Rotoren einfach stillgelegt werden müssen. Doch auch wenn sie laufen, führen diese Kräfte zu einem starken Verschleiß aller Teile. Das vermindert die Betriebssicherheit und erhöht die Kosten. Auch können sich Nachbarn durch die drehenden Rotoren gestört fühlen, gerade falls durch Lichtbrechungen stroboskopartige Effekte enstehen sollten.
Mowea bewirbt seine Windgeneratoren hingegen auch gar nicht primär als urbane Lösung. Vorrangig beworben werden sie als Stromsparer für Mobilfunkmasten. Dort können sie mit an den Mast gehängt werden und so einen Teil des Strombedarfs der Funktechnik einsparen. Das erscheint mir auch deutlich seriöser als das das Versprechen, dass der Artikel der Berliner Zeitung suggeriert. Dort wird zu dem Rendering von 400.000.000 kWh Ertrag durch Kleinwindkraft in Berlin gesprochen. Überlegen wir dazu einmal:
Berlin hatte im Jahr 2021 einen Strombedarf von 12,6 TWh oder 12.600.000.000 kWh. Die gennanten Erträge durch Kleinwindkraft würden dann also 3,1% des Berliner Bedarfs decken, wenn sie immer direkt genutzt werden können.
Die abgebildeten Rotoren erzeugen pro Paar 1500kWh/Jahr. Dann werden also 532.000 (!) dieser Windgeneratoren benötigt - um 3% des Strombedarfs zu decken. Aberwitzig! Solch oberflächlicher Klatschjournalismus macht mich wütend, er weckt falsche Versprechen und führt nur zu Enttäuschung.
Das KKW Neckarwestheim erzeugt(e) übrigens pro Jahr allein 10 TWh, hätte also Berlin fast allein versorgt und wöllte man dieses mit Kleinwindkraft ersetzen bräuchte man über 19 Millionen dieser Kleinwindräder, die noch dazu ständig in der Produktion schwanken.
Ich frage mich, was soll das? Wo is die Logik, wo der Realismus? Haben wir uns als Gesellschaft so verrannt, dass wir uns selber die Welt schön schreiben müssen? Wird schon alles gut werden, nur ein paar Windräder aufs Dach und wir haben sauberen, Strom und brauchen von heut auf Morgen weder Gas noch Kernspaltung? 532.000 Windräder nur in Berlin für 3% des Stroms werden hier als gangbarer Weg verkauft. Irre!
Ich habe die Energiewende lange verteidigt und fand die Strategie Kohle und Kernspaltung mit Bedacht (!) auszuschleichen, das Gas zur Überbrückung zu nutzen um stetig den Anteil der Erneuerbaren zu erhöhen gut. Deutschland hat mit seiner Anschubfinanzierung der Photovoltaik in den 90ern und frühen 2000ern diese Technologie für die ganze Welt erschlossen, marktfähig gemacht und heute? Katastrophe! und die Diskussion zu Erneuerbaren is beherrscht von völlig weltfremden Ideologen und windigen Geschäftemachern.
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