Beiträge von Ernst

    Es ist bezeichnend, daß der einfühlsamste Entwurf wieder einmal von GMP stammt. Ich halte das nicht für einen Zufall. Das sind Leute, die offensichtlich Sinn für städtebauliche Dimensionen und Traditionen haben und nicht in erster Linie überlegen, wie sie sich ein besonders bombastisches Denkmal setzen können. Das erkennt man hier wie auch am Berliner Hauptbahnhof, an den Planungen für den Alexanderplatz oder die Neubauten an der Kreuzung Unter den Linden/Friedrichstraße. Alles eindeutig moderne Gebäude, aber eben mit Gespür für das Umfeld.

    Zitat von stativision

    Eine Kopie einer Kopie einer Kopie jedenfalls fasse ich weder als respektvoll, noch als schön oder qualitätsvoll oder architektonisch wertvoll auf. Sicher ist das Glaseingangsgebäude nicht die beste aller vorstellbaren Möglichkeiten, aber allemal geschickter als ein dumpf historisierender Neubau.


    Ja. darauf habe ich gewartet. Es wurde höchste Zeit, daß das Stichwort "dumpf" fällt.


    Fällt vielleicht jemandem doch noch etwas ein, was sich irgendwo zwischen Glascontainern und "dumpf historisierend" bewegt?

    Zitat von BMXican

    warum muss man sich aber überhaupt an sowas halten? warum nicht mal etwas, was total aus dem kontext genommen ist?


    Die Städte wimmeln von Gebäuden, die "total aus dem Kontext genommen" sind. Die Frage ist, warum das ausgerechnet an einem städtebaulich und historisch derart sensiblen Ort nun auch noch sein muß.


    Winfired Kölsch,


    nette Idee - nur daß die Hammaburg eine Holz-Erde-Konstruktion war. Aber ein kleiner archäologischer Park, ein Denkmal oder mindestens eine größere Infotafel scheinen mir allemal angebracht zu sein. Zu überlegen wäre meiner Ansicht nach auch, wie man an den Mariendom erinnert, der Anfang des 19. Jahrhunderts in einer grandiosen Barbarentat :angry: abgebrochen wurde.

    Manuel,


    Ich rede nicht von Unsichtbarkeit, sondern von Respekt. Bezeichnend finde ich die Äußerung, es könne sich für einen Architekten nicht lohnen, Gebäude zu entwerfen, die sich ihrer Umgebung anpassen, weswegen - so die implizite Folgerung - ein moderner Architekt die Wirkung von historischen Enbsembles ruinieren müsse, für die er Ergänzungen plant. DAS nenne ich phantasielos - von der Rücksichtslosigkeit ganz zu schweigen. Architektur ist eine Dienstleistung! Soll die moderne Architektur doch zeigen, daß sie so ein Ensemble weiterentwickeln und eigene Akzente setzen kann ohne daß das Ganze aus dem Gleichgewicht gerät. Aber so eine erbärmliche Kiste wie der Chipperfield-Entwurf ist der Museumsinsel einfach unwürdig. Es ist ja auch nicht so, als gäbe es keine gelungenen modernen Ergänzungen historischer Bauten und Bauensembles. Man denke nur an die Reichstagskuppel (die man dem egozentrischen Architekten allerdings auch erst gegen empörten Protest abzwingen mußte).


    Und natürlich kann man bei Wilhelminismus nicht immer von Qualität sprechen. Niemand generalisiert hier. Man kann aber durchaus von einem dramatischen Qualitätsgefälle zwischen den bestehenden Bauten der Museumsinsel (das Neue Museum vielleicht ausgenommen) und dem Chipperfield-Entwurf sprechen.


    Du sagst, Architektur müsse immer ein Spiegel ihrer Zeit sein. Ich bin mir nicht sicher, ob das immer so sein sollte, aber nehmen wir es mal hin. Warum aber muß dann die Architektur ein Dokument der Rücksichtslosigkeit sein? Das wirft aus Sicht späterer Generationen kein gutes Licht auf unsere Zeit. Also: Da liegt doch eine lohnende Aufgabe von Architekten: Kann man keine modernen Gebäude planen, die unsere Zeit als maß- und repektvoll gegenüber historischer Bausubstanz kennzeichnen? Das muß doch möglich sein.

    Bis auf weiteres weigere ich mich zu akzeptieren, daß moderne Architektur respektlos mit ihrem Umfeld umgehen muß. Wenn die Anpassung an das bestehende Ensemble in Größe, Baumaterial, Farbe und Form - oder wenigstens in einigen dieser Kriterien - gleichzusetzen ist mit "Historisierung", dann ist mir das zwar unverständlich, aber sei's drum. Dann ist es eben Historisierung. Der Begriff macht einen behutsamen Umgang mit der Umgebung nicht weniger notwendig.


    Das Ärgerliche ist die Weigerung, sich auf die städtebauliche Umgebung einzulassen. Dabei wäre das doch eine lohnende Aufgabe für einen Architekten, eine moderne Ergänzung zu bauen, die ihre Modernität nicht leugnet und einen eigenen Akzent setzt ohne gleich das Gesamtbild des Ensembles zu ruinieren. Diese Aufgabe ist viel anspruchsvoller als der Schlag ins Gesicht von Chipperfield, der auch deswegen so unglücklich wirkt, weil man bereits jetzt den ungeheuren Qualitätsunterschied zwischen den Gründerzeitbauten und dem geplanten Eingangsgebäude nicht übersehen kann.

    Ärgerlich ist die fast schon aggressive Verweigerung jeglicher Beschäftigung mit der Geschichte eines Ortes. Auf dem Domplatz stand bis zum 2. Weltkrieg die Gelehrtenschule des Johanneums. Bilder gibt es hier:


    http://www.bildindex.de/rx/apsisa.dll/init?sid={94aa2e5a-1e49-4e02-a26f-effeff54fbf0}&cnt=28581&%3Asysprotocol=http%3A&%3Asysbrowser=dom&%3Alang=de&


    Es würde sich anbieten, bei der Planung eines Neubaus zu überlegen, inwieweit man an die Formensprache des Vorgängerbaus anknüpfen könnte, ob sich beispielsweise eine moderne Interpretation des charakteristischen Kolonnadenganges finden ließe. Aber so viel Respekt vor der Tradition des Ortes scheint zu viel verlangt zu sein.

    Mir kommt das Geschrei um den Bahnhof Zoo auch übertrieben vor. Der Bahnhof Zoo ist eigentlich viel zu eng für den Fernverkehr. Er ist erst durch die deutsche Teilung notgedrungen zum Fernbahnhof geworden. Nun wird er wieder zu dem, was er eigentlich immer war, nämlich ein wichtiger Regionalbahnhof. Er gehört in die gleiche Kategorie wie der Bahnhof Friedrichstraße, an dem ja auch keine Fernzüge halten. Dennoch ist da der Bär los. Das wird auch beim Bahnhof Zoo so sein. Niemand wird da eine Verödung fürchten müssen. Und kein Reisender wird unerträgliche Unbill auf sich nehmen müssen.

    Die Touristen sind die Kunden, die Stadt Berlin der Anbieter, der fast schon verzweifelt auf sie angewiesen ist. Alles, was den Touristen den Aufenthalt erleichtert und ihn angenehmer macht, ist richtig, gerade für eine Stadt, die so sehr vom Tourismus abhängig ist wie Berlin.


    Nimm's nicht persönlich, ist nicht so gemeint, aber ich könnte kotzen: Das ist genau die Mentalität, die mich an Berlin aufregt: "Sollen die Touris doch gefälligst..." Die Touris sollen gar nichts! Ein Laden, der mir so kommt, hat mich zum letzten Mal als Kunde gesehen. Wer will hier was von wem?

    Na ja, aber das "touristische" ist natürlich ein guter Grund. Wer aus den USA nach Berlin kommt, sucht nach dem Brandenburger Tor und nicht nach dem Pariser Platz, den er gar nicht kennt. Insofern ist es vielleicht etwas langweilig, aber durchaus ein guter Dienst am Kunden, die Stationen, die an den Hauptsehenswürdigkeiten liegen, auch nach diesen zu benennen.

    Erstaunlich ist eher, daß jeder, der mit dem Gedanken spielt, ein Gebäude aus den 50er oder 60er Jahren abreißen zu wollen, sich mit der Behauptung auseinandersetzen muß, er wolle "die Vergangenheit tilgen". Ich kann auch nicht erkennen, was an den Gebäuden am Ernst-Reuter-Platz "wegweisend" sein soll. Dazu sind sie zu jung und zu mittelmäßig. Stadbildprägend ist diese Art von Gebäuden allerdings, und zwar nicht nur in Berlin, sondern in halb Westdeutschland, und das im Übermaß. Das macht einzelne Exemplare dieser Art nicht unbedingt erhaltenswerter.


    Das heißt nicht, daß ich etwas dagegen hätte, das Haus stehen zu lassen. Der Abriß würde den Platz auch nicht schöner machen.


    Übrigens: Mit welchem Recht kann man eigentlich eine Architekturtradition als "wegweisend" feiern mit derm Argument, sie sei stadtprägend, und einer anderen, "Gelsenkirchner Barock" (der Begriff wird übrigens eigentlich für Möbel verwendet), die Existenzberechtigung absprechen, obwohl sie nicht weniger stadtprägend ist?

    Gut, dass du nicht ernsthaft die Kriegszerstörung einer Fremdmacht mit dem Abriss hässlicher Bauten vergleichst.


    Warum sollte ich das auch tun? Ich vergleiche die Kriegszerstörung von Städten mit dem mutwilligen Abriß schöner und wichtiger Bauten. Die Ursachen sind unterschiedlich, die - städtebaulichen - Folgen sind vergleichbar. Und es gibt keinen Grund, die Menschen zu zwingen, dauerhaft mit ruinierten Städten oder Stadtvierteln zu leben.

    Das eine schließt das andere doch nicht aus. Ich wüßte noch viel mehr zu nennen, was mir an Berlin nicht gefällt, beispielsweise, daß die Stadt an vielen Stellen im öffentlichen Raum erschreckend heruntergekommen und völlig verdreckt ist. Ärgerlich wird es erst dann, wenn man vor lauter Gemaule vergißt zu sehen, was sich bereits positiv entwickelt hat.


    Abgesehen davon nehme ich mich selbstverständlich heraus: Ich bin ja kein Berliner, darf also hemmungslos meckern. :)

    Zitat von stativision

    Mal davon abgesehen, dass ich bisher dachte, nur eingefleischte Berliner glaubten, dass Berlin totale Kacke ist...


    Das ist meiner Ansicht nach ein wesentlicher Punkt. Es wäre viel gewonnen, wenn die Berliner aufhören würden, permanent zu maulen und ihre eigene Stadt zu beschimpfen. Berlin hat ein großes Potential und hat sich trotz aller Probleme in den letzten 16 Jahren großartig entwickelt. Darauf kann man ja auch mal etwas stolz sein.