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Glaube eher nicht, dass das "typisch deutsch" ist. Mit eine Ursache könnte sein, dass durch die europäischen Institutionen das (berechtigte!) Gefühl entstanden ist, auch bei wesentlichen Richtungsentscheidungen keinerlei Mitspracherecht mehr zu haben. Wenn immer dann die Bevölkerung zu einem Thema direkt befragt wird, gibt es schonmal von Haus aus einen gewissen Prozentsatz, der "nein" sagt - einfach, um endlich einmal "nein" sagen zu können.
Das ist doch Quatsch. Die Volksgesetzgebung ist in Hamburg nun nichts Neues, sondern führte schon zu mehreren Volks- und Bürgerentscheiden auf Bezirksebene. Den europäischen Institutionen vorzuwerfen, sie seien nicht demokratisch genug, ist auch falsch. Gerade durch Lissabon haben die Unionsbürger viel mehr Möglichkeiten als bspw. bei uns auf Bundesebene, wo es direktdemokratische Elemente wie die "Europäische Bürgerinitiative" gar nicht erst gibt, sondern nur in einigen Bundesländern wie eben Hamburg. Auch in Sachen Transparenz und Antikorruption hinkt die Bundesrepublik weit hinter den EU-Institutionen her. In den Argumenten der Kritiker, egal was man von ihnen halten mag, ging es auch nicht um EU-Bashing im BILD-Niveau.
Mich störte am Feldzug der Olympiagegner viel mehr, dass sie nie auf das konkrete Konzept Hamburgs (ob Sportstätten, Nachhaltigkeit, Finanzierung, Mobilität, ...) eingingen, sondern willkürlich andere Spiele herauspickten, um Ängste zu schüren. Bei einer Stadt gab es in der Zeit viel Verkehr(schaos), woanders stiegen die prognostizierten Kosten, in der nächsten Stadt waren Scharfschützen auf Dächern und im nächsten verweist man auf Gentrifizierung. Als wenn der Kleine Grasbrook ein Wohnquartier wäre. Mit der selben Masche hätte man positive Aspekte über etliche Spiele herauspicken können, aber das wäre genau so falsch.
Aber ist ja nun auch egal. Das Thema ist gegessen und ich bezweifle, dass Hamburg es 2019, kurz vor der nächsten Bürgerschaftswahl, noch einmal versucht, auch wenn der DOSB Hamburg auch als deutschen Kandidaten für 2028 nominierte. Vielleicht mag die Zustimmung ohne aktuelle Terroranschläge, Flüchtlingskrise, Dopingskandale etc. leicht steigen und man erhält ein Ergebnis, das früheren Umfragewerten nahekommt (ca. 60%), aber das ist generell zu wenig und vor seiner Entscheidung macht das IOC eigene Umfragen, weil es eine sehr hohe Zustimmung wünscht und keine medienwirksamen Proteste. Daher hätte Hamburg eh das Nachsehen, wenn sich die Stimmung in der Stadt nicht "über Nacht" ändert, womit wohl niemand rechnet. Für 2024 war eh Los Angeles der Favorit, da es länger als Europa (Atlanta vs. London) nicht mehr am Zug war, die Sportstätten schon alle stehen ("Nachhaltigkeit") und die Medienkonzerne Nordamerikas bis einschließlich 2025 die Übertragungsrechte für Olympia haben; und nach Peking für 2022 sind nur noch die Spiele 2024 in diesem Zeitraum zu vergeben. Ganz zu schweigen davon, dass die Zustimmung in LA nach repräsentativen Umfragen bei über 80%. Sollten wider Erwarten Rom (historisch bedeutsam) oder Paris (Zeichen gegen Terrorismus) für 2024 gewinnen, hat es sich sowieso erledigt, weil Europa nicht zweimal hintereinander die Spiele bekommen wird. (Mit Budapest rechnet wohl niemand, aber liegt ja auch in Europa.)
Zudem gilt Deutschland als Favorit für die EM 2024. Die werden zwar erst wenige Monate nach den Spielen 2024 vergeben, aber jedem war klar, dass das IOC dies berücksichtigt. Außerdem ist Hamburg bzw. Norddeutschland nicht der attraktivste Markt und mit "Wir bauen einen neuen Stadtteil in einer der reichsten Städte Europas" überzeugt man nicht die Delegierten aus Asien, Afrika und Südamerika. Und offensichtlich nicht einmal die Bürger der Stadt, die von den Investitionen profitieren würde. Wenn Hamburg a) eine hohe Zustimmung hat, b) 2028 schwache Konkurrenten und c) 2024 an LA (Nordamerika) ginge, hätte man für 2028 eine Chance. Ansonsten nicht, egal wie gut das Konzept ist. a) ist sehr unwahrscheinlich, b) eher auch und nur c) könnte gut eintreffen.
Man sollte sich aber davon verabschieden (nicht an Dich gerichtet, sondern allgemein an einige Diskutanten), dass das Geld nun für andere Zwecke eingesetzt wird. Insgesamt sollten etwa 15 Milliarden (inkl. Privaten, IOC usw.) in Hamburg investiert werden. Ob das direkt für den Haushalt positiv wäre, mag ich nicht beurteilen, aber für die Bürger allemal. Die Gelder fließen aber ohne Spiele nicht und der Hamburger Anteil, der doppelt so hoch war wie in London (20 statt 10 Prozent), wird ohne das zu erwartenden Wachstum auch nicht frei. Ebenso wird der Hafen nicht den Kleinen Grasbrook räumen. Für eine einmalige Sache wie Olympia könnte man das rechtfertigen, aber nicht einfach nur wenige Tausend Wohnungen. Da wird man lieber darauf verweisen, dass es noch viele innenstadtnahe Gebiete gibt, wo man günstiger und schneller mehr Wohnraum schaffen kann, u.a. in der City Süd bzw. Rothenburgsort, in Billbrook und Billwerder. Die dort ansässigen Gewerbe- und Landwirtschaftsbetriebe haben nicht mehr Legitimation als die Betriebe auf dem Kleinen Grasbrook. Zudem sind sie besser erschlossen (u.a. mit dem ÖPNV).
Woher soll Hamburg auch die Ersatzflächen nehmen? Moorburg räumen? Daran wird sich die Politik kaum die Finger verbrennen wollen, wenn es nicht eine große Zustimmung für ein Projekt gibt. Von Wohnraum für 10.000 Menschen haben die wenigsten Menschen etwas. Die Proteste kann man sich denken. Einen hafenfeindlichen Kurs ("Pech gehabt, gibt keinen Ersatz") wird auch kein Senat wagen.