Diese gelungene Ergänzung des Gallus gefällt auch mir.
Ein Laden im Erdgeschoss ist natürlich außerordentlich zu begrüßen – Gastronomie wäre an dieser Stelle optimal. Diese prominente, oder besser: exponierte Stelle schreit ja nach einer Aufwertung und einem kleinen modernen Eck-Café. Zwar gibt in der Nähe auf der Europa-Allee bereits ein brauchbares Café, aber das geht auf der monströsen Ausfallstraße ein wenig unter. Die sonstigen Lokale in der Umgebung zielen eher auf den ‚harten Kern‘ der Gallus-Bewohner. Dem Stadtteil fehlt, verglichen mit den In-Stadtteilen Nordend und Sachsenhausen, ein gesundes Maß an zeitgemäßer Konzeptgastronomie, was (so scheint es mir) auch dem Mangel an angenehmen, belebbaren Orten geschuldet ist. Dieser Neubau könnte aus der etwas heruntergekommenen, grauen Ecke das machen, was man gegenwärtig mit dem positiv konnotierten Begriff ‚urban‘ betitelt: Nicht chic oder ernsthaft schön, aber doch bodenständig und potentiell trendig… bevor ich nun aber ins Werbisch abdrifte, zurück zum Bau.
Das Dach ist zwar ein wenig zerklüftet, passt sich aber – wie ich finde – vorzüglich in die Dachlandschaft des Gallus ein. Die Rundung des Baukörpers wird auf dem Rendering merkwürdig kantig dargestellt?! Ich vermute mal, dass ist nur der schwachen Qualität des Renderings geschuldet. Der rote Erker und die roten Balkone könnten ein Versuch sein, den Baukörper mit Farben optisch ein wenig zu ‚klammern‘ (was vollkommen überflüssig ist), oder (jetzt kommt eine kühne Theorie!) die Rotfärbung ist dem wenige Meter entfernten Zentrum/Lokal einer marxistischen/leninistischen/linken Vereinigung geschuldet. Der vorrausschauende Plan der Projektmanager: Wenn wir das Ding teilweise rot anstreichen und vielleicht noch einen Hammer und eine Sichel draufkleben, dann bleiben die Fensterscheiben bei der ersten Demo gegen die imperialistische Gentrifizierung des Viertels durch böse Neubau-Kapitalisten vielleicht heile…
Dieser Gedankengang könnte dann auch Teile der nur auf den ersten Blick verunglückten Homepage erklären.
Als ich jene Homepage zu dem Objekt durchgelesen habe, dachte ich zunächst, es sei (neben ein paar kleinen Schnitzern) ein grober Fehler die Lagebeschreibung des Gallus ernsthaft mit den Worten zu beginnen:
„Der Name Gallus kommt von Galgenfeld, weil hier der Frankfurter Galgen stand. Der ist weg, aber das Wahrzeichen des Stadtteils, die "Galluswarte" steht noch .“
Man könnte wirklich im ersten Moment annehmen, die Erwähnung des Viertels als frühere Richtstätte, ja die bloße Nennung des Wortes „Galgen“ sei die absolut verstörendste, unattraktivste und kontraproduktivste Wortwahl, um bei liquiden Kunden für das Viertel zu werben.
Man könnte Anfangs glauben, die Umschreibung entwerfe nicht das Bild einer ‚trendigen‘, ‚bunten‘, ‚urbanen‘ Gegend, sondern wecke die Assoziation, das Gallus sei ein zwielichtiges Viertel, ein No-go-Area für Aussätzige, ein Ort der Untoten… ‚Living auf dem Galgenfeld‘… Eine Information für Geschichtsbücher, aber nicht für Werbetexte.
Doch wenn man nun an den potentiell marodierenden Mob denkt, dann ergibt das Zitat schon Sinn. Die Information, wonach es in diesem fortschrittlichen Viertel keinen Galgen mehr gibt, ist die Entscheidende! Wenn nämlich der Interessent mit seinem Wagen der oberen Mittelklasse eines Tages durch die tristeren Ecken des Gallus fahren und neben Plakaten marxistischer Parteien vermummte Autonome sehen wird – deren Anblick bei ihm vielleicht Ängste um Leib, Leben und Wagen hervorrufen, wie damals in Hamburg –, dann wird er beruhigt an den erfrischend ehrlichen und unkomplizierten Text auf der Objekt-Homepage zurückdenken. Und durch seinen Kopf wird es geistern: „Keine Angst, der Text hat dich auf alles vorbereitet. Denk dran, den Galgen hat man hier abgebaut (!) – Du kannst und wirst hier nicht gelyncht werden. Alles wird gut.“
Spaß beiseite, die Homepage könnte von der Nigeria-Connection verfasst worden sein. Den Text sollten sie ändern.
PS: Das Gallus ist selbstverständlich kein No-go-Area und die Linken ziemlich friedlich. Und das Objekt selbst wird wohl keine Highend-Luxusimmobilie, die die linke Klientel des Gallus zur Weißglut treiben dürfe. Das war eine Überspitzung, um die abstruse Homepage zu erklären. Wie diese Nachbarn die Neubauten aufnehmen, ist an sich allerdings schon spannend. Das Europaviertel lieben sie ja auch nicht gerade… aber das ist auch schwer zu lieben… ich schweife ab.