EKZ in Essen
Ich pflege ein reges Interesse an großen innerstädtischen Projekten und stand daher selbstverständlich in der Pflicht, auch das neue Einkaufszentrum in Essen zu besuchen. Eigentlich wollte ich damit bis Fertigstellung warten, aber die oftmals wenig schmeichelhaften Beurteilungen, die mir zu Ohren kamen, haben mich neugierig gemacht, mir vorab eine Meinung zu bilden.
Das Einkaufszenturm am Limbecker Platz hat schon einige mehr oder weniger schmeichelhafte Kosenamen erhalten. Ich möchte es im Folgenden „EKZ“ nennen, denn dieser Name passt sehr gut und sagt alles aus. Einkaufszentrum! Kennste eins, kennste alle. Dieser Satz passt nicht immer, aber oft. Wenn ich mich zunächst nur auf das Innenleben des EKZ beziehe, muss ich feststellen, dass es unter einem Mangel an Individualität leidet. Es herrscht keine angenehme Atmosphäre. Viel zu wenig natürliches Licht fällt ein. Die Decken hängen tief. Alles wirkt gedrungen wie in einem... lassen wir das. Bleiben wir lieber bei der Bezeichnung „EKZ“. Den Mangel an Individualität versucht das EKZ vergeblich durch billig und aufgesetzt wirkende Details wett zu machen. Plumpe Anspielungen auf europäische Metropolen an den Wänden sollen fehlenden eigenen städtischen Flair ausgleichen und überspielen, dass man für dieses EKZ eigentlich gar kein Thema hat. Seltsam anmutende Verzierungen wirken eher kitschig. So wie der Stuck von OBI zum Aufkleben. Alles wirkt wie gewollt, aber nicht gekonnt. Wie Flair made in Taiwan. Überwiegend wirkt das EKZ farblich eintönig, an anderen Stellen wieder geschmacklos schrill und bunt. Es findet kein rechtes Maß, kein Thema, keine eigene Linie und schon gar keinen Flair. Künstliche Blumen runden das sterile Bild ab und der auf der unteren Ebene versteckte mit ein paar Treppenstufen versehende Standard-Springbrunnen erscheint wie eine Arena mit Endzeitstimmung.
Man kann nur hoffen, dass der jetzige Eingangsbereich an der Limbecker Straße den noch nicht abgeschlossenen Bauarbeiten geschuldet ist, denn so kann das nicht bleiben. So ist das ein absolutes Desaster. Man öffnet die Tür ins vermutete Einkaufsparadies und steht sofort vor einer im rechten Winkel verlaufenden Rolltreppe. Man läuft wie wie vor eine Wand. Im Eingangsbereich benötigt ein EKZ Luft zum Atmen, zur Repräsentanz und Großzügigkeit. Treppen und Wege müssen den Eintretenden einladen. Abwarten, wie es nach der Fertigstellung aussehen wird. Die meisten Shoppingeinheiten sind eher klein gehalten. Dafür gibt es ganz, ganz viele von ihnen. Im Großen und Ganzen: Das übliche Angebot. Nichts Besonderes.
Der gastronomische Bereich ist selbst auf seinem Fast-Food-Niveau reichlich unterentwickelt und bietet nicht einmal durchschnnittliches Kantinenflair. Auch hier gilt, die Fertigstellung abzuwarten. Die Atmosphäre wird diesselbe bleiben, wage ich zu erahnen, weil im zweiten Bauabschnitt sicherlich nicht etwas völlig anderes verbrochen wird als in dem bereits vollendeten Abschnitt. Der Stil wird bleiben und dieser ist einfach aufgesetzt, kalt, trivial, entsetzlich einfallslos und billig. Ankermieter Karstadt passt sich diesem bescheidenen Bild an und wartet nicht mit der Produktpräsentation wie Karstadthäuser in anderen Großstädten auf. Zudem verzichtet Karstadt in Essen erstaunlicherweise auf jedwede kulinarische Genüsse.
Kommen wir zum Außenleben, welches wohl an ein UFO erinnern soll. Hier mag man sagen: Hej, das ist individuell! Ehrlich? Das hatten wir auch schon 1000 Mal. Pseudo-futuristische Bauwerke, die Raumschiffen ähneln sollen und nicht mehr als gähnende Langeweile verbreiten. Herzlichen Glückwunsch Essen, sie haben das Rad neu erfunden. Wenn man von der Limbecker Straße auf den wenig repräsentativen Eingang zuläuft, sticht das Bauwerk eigentlich erst dann ins Auge, wenn man unmittelbar davor steht und begreift, welches Schicksal es mit einem Ufo tatsächlich gemeinsam hat: Den Absturz!
So hoch und wuchtig, wie erwartet, ist es gar nicht. Dennoch fügt es sich keineswegs in die vorhandene Bebauung ein und wirkt wie ein Fremdkörper. Die Außenwirkung ist bereits eine Androhung dessen, was da kommen mag, wenn man den grauen Riesen betritt: Enge und Einfallslosigkeit. Vor dem Eingang an der Limbecker Straße fehlt es an Platz und Repräsentanz und Eleganz. Die Assoziation „Kleid“ wurde bei mir nicht unbedingt geweckt. Wenn man schon seine Phantasie bemühen will, könnte man in dem unteren gläsernen Bereich einen geöffneten Mund mit Zähnen und in der oberen blechern wirkenden Umhüllung eine Oberlippe mit reichlich Pusteln erkennen. Die Unterlippe kann man selbstverständlich nicht sehen -wie sollte es auch anders sein? Schließlich steht einem das Wasser bis Oberkante Unterlippe, wenn man diese Bausünde einmal live erlebt hat.