Ich war kürzlich hier in der Provinz im Karstadt. Es war gegen 10:30 Uhr. Auf 4 Etagen vielleicht 30 Besucher bei vielleicht 25 Verkäufer/innen. Das Restaurant, früher ein Anziehungspunkt in der obersten Etage, hat eh schon länger geschlossen. Wie soll sich so etwas auf die Dauer rechnen? Und außer vielleicht der Haushaltsabteilung gibt es alles andere: Schuhe, Kleider, Taschen, Koffer, Parfüm, Süßwaren etc. im nahen Umkreis in verschiedenen Fachgeschäften.
Da ist doch das Konzept für den Karstadt am Hermannplatz doch viel besser: Büros, Wohnen, Kultur und auch etwas Einkaufen. Und dazu eine attraktive Architektur.
Provinz ist ein schrecklich unzeitgemäßer Begriff aus Zeiten von Monarchie und Imperien, wo kultiviertes Leben und gehobener Lebensstandard mit materiellem Reichtum den wenigen zentralen Residenzstädten vorbehalten war, die ihre Provinzen hierfür aussaugten. Da erkannte man die Bauern aus der Provinz, die sich nur tageweise in der Stadt aufhielten, schon an der Kleidung, der Städter rümpfte die Nase. Heute tragen im Zweifelsfall die Leute in Berlin, Böblingen und Barcelona die selben Klamotten von Nike und Co., haben die selbe Spotify Playlist, usw.
Und er weist auf ein weiteres Problem hin, heutzutage gibt es sowas nicht mehr. Städte unterscheiden sich durch Einwohnerzahl und vieles andere, aber nicht mehr durch ein begrenztes Angebot an Waren, Gütern, Wissen uä. Du kannst heutzutage alles an Waren überall bekommen, sei es im Einzelhandel oder eben im Internet, an jede Alm über Nacht geliefert.
Genau das ist das große Problem des klassischen Großstadtshoppings. So sehr das viele zum Erlebnis stilisierten und manche auch sicherlich so empfinden, so war es doch objektiv betrachtet einfach eine Notwendigkeit an Dinge zu kommen die es sonst nirgendwo gab. Selbst aus Berliner Randlagen musste man schon zB am Wochenende zu Karstadt und Co. um die Dinge zu kaufen, die es im Supermarkt halt nicht gibt und mit der Quelle, falls es sie dort gab, vielleicht in 3 Wochen (nach schriftlicher Bestellung) per Frachtpost kamen, für mehr Geld als aus dem Karstadt. Heute ist es ja umgekehrt, während der Mittagspause im Büro per App bestellt, abends schon Zuhause, billiger als im Karstadt, kein extra Gerenne dafür und auch kein "hamwa nich" Kundenservice, sondern kulante Rückgabe bei Nichtgefallen. Das ist des Pudels Kern und daran kann auch kein Investor und kein komischer "Baustadtrat" etwas ändern.
Es gibt kein Alleinstellungsmerkmal von zentralen Einkaufslagen in Großstädten mehr. Nicht einmal bei Dingen die besonders kreativ und edgy sind, das gibt's auch alles bei Etsy. Und die Teenager holen sich die Inspiration bei Insta und Tiktok, nicht mehr beim Schlendern.
Es ist eine vergangene Welt, diese Vorstellung einer "lebendigen Innenstadt" = Shopping sowie insbesondere die Warenhäuser, die nur noch auf geborgter Zeit lebt. Wesentlich von den Boomern, wenn mein privates Umfeld in irgend einer Form repräsentativ ist. Das ist wirklich wie eine harte Mauer zwischen den Generationen. Selbst fast fashion ist ja schon von Primark zu Shein ins Netz abgewandert. Die haben jetzt einen Pop Up Store in Berlin, als Kulisse für eine Werbekampagne taugt die Innenstadt noch.
Aber sonst haben große Einzelhandelsimmobilien einfach keine Zukunft, insbesondere keine monofunktionalen Megastrukturen. Was will man mit diesen leeren Ebenen ohne Tageslicht, mit Rolltreppenloch in der Mitte, auch sonst machen, ohne Warenhaus? Mit dem Konzept von Signa hätte der Standort vielleicht langfristig ein attraktiver Anziehungspunkt sein können, gerade weil das Thema Warenhaus nur noch eine Nebenrolle darin spielt.
Dafür, dass Berlin immer so modern sein will, ist die Politik des Bezirks verdammt piefig.