Durchaus mit einem Schmunzeln möchte ich anmerken, dass ich ein wenig traurig darüber bin, dass mein eigentlicher, selbstredend pointierter Gedanke, das Quartier um den Schweizer Platz mit dem Geist der Gegenwart im Norden Frankfurts ein zweites Mal zu bauen - unter Rücksichtnahme auf Eigenheiten, Proportionen und Farbgestaltung - gänzlich unter den Tisch gefallen ist.
Ich fände es spannend, Straßen und Plätze abzulaufen, deren Gliederungen und Raumdefinition einem von anderer Stelle vertraut sind. Es wäre eine "konservative" Art des psychogeografischen Streifzugs durch die Stadt. Natürlich muss man die Grundprämisse teilen, dass Gegenwartsarchitektur ihre Berechtigung hat.
Rohne, in gewisser Hinsicht bin ich ja sogar bei dir: Ich meine auch, dass es gute Gründe gibt, weshalb die Gründerzeitviertel durch ihre Stadträume, die sie schaffen, so beliebt sind. Wenngleich ich auch finde, dass andere Bebauungskonzepte wie etwa die Gartenstadt ihre Berechtigung haben und dass sich "Stadt" gerade dadurch auszeichnet, alle Formen des architektonischen Lebens und Zusammenlebens zu ermöglich. Nur, und das ist der entscheidende Punkt, dass letzteres, also das Zusammenleben der Menschen vornehmlich von der sog. Gründerzeit ermöglich wird. Öffentliche Räume werden mit den Siedlungsbauten und Vorstädten nicht geschaffen. Und genau deshalb findet Gentrifizierung vor allem in jenen Vierteln statt, weil mehr Menschen Urbanität schätzen als unsere Städte urban sind - was vor allem in den Kriegszerstörungen und der darauf folgenden Nachkriegsbebauung gründet. Insofern bin ich auch konservativ, als dass ich den rationalistischen bzw. revolutionären Gedanken, 'Sinn' aus reiner Gegenwart zu erschaffen, nicht teile. Es braucht geschichtliche Zusammenhänge und sedimentierte Bezüge; Tradition eben. Deshalb ist es selbstredend ein Treppenwitz, sich die Architektur des Bauhaus organisiert im Blockrand vorzustellen - weil es gegen den Strich der klassischen Moderne ist. Doch was spräche dagegen außer das Bauhaus selbst?
Ich möchte noch folgende Erfahrung loswerden, weil mir Dein Denken ewiger architektonischer Wahrheiten, Rohne, doch allzu radikal erscheint. Ich habe viele Jahre in Rom gelebt. Während ich anfänglich begeistert war von Antike, Mittelalter und Barock, entstand mit den Jahren ein Überdruss. Noch stärker ist mir dies dann bei meinen halbjährlichen Wien-Aufenthalten aufgefallen, wo ich vieles mehr und mehr als trivial, ja kitschig empfand (schlecht abstrakt würde man an der Uni sagen) und ich mich als Denkender beleidigt fühlte. Und dann, Dich wird es wahrscheinlich erstaunen, mochte ich es auf einmal, mich in einer Stadt wie Kassel aufzuhalten und verstand, dass es gute Gründe bzw. Empfindungen gab, im frühen zwanzigsten Jahrhundert zu entstucken, später gänzlich anders zu bauen. Wie gesagt: die Wahrheit liegt dazwischen. By the way: Ich bin froh, dass meine Lieblingsstadt Frankfurt keine Residenz- sondern Handels- und Stifterstadt war. Ich empfinde den zurüchaltenden Fassadenschmuck der hiesigen Gründerzeitviertel als sehr viel geistreicher verglichen mit Wiesbaden oder der von vielen hier so gepriesenen Stadt Leipzig.