Beiträge von Persius

    Aber es sind eben keine vollständigen Fassaden. Der Stuck ist weg, der vorhandene Kratzputz stammt aus Nachkriegszeiten und wird verschwinden. Alles, was "original" ist, sind die unsichtbaren Backsteine. Das Motiv, solche zu erhalten ist m.E. rein emotionaler oder sentimantaler Natur und hat mit menschenbezogenem Denkmalschutz nichts zu tun.

    Wieso nicht die geplante U11 von Mahrzahn zum Hauptbahnhof (welche auch sehr viele Umsteigemöglichkeiten schaffen würde), mit der U4 verbinden?


    Genau das habe ich auch immer gedacht. eine solche Linie würde auch die trennende Wirkung des Tiergartens aufheben und den Hbf von Süden her besser erreichbar machen. Aber eine solche Planung setzt voraus, dass sich Berlin aufs neue aus voller Überzeugung zum U-Bahn-Bau bekennt. Dafür bedarf es zunächst weiterer metropolitaner Wachstumsimpulse.

    Das versteht man nur, wenn man sich die Denke heutiger Denkmalschützer zueigen macht. Auf den "originalen" Mauerkern kommt es an, auf die alten, zwar nicht sichtbaren, aber doch im Bewusstsein für heilig geltenden, vor 110 Jahren gebrannten Backsteine. Es handelt sich hier um Denkmalschutz als Reliquienkult. Und offensichtlich hat sich diese pseudoreligiöse Haltung gegenüber originaler Substanz inzwischen selbst in die Köpfe von Investoren und Architekten eingeschlichen. Der entstehende Neubau wird von dem Nimbus profitieren, dass immerhin der Kern der Fassade originale Substanz darstellt.

    ^^ Da sind wir schon drei. Ich finde dieses Haus ziemlich schäbig und sehr schlecht gealtert. Der Vergleich mit ähnlichen Bauten aus den 70ern passt ganz gut. Wobei es ja noch nicht mal besonders alt ist, was die Sache noch schlimmer macht.


    Leider ist das Foto dieses Baus an der Südostseite des LP von mäßiger Schärfe, leider vermittelt es auch nicht, wie sehr dieser einst beinahe programmatisch verstandene Bau von delikaten Details lebt, die allerdings keine Alterung vertragen. Das Gebäude stammt von dem Kanzleramtsarchitekten Axel Schultes, und das sieht man ihm - oder besser gesagt, sah man ihm auch an. Die flächige Struktur der Fensterbrüstungen und Fensterlaibungen, die feinsinnig in türkis abgesetzten Rahmungen erinnern in der Tat an andere Schöpfungen von Schultes, aber sie kommen hier nicht zur Geltung, werden übersehen und lassen nach Jahrzehnten den Bau in einer Gesamtfassade von Allerweltsmoderne und Belanglosigkeit verschwimmen. Ich empfinde den gesamten LP als ein einziges Missverständnis. Der Platz hätte grandios werden können, wenn man den Einzelbauten gestattet hätte, Persönlichkeit und selbstbewusste Ausstrahlung zu zeigen, wie es zuletzt der Patzschke-Vorschlag für das AvD-Haus gewagt hatte. Aber nix da! Wir kupfern zwar den Amis jeden Schwachsinn ab, aber von ihnen zu lernen, wie metropolitane Architektur auszusehen hat, kommt uns partout nicht in den Sinn.

    Wo liegt das Problem, Camondo?
    Berlin ist Posemuckel!
    Ein Wohnhaus unter acht Geschossen sollte kein Flachdach haben.
    Sieht mit Zigeldach einfach wohnlicher aus! :lach:


    Ich verstehe die oft von Diskutanten erhobene Forderung nach einem Dach, auch bei mehrstöckigen großstädtischen Etagenhäusern. Die herrliche Dachlandschaft von Paris kann einen schon diesbezüglich auf den Geschmack bringen.


    Man bedenke aber: die hochentwickelte Dacharchitektur in deutschen Städten des frühen 20. Jahrhunderts ging zusammen einmal mit einer entsprechend hochkultivierten Fassadenarchitektur und zum andern mit einer mäßigen Gebäudehöhe, die ein Erleben der Dachgestalt überhaupt erst ermöglicht. Ich weiß nicht recht, welche Art von Dach auf einen der (sicher wohlproportionierten) sieben- oder achtgeschossigen Neubauten, wie sie an der Bernauer Straße entstehen, passen würde. Ein Walmdach - reichlich bieder! Ein Satteldach - zum Davonlaufen! Meines Erachtens fordert diese Architektur das Flachdach - womit ich nicht sagen will, dass ein Revival der Dachbaukunst von einst so ganz verkehrt wäre.

    ^ Da stimme ich dir zu. 50er-Jahre-Zeilenbauten sind zwar auch nicht mein Ding, aber man hätte sie sicherlich leicht in eine neue Blockrandbebauung integrieren können.


    Genau das tut man doch. Es geht ja nur darum, Platz für den straßenbegleitenden Querriegel zuschaffen. Und die Fotos erweisen, dass über den Tiefgaragen ziemlich geräumige, zur Straße abgeschlossene Innenhöfe entstehen werden. Wie hätte man es noch besser machen sollen?

    Ich möchte zu bedenken geben, dass der Investor bei der Vorstellung der Fellini-Planung die Erwartung formulierte, hier werde ein ganzes Stadtviertel mit italienischem Flair entstehen, ein absolutes Novum im Vergleich zu anderen innerstädtischen Neubauquartieren. Entsprechend zeichnete Marc Kocher auch ein ganzes Ensemble von Wohnbauten in Blockrandbebauung mit der ihm eigenen sinnenfrohen Ausstrahlung. Dass dieses italianisierende Ensemble nicht zustande kam, kann man natürlich dem Architekten nicht anlasten.


    Im Übrigen begreife ich immer noch nicht, auf welchen Detailbeobachtungen die hier so oft ins Feld geführte Kitsch-Vokabel eigentlich gründet. Sind glatte ungegliederte (also "moderne") Hauswände kitschig, wenn sie sandsteinverkleidet sind? Sind Loggien kitschig, wenn sie halbkreisförmig einen Ehrenhof umschließen? Oder bringen die Balustraden oder die Pergola manche Betrachter so sehr in Rage, dass sie heftig verurteilen, was sie in dem lebensfrohen Italien voll Behagen akzeptieren würden? Kann man sich nicht auch einmal freuen, dass in dem weithin so trüben Berlin ein Stück Architektur entstanden ist, das Sinnenfreude und Lebensfeier ausstrahlt?

    Ein sehr schönes Resultat! Ein Beweis, wie moderne Architektur mit bescheidensten Mitteln, mit zurückhaltender Fassadengliederung, vor allem aber mit sorgfältiger Proportionierung und Vermeidung großer Wand- und Brüstungsflächen einen gefälligen, ja sogar eleganten Ausdruck erreichen kann. Die Meister der zwanziger Jahre wussten das noch durchweg; die heutige Architektengeneration aber ist noch immer dabei, diese Selbstverständlichkeit erst wieder zu lernen. Darum kann man das Vorbildhafte einer solchen Gestaltung gar nicht genug rühmen.

    @ Chandler
    Da hast du natürlich recht, spektakuläre Wiederaufbauprojekte wurden mit gebührender Aufmerksamkeit verfolgt. Aber was den massenhaften Wiederaufbau betrifft, war in Deutschland in der Öffentlichkeit schon eine gewisse Ratlosigkeit und Gleichgültigkeit verbreitet, was unter zeitgemäßem Bauen zu verstehen sei. In anderen Ländern hatte es keine so tiefgreifende Unterbrechung gegeben, und die Architektur der 50er Jahre konnte an die der 30er Jahre nahtlos anknüpfen. In Deutschland dagegen verlegte man sich auf ein ziemlich einfältiges Nachahmen ausländischer Leitbilder, die Propagierung bestimmter Architekturformen dagegen hätte nach der NS-Zeit als anrüchig gegolten und wurde umgangen. Ich glaube nicht, dass die Bevölkerung sich eine irgendwie historisierende Architektur gewünscht hätte. Vielmehr blendete sie das zeitgenössische Architekturschaffen aus ihrem Bewusstsein aus und beschäftigte sich - soweit historisch gebildet - umso mehr mit Gotik und Barock. Desto mehr Respekt verdienen die begabten, aber ohne bewusstseinsmäßigen Rückhalt in der Bevölkerung agierenden Architekten dieser Jahrzehnte.

    [QUOTE=Chandler


    Die Theorie die bösen Architekten hätten die letzten 100 Jahre gegen die Bauherren und das ohnmächtige Volk ganz schreckliche Sachen gemacht halte ich für wenig plausibel.[/QUOTE]


    Weder habe ich meine These auf die letzten 100 Jahre bezogen noch habe ich von einem ohnmächtigen, durch "böse" Architekten kujonierten Volk gesprochen. Es ging mir nur um die bedauernde Feststellung, dass der architektonische Diskurs nach dem Zweiten Weltkrieg hierzulande aufgrund einer desinteressierten Öffentlichkeit jahrzehntelang darniederlag und damit die ökonomischen und konstruktiven Parameter des Bauens allbeherrschend wurden. Diese Feststellung hat nichts mit Wutbürgertum zu tun noch will sie einen ganzen Berufsstand diffamieren. Sie ist eine von vielen Zeitgenossen geteilte Beobachtung, die natürlich nicht in Abrede stellt, dass es auch in dieser Zeitspanne und auch in Deutschland eine Menge genialer Architekten gab, die Richtungsweisendes gebaut haben.

    So so, die Preise heißen gar nichts. Ok, einverstanden, schließlich gibt`s ja hier fachfremde Forumsexperten, die oberste Denkmalschützer, Architekt und Stadtplaner in einem sind. Haben zwar nie was gebaut, aber wissen in allem Bescheid und vor allem alles besser. Als Regulativ zu den tatsächlich Bauenden....:lach:


    In der Tat, die wenigsten der hier diskutierenden haben schon einmal etwas gebaut, sind also fachfremd und haben deiner Meinung nach den Mund zu halten....


    Warum fällt es vielen Architekten so schwer, zu verstehen, dass das architektonische Entwerfen zwei Aspekte hat, den fachlichen, über den nur entscheiden kann, wer fachlich ausgebildet ist, und den ästhetischen, über den jeder mündige und urteilsfähige Stadtbürger urteilen darf, ja urteilen und gehört werden sollte. Wohin es führt, wenn sich die Öffentlichkeit aus dem Baugeschehen heraushält und dieses den Fachleuten überlässt, haben wir in Deutschland in sechzig Nachkriegsjahren auf erschütternde Weise erfahren. Zu lange hat der Deutsche (selbst der gebildete) sich der bequemen Position verschrieben, "von Architektur nichts zu verstehen". Das Resultat dieser generationenlangen Selbstentmündigung der Nutzer von Architektur schlägt uns tagtäglich entgegen, sobald wir die Haustür verlassen. Um diesem demütigen Verstummen vor den Bauschaffenden ein Ende zu setzen, wurde dieses Forum gegründet.

    zumeist uninspiriert


    Bitte genau lesen; diese Wertung bezog sich nicht auf Sauerbruch/Hutton alleine sondern auf "zahllose zeitgenössische Architekten", und wer wollte einem solchen Urteil ernsthaft widersprechen! Der Ausdruck "sogenannte Moderne" hat insofern seine Berechtigung, als innerhalb der modernen Bewegung in der Architektur, die vom Jugenstil (Modern Art, Modernisme) ihren Ausgang nahm, eben nur noch eine ganz bestimmte rationalistisch-minimalistische Spielart "so genannt" wird.

    Sauerbruch und Hutton gehören eben auch zu den zahllosen oftmals recht begabten zeitgenössischen Architekten, die zumeist auf uninspirierte, selten auch auf genialische Weise mit Baukörpern umgehen können, aber sich nie in ihrem Werdegang und schon gar nicht in ihrer Ausbildung mit dem Wesen und der Funktion städtischer Räume befasst haben. Es ist immer das gleiche: die sogenannte Moderne ist auf Baukörper (in der Regel Quader) fixiert, während die Stadträume, also dasjenige, was für den Stadtbürger ausschließlich relevant ist, sich gewissermaßen als Abfallprodukt aus dem Baukörperarrangement ergeben. Nur von diesem Denken her lässt sich ein Entwurf wie der an der Lehrter Straße begreifen.

    Es ist erschütternd zu beobachten, dass in Deutschland viele Architekten auch nach sechzigjähriger Erfahrung mit Nachkriegsstädtebau noch immer nicht verstanden haben , wie Stadt funktioniert, und noch immer eher eine Banlieue zuwegebringen als ein Stück Innenstadt, das den hauptstädtischen Stadtorganismus um eine überzeugende Variante bereichern wird. Dieses Konzept für die Lehrter Straße ist ein grauenhafter Rückfall in die Praxis der fünfziger bis siebziger Jahre, und deren Resultate lassen sich an zahllosen Orten im Berliner Stadtgebiet studieren. Es ist mir absolut schleierhaft, was für ein Motiv hinter solchen Planungen steht; fast möchte man an bewusste oder halbbewusste Obstruktion glauben, an eine Verschwörung zur Verhinderung attraktiver und urbaner Stadtszenerien (bekanntlich muss "Architektur auch wehtun", wie kürzlich ein Architekturfunktionär formulierte; demnach muss eben auch Städtebau "wehtun"; der Krankheitskeim muss von vornherein eingepflanzt werden, dann gelingt umso besser die spätere Betroffenheits-Attitude).

    In der Tat könnte dieser Absatz des BZ-Artikels darauf schließen lassen, und Marc Kocher ist tatsächlich so etwas wie der Hausarchitekt von Rainer Bahr. Aber im Oktober letzten Jahres teilte mir Marc Kocher mit, der Investor habe sich wider Erwarten für den Wettbewerbsteilnehmer Ingenhoven entschieden. Ich weiß indessen nicht, ob diese Entscheidung bis heute Bestand hat.

    Nach meiner Kenntnis handelt es sich bei der jetzt konzipierten kammartigen Bebauung um einen vorübergehenden Kompromiss, durch den vermieden werden soll, dass zu viele Wohnungen auf einen Schlag vernichtet werden. Kurzfristig soll auch der Riegel an der Metzer Straße durch einen Neubau ersetzt werden und längerfristig der an der Belforter Straße. Hier würde ein der Baulinie folgender Neubau eine bessere Grundstücksaufteilung bewirken.

    Meines Wissens geht in diesem Fall nicht um den kompletten Abriss von Bestandsbauten. Vielmehr bleiben die vorhandenen Wohnriegel erhalten; sie müssen lediglich um einige Meter verkürzt werden, damit für den neuen Gebäudetrakt entlang der Straßburger Straße Platz geschaffen wird. So entsteht eine kammartige Bebauung unter Einbeziehung der Bestandsbauten, aber einige der vorhandenen Wohnungen müssen leider geopfert werden. Immerhin entstehen so über den künftigen Tiefgaragen ruhige, gegen die Straßburger Straße abgeschirmte und gestalterisch aufgewertete Wohnhöfe.


    Bato, woher hast du die Information, dass Marc Kocher der Architekt des neuen Komplexes sein wird? Mir war anderes bekannt.

    Was ermöglicht Baukultur weltweit, und was verhindert Baukultur in Deutschland? Man wagt sich ja fast nicht auszudenken, wie in einer Weltmetropole wie New York oder Singapur eine solche innerstädtische Parkrandlage genutzt würde! Aber Berlin ist eben Deutschland, und in Deutschland bleibt es grundsätzlich beim Klein-Klein. Es ist ein Zusammenspiel zwischen ideenlosen Hochbauproduzenten und Bauherren, denen es ausreicht, dass ihr Etagenhaus sich brav an den banalen, total uninspirierten Standard dieser Stadt hält. Das hat nichts mit den beschränkten Finanzmitteln der Bauherren zu tun. In anderen Weltgegenden und zu anderen Zeiten waren die Mittel viel beschränkter, aber sowohl Bauherren als auch Architekten verstanden sich noch auf architektonische Repräsentanz, die auch mit bescheidenen Voraussetzungen etwas Vorzeigbares zuwege bringen kann. Hierzulande hat man anscheinend geradezu Angst davor, sich architektonisch zu exponieren.

    Auch ich würde Chippi nehmen. Klassische Hochhausarchitektur, welche die Höhe des Gebäudes ausdrucksstark akzentuiert, keine selbstverliebte Extravaganz, sondern optimale Einpassung in den Bestand, Reverenz sowohl an Hochhausbauten der 20er Jahre als auch der DDR-Moderne, zeichenhafter Respekt vor der Logik der Baukunst!

    Zu guter Letzt: wenn behauptet wird: "Ein Verzicht auf diesen Flügel kann Modernisten mit Traditionalisten vereinen" (Berchen), kann "bislang verfeindete Lager miteinander versöhnen" (Klarenbach), werden mit einer solchen Einschätzung offensichtlich Gefilde höherer Weisheit berührt, die mir unzugänglich sind. Warum sollen sich modenistisch eingestellte Zeitgenossen mit der äußerlichen Schloss-Rekonstruktion versöhnen, wenn der einzige äußerlich sichtbare modern konzipierte Flügel gestrichen und statt dessen eine freischöpferische Anordnung rein barocker Fassaden konzipiert wird? Mit Logik hat das nichts mehr zu tun. Aber was soll's. Mit jeder neu gegossenen Wand wird die Absurdität dieser Debatte offensichtlicher.