AirRailCargo (Teil 5)
1960 – 1993
Obwohl die FAG ihr Gütergleis zum Tanklager abgebaut hatte, war ein neuer Güterbahnanschluss 1966 Teil der Überlegungen für eine „Frachtstadt“, ein neues Luftfrachtzentrum. Das schnelle Wachstum des Frachtumschlages zwang zur Entwicklung eines neuen Luftfrachthofs. Ob das Projekt, wofür eine Kapazität von 4 Mio Tonnen Luftfracht pro Jahr 1 angedacht war, im Süden oder im Norden des Flughafenareals gebaut würde, war 1966 noch offen, auf jeden Fall aber sollte die „Frachtstadt“ einen eigenen Gleisanschluss erhalten. Geplant wurde schließlich in der Kelsterbacher Gemarkung, westlich des neuen Terminals, wir kennen den Bereich heute als Cargo City Nord und Lufthansa Cargo Center. Das Gütergleis sollte die Frachtstadt allerdings nicht wie früher von Süden her erreichen, sondern über einen neuen Bahnanschluss im Norden; das legt zumindest eine erste Planskizze für die neuen Frachtanlagen aus dem Jahr 1969 nahe, allerdings ohne weitere Details zum weiteren Verlauf nach Osten hin.

Grafik: FAG 1969, FRAPORT-Archiv
Die Deutsche Bundesbahn hat bei Planung und Bau der Flughafen-S-Bahn (ab 1966) die Möglichkeit eines FAG-Gütergleises zur Frachtstadt berücksichtigt. Das entsprach dem „Verkehrspolitischen Programm für die Jahre 1968-1972“ (dem sog. „Leber-Plan“), das u.a. den Anschluss der großen deutschen Flughäfen an das Schienennetz für den Personen- und Güterverkehr vorsah und die Einrichtung neuer Industriegleisanschlüsse finanziell förderte. Nach der Ölkrise 1973 wurden die Pläne für das Luftfrachtzentrum Nord von der FAG zwar nicht aufgegeben, aber erheblich reduziert. Im Zuge der Halbierung der Kapazität auf 2 Mio Jahrestonnen Luftfracht ist auch das neue Gütergleis auf der Strecke geblieben. Zu dieser Zeit war die Flughafenbahn längst in Betrieb, aber etwa 600 m westlich des Regionalbahnhofs hat die Bundesbahn ihren Tunnel baulich so gestaltet, dass ein neues FAG-Gütergleis einmünden könnte.2
Ein Blick auf die Landkarte zeigt, dass es dazu praktisch nicht mehr kommen dürfte, die bauliche Entwicklung seit den 70er Jahren hat darauf keine Rücksicht genommen, ganz abgesehen von eisenbahnbetrieblichen Gründen (Güterverkehr mit Dieselloks auf S-Bahngleisen durch Regionalbahnhof und Gateway Gardens zum Stadion?)

Grafik. Geoportal.frankfurt.de, Basiskarte web, eigene Colorierung; die schwarz-gelbe Schraffur markiert den Bereich, in dem ein Anschlussgleis Richtung „Frachtstadt“ gedacht gewesen sein könnte….
Im Süden des Flughafens wuchs die Rhein-Main Airbase in den 60er Jahren zum größten Stützpunkt der US-Airforce außerhalb der USA. Mit der Zunahme des militärischen Flugverkehrs und der Zahl der dort dauerhaft stationierten Militärmaschinen wuchs natürlich der Treibstoffbedarf. Bis zum Anschluss der Airbase an das NATO-Pipeline System Central Europe Pipeline System (CEPS) ist über den Gleisanschluss neben Versorgungsgütern aller Art vor allem Kerosin angeliefert worden, für die laufende Betankung der Flugzeuge aber auch für die Beladung der ab Mitte der 50er Jahre auf der Airbase stationierten Tankflugzeuge für Luftbetankung. Anlässlich der Taufe eines Tankflugzeugs auf den Namen „Frankfurt“ im August 1972 erwähnte die FAZ, die Bundesbahn rangiere täglich mehr als 30 Kesselwagen mit Kerosin zur Airbase. Die Kesselwagen wurden in das stark erweiterte unterirdische Tanklager im Südwesten der Airbase entladen. Zwischen 1966 und 1968 wurde eine Treibstoffpipeline, die bis dahin linksrheinisch in der Pfalz endete, rechtsrheinisch nach Pfungstadt und Mainhausen verlängert. Es dauerte aber noch ein paar Jahre, bis von Pfungstadt eine Stichleitung zur Airbase verlegt wurde. Der Umfang der Bahntransporte dürfte danach stark zurückgegangen sein.
Mit dem Rückgang der Kerosintransporte und der zunehmenden Verlagerung des Gütertransports auf die Straße verloren die Gleisanlagen auf der Airbase an Bedeutung. Ende der 70er Jahre und in den 80er Jahren begann der stückweise Rückbau von Gleisen; nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Rhein-Main-Airbase im Zuge einer strategischen Neuausrichtung der US-Streitkräfte in Europa stark verkleinert und schließlich geschlossen.
1993 – 2024
Im Dezember 1993 formulierten die US-Luftwaffe, die Bundesregierung, das Land Hessen und die Flughafen Frankfurt/Main AG (FAG) in einem Memorandum of Understanding (MoU) die Absicht, die militärische Nutzung der Rhein-Main-Airbase zu reduzieren und die Flächen schrittweise in den zivilen Betrieb des Flughafens zu integrieren. Es war die Vorstufe zum "Rhein-Main Transition Agreement" zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland vom 9.12.1999, das die konkreten Details der Übergabe regelte.
Die folgende Karte zeigt die Airbase vor der Rückgabe von Teilflächen an die FAG.

Grafik: Plan der Airbase von 1994, https://www.gg-online.de/fotos…n/fotos_air_base/Scan.jpg, abgerufen am 22.11.2024
1995 begann die schrittweise Verkleinerung der Airbase und die Rückgabe von Teilflächen an die FAG; endgültig geschlossen wurde die Rhein-Main-Airbase am 30.12.2005.
Nach der Unterzeichnung des MoU machte sich die FAG unverzüglich an Planung und Bau der Cargo City Süd (CCS). Ob und ggf. welche Rolle der Bahnanschluss für die Luftfrachtlogistik in der CCS künftig spielen würde, war zunächst offen.
1996 gab es vielversprechende Zeichen für die zivile Nutzung der bis dahin ausschließlich militärisch genutzten Bahnanlagen, Stichwort Trimodaler Cargohub (Luft-Straße-Bahn).
Im Oktober 1996 startete die Deutsche Bahn unter dem Namen Cargosprinter ein neues Güterverkehrskonzept. Der Cargosprinter war ein innovativer Güterzug, der speziell für den schnellen Transport von Gütern auf der Schiene entwickelt wurde und als Alternative zum Lkw-Verkehr gedacht war. Mit seiner Einführung wollte die Deutsche Bahn flexiblere und effizientere Transportmöglichkeiten im Schienengüterverkehr bis 400 km Entfernung anbieten.
Ein vollständiger Cargosprinter-Zug bestand aus fünf Einheiten: drei Mittelwagen und zwei Trieb- und Steuerwagen an den Zugenden, Gesamtlänge rd. 90 m; zwei solcher Züge konnten zu einem 180-m-Verband gekuppelt werden. Die dieselgetrieben Trieb- und Steuerwagen erinnerten an einen LKW auf Schienen, die Mittelwagen waren nicht angetrieben und wurden zwischen die Triebwagen eingereiht. Ein 90-m-Cargosprinter-Zug konnte bis zu 12 Standardcontainer laden. Die Cargosprinter-Züge kamen ohne Lokomotiven aus und konnten deshalb unkompliziert die Fahrtrichtung wechseln, waren also besonders gut für einfache Privatanschlussgleise wie am Frankfurter Flughafen geeignet. Die Bahn beschaffte sieben Prototypen.
Die in der CCS ansässigen Speditionen Birkart und Hellmann nahmen am Cargosprinter-Versuch der Deutschen Bahn teil und organisierten ab Ende 1997 einen sog. Nachtsprung von der CCS nach Hamburg bzw. Osnabrück.





Bilder: Fraport-Archiv
Ein Containerterminal oder eine Cargo-Halle mit Bahnschluss auf dem Rhein-Main-Flughafen, wie es sie etwa am Flughafen Halle/Leipzig gibt, ist jedoch über das Stadium der Idee, die es zu dieser Zeit durchaus gab, nicht hinausgekommen. Die Bahn entschied sich gegen das Cargosprinter-Konzept und sah die Zukunft ihres Güterfernverkehrs in sehr langen, Lok-bespannten Zügen. Die Prototypen sollen auch unausgereift, technisch unzuverlässig und letztlich auch nicht wirtschaftlich gewesen sein. Anfang 2000 wurden alle sieben Einheiten außer Dienst gestellt. Danach begann FRAPORT mit dem Rückbau der Gleisanlagen, wo immer sie dem Ausbau der CCS im Wege waren.

Luftbild: geoportal.frankfurt.de, Luftbild 2004, Gleise mit eigenen Markierungen gelb und rot (CargoSprinter)
[1] Heute werden auf Rhein-Main 1,9 Mio Luftfracht umgeschlagen, vor der Corona-Pandemie waren es etwas über 2 Mio Tonnen
[2] Auf diesem Video kann man bei reduziertem Abspieltempo kurz nach der Ausfahrt aus dem Regionalbahnhof bei Minute 44:40 und Streckenkilometer 12,2 auf der linken Seite das Zurückweichen der Tunnelwand und statt der Wand ein Geländer sowie die Aufweitung des Tunnels erkennen
(wird fortgesetzt)