Beiträge von Lipsius

    [OT]Natürlich gelten alle Argumente, ich meinte, dass die (häufig umgesetzte) Möglichkeit einer Tiefgarage einen nicht zu unterschätzenden Vorzug bei einem neuzubauenden Mietshaus bietet. Ich kenne als eine spezifische Leipziger Bautradition z.B. das "Leipziger Fenster", eine besondere Erkertradition ist mir nicht bekannt. Vielleicht reden wir aneinander vorbei.[/OT]

    Sowenig wie ein Eigentümer zum Erhalt seiner Gebäude gezwungen werden kann, sowenig kann man ihn zum Abriss zwingen. Auch die Visualisierung für die Riemannstraße überzeugt mich kein Stück. Abgerückt von der Fluchtlinie bleibt das Haus in seiner Kubatur ein typischer Flicken der Nachkriegsjahre. Die Paul-Gruner-Straße ist ein völlig indiskutabler Schandfleck.


    Hier noch mal die Leibnizstraße 3 im Vorzustand:



    Foto von mir.

    Naja, mir gefällt es nicht, wobei ich natürlich weiß, dass die geduckt-bunkerartige Sockelzone aus der zeitgenössischen Bauschematik nicht mehr zu tilgen ist. An welche Leipziger Erkertradition wird denn erinnert, hilf mir bitte auf die Sprünge? Die wiederholt steil auskragenden Linien geben etwas Agressives (sieht aus wie das Profil eines modernen Nassrasierers), was gar nicht zu den soften Nachbarn passt. Und sind das wirklich vollwertige Balkone?, - wenn ich mir die Grundfläche in der Untersicht ansehe, kommt das eher an einen schmalen Austritt ran. Sicherlich trotzdem besser als das meiste, was so als Lückenschluss angeboten wird (W&V ist ja auch wirklich ein respektables Büro), und als Geschosswohnbau sowieso tausend mal besser als das x-te Stadthaus. Was mir gefällt, ist der markante Abschluss nach oben, fast schon angelehnt an ein Kranzgesims oder das Kapitell einer klassischen Ordnung.

    Plagwitz

    Bei Plagwitz denkt man an Lofts in ausgedehnten Industriekomplexen im Backstein-Look, an Designbüros und Galerien (auch wenn sich die Baumwollspinnerei administrativ schon in Neulindenau befindet), an den allgegenwärtigen Karl-Heine-Kanal, stillgelegte Industriegleise, zahlreiche Refugien für (Sub-)Kultur, aber auch durchaus gutbürgerliche Ecken. Einst das Industriegebiet im Leipziger Westen, findet hier ein durchaus bemerkenswerter und in mehr als Ansätzen erfolgreicher Strukturwandel statt. Das recht gute Image spiegelt sich auch in hochwertigen Sanierungen denkmalgeschützter Bausubstanz wider, während andernorts in Plagwitz Wächterhäuser kulturelle Experimente ermöglichen.


    Industriestraße 51, um 1890


    Bilder: Leipziger


    Alte Straße 9 und 11, um 1890


    Bilder: Leipziger


    Karl-Heine-Straße 13, ähnliche Bauzeit


    Bilder: Leipziger


    Weißenfelser Straße 68


    Bilder: LEgende/Leipziger


    Weitere Bildvergleiche oben im zweiten Beitrag.

    Schleußig

    Weiter soll es mit den eingemeindeten Stadtteilen im Westen gehen. Schleußig ist ein überwiegendes Wohnviertel, vereinzelt sind kleinere Industrieanlagen eingestreut. Das kleine Vorwerk wurde 1891 nach Leipzig eingemeindet, schon in den Dekaden davor war es vor allem durch Karl Heine erschlossen und urbanisiert worden. Umgeben von viel Grün (Clara-Zetkin-Park, "Nonne", Küchenholz, Beipert, Ratsholz) und als Insel umschlossen von der Weißen Elster und dem Elterflutbett ist es ein beliebter Wohnort mit der statistisch jüngsten und reproduktionsfreudigsten Bevölkerung in Leipzig, Jahr für Jahr gibt es einen satten Geburtenüberschuss. Weiter mit Bildvergleichen:


    Könneritzstraße 44


    Bilder: Leipziger/Cowboy


    Könneritzstraße 46, kaum wiederzuerkennen, oder?


    Bilder: Leipziger/DaveLE


    Könneritzstraße Ecke Alfred-Frank-Straße


    Bilder: Leipziger/Cowboy

    ^Das wären nach der Fabrikantenvilla im Osten, der Bahnposthalle und den Wohnhäusern in der Dieskaustraße, Berliner Straße und einem weiteren in Engelsdorf dann schon acht Brandstiftungen in kurzer Folge. In der Torgauer Straße scheint keine akute Einsturzgefahr zu bestehen, immerhin hat man den LVZ-Fotojournalisten noch reingelassen. Die LVZ-online-Kommentatoren haben schon Recht, ein ganz wesentliches Problem ist der unproblematische Zugang zu den vermeintlichen "Abrisshäusern". Wenn Fensteröffnungen im Erdgeschoss zugemauert werden und eine stabile, verschlossene Haustür eingesetzt wird, ist die Gefahr minimal. Da sollte das Ordnungsamt auch mal ein Auge drauf haben.


    Die Leibnizstraße 3 ist indessen frei vom Gerüst, - der schlichte, durch zwei schmale -fast als französisch zu bezeichnende- Balkone in der Mittelachse akzentuierte spätklassizistische Bau ist sehr solide wieder hergerichtet worden. Das miese Wetter vereitelte vorerst ein Bilddokument.


    Das wohl ähnlich alte Gebäude Mendelssohnstraße 6 ist dafür jetzt eingerüstet, dabei weiter bewohnt, eventuell also "nur" eine Fassadensanierung.

    älteres Bild von mir


    Um die Friedrich-Ebert-Straße 110 (Einmündung Hinrichsenstraße) wurde der Bordstein aufgestemmt, das wird doch nicht etwa die Kellerabdichtung als Indiz für eine baldige Sanierung sein? Auf der Hofseite wurden in letzter Zeit öfter mal Bauschutt-Container abgeholt. Die GRK hat dort schon seit Jahr und Tag eine Plane hängen, auf der notorisch unaktuellen Website sind keine sachdienlichen Hinweise zu finden. Ende der 90er Jahre wurde schon mal eine Sanierung begonnen, immerhin auch mit Fassadenrekonstruktion. Vorher war komischerweise eine Seite entstuckt worden, die andere nicht.



    Zustand 1996, Bild: Lipsikon

    Zustand 2005, Bild: Lipsikon

    Eine ziemlich mondäne Straßenkreuzung, die du da aufgenommen hast, Stahlbauer, - spätestens im Mai, wenn auch die Platanen in der Kurt-Eisner-Straße ergrünen und das Flanierleben so richtig aufblüht. Die beiden westlichen Eckgebäude wurden viel besser rekonstruiert als die beiden im Osten, vor allem das südöstliche (zartgelbe) sieht aufgrund des fehlenden Traufgesimses merkwürdig disproportioniert aus, bei dem anderen erscheint mir der Turmhelm irgendwie falsch.

    Zeigen wir bei der Gelegenheit gleich noch den Gasthof nebst Kaffeehaus "[goldener] Apfel", der mir noch aus der Renaissance (ca. 1550) zu stammen scheint. Im Gebäude links daneben wohnte der Johann Gottlob Schönkopf, Vater von Goethes Jugendliebe Käthchen.



    Quelle: Lipsikon, Fotografie von Hermann Walter, gemeinfrei, da Urheberrechte abgelaufen

    ^Bisherige Zentrale ist eine auch ganz ansehnliche Villa in Connewitz (Prinz-Eugen-Straße). Die platzt vermutlich bei der derzeit entfalteten Aktivität aus allen Nähten. Das ist wirklich wieder mal eine super Sanierung geworden, mir gefallen auch die vergrößerten Gauben, die schön der Handschrift des Giebels folgen und überhaupt nicht nachträglich angepappt wirken. Ein Schmuckstück!

    hedges: Ich wollte mit meinem letzten Beitrag nicht den Entwurf von BBL verteidigen, den ich genauso fade finde wie die anderen Forumsteilnehmer, was man übrigens meinem vorletzten Beitrag entnehmen kann. Es ging nur um die etwas unsachliche Vermutung, die einreichenden Büros seien noch nie in Leipzig gewesen, und die Nahelegung eines Besuchs oder der Lektüre eines Geschichtsbuches.


    Abyssalon: Was den Brühl berühmt gemacht hat, war seine Funktion als Geschäftsstraße. Dahin soll die Reise wieder gehen. Zum Weltzentrum des Rauchwarenhandels wird er nicht mehr werden, da kann man sich auf den Kopf stellen. Wenn die erhaltenen Pelzhandelshäuser am Brühl bald saniert und einer Nutzung zugeführt werden, wäre schon viel gewonnen.


    Das untere Bild von Cowboy zeigt übrigens im Vordergrund das neogotische Geschäftshaus Heinrich Lomer, bekannt geworden als "Pelzkathedrale" oder "Pelzkirche".

    Ich bin sehr für die Verwendung der richtigen Fachbegriffe im Forum, der medienkompetente Nutzer des 21. Jahrhunderts kann das im Zweifelsfall mühelos nachschlagen, z.B. hier, das dauert genau 5 Sekunden, und dazulernen kann man auch noch was.

    Das gehört zwar eigentlich in einen anderen Thread, aber ich finde, man sieht jetzt schon, dass das abgerissene, gut 150 Jahre alte Schulgebäude weitaus besser in den städtebaulichen Kontext gepasst hat. Es sah zwar nicht übertrieben spektakulär aus, aber nach einer anständigen Sanierung hätte das was hermachen können. Das Luftbild zeigt, dass für die Turnhalle im Inneren des Komplexes noch mehr als genug Platz gewesen wäre.




    Fotos von mir.

    Bachstraßenviertel Teil II

    Die Käthe-Kollwitz-Straße hieß früher Plagwitzer Straße und ist die Haupterschließungsstraße des Viertels. Gerade hier ist eine sehr interessante Abfolge von Gebäuden unterschiedlichster Typologie vorhanden. Zwei wurden im vorigen Beitrag gezeigt. Hier wurde nun in den letzten Jahren die Front eines ganzen Blockes (sechs Vorderhäuser, vermutlich späte 1870er, Hausnummern 91-101) denkmalgerecht saniert und rekonstruiert.


    Blick in Straße, vorher

    Bild: Baukasten


    Nummer 91, zuvor komplett nackt (entstuckt).


    Bilder: Leipziger/ich


    Nummer 95, hier habe ich leider kein Vorher-Bild ohne Gerüst (in der Übersicht oben viertes Haus von rechts).


    Bilder: ich


    Nummer 97.


    Bilder: Leipziger/ich


    Nummer 99.


    Bilder: Leipziger/ich


    Bilder hiervon sind in etwas anderem Winkel auch oben im zweiten Beitrag zu sehen.


    Schließlich Nummer 101.


    Bilder: Baukasten/Cowboy

    Bachstraßenviertel Teil I

    Das Bachstraßenviertel (Äußere Westvorstadt) gilt wie das Waldstraßenviertel als eines der gutbürgerlichen Wohnquartiere Leipzigs. Es wird vor allem durch die zahlreichen kunsthistorisch bedeutsamen Villen und die Präsenz der Thomaner geprägt. Die haben hier nicht nur Schule und Alumnat (Internat), sondern bekommen mit dem Forum Thomanum nach und nach fast ein eigenes Viertel, Kindergarten, Grundschule, Probenzentrum und internationale Jugendmusikakademie inbegriffen.


    Teil des Forum Thomanum ist die "Villa Thomana", erbaut 1883 von Max Pommer. Die Sanierung bekam 2008 den zweiten Preis des Hieronymus-Lotter-Wettbewerbs für Denkmalpflege.


    Bilder: Leipziger/RMA


    Villa Moschelesstraße 11, erbaut 1887/88


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Die Villa Baedeker in der Käthe-Kollwitz-Straße 64.


    Bilder: Leipziger/RMA


    Käthe-Kollwitz-Straße 75, erbaut um 1870.


    Bilder: Leipziger

    Innere Westvorstadt

    Weiter geht's mit der Inneren Westvorstadt, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts als Stadterweiterung auf dem Areal der berühmten Leipziger Barockgärten entstand - deren Anlage ist teilweise, wie bei Apels Garten, noch in der Straßenführung ablesbar. Ein Teil des Gebietes wird inoffiziell und wohl auch aus Marketinggründen als Schauspielviertel bezeichnet, denn hier liegen die Spielstätten Centraltheater (ehemals Schauspielhaus) und Skala (ehemals Neue Szene) sowie die Theatersektion der Hochschule für Musik und Theater und mehrere Kleinkunstbühnen. Die Gottschedstraße ist als Kneipenmeile vor allem bei Besuchern der Stadt beliebt. Der südliche Teil wurde durch den verheerenden Luftangriff in der Nacht vom 3. zum 4. Dezember 1943 weitgehend zerstört, dabei ging auch die katholische Kirche verloren. Das Areal wurde später mit Plattenbauten aufgefüllt. Im nördlichen Teil hat sich der Gründerzeitcharakter stellenweise erhalten. Weiter mit Bildvergleichen:


    Gottschedstraße 23, erbaut 1882, im hier angeschnittenen Nebenhaus (Nr. 25) wurde 1893 "Spitzbart" Walter Ulbricht geboren und auch Gustav Stresemann wohnte hier als Student.


    Bilder: Cowboy/Leipziger


    Friedrich-Ebert-Straße 64


    Bilder: Leipziger


    Käthe-Kollwitz-Straße 14


    Bilder: ich


    Nikischplatz 3, um 1903, hier wurde die Dachlandschaft ausnahmesweise mal vereinfacht.


    Bilder: Leipziger

    Martin Behet, Roland Bondzio und Michael Yu-Han Lin (bbl) haben ein Büro in Leipzig und auf ihr Konto geht unter anderem die Umgestaltung der Universitätsgebäude an der Grimmaischen Straße (Institutsgebäude) und die neue Mensa. Ansonsten liegt der Schwerpunkt in NRW. Rhode Kellermann Wawrowsky (rkw) haben ebenfalls ein Büro in Leipzig (Hauptbüro in Düsseldorf) und haben hier u.a. das Hansahaus in der Grimmaischen Straße, die BMW-Niederlassung und mehrere vielgelobte Konsum-Märkte (Schleußig, Gohlis) hinterlassen sowie die Sanierung von Barthels Hof, Speck's Hof und Zeppelinhaus und den Karstadt-Umbau zu verantworten. Insofern ist der Vorwurf einer fehlenden Kenntnis oder Auseinandersetzung mit der Stadt ziemlich gegenstandslos. Die (berechtigtermaßen) kritisierte Eintönigkeit der Fassade hat vielleicht eher was mit den Vorgaben zu tun.