Das Dilemma des Stadtplaners (Sorry z.T. etwas OT)
Ich habe die bisherige Diskussion mit großem Interesse verfolgt. Ich finde es nämlich sehr bedenkenswert, dass inzwischen einige hier im Forum nicht mehr mit der rein ästhetischen Funktion von Gebäuden (bzw. deren sichtbaren Fassaden) argumentieren und dass eine "Aufwertung", insbesondere aber nicht nur in Bezug auf Wohngebäude (vgl. Mediaspree), inzwischen von ebenso vielen kritisch hinterfragt wird. Gegner des Projekts würden Aufwertung demnach eher als Euphemismus für Verdrängungsmechanismen, i.e. eine Entmischung der sozialen Gruppen verstehen. Zumindest sind dies zwei Seiten der gleichen Medaillie. Ich will das für hier nur feststellen, nicht bewerten, denn letztlich spüre ich nach wie vor beide Tendenzen in mir und befinde mich sozusagen noch in einem Abwägungs- und Meinungsbildungsprozess. Ich will nicht einfach nur mit dem Strom des vermeintlich politisch Korrekten schwimmen, aber ich will mich auch nicht den sozialen Argumenten der Kritiker verschließen, die sich mE keineswegs völlig von der Hand weisen lassen.
Als Jugendlicher und junger Erwachsener fand ich die besagten Blöcke übrigens immer überaus hässlich und konnte die hier inzwischen herausgestellte bauliche Qualität wie auch das eher junge Baudatum nicht erkennen. Von hochwertig ausgeführtem DDR-Luxus wäre ich da keinesfalls ausgegangen, eher vom Gegenteil und es passte irgendwie gefühlt einfach nicht dorthin. Ich hätte folglich rein gar nichts gegen einen Abriss gehabt. Und wenn ich die hier präsentierten sehr gediegenen und hochwertigen Entwürfe sehe, habe ich auch jetzt ein gewisses inneres Streben dannach, dass die immer als ästhetischer Schandfleck wahrgenommene "Wunde" in der schönen Stadtlandschaft endlich durch etwas Angemesseneres ersetzt wird. Gleichzeitig muss ich offen zugeben, dass ich selbst aus praktischen Erwägungen heraus mit meiner Familie gerade erst eine sehr gemütliche aber etwas schlecht geschnittene und kaum sanierte kleine Wohnung in einem äußerlich sehr hübsch sanierten Altbau als Teil eines stilvollen Ensemble in der Innenstadt (dazu noch mit günstiger Miete) für eine frisch sanierte Whg in einem sonst weitgehend unsanierten und eher hässlichen (West-)Plattenhausbau der Sechziger eingetauscht habe (Kategorie praktisch und preiswert). Von der Fassade her eine krasse Zurückentwicklung, die mich/ uns zuerst schmerzte. Von der Wohnqualität her hat es hingegen keiner von uns auch nur kurz bereut. Ich will das nicht zu weit ausführen (könnte einen ganzen Aufsatz darüber schreiben ), aber es zeigt wie Bato es schon andeutete eine innere Widersprüchlichkeit: Wie würde man sich selbst als Mieter eines solchen Blocks fühlen, der eine tolle Lage und Wohnqualität zum attraktiven Preis hat. Sicher würde man für den Status quo kämpfen und das ist völlig legitim, mE vermutlich sogar legitimer als alleinig die eigenen ästhetischen Bedürfnisse als Flaneur o.Ä. Und wer sagt, dass bezahlbarer Wohnraum auch in solch attraktiver Zentrumsnähe nicht eine mindestens ebenso hohe Priorität haben sollte wie die Interessen der Investoren die sogar noch subventioniert würden und letztlich zahlen wohlhabende Mieter nicht immer auch höhere Steuern etc. (ok, das ist jetzt langsam doch eine gewisse Wertung). Nachdenklich hat mich auch gemacht, dass ausgerechnet der Chef von visitBerlin letzt jemanden zitiert hat, wonach der Tourismus etwas genau kaputt macht, indem er es findet (auch wenn nach seiner Ansicht langsam mögliche Lösungen gefunden würden). Und es stimmt mE: Alles kann kippen, wenn es ins Extrem getrieben wird.
Das mag gerade in Bezug auf Berlin mit seinen vielen Brachen und häßlichen "Bausünden" reaktionär und spießig klingen (ich selbst habe in Bezug auf die Mediaspree-Gegner schon so argumentiert). Aber ehrlich ich war in Paris - da kommt es, dass unhaltbare Extrembeispiel aber es geht mir rein um die Tendenz - und fand es hübsch und ansehnlich aber kein Stück wohnens- oder lebenswert: Nicht grün genug, nicht vielfältig genug, zu monoton und eng, geradezu erdrückend (ich war fasziniert und geschockt zugleich)... Da darf mE lieber mal ein biederer Genossenschaftsbau in Zentrumsnähe errichtet werden oder eben eine Platte etwas länger bleiben, vielleicht sogar noch einmal modernisiert werden, dann darf ruhig einmal für Parks oder einen Uferstreifen demonstriert werden und so in der Summe das ein oder andere ästhetisch anspruchsvollere Bauprojekt auf der Strecke bleiben. Die Aufwertung wird doch kommen - nur Geduld haben - und Berlin wird sich hoffentlich auch weiterhin wirtschaftlich dynamisch entwickeln. Dazu muss man nicht jedem Investor gleich den roten Teppich ausrollen. Es wird doch aktuell sogar eher ein Überangebot an hochwertigem Wohnraum geschaffen während, nicht flächendeckend aber doch an vielen Stellen, stark nachgefragter bezahlbarer Wohnraum im Zentrum und Großzentrum (S-Bahn-Ring) der Stadt verschwindet.
Da ist man als Stadtplaner doch fast in der Pflicht antizyklisch zu handeln. Zumindest aber sollte all dies immer ein Teilaspekt sein, der für jedes konkrete Projekt geprüft werden sollte - so denn überhaupt politischer Handlungsspielraum besteht. Ich will sicher keinen Stillstand und keine Überregulierung (und ich freue mich auch weiterhin über ästhetisch anspruchsvolle und hochwertige Projekte), aber in diesem konkreten Fall hier würde ich die Pläne doch eher noch ein paar Jahrzehnte in die Schublade verbannen und stattdessen den Bestand etwas pflegen/ optisch auffrischen. Sorry, mir ist selber bewusst dass ich in vielen Worten wenig Neues gesagt habe, aber ich wollte nur meine Sichtweise hinzufügen - zumal ich irgendwie eine Polarisierung in solchen Fragen befürchte...
P.S.: Vielleicht sollte man langsam einen projektübergreifenden Thread zum Thema eröffnen (hab bisher keinenwahrgenommen/ gefunden, nur Verstreutes in allgemeinen Threads e.g. Berliner Immobilienwirtschaft, Architektur kontrovers diskutiert etc. und in solchen zu einzelnen Projekten).