@UrbanFreak Ich denke die Friedrichstraße hat mit den Vorkriegsstrukturen nur noch wenig gemeinsam. Früher hatte die Straße einen deutlich besseren städtebaulichen Zusammenhang. Die Friedrichstadt lebte von Unter den Linden und seinen Repräsentationsbauten, das Einkaufserlebnis an der Leipziger Straße, die den Potsdamer Platz mit dem Spittelmarkt verbunden hat und schließlich die Friedrichstraße, die eine starke Querverbindung zwischen den zwei anderen Straßen hergestellt hat. Bekannt war die Friedrichstraße für ihre Restaurants und Bars. Diese identitätsstiftende, städtebauliche Komposition haben die Berliner sogar in den Volksmund aufgenommen: Unter den Linden, Friedrichstraße und Leipziger Straße nannte man respektive Laufstraße, Saufstraße und Kaufstraße.
Heute hat insbesondere die Leipziger Straße ihre historische Funktion komplett verloren. Die Mall of Berlin kann man eigentlich nicht mitzählen, da sie sich von der Straße abwendet und dem Straßenleben fast schon eher schadet. Damit endet die Friedrichstraße für die Berliner mehr oder weniger im nichts (welcher Einheimischer geht schon zum Checkpoint Charlie?) Auch der Mehringplatz als südlicher Abschluss der Achse ist vollständig verloren und schafft keinen Bezugspunkt mehr.
Zu den Gebäuden: Offensichtlich ist auch, dass die architektonische Qualität im Verhältnis zum Vorkriegszustand desaströs ist. Früher gab es abwechslungsreiche, aufwendige Fassaden mit großen Schaufenstern, die zum Einkaufen einluden. Gleichzeitig blieben die Parzellen aufgrund der barocken Vorgeschichte kleinteilig und das Straßenbild abwechslungsreich. Das Wertheim an der Leipziger Straße bildet wohl eines der wenigen Ausnahmen.
Heute läuft man am schauderhaften Russischen Haus der Wissenschaften, an übergroßen Büroblocks mit dunklen Fassaden und introvertierten Shopping-Arkaden vorbei (die auch schon halb ausgestorben sind)...
Typologisch unterscheiden sich die Gebäude ebenfalls. Bis zum Jahr 1900 wurden noch häufig Wohn- und Geschäftshäuser errichtet, die in den unteren Etagen dem Gewerbe vorbehalten waren und in den oberen Etagen für Wohnungen genutzt wurden. Nach 1900 wurden zwar immer mehr reine Geschäftshäuser errichtet, jedoch denke ich, dass die weiterhin existierenden Gebäude aus dem späten 19.Jhd. und die noch überlebenden reinen Wohnhäuser aus der früheren Generation bis 1890 zu einer deutlich größeren Nutzungsmischung, bzw. einem höheren Wohnanteil beigetragen haben - insbesondere im Vergleich zu der starken Monofunktionalität des heutigen Quartiers. Außerdem unterschied sich das damalige Gewerbe darin, dass die Büroflächen von denselben Unternehmen belegt wurden, die die Geschäftsräume im Erdgeschoss betrieben haben. Hinzu kamen auch viele kleingewerbliche Betriebe. Das ist mit den heutigen, hermetisch geschlossenen Bürokloppern in der Umgebung kaum zu vergleichen.