Hallo, ich habe mal ein neues Thema aufgemacht, um nicht den Thread zum Schlossumfeld sachfremd zu missbrauchen.
Ausgangssituation: Ich hatte mich positiv zur möglichen Rückkehr des Schlossbrunnens an seinen angestammten Platz geäußert und darauf aufbauend den Gedanken entwickelt, an den freiwerdenden Standort auf dem Rathausforum den Brunnen der Völkerfreundschaft vom Alexanderplatz zu versetzen. Dadurch würde dort die Fläche frei, einen modernen Neubau in der Kubatur und mit der rekonstruierten Fassade des Kopfbaus des ehemaligen Warenhauses Tietz zu errichten. Daraus entspann sich folgender Diskussionsstrang:
Zitat von ReinhardR
Das ist eine (wenn auch "off topic") eine interessante Idee:
Das Tietz-Kaufhaus am Alex mit der historischen Fassade samt Weltkugel.
Dahinter wäre dann sogar eine schlichte "Lüscher-Kiste" zu ertragen...
Zitat von Minimalist
Mit welchem Argument? 🤔
Der jetzige Kaufhof ist hochwertig und schlicht-edel im Vergleich zur restlichen neuen Architektur am Alex (Die Mitte oder Park-Inn Sockel)
Zitat von ReinhardR
Der Kaufhof ist von dieser Idee gar nicht berührt. Die Tietz-Fassade stand ca. 50 Meter weiter südlich.
Zitat von ElleDebe
Die Verschiebung des Schlossbrunnens an seinen jetzigen Ort konnte auch damit begründet werden, dass er mit der Sprengung des Schlosses seinen Kontext verloren hatte. Da dieser nun wieder vorliegt, stellt sich entsprechend zurecht die Frage nach der Rückehr des Brunnens an seinen angestammten Ort. Eine Versetzung des Brunnen der Völkerfreundschaft wäre dagegen vollkommen willkürlich und geschichtslos.
Dennoch ist der Vorschlag von Wolke Eins bemerkenswert: Da hier der Wunsch nach Rückkehr des Schlossbrunnens (Neptunbrunnen) an seinen angestammten Ort mit dem Wunsch nach willkürlicher Verschiebung eines anderen Brunnens aus seinem angestammten Ort sowie dem Wunsch nach Rekonstruktion (der Fassade des ehemaligen Kopfbaus des Tietz-Kaufhauses) Hand in Hand geht, verbinden sich hier in krasser Deutlichkeit Rekonstruktionsinteresse und Geschichtslosigkeit. Das ist insofern bemerkenswert, als die Rekonstruktion ja leicht mit einem geschichtlichen Bewusstsein gleichgestellt und verwechselt werden kann. Ein solches kann auch in der Tat vorliegen, aber er kann auch, wie hier, vollkommen fehlen, was vielleicht sogar die Regel ist. Für dieses geschichtslose, rein von einem ästhetischen Gefühl und/oder Nostalgie motivierte Rekonstruktionsinteresse scheint mir das häufig polemisch und unbestimmt gegen jede Rekonstruktion gewendete Wort "Disneyfizierung" das passende Wort zu sein.
Zitat von UrbanFreak
Das Wort "Disneyfizierung" halte ich in diesem Forum für überstrapaziert. Disney ist nicht nur geschichtslos, sondern auch ästhetisch einem besonders jungem Publikum gewidmet. Man kann also sicher darüber diskutierten ob Kitsch immer nur mit dem Kontext zu tun hat oder nicht auch mit der Ästhetik als solche.
Ich finde den Neptunbrunnen jedenfalls dort wo er jetzt steht in Ordnung. Und gegen Teilrekonstruktionen im Sinne von Referenzen an vergangen Tage spricht aus meiner Sicht weder Kitsch noch sonst irgendetwas - schließlich ist das Zitat ein Stilmittel das in der Architektur gang und gäbe ist. Ein Zitat in Kombination mit neuen Nutzungsmöglichkeiten finde ich durchaus eine gute Idee.
Prominentes Beispiel wäre das Reichstagsgebäude, dass mehr oder weniger in Schutt und Asche lag, rekonstruiert wurde und mit einem modernen Element "verziert" - ich denke das Resultat genießt weltweit Anerkennung.
Zitat von ReinhardR
Nachdem die Kommunisten das durchaus noch reparierbare Schloss gesprengt hatten (das Schloss Charlottenburg war wesentlich schlimmer beschädigt), war die Verteilung der Außendekoration wie die den Rossebändigern, das Reiterstandbild des Großen Kurfürsten oder dem Neptunbrunnen auf andere Stadtteile in Ordnung.
Nach Rekonstruktion der Schloss-Fassade ist es kleingeistig, sie nicht wieder an die alten Positionen zurückkehren zu lassen.
Ebenso ist es richtig, den "St. Georg mit dem Drachen", der vom Eosanderhof ins Nicolai-Viertel versetzt wurde, nicht wieder im Schloßhof unter zu bringen.
Der Eosanderhof wurde nicht rekonstruiert.
So what?
Darauf reagierte ich mit folgendem Statement bezugnehmend auf ein Zitat von ElleDeBe ("Eine Versetzung des Brunnens der Völkerfreundschaft wäre dagegen vollkommen willkürlich und geschichtslos"):
Mag sein, aber was wäre so schlimm daran? In den vergangenen Jahrzehnten wurden so viele Denkmäler, Brunnen, Figurengruppen, Häuser oder Kolonnaden willkürlich an neue Orte versetzt und das Ergebnis wird größtenteils heute akzeptiert. Muss denn in heutiger Zeit alles penibel historisch korrekt sein? Kann es nicht einfach auch mal nach Ästhetik oder Nostalgie gehen? Mein Vorschlag mit der Versetzung des Brunnens vom Alex sollte nur eine Leerstelle verhindern. Und ich stelle ihn mir überdies als ästhetisch ansprechende Ergänzung der Wasserspiele unterm Fernsehturm vor.
Zum Thema: Ich begrüßte es sehr, wenn der Schlossbrunnen wieder an seinen alten Ort versetzt würde, weil er dort die entsprechende räumliche Einfassung hätte. Aber bis dahin wird das Humboldt-Forum wohl einfach nur von lieblos dahingepflasterten Steinflächen umgeben. Wahrscheinlich noch nicht mal im Segmentbogen verlegt...
Hierauf folgten noch zwei Beiträge von ElleDeBe und Berlinier:
Zitat von ElleDebe
^ Du meinst also, dass man den Brunnen der Völkerfreundschaft, der dort, wo er ist, allgemein angenommen und akzeptiert ist, deswegen willkürlich versetzen können soll, weil er am neuen Ort vielleicht auch irgendwann akzeptiert wäre? 
Ich zweifle übrigens sehr daran, dass eine solche willkürliche Versetzung in diesem Fall auf algemeine Zustimmung stoßen würde, so wie ich auch daran zweifle, dass es "so viele" Beispiele willkürlicher Versetzungen gibt, die dann auch noch "größtenteils" akzeptiert würden. Kannst Du einige Beispiele nennen?
Zitat von Berlinier
Ich weiß nicht ob der Brunnen d.Vf. wirklich so "angenommen und akzeptiert" ist, eigtl. ist er die meiste Zeit mit Müll und Zigarettenkippen verschmuddelt, sodass man sich nicht gerne lange dort aufhält. Tatsächlich empfinde ich den Brunnen d.Vf. als einen der unangenehmsten und auch optisch abstoßendsten Brunnen in Berlin. Die schwarz-befleckten Stehlen, die sich wie umgedrehte Krähenfüße aus dem Boden schrauben, versprühen mehr den Charme eines Gruselfilms, als an "untereinander solidarische Menschen" zu erinnern. Diese Wirkung stellt sich m.M.n. überhaupt nicht ein. Höchstens an den Friedenstäubchen könnte man es erahnen, aber es sieht einfach so aus, als wären die nachträglich draufgesprayed worden und nicht Teil des Monuments. In diesem Sinne halte ich den Brunnen auch für einen Fail. Er transportiert weder eine Botschaft, die Menschen verstehen können, welche sich nicht explizit mit ihm beschäftigt haben, noch stellt er optisch einen Mehrwert in Bezug auf die Aufenthaltsqualität des Alex dar.
Ob es das alte Tiez als Reko sein muss, ich liebe zwar das Gebäude rein optisch, aber der Alex wird sich allein durch die HH schon verengen und in seiner Raumwirkung massiv verändern, das sollte man erstmal abwarten wie das wird. Da wäre ein neues Tiez evtl. doch etwas zu beengend. Auf jeden Fall sollten diese furchtbaren dunklen Krähenfüße mal professionell gereinigt und auf Hochglanz poliert werden, das wäre echt das Mindeste. Darüber würden sich bestimmt auch die Obdachlosen freuen.