An die Eleganz und Ausdrucksstärke ehemaliger Prestigebauten am Altstadtring wie den Württemberger Hof oder - noch eindrucksvoller - den Kulturverein kommt heutige Profanarchitektur nicht mehr ansatzweise heran, jedenfalls nicht in Nürnberg, auch nicht in Bauklötzchen-Deutschland. Uns ist fast jegliches Gespür für Ästhetik abhanden gekommen oder aberzogen worden. Bloß nicht auffallen, bloß nicht prahlen, und auf gar keinen Fall mit öffentlichen Geldern. Außer der Elbphilharmonie hat Deutschland seit Jahrzehnten kein einziges Gebäude von architektonischem Weltrang zustande gebracht (erlaube ich mir laienhaft zu behaupten). Wer heutzutage geniale Architektur sucht, der findet sie an Orten, an denen sie kaum einer vermuten würde.
Hier mal drei Beispiele, die ich auf Reisen selbst in Augenschein nehmen konnte, auch wenn die verlinkten Photos nicht von mir sind, sondern frei verfügbar aus dem Netz:
Kulturzentrum, Baku, Aserbaidschan:
Bürger-Service-Zentrum, Tiflis, Georgien:
Hauptbahnhof, Lüttich, Belgien:
Alle drei Städte, insb. die beiden Kaukasus-Hauptstädte haben übrigens sehr schöne historische Altstadtkerne, die aufwendig herausgeputzt werden/wurden, und sind für Architekturbegeisterte jederzeit eine Reise wert.
Aber ich schweife ab. Den Entwurf für den AOK-Neubau finde ich ehrlich gesagt gar nicht mal so schlecht. Er kommt an das m.E. sehr gelungene Neubaukonzept für den Hauptpost-Kopfbau am Bahnhofsplatz nicht heran, aber er gefällt mir mit seiner klaren Schlichtheit eigentlich ganz gut. Etwas sehr viel Extravaganteres würde auch nicht passen zu einer gesetzlichen Krankenversicherungsgesellschaft. Außerdem gefällt mir, dass die Dimensionen sich wieder mehr in die allgemeine Blockbebauung am Altstadtring einfügen. Den bisherigen AOK-Bau habe ich immer als überdimensionierte Beton-Wucherung empfunden. Gut, dass das Ding weg kommt. M.E. wird es stark darauf ankommen, was für Material für die Fassadenverkleidung genommen wird. Ich hoffe inständig auf Naturstein. Die Verwendung von Naturstein sollte sowieso innerhalb der Altstadt und entlang der Stadtmauer zur Pflicht gemacht werden, um jenseits der Formensprache ein stimmiges Gesamtbild zu erzeugen.