Beiträge von Carlo

    Warum die Gedächtniskirche weiter rekonstruiert werden darf

    Der Debatte um die Garnisonkirche bin ich bisher passiv gefolgt. Einige rechtliche Aspekte scheinen meiner Meinung nach aber noch erwähnenswert.


    1. Der Streit um die Garnisonkirche zeigt, dass die Bundesrepublik ein Rechtsstaat ist ...


    ... im Gegensatz zur untergegangenen DDR.


    Im konkreten Fall sieht man das daran, dass der für derartige Entscheidungen auf kommunaler Ebene in keiner Weise zuständige damalige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht in den 1960er Jahren den Abriss der Ruine der Garnisonkirche verlangte, und die kommunalen bzw. regionalen Behörden in Stadt und Bezirk Potsdam dieser "Weisung" dann auch allen Ernstes folgten. Man stelle sich vor, der Bundespräsident (die Positionen sind vergleichbar) stellte heute die Forderung, das Mercure-Hotel abzureißen - die kommunalen Amtsträger würden ihm deutlich klar machen, dass er dafür nicht zuständig ist.


    Die Beachtung formellen (Zuständigkeit, Verfahren, Form) und materiellen Rechts (Verfassung, Gesetze, untergesetzliches Recht) ist das Wesensmerkmal eines Rechtsstaats und gilt auch für den Fall der Garnisonkirche.


    2. Das Baurecht für die Rekonstruktion der Garnisonkirche kann nicht durch einen Bürgerentscheid widerrufen werden


    Für das Garnisonkirchengrundstück besteht Baurecht, das die originalgetreue Rekonstruktion der gesprengten Kirche umfasst.


    Der entsprechende Baubescheid kann nur dann widerrufen werden, wenn dafür eine Rechtsgrundlage vorhanden ist, was aber nicht der Fall ist. Um das zu ändern, müssten die untergesetzlichen und gesetzlichen Rechtsnormen (Bausatzung, Bauverordnung etc.) geändert werden. Das kann nach geltendem Recht aber nur durch die dafür zuständigen Gremien (d.h. durch die Potsdamer Stadtverordnetenversammlung bzw. den Brandenburger Landtag) erfolgen, nicht durch einen Bürgerentscheid.


    Auch eine enstprechende Änderung des Baugesetzbuches (Bundesrecht), die es erlauben würde, Verwaltungsakte wie eine Baugenehmigung durch Bürgerentscheid zu widerrufen, müsste vom Bundestag beschlossen werden. (Am Rande: Eine solche Änderung des Baugesetzbuches dürfte zudem nicht grundgesetzfest sein und würde daher vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, da die sogenannte "Volksgesetzgebung" durch Referenden und Bürgerentscheide nur die parlamentarische Gesetzgebung durch Landtage und Kommunalparlamente ersetzen kann, aber keine Einzelfallentscheidungen wie einen Baubescheid, die alleine den Verwaltungen obliegen.)


    Für eine Änderung der entsprechenden untergesetzlichen oder gesetzlichen Bestimmungen gibt es weder in der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung, noch im Landtag von Brandenburg, noch im Bundestag eine Mehrheit. Deswegen kann der gültige Baubescheid für die Rekonstruktion der Garnisonkirche nach geltendem Recht im Wege eines Bürgerentscheides nicht widerrufen werden.


    3. Das Bürgerbegehren war erfolgreich -- und trotzdem kann gebaut werden


    Aus den unter 2. genannten Gründen konnte das Bürgerbehren von Anfang an nur darauf gerichtet sein, die städtischen Vetreter in der Stiftung Garnisonkirche Potsdam auf ein bestimmtes (Abstimmungs-)Verhalten festzulegen, in diesem Fall, darauf hinzuwirken, dass der Stiftungsrat beschließen möge, von dem bestehenden Baurecht für eine Rekonstruktion der Kirche keinen Gebrauch zu machen. Diesem Antrag hat die Stadtverordnetenversammlung stattgegeben, das Bürgerbegehren war insoweit erfolgreich.


    Die städtischen Vertreter in der Stiftung werden nun also die übrigen Mitglieder des Stiftungsrates überzeugen müssen, von dem Bauvorhaben abzusehen. Der Stiftungsrat entscheidet aber als Ganzes, und solange die Rekonstruktionsbefürworter dort die Mehrheit haben, wird die Stiftung von ihrem Baurecht Gebrauch machen - was völlig rechtens ist.