Leipzig: Umgang mit Bauerbe

  • @ raubbau: Die oberste Schicht war sicher zu Fundamentierungszwecken ohnehin modern aufgemauert. Ich bezweifle, dass ein so bedeutendes und in seiner Lage auch bekanntes Bodendenkmal flächenhaft beseitigt worden ist.


    Ich habe es mir unten im Hof angeschaut, es waren die originalen Mauerreste. Durch den Archäologen vor Ort wurden noch einige Porphyr-Gewände gesichert, die als Füllmaterial verwendet worden waren. Ansonsten wurde die gesamte obere Schicht (in Höhe des neuen Pflasteraufbaus) abgetragen und entsorgt. Von einer kompletten Tiefenberäumung habe ich doch gar nichts geschrieben?

  • Aurelienstraße 58

    Dave's Bilder veranschaulichen mal wieder dass es in Leipzig nicht nur um Gentrifizierung geht, sondern auch um Stadterneuerung welche ohne einen gewissen Veränderungsprozess sicher nicht möglich ist. Das dazu auch ein Verdrängungsprozess gehört ist nunmal leider der bittere Beigeschmack. Ansonsten hätten wir aber vor allem in Leipzig nicht solche "Wiederauferstehung" eines Teils der Straße wo vor drei Jahren nicht einmal der Müll beräumt wurde. Das Beispiel ist wieder prädestiniert für ein vorher-nachher Vergleich.

  • Mal völlig wertungsfrei in Bezug ob man Ruinenromantiker oder Wiederauferstehungsfreund ist: 1990 wurde die Frage gestellt, ob Leipzig noch zu retten ist. Zwanzig Jahre später löst jedes letzte in Sanierung befindliche Gebäude eine Gentrifizierungsdebatte aus. So kann sich der Stadtbegriff ändern!


    hedges:
    Mir ist allerdings der Zusammenhang zwischen der Sanierung dieser Häuser und dem Thema Gentrifizierung explizit an diesem Beispiel nicht ganz klar. Mich würde das interessieren, kannst Du das bitte erläutern?

  • Oft werden Gentrifizierung und Sanierung gleichgesetzt - beziehungsweise wird mit jeder Sanierung Gentrifizierung als Folge befürchtet.
    Hedges zeigt auf, daß Sanierung nicht zwingend eine Verdrängung zur Folge hat, oder besser: mit der gezeigten Sanierung werden explitit Ruinen, Brachen und Dreckecken verdrängt.

  • Eine Verdrängung findet nicht statt, wenn ruinöse und unbewohnte Altbauten saniert und für Wohnzwecke wieder hergerichtet werden. Die von Dave oben gezeigten Häuser sahen vor zwei Jahren noch so aus. Hat da etwa vorher noch jemand drin gewohnt?

  • [kann gelöscht werden]

    Einmal editiert, zuletzt von Geograph ()

  • "Die hellste Stadt der Republik"...

    Wie die LVZ heute unter der Überschrift "Ostalgie? Nostalgie! Stadtbild!" verkündet erwekt CASA Concept in der Windmühlenstraße die alte Traktoro-Export-Werbung zu neuem Leben, wie zuvor schon - zumindest einen Teil - der Reklame für das volkseigene Möbelwerk Hellerau. Laut Artikel allerdings nicht mit ursprünglichen selbstleuchtenden Effekten sondern angestrahlt.


    Nur zur Erinnerung: Die Leuchtreklamen waren zu DDR-Zeiten tatsächlich integrativer Bestandteil Leipziger Stadtplanung. Anbei eine wirkliche Perle aus dem WWW
    https://www.wir-waren-so-frei.…bject/Show/object_id/7838


    In 01:05 sieht man den ursprünglichen Umschalteffekt der Traktoro-Werbung. Der absolute Hammer ist meines Erachtens aber nach wie vor die Centrum-Warenhaus-Neonreklame (00:08) direkt gegenüber den Margonwasserblubberbläschen (an den Brandwänden in der Petersstraße, wo heute der neue Eingang von Karstadt ist und gegenüber die Juridicumpassage).


    Wenn der Alltag auch ziemlich grau war - die Nacht war geradezu psychedelisch. Bis die Neonröhren ausgefallen sind.


    Und jetzt bitte keine Vorträge über leuchtenden Kitsch und vergammelte Häuser - einfach an den Bildern freuen und gut ;)

  • genau. nur freuen und gut. und bloß nicht nachdenken.


    sonst könnte man ja darauf kommen, dass es sich hierbei nicht um klassische reklame, sondern um eine (im grunde ziemlich perfide) form von propaganda handelte. schließlich wurde hier von oben verordnet für dinge "geworben", die es entweder nicht zu kaufen gab, oder für die es keine alternativen gab, oder die eigentlich niemand wirklich haben wollte. in summe wirkte das alles eher als hohn.


    der integrative bestandteil dieses bling-blings an der stadtplanung beschränkte sich darauf, das jedes jahr mehr verödende leipzig für messegäste aus dem westen immer krampfhafter wenigstens in der nacht als potemkinsches dorf erstrahlen zu lassen.


    auch wenn manche beton-ostalgiker nicht so gern daran erinnert werden wollen: der "narva-taghell"-schriftzug (für die ohnehin einzige glühbirnenbude in der ddr) leuchtete nachts an der fassade eines gebäudes in unmittelbarer markt-nähe, bei dem man tagsüber von der hainstraße aus durch alle etagen der ruine hindurch in den smoggrauen himmel blicken konnte.


    es gibt sicher wenig dagegen einzuwenden, einige dieser skurrilitäten zu erhalten. der spaß hört allerdings auf, wenn sich die gleichen politischen gruppierungen, die sich etwa für der erhalt der "löffelfamilie" einsetzen, gegen den einbau einer weitaus kleineren - und technisch höherwertigeren - videowall an den höfen am brühl aussprechen. da kippt das ganze dann doch zu sehr in richtung "leuchte, roter stern, leuchte!".


    seit ihrer mustergültigen sanierung in den 90ern erstrahlt die ehemalige ruine in der hainstraße in neuem, altem glanz. das ist allemal besser als jeder "narva"- oder "osram"-schriftzug. einfach an dem wiederaufgebauten haus erfreuen und gut.

  • Annenstraße Ecke Wurzner Straße


    Die beiden Altbauten - die Andere als Abrisshäuser bezeichnen würden - erstrahlen "endlich" wieder im neuen Glanz... >>



    In der Annenstraße - landwärtige Haltestelle S-Bf. Sellerhausen der Linie 8.



    Es kamen keine weißen sondern grüne Fensterrahmen zum Einsatz.




    Annenstraße Ecke Wurzner Straße.




    An der Wurzner Straße - stadtwärtige Haltestelle S-Bf. Sellerhausen der Linien 7 und 8.



    Blick auf die beiden sanierten Eckgebäude.



    Östlich der Annenstraße.



    Querschnitt vom Straßenraum.



    Westlich der Annenstraße.



    Wurzner Straße Ecke Annenstraße.



    Hier kommen braune Fensterrahmen zum Einsatz.



  • Ich staune immer wieder wie wenig Billigfenster ohne Sprossen man auf diesen Fotos sieht. Ist das generell so, dass die kaum verwendet werden? Anderswo spart man daran ja meist zuerst.

  • ^die Häuser stehen unter Denkmalschutz. In solchen Fällen können die Sanierungskosten (also auch die Kosten für die Fenster) steuerlich hoch abgeschrieben werden. Dies aber nur, wenn die Denkmalbehörde die denkmalgerechte Sanierung bescheinigt.
    Wer in ein denkmalgeschütztes Objekt z.B. einfache Kunststofffenster o.ä. einbaut, verliert also Steuervorteile.
    Leider haben viele andere Städte vergleichbare Gründerzeithäuser nicht unter Dekmalschutz gestellt. Daher lohnt es sich finanziell nicht für die Eigentümer, höherpreisige Elemente (wie z.B. Fenster) einzubauen.

  • genau. nur freuen und gut. und bloß nicht nachdenken.
    [...]


    Danke für die erschöpfende Gegenrede. Es hätte mich auch ehrlich gewundert, wenn mein letzter Satz einfach mal hingenommen werden würde. Weißt Du, lieber dj, wer Polemik austeilt darf sie auch einstecken: Ich akzeptiere lieber, dass es eine Stadtplanung zwischen 1945 und 1990 gegeben hat, mit all ihren Widersprüchlichkeiten, Belanglosigkeiten, Entgleisungen usw. , als dass ich völlig kritiklos eine Stadtidylle herbeisehne, als ob es den 2. Weltkrieg nie gegeben hätte. Das fände ich bedenklich. Aber freu Dich nur an den schönen Fassaden...

  • Kann es sein, dass Du hier etwas verwechselst? Wer in diesem Forum will die Stadt der Vergangenheit wieder errichtet sehen?


    Aber ein paar Belanglosigkeiten und Entgleisungen weniger in der Innenstadt wären schon nicht schlecht. Oder?

    Einmal editiert, zuletzt von Stahlbauer () aus folgendem Grund: Brei getreten.

  • ^
    eine ähnliche Diskussion gab es bereits im "Brühlpelz"-Thread, wäre es nicht sinnvoller, dies dort [oder im 'Cafe Mephisto'] weiterzuführen und den Bauerbe-Thread nicht ebenso mit einer endlosen Diskussion zu füllen?
    [...]


    Solange das Thema "Bauerbe" nur selektiv wahrgenommen wird sehe ich allerdings einen gewissen Diskussionsbedarf. In dem Zusammenhang würde ich mir einfach mal etwas mehr Objektivität oder Sachlichkeit wünschen - am Beispiel meines Beitrages zu der Leuchtreklame - wäre doch zum Beispiel mal viel interessanter eine Kulturgeschichte der Leuchtreklame in Leipzig zu entwickeln, anstatt hier einseitigen DDR-Frust zu entladen. Das muss doch möglich sein? Also nicht gleich bei jedem Thema zwischen 1945 und 1990 ausrasten. Das nehme ich mir auch an.

  • Laut der Historie dieses Themas gehört ein Großteil der DDR-Architektur zum "Bauerbe". Andererseits sollten wir hier wirklich explizit dokumentieren.

  • Die Gutsmuthstraße 48 wird bis auf die Aussenfassade komplett neu aufgebaut:


    Die Sanierung der Wagner'schen Häuser in der Zschocherschen Straße schreitet voran:


    Die GRK saniert das städtebaulich wichtige östliche Kopfgebäude in der Industriestraße zwischen Zschocherscher und Erich-Zeigner-Allee:


    Die Pension Großmann in der Karli 22 hat das Dachgeschoss ausgebaut (Vorzustand) und die Fassade neu angestrichen. Nicht spektakulär aber doch eine Verbesserung fürs Strassenbild. Wobei es gern etwas bunter hätte sein dürfen: