Leipzig: Areal Bayerischer Bahnhof

  • „Große Lösung“ für den Bayerischen Bahnhof
    Anfang Oktober sollen die Ergebnisse der Streitschlichtung zwischen Stadt und Immobilienfirma vorliegen
    VON KLAUS STAEUBERTUND JENS ROMETSCH


    Seit mehreren Jahren hängt in Leipzig eines der größten innerstädtischen Bauprojekte in der Schwebe. Jetzt scheint endlich eine Einigung zwischen der Kommune und der privaten Stadtbau AG über die Entwicklung am Bayerischen Bahnhof möglich. Auf der 40 Hektar großen Brachfläche sollen Wohnungen für Tausende Menschen, auch Gewerbe, Schulen, Kindergärten entstehen. „Es zeichnet sich die große Lösung ab“, weckte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) kürzlich im Stadtrat Hoffnungen. Doch ein Wermutstropfen bleibt in jedem Fall.


    Anfang Oktober sollen nach den Worten von Wirtschaftsbürgermeister Uwe Albrecht (CDU) die Ergebnisse eines Mediationsverfahrens vorliegen. Wie berichtet, war im Mai dieses Jahres ein externer Moderator eingeschaltet worden, um Streitpunkte zwischen der Stadt und dem Immobilienunternehmen zu klären. Seitdem haben sich laut Albrecht beide Seiten wöchentlich getroffen.


    Östlich der City-Tunnel-Trasse könnte es dieses Jahr losgehen


    Nach Angaben des externen Moderators, der die Gespräche leitet, wurde bereits Einigkeit über wesentliche Punkte erzielt. Grundsätzlich solle für die Bebauung des Areals wieder zu dem städtebaulichen Entwurf zurückgekehrt werden, der 2011 aus einem internationalen Wettbewerb siegreich hervorgegangen war. Gewonnen hatte damals eine Arbeitsgemeinschaft der beiden Berliner Büros Jörg Wessendorf Architektur sowie Atelier Loidl Landschaftsarchitektur. Ihr Entwurf wurde mit Lob überschüttet. Zum Beispiel sagte der damalige Baubürgermeister Martin zur Nedden (SPD): „Die Verbindung zwischen der Südvorstadt und den Neubaugebieten an der Straße des 18. Oktober ist hervorragend gelungen.“


    In den Folgejahren hatten jedoch verschiedene Rathaus-Dezernate alle möglichen Änderungswünsche eingebracht, die teils im Widerspruch zu dem Wettbewerbsergebnis standen. Nun heißt der Rettungsweg offenbar: Zurück auf Los!


    Konkret soll der großzügig projektierte Grünzug in der Mitte des Areals nicht angetastet werden. Nahe dem heutigen Sportplatz am Dösner Weg (zwischen der Schwimmhalle Tarostraße und der Semmelweisstraße) kann die Kommune eine Oberschule und ein Gymnasium errichten, deren Kapazitäten für insgesamt 2000 Schüler ausreichen sollen. Für einige neue Wohnhäuser am Dösner Weg wird ein bereits begonnenes Werkstattverfahren zur Gestaltung fortgesetzt.


    Auch die Idee der Stadtbau AG, einen noch gut erhaltenen Teil der Ruine von Gurken-Schumann in eine neue Kita zu integrieren, findet in dem Vermittlungsverfahren Zustimmung, so der Moderator.


    Alle Vorhaben östlich der City-Tunnel-Trasse sollen ohne langwieriges Bebauungsplanverfahren auf den Weg gebracht werden. Da sich die Flächen in vorhandene Stadtstrukturen einfügen, könnten die Genehmigungen gemäß Paragraf 34 Baugesetzbuch recht schnell erteilt werden. Optimisten sprechen sogar schon davon, dass ein erster Spatenstich noch 2016 möglich sei. Für die Flächen unmittelbar neben dem historischen Bayerischen Bahnhof und am Rande der Südvorstadt seien ebenfalls zügige Genehmigungen möglich, hieß es weiter. Unweit der Kohlenstraße könnte eine weitere Kita, auf der Fläche südlich der Semmelweisstraße (vor der Media-City) noch eine Grundschule entstehen. Je nach Bedarf würde diese Schule Platz für bis zu 1000 Eleven bieten. Für ein sozial gemischtes, großes Wohngebiet westlich der Bahnstrecke sei ein Bebauungsplan indes unumgänglich.


    Noch bleibt dem Vermittlungsgremium vier Wochen Zeit, um offene Fragen zu klären. Dann wird das Ergebnis in einer gemeinsamen Sitzung den Spitzen der Stadtverwaltung sowie der Stadtbau AG vorgestellt. Sofern beide Seiten grünes Licht geben, würden als nächstes die Ratsfraktionen beteiligt. Deren Votum entscheidet über die Zukunft des Areals.


    Im Stadtrat war die Stimmung zu dem Thema jüngst recht unterschiedlich. „Wir werden von dem Immobilienunternehmen am Nasenring durch die Arena gezogen“, kritisierte Margitta Hollick (Linke). Der Stillstand am Bayerischen Bahnhof sei ein „enormes Ärgernis“, weil Schulen und Kitas dringend gebraucht würden, sagte SPD-Stadtrat Heiko Oßwald: „Baubürgermeisterin Dubrau hat uns vor drei Jahren schon signalisiert, dass wir kurz vor einer Lösung stehen. Ich würde gerne wissen, was für sie kurz bedeutet.“


    Prager Dreieck und Brüderstraße sind Ersatzstandorte für Schulneubauten


    Im Schulentwicklungsplan, der erst vor vier Monaten vom Stadtrat beschlossen wurde, stehen als Termine für die Inbetriebnahmen 2019 (Grundschule) und 2020 (Oberschule und Gymnasium). Das sei nicht mehr zu schaffen, räumte Jugendamtsleiter Nicolas Tsapos jetzt auf LVZ-Nachfrage ein. Alternativ lasse die Stadt daher die Pablo-Neruda-Schule sanieren. Ein weiterer Grundschulneubau sei an der Brüderstraße vorgesehen – er soll 2020 öffnen. Ein zusätzliches Gymnasium plane die Kommune nun am Prager Dreieck, wo auch schon eine Flüchtlingsunterkunft entstehen soll. Ein Fertigstellungstermin für diese Schule lasse sich aber noch nicht nennen, so Tsapos. Die Schulen auf dem Areal Bayerischer Bahnhof würden dennoch dringend benötigt.

  • In der morgigen LVZ-Ausgabe gibt es einen Artikel zum Areal hinterm Bayerischen Bahnhof. Die Zusammenfassung in Kurzform:


    • Einigung in fast allen Punkten zwischen Stadt und Investor durch Mediationsverfahren.
    • Bau von bis zu 3.000 Mietwohnungen auf der 40ha großen Brachfläche.
    • Das Investitionsvolumen wird derzeit auf deutlich über 500 Mio Euro geschätzt.
    • Bauzeit von Frühjahr 2017 bis geschätzt 2027.
    • Schnell losgehen soll es am Dösner Weg mit Bau einer Kita sowie 200 Wohnungen. Entscheidung nach bereits stattgefundenen Werkstattverfahren entweder für Architekturbüro Kaden+Lager (1. Platz) oder nps Tchoban Voss (2. Platz).
    • 30 Prozent der Wohnungen könnten als Sozialwohnungen zur Verfügung gestellt werden.
    • Zu beiden Seiten des S-Bahn-Trogs wird ein 8 ha großer Grünzug mit Spielplatz und Freizeitanlagen von der Stadtbau AG verwirklicht, evtl. soll es noch eine zusätzliche Fußgängerbrücke über die S-Bahn geben.
    • Abweichend vom Wessendorf-Konzept bekommt der Nordteil keinen Radschnellweg, sondern normale Radwege. Entlang der Kohlenstraße sind bis zu fünfgeschossige Wohnbauten statt Einfamilienhäuser geplant.
    • Für den dienstältesten Technoclub Deutschlands, der Distillery, verspricht die Stadtbau AG eine "einvernehmliche privatrechtliche Lösung" mit den Clubbetreibern.
    • Nördlich der Semmelweisbrücke möchte ein anderer Investor ein mehrgeschossiges Ensemble für betreutes Wohnen, soziale Dienste sowie eine Schwimmhalle errichten.
    • Eingangs der Straße des 18. Oktobers ist noch ein Neubau als "Hochpunkt" avisiert - klingt also nach einem Wohnhochhäuschen.
    • Südlich der Brücke plant die Stadtbau AG den Bau einer Grundschule.
    • Als "Clou" wird der Plan bezeichnet, wonach der im Krieg zerstörte Ostflügel des Bayerischen Bahnhofes nach historischem Vorbild wiederaufgebaut wird. Der dadurch entstehende Innenhof soll als Freisitz teilweise überdacht werden.


    1. Preis von Kaden + Lager (Berlin) für die 200 Wohnungen am Dösener Weg. Der Entwurf soll noch überarbeitet werden und auch der Zweitplatzierte ist wie oben geschrieben hinsichtlich der Realisierung noch im Rennen.

    Bild: Kaden + Lager

  • Schön, dass es nun endlich hier voran geht. Wenn die Ergebnisse des Mediationsverfahrens so umgesetzt werden, wird dies sicher auch als Blaupause für andere Projekte in Leipzig dienen, z.B. das an anderer Stelle diskutierte Projekt der CG Gruppe auf dem ehemaligen preussischen Freilandbahnhof. Die am Bayerischen bahnhof angegebene Bauzeit von 10 Jahren halte ich für viel realistischer als die Angaben der CG Gruppe für ihr Projekt.
    Was mir aufgefallen ist, ist, dass das eigentlich von der Stadt geplante Gymnasium keine Erwähnung findet. Spannend ist auch, dass die Stadtbau AG eine Grundschule baut. Der wäre ein Novum in Leipzig.

  • ^ doch, es wird im Artikel erwähnt. Das jetzt noch der Stadtbau AG gehörende Gebiet am südlichen Ende des Dörnser Wegs/Semmelweisstraße wird an die Stadt verkauft. Diese wird dort ein Gymnasium, eine Oberschule, und Turnhallen für insgesamt 2.000 Schüler errichten. Eine Menge wenn man bedenkt, dass nebenan das gerade erst eröffnete Reclam Gymnasium steht.


    Eine Höhendominante am Eingang zum 18. Oktober ist nur zu begrüßen. Vielleicht war das auch des OBs Gedanke, als er vor ein paar Monaten von Wohn-"Hochäusern" sprach. Vielleicht kommen dann auch die Flächen gegenüber an der Kreuzung Rosenthalstraße unter den Hammer und werden bebaut. Gerne auch mit höhere Bebauung. Die unmittelbare Nähe zum S-Bahnhof ließe hier ja auch Hotelnutzung zu.


    Absolut zu begrüßen ist natürlich auch die Rekonstruktion des östlichen Teils des Bayerischen Bahnhofs mit teilweiser Überdachung. Was dort eine "Fläche zum Verweilen" bringen soll, erschließt sich mir aber dennoch nicht. Vielleicht kommt da noch etwas - z.B. Einzelhandel oder Gastronomie.

  • ich bin auch hocherfreut, auch wenn sich (das heutige) Leipzig erst an eine derartige Konzentration der Nutzungen gewöhnen muss. Jetzt muss die Kommune veranlassen, dass sich auch die Erschließungsqualitäten verbessern (Achse Semmelweisstraße / Eisnerstraße und Straße des 18. Oktober selbst.


    Nicht vergessen: Diese gesamte Menge Bauvolumen müsste bis 2030 jedes Jahr geschaffen werden, um das Wachstum abzufedern!

  • Nun macht zwar die Stadt einen größeren Sprung als noch vor 10 Jahren gedacht, und wird die ungenutzten bzw. ehemaligen Bahnflächen in Wohngebiete formen. Dennoch ist diese Menge an Bauvolumen natürlich nicht zu stemmen bis 2030. Außer es werden mehrere Großprojekte bis dahin verwirklicht.


    Konkret zum Bayrischen Bahnhof. Was sich mir nie richtig erschlossen hat ist die Tatsache, dass man die Johannisallee nicht bis in die Südvorstadt durchgezogen hat. Den S-Bahn Trog hätte man auch danach noch an die Oberfläche bringen können.

  • ^ Der City-Tunnel wurde doch aus Kostengründen verkürzt. Falls ich mich recht entsinne, sollten die Röhren ursprünglich erst an der Station Semmelweisstraße wieder ans Licht kommen.

  • Das ist korrekt. Darüber wurde auch viel diskutiert. Die Semmelweißbrücke hätte es in ihrer heutigen Form auch nicht gegeben.Der Tunnel wäre erst nach ihr "aufgetaucht". Für Leipzig ist es dadurch teurer geworden, da die Brücke samt den Rampen viel aufwendiger wurde.

  • Eine Verlängerung des Citytunnels bis etwa Höhe Gleisdreieck an der Richard-Lehmann-Straße wäre ohne Zweifel attraktiver gewesen. Diese Troglösung hingegen stellt eine Schneise mitten durch den neuen Stadtteil dar, die, wenn ich das richtig sehe, künftig nur über zwei Fußgängerbrücken passiert werden kann.

  • Das ist das Einzige was ich auf die Schnelle noch gefunden habe.


    Erhebliche Bedenken hat die SPD-Fraktion jedoch bezüglich der Pläne, die südliche Tunnellänge zu verkürzen. Die damit verbundene Kosteneinsparung steht in keinem Verhältnis zu den absehbaren Nachteilen dieser Lösung.

    Die vollständige Presseerklärung aus dem Jahr 2002 erhält man hier. Die Troglösung sollte gegenüber einem längeren Tunnel die Kosten senken, da anscheinend schon vor dem Baubeginn klar war, dass man die anvisierten Kosten nicht einhalten würde können.

  • Der ursprünglich geplante Tunnelmund war genau die Semmelweissbrücke. Deshalb hat die Station "MDR" auch Außenbahnsteige, weil der Tunnel zwischen Bayerischem Bf und MDR in Rechteckbauweise recht oberflächennah geplant wurde. Das Gleisniveau am MDR liegt etwa 3 tiefer als das frühere. Somit wurden die Entwicklungslängen der Rampen verkürzt. Die Stadt hätte immer das Brückenbauwerk über den Gleisen bezahlt. Insofern sind die Kostenänderungen für die Kommune niedrig.


    Die Johannisallee sollte in den 70ern eine mehrspurige Stadtautobahn werden. Im ersten FNP 1992 ist dies auch als Tangenviereck Süd durch die Braustraße verlängern enthalten.


    Ich finde gut, dass das Bahnareal umfahren werden muss, somit bleibt ein großer Bereich zum Leben und vor Verlärmung geschützt.

  • Ich erinnere mich jetzt auch an die letzten Planungen mit der Tunnelöffnung hinter der Semmelweisbrücke.


    Zur Johannisallee - sicher wäre eine 4-spurige Straße durch das neue Quartier sicher nicht das Beste. So mal sie ja auf Nebenstraßen in der Südvorstadt treffen würde. Dennoch wäre eine gewisse verkehrliche Durchlässigkeit nicht schlecht gewesen.

  • Letzteres ist natürlich wichtig. Das halte ich auch ohne Planstandkenntnis im Detail für gegeben - halt zu Fuß und mit dem Rad. Beides wäre dem Ort angebracht.


    Als die S-Bahn-Planungen finalisiert wurden, u.a. mit der Nutzen-Kosten-Untersuchung Anfang 2000 stammte das Bebauungskonzept noch vom Büro Albert Speer und Partner. Vor allem südlich der Semmelweisstraße sollten MDR und Media City umfassend erweitert werden. Diese Planungen wurden verworfen, als nach 2000 die Stadt im Entwicklungstiefpunkt dümpelte.

  • ^ ist denn der Ausbau der MediaCity bzw. des MDR dort vom Tisch? Ab 2017/2018 sollen ja wieder alle Nachrichtenteile vom MDR - Fernseh- und Hörfunk sowie andere Medien - an der Altenburger Straße zentriert werden. Keine Ahnung wie viele das sind.

  • ich gucke mal, ob ich in Kürze eine Skizze aus der damaligen Zeit finde und ablichten kann. Die Dichte der Erweiterung war sehr hoch, da hätten gut und gerne 30 weitere Sender Platz. Es handelte sich allerdings "nur" um einen Masterplan.

  • ^
    Ergänzung:
    Ja, der MDR zieht ab 2017/2018 weitere Teile seines Senders nach Leipzig um, so z.B. mindestens Teile des Hörfunk (bisher in Halle).


    Von Neubauten ist mir aber noch nichts bekannt, das soll alles durch Umstruktierung im bisherigen Komplex aufgefangen werden.
    Stand der Info ist allerdings Frühjahr 2016.

  • Wohnen am Bayerischen Bahnhof
    Ausstellung im Rathaus


    Die Entwürfe für ein erstes neues Quartier am Bayerischen Bahnhof, zwischen Bahntrog und Dösener Weg, sind bis 15. Dezember 2016 in der 5. Etage des Neuen Rathauses zu sehen.
    LINK

  • Was ich nicht verstehe: Es wird von "westlich des Bahntrogs, am Dösner Weg" gesprochen. Der Dösener Weg selbst ist aber östlich des Bahntrogs. Wo genau - auf welcher Fläche - soll denn nun gebaut werden?


    Edit: Mir deucht, es ist die Fläche zwischen Bahntrog und Dösener Weg gemeint. Kann das jemand bestätigen?

  • baulich ist es dort recht anspruchsvoll, denn die Spundwände des Bahntroges haben Rückverankerungslitzen, die ins Baugebiet hinein reichen. Ist immerhin alles dokumentiert.... Das erklärt ggf. auch die Art und Weise der Baumassegliederung.