Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • Ich bin doch etwas erschrocken über die Aggressivität, mit der die Debatte geführt wird. Letztendlich geht es um ein Kunstprojekt der Stiftung Humboldtforum, das bereits während der Amtszeit der alten Bundesregierung initiiert worden ist und das nun von der neuen Kulturstaatsministerin Claudia Roth unterstützt wird. Das ist eigentlich ein ganz normaler Vorgang, und ich finde es selbstverständlich, dass sich eine Kulturstaatsministerin für die Freiheit der Kunst einsetzt.


    Der Skandal besteht aus meiner Sicht darin, dass dieses Thema von rechten Kräften missbraucht wird, um gegen Frau Roth und vermeintlich links-grüne Verschwörungen zu hetzen. Man muss nur ins Stadtbild Deutschland-Forum schauen, was dort alles an unappetitlichem Gedankengut abgesondert wird. Da wird Frau Roth abwechselnd "pures Ulbricht-Niveau", "Missachtung der Demokratie", eine "bipolare Störung" oder auch "Demenz" unterstellt. Diese Hetze finde ich unakzeptabel und hat mit einer respektvollen Debatte nichts zu tun. Ich bin keine großer Fan von Frau Roth, aber wenn hier eine offensichtliche Hetzkampagne gefahren wird, dann werde ich sie verteidigen.

  • Klarenbach Die Debatte um die LED-Installation wurde hier mE auf einem weitgehend sachlichen Niveau geführt, auch wenn es in der Sache eben Differenzen gab. Die von Dir aufgeführten Titulierungen solltest Du mE eher am entsprechenden Ort adressieren, wenn Du Frau Roth verteidigen möchtest (was ich in dem Fall auch völlig angemessen finde). Mit der Freiheit der Kunst hat das Ganze mE aber trotzdem wenig zu tun, da diese hierbei gar nicht grundsätzlich zur Debatte steht.


    Aktuell ging es um die Figuren, die gerade auch ästhetisch eine gewisse Rolle spielen. Die Debatte darüber fand ich zuletzt eher müßig und unergiebig, nicht aber übermäßig aggressiv. Ich finde Du vermengst hier einiges und willst den Austausch so vielleicht auch abwürgen, kommst aber auch nicht zu einer eigenen Position, ob die Statuen nun zurück auf die Reko oder aber verbannt gehören.

  • Sehe das so zu großen Teilen so wie Klarenbach. Die Aggresivität mit der Frau Roth teilweise auch hier angegangen wird, hat oft nur wenig was mit der konkreten Sache zu tun. Eine Reduktion auf den Streisand-Effekt übersieht daher einen erheblichen Teil der Dynamik.


    Ansonsten würde ich darum bitten, niemand hier irgendein abwürgen von Diskussionen vorzuwerfen. Nachdem du meine kurzen Anmerkungen schon in den falschen Hals bekommen hast, atme erstmal durch. Du hast ja jetzt schon mehrere Posts geschrieben, weil du dich imaginiert von igendwo angegriffen gefühlt hast.

  • GeorgSchimmel Entweder wir reden komplett aneinander vorbei oder Du willst mich hier auflaufen lassen. Ich versuche ein letztes Mal es so klar wie möglich zu erklären, weil es mir wirklich wichtig ist, hier nicht falsch verstanden oder wiedergegeben zu werden. Anschließend bin ich aber auch raus, da es nur noch müßig wird.


    Das mutmaßliche Missverständnis liegt mE scheinbar zunächst darin begründet, dass Du ein größeres, allgemeineres Thema (i.e. die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit den Grünen gerade auch von Seiten rechtspopulistischer und rechtsradikaler Kreise) mit einem kleinen Einzelthema (i.e. meinen spezifischen Anmerkungen zu den Statuen) vermengst.

    Vor allem aber stoße ich mich an Deiner entweder unbewussten oder perfiden Verkettung von Schlagwörtern, bei der Du in Bezug zu den Angriffen gegen die Grünen und Linken - "auch hier im Forum" - im gleichen Atemzug von einer "Radikalisierung der politischen Rechten" schreibst. Das wohlgemerkt als direkte Reaktion auf meinen Beitrag, der ja in der Tat ebenfalls Frau Roth sehr deutlich kritisiert. Natürlich kann man dort einen Zusammenhang hineinlesen, den Du jetzt ja immerhin explizit verneinst. Damit will ich es bewenden lassen.


    @all: Falls es wirklich so unklar war: Ich habe nie gemeint, dass sämtliche Angriffe auf Frau Roth oder sonst wen NUR durch dieses Einzelthema der Figuren bedingt wären (was ja auch reichlich absurd wäre). Ich habe dagegen sehr spezifisch gemeint, dass Frau Roth und ihre diesbezüglichen Mitstreiter (ungleich "DIE Grünen") hier in diesem Einzelaspekt unnötig ein Thema aufmachen, was für mich sonst keins geworden wäre. Das gibt natürlich als Folge eben AUCH unappetitlichen Kreisen unnötige Munition (ebenso aber legitimen politisch-gesellschaftlichen Sparring-Partnern).

  • tegula Vielen Dank für die interessante Zusammenfassung. Bei dem Kommentar von Richard Schröder in der NZZ kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Für mich offenbart er ironischerweise die Schwäche der eigenen Argumentation, wenn er den Kritikern des Kuppelspruchs die Verleugnung der eigenen Geschichte unterstellt. Denn bspw. wäre eine künstlerische Akzentuierung alles andere als eine Verleugnung, sondern eben aktive Auseinandersetzung, das Einbringen unterschiedlicher Perspektiven. Dass das Puristen ein Dorn im Auge ist, ist nachvollziehbar. Aber mit einer rein positivistischen Reproduktion und möglichst kleingehaltenen Reflexion (die Hinweistafel, die dann irgendwo hängen soll) wird er aufgrund der Bedeutung dieses Ortes, dieses Bauwerkes und dieser Inschrift nicht durchkommen. Hoffe ich...


    Eine Reduktion auf den Streisand-Effekt übersieht daher einen erheblichen Teil der Dynamik.

    Mal ganz davon abgesehen, dass die Prophezeiung des Streisand-Effektes aufgrund der Kritik von Roth & Co. hier völlig unpassend ist. Schließlich sind Aufmerksamkeit und öffentliche Debatte genau das, was angestoßen werden soll. Das "unter den Teppich kehren" der Kontroverse scheint mir eher ein inniger Wunsch von Richard Schröder zu sein.

  • ^ bzgl. Streisand-Effekt:


    Den potentiellen Streisand-Effekt sehe ich ja auch vor allem bei den Statuen, die mE nicht mal bei genauerem Hinsehen als irgendein überkommener Herrschaftsanspruch aufgefallen wären. Zumindest bislang hat auch niemand hier ernsthaft behauptet, dass die mutmaßliche Ähnlichkeit zu irgendwelchen Hohenzollern tatsächlich einen negativen Folgeeffekt bringen könnte. Warum also ein Problem daraus machen?


    Bei der Kuppelinschrift ist es mE zwar ebenfalls möglich, dass sie durch die Debatte überhaupt erst weit größere Relevanz gewinnt und dass es im Ergebnis auch diverse Nachteile bringt (das weg geräumte Kreuz in Münster und die auffallend defensive Kommunikation von Frau Baerbock zeigen mE, dass durchaus Brisanz und Spaltungspotential in dem Thema liegen). Das war hierbei aber abzuwägen gegen den potentiellen Nutzen. Klar wird heutzutage ohnehin kaum jemand so eine Botschaft noch allzu wörtlich nehmen. Man hätte es mE also ohne größere Gefahr unkommentiert so stehen lassen können. Man hat aber eben nicht müssen. Vielmehr bietet sich nun die Gelegenheit, das eigene zeitgenössische Glaubensbekenntnis des säkularen Staates in Korrespondenz mit dem historischen zu bringen. Das finde ich auch kraftvoller als so einen Spruch wie "Das hier ist kein Schloss". Auch sehe ich die Reko dadurch nicht beschädigt (selbstverständlich abhängig davon, wie es am Ende wirklich umgesetzt wird).


    Unnötiges Zitat des Vorposts gelöscht.

  • Laut einem Bericht des Tagesspiegels hat der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss, Wilhelm von Boddien, in seiner Autobiografie diffamierende Falschbehauptungen über den Schloss-Kritiker Philipp Oswalt verbreitet. Das Landgericht Berlin hat dem nun einen Riegel vorgeschoben. Boddiens Buch darf laut dem Gerichtsurteil in der jetzigen Form nicht weiter verbreitet werden, außerdem darf Herr von Boddien seine Falschbehauptungen auch sonst nicht wiederholen.

    https://www.tagesspiegel.de/we…r-vertreiben-8867536.html

  • Ich weiß ja nicht, ob Herr von Boddien - dessen Lebenswerk man neidlos anerkennen muss - sich damit Freunde macht, nun auf offensichtlich rechtswidrige Weise gegen seinen schärfsten Kritiker zu schießen. Letztlich fällt das wieder auf das Schlossprojekt zurück. Bisher hat er sich ja aus solchen persönlichen Scharmützeln gekonnt herausgehalten. Mich würde wirklich interessieren, welche Äußerungen vom Gericht beanstandet wurden.

  • tegula Zumindest bislang habe ich nichts kostenlos Zugängliches in den seriösen Medien finden können. Auf Google findet man bei der Suche nach "Boddien", "Oswalt", "Gericht" jedoch u.a. einen Eintrag zu der Seite "schlossdebatte.de", der sogar 3 respektive 4-5 Tage älter als der Artikel im Tagesspiegel und ein inzwischen erschienener Spiegelartikel (ebenfalls Paywall) ist. Die Seite hat nur leider veraltete Sicherheitsstandards, sodass ich sie nicht ohne weiteres öffnen konnte bzw. wollte (meine Daten sind mir im Zweifel wichtiger als die Infos, wer es dennoch versuchen will, findet dort vielleicht mehr).


    EDIT: Auf archplus äußert sich Oswalt in einem Gastbeitrag (unter Verweis auf Schlossdebatte.de) und man bekommt eine Ahnung, worum es in Oswalts Auseinandersetzung mit Boddien aber auch dem Fördervereinsvorsitzenden Richard Schröder geht (denn auch der Spiegelartikel wird entsprechend eingeleitet): Die offenbar rechtspopulistischen/rechtsextremen Spender, von denen sich der Förderverein laut Darstellung Oswalts nicht glaubwürdig distanziere bzw. diese in Person Boddiens inzwischen sogar pauschal in Schutz nehme. Laut Oswalt hat dies unappetitliche Züge angenommen und dessen Darlegung der Dinge erscheint mir - leider - recht stimmig. Wie Camondo schon schrieb, vergällt einem dies das schöne Rekoprojekt dann doch etwas (und womöglich erklärt es auch die zunehmend kritische Haltung anderer öffentlicher Instanzen zu den diversen Symbolen, die ich bislang weit überzogen fand).


    Den nachfolgenden Rest lasse ich als Ergänzung auch mal stehen, auch wenn es damals scheinbar doch um eine etwas andere Sache ging als jetzt:


    Ansonsten bin ich bei der Recherche auch über einen alten taz-Artikel gestolpert, wonach sich Boddien und Oswalt schon 2009 vor Gericht auseinandergesetzt haben. Vielleicht als Kontext noch interessant:

    Damals wollten beide die jeweils andere Seite rechtlich dazu zwingen, bestimmte Äußerungen zu unterlassen bzw. zurückzurufen. Etwas anders als im ursprünglichen Artikel zunächst geschrieben, wurden laut Richtigstellung in beiden Fällen Teile der Forderungen (Oswalt) oder sämtliche Forderungen (Boddien) abgewiesen. Damit blieben die folgenden wechselseitigen Angriffe offenbar zunächst öffentlich im Raum stehen:

    - Oswalt hatte Boddien undurchsichtiges Geschäftsgebaren und fragwürdige Kostenprojektionen vorgeworfen (laut Gericht keine belegbaren "Unwahrheiten"), ...

    - ...Boddien wohl u.a. von einer Rufmordkampagne gesprochen.


    Oswalt konnte die Gerichte offenbar schon damals besser von der Zulässigkeit seiner Darstellungen überzeugen. In der Sache hat es die Fassadenreko (mW im Kostenrahmen zzgl. entsprechender Zusätze) freilich nicht verhindern können. Dennoch sollte man diese Dinge mE nicht unter den Teppich kehren und sie in die Gesamtbetrachtung bzw. -bewertung einbeziehen.

    8 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Man kann aber auch sagen, hier haben sich zwei gefunden, die sich ähnlicher sind als sie wahrhaben wollen. Zwei die gerne rekonstruieren, zwei die gerne im Rampenlicht stehen, zwei die nur zu gerne ihre reinweiße Weste vorzeigen, zwei die gerne streiten und sich das auch leisten können. Insgesamt gesehen eine morastige Schlammschlacht von der man sich besser fernhält.

    Aber vielleicht auch bei aller berechtigten Kritik an Herrn von Boddien, so müsste man doch selbst als Gegner seiner Arbeit feststellen, dass seine Unermüdlichkeit pro Schlossrekonstruktion ein seltener Akt von Beharrlichkeit und ja sagen wir auch von Idealismus ist. Er hat etwas hinterlassen in der Mitte von Berlin.

  • ^Puh, nachdem ich jetzt auch noch einige Seiten des Extrablatts durchgearbeitet habe, muss ich mich wiederum etwas neu justieren. Vermutlich hast Du Recht, dass sich hier zwei Streithähne gesucht und gefunden haben. Jedenfalls finde ich Oswalts "Zusammenfassung" des bisher von mir gelesenen ziemlich boshaft zugespitzt und teilweise vom Kontext her verfremdet. Noch bin ich nicht alle substanziellen kritischen Aspekte durch gegangen (und allmählich verlässt mich auch zunehmend die Motivation), aber so ganz seriös verhalten sich hier mE beide Seiten nicht. Zumindest ist es in meinen Augen nicht durchgehend seriös aufgemacht und es wird jeweils Dreck gekübelt, wo es nur geht.


    Wo ich Boddien und Schröder nun aber doch gewisse Punktgewinne zugestehen muss: Sie haben offenbar nicht nur seit 2007 TÜV-Siegel für die Verwendung der Spendengelder, sondern sind letztlich auch im angepeilten Budget geblieben und konnten ihr Projekt somit erfolgreich realisieren. Das relativiert zumindest die ursprüngliche Kritik Oswalts erheblich und lässt sie rückblickend wie eine haltlose Diffamierungskampagne erscheinen. Das Thema rechtsextreme Spender scheint zudem doch weit komplexer zu sein, als von Oswalt suggeriert. Dennoch finde ich die kampflustige Pauschalrückendeckung durch Boddien hier problematisch (unabhängig davon, dass er auch plausible Argumente gegen die Forderungen nach einer öffentlichen Abrechnung hervorbringt)...

  • Gibt es irgendwo ein großes, zentrales, komplexes Bauprojekt im öffentlichen Interesse, das ohne überzeugte Interessenvertreter, Besserwisser und deren Vorwürfe, Polemik, Unterstellungen und Lügen auskommt?


    Was wir heute nüchtern vor uns sehen können, ist ein großes Bauwerk im Zentrum Berlins, das in der Kubatur dahin passt, das sich im Stil in der Nachbarschaft optisch einfügt, das in der Nutzung als Museum auf die Museumsinsel passt und die dortigen vielseitigen Kunstobjekte sehr gut ergänzt.


    Kann man das nicht einfach als Gewinn sehen und akzeptieren, ohne Negativsymbole wie die ganze problembehaftete preußische Geschichte draufzuladen? Muss die problembehaftete DDR-Geschichte als Kampfargument dafür oder dagegen ausgepackt bleiben? Müssen Profi-Architekten und Experten aller Couleur ihre schulmeisterlichen Messer weiter wetzen und jeweils abwertend über Historismus contra Bauhaus-Purismus streiten? Müssen historische Schmuckelemente am Gebäude einem zeitgemäß-modernen Wertmaßstab der „Weltoffenheit“ ausgesetzt werden? Wie wäre es, wenn man stattdessen darüber diskutiert und Anregungen schafft, wie das Städtebau­projekt in dieser geschaffenen Realität zu einem guten Ende gebracht werden kann? Da ist noch manches zu tun.

  • ^

    Könnte man.

    Wenn das Ganze ein ansehnlicher Zweckbau wäre, der wirklich für das gebaut worden ist, was er "offiziell" vorgibt zu sein:

    Ein Museum um Kunstwerke / Exponate darin zu zeigen (zur Abwechslung veilleicht auch mal in Essen / Bochum / Dortmund etc. statt in der obligatorischen Hauptstadt).

    Aber genau das ist es doch gar nicht.

    Das Museum (genauer: "Forum") war doch bloss das argumentative Schutzschild, was man vor dieses Projekt spannte damit es von Anfang am schwerer ist dagegen zu argumentieren. Gegen ein "Schloss" kann man eine grosse Mehrheit aufbringen. Gegen "Kultur "zu sein ist schon deutlich schwieriger.

    Aber letztlich hat es den Charakter von "Schloss" (oder zumindest ist es ein Fake davon). Das sieht man an dem Stolz, mit dem alle Fans, Gönner und Spender auf dieses Projekt zeigen - mit den ganzen historischen Obertönen und Altlasten drumherum.

    Und so wird die ganze "Debatte" mutmaßlich noch sehr sehr lange weitergehen um dieses Bauwerk.

    Vielleicht zeigt sich an den Debatten und Streitereien um das HF auch "einfach nur" die tiefe Zerrissenheit und Verlogenheit unserer (bundesrepublikanischen) Gesellschaft. Ich weiss es nicht. Ich denke aber auch das wäre ein plausibler Erklärungsansatz.

  • ^ Nun ist das Humbold Forum aber nicht der erste Museumskomplex, der in einer historischen Hülle daherkommt. Insofern sehe ich den Gegensatz zwischen Äußerem und Inhalt nicht so zwangsläufig, wie du es darstellst. Letztlich zählt für ein Museum in erster Linie die Nutzbarkeit der Räume für einen solchen Zweck. Und die ist ja eindeutig gegeben.


    Der Knackpunkt scheint hier vielmehr zu sein, dass es Menschen gibt, die der Meinung sind, dass eine absolutistische Barockfassade und ein auf Weltoffenheit gepoltes Museumsquartier nicht in ihrem Symbolgehalt zusammen gebracht werden können. Dabei hätte man doch an der Geschichte des Schlosses wunderbar anknüpfen können, um die gesellschaftliche Wandlung der letzten Jahrhundert anschaulich zu machen. Ein Residenzschloss des frühen 18. Jh. kann natürlich für nichts anderes stehen als für die Herrschaftssysteme jener Zeit, aber ein Schlossfassade, auferstanden aus den Ruinen einer europäischen Katastrophe und auf Beschluss eines demokratischen Parlaments, kann so viel mehr verkörpern. Nein, der Gegensatz, den manche zwischen Hülle und Inhalt des Berliner Schlosses sehen, ist nicht zwangsläufig gegeben. Es ist alles eine Frage der Projektion.

  • .... naja, es kommt darauf an, was für ein Museum zum Schluss in die historische Hülle gepresst wird. Hier, in diesem Fall war es die denkbar schlechteste Möglichkeit. Zugegeben, die Sammlungen waren in Dahlem nicht gerade zentral untergebracht und nach der Wiedervereinigung erst recht nicht. Aber niemand auf der Welt würde solche Exponate versuchen in solch einen Zwitterbau unterzubringen. Dafür ist er aus rein baulichen Gründen nicht konzepiert worden. Ein Grossteil der Sammlungen findet ja auch garkeinen Platz darin und ist in Dahlem im Depot verschwunden. Es ist halt kein Louvre, mit einer grossen Abfolge von Sälen und Galerien. Hier hätte man sehr gut das "Kunstgewerbemuseum" was für ein Wort.... unterbringen können, dessen fantastische Sammlungen mehr schlecht als recht am Kulturforum und im Schloss Köpenik zu bewundern sind.... oder, und das wäre das schlüssigste, die Gemäldegalerie vom Kulturforum. Die Sammlung die jetzt den Neubau der 'Kunstscheune' erhält, hätte prima in den Räumlichkeiten der Gemäldegalerie platzgefunden und man hätte sich diesen eher sinfreien Neubau am Kulturforum sparen können.

  • m.Ro80


    Versuch von ein paar Richtigstellungen:

    • Der Bau ist nach Mehrheitsmeinung „ansehnlich“.
    • Der „Zweck“ als Forum u. Museum ist durch Raumprogramm erfüllt, nicht „vorgegeben“.
    • Der Zweck als „Museum (genauer: "Forum")“ war kein „vorgespannter argumentativer Schutzschild“, sondern ein sich anbietender, konkreter Bedarf (aufgrund von Dahlem).
    • Die Barockfassade ist durch das städtebauliche Umfeld begründet und auch „offiziell“ legitimiert.
    • Die Exponate waren und sind in Berlin und nicht „in Essen, Bochum etc.“
    • Das Bauwerk ist kein Fake (Täuschung), sondern ein in Teilen rekonstruierter Neubau, so wie unzählige Bauten in Berlin, Deutschland und Europa nach dem 2. WK.

    Warum schreiben Sie nicht „einfach nur“, Ihr Anliegen, dass Sie den Bau hässlich und unpraktisch finden und dass Sie die bundesrepublikanische Gesellschaft für tief zerrissen und verlogen halten?

  • Ich erlebe hier ja ein Stück weit ein Déjà-vu zum BER, der nach langen Jahren der Diskussionen+Entscheidung, Planung und Realisierung dann irgendwie ein ironisch schlechtes Timing bei seiner Fertigstellung und Eröffnung erwischte. Beide waren gewissermaßen in Teilen schon konzeptuell veraltet, bevor sie nur ihre ersten Nutzer respektive Besucher begrüßen durften (beim BER kam dann noch die Corona-Flaute hinzu, beim HF die sukzessive Zuspitzung der kulturellen Auseinandersetzung). Aber auch das gehört für mich irgendwie zu Berlin dazu, dass vieles historisch erstmal kurios bis surreal erscheint.


    Dennoch kann ich mir zumindest vorstellen, dass die beidseitig sehr aufgeregte und teils aggressive Diskussion in Teilen der Medien und Politik nicht unbedingt repräsentativ für die gesamt-gesellschaftliche Aneignung sein dürfte. Vielleicht geht es vielen aktuell eher ähnlich wie mir: Die Reko erzeugt bei mir eher von ihrer äußerlichen Erscheinung her ambivalente Eindrücke. Es wirkt irgendwie merkwürdig fremd und seltsam vertraut zugleich. Viele haben vielleicht auch noch den Betonrohbau im Kopf, der noch weit kurioser aussah als jetzt die cleane Erscheinung ohne Patina und mit erst aufkommendem Bewuchs sowie Belebung durch Personenverkehr. So etwas muss erstmal verblassen und neben den Bäumen auch die Patina wachsen, damit man so eine Rückkehr endgültig optisch verdaut und so ein organisches Stück Stadtbild/Stadtreparatur entstehen kann. Ob diese ganzen Deutungskämpfe um irgendwelche Symbole dabei überhaupt so eine große Rolle spielen? Ich denke, der entscheidendere Faktor wird eher Zeit und Gewöhnung sein.


    Und irgendwann wird es womöglich ohnehin kein großes Thema sein, dass "ausgerechnet" HF und Schlossreko zueinander gefunden haben. Für mich beißt sich das auch jetzt nicht unbedingt, wenn man diesen Konflikt nicht erst groß heraufbeschwört. Eher begrüße ich es nach wie vor, dass die Sammlung so überhaupt erst eine ganz andere gesellschaftliche Präsenz und Relevanz erlangt hat als es in Dahlem je möglich gewesen wäre. Für mich ist das Ganze nach wie vor auch inhaltlich eine gelungene Ergänzung zu den Exponaten der Museumsinsel.

  • Die Heftigkeit der Auseinandersetzung bei Projekten wie dem Humboldtforum oder dem Freiheitsdenkmal, letztlich dem Abriss jeden Plattenbaus, liegt für mich auch darin begründet, dass hier Glaubensfragen oder quasi Stellvertreterkriege für konträre soziale und politische Systeme geführt werden. Dass diese hier in Berlin besonders oft und heftig vorkommen, liegt in der Teilung der Stadt begründet. In der ehemaligen Bundesrepublik entfällt diese Ebene naturgemäß völlig (andere gibt es wohl)

    Und natürlich bestimmen öffentliche Diskussionen natürgemäss Menschen mit den stärksten Überzeugungen oft mit großen Egos. Und wie so häufig konzentriert man sich weniger auf die guten Gründe für die eigene Sache, sondern um Aufmerksamkeit zu schaffen immer polarisierender und immer allgemeiner, auf die verheerenden Folgen einer Fehlentscheidung und die völlige Diskreditierung der Gegenseite. Die sind dann entweder Nazis, Kommunisten, reaktionäre Preussenverherrlicher; oder es ist die berüchtigte Siegermentalität die alle unterdrückt und geschichtsvergessen sind wir sowieso alle, obwohl in Berlin aus wirklich jeder Epoche der letzten dreihundert Jahre und allen möglichen Systemen insgesamt mehr rumsteht als sonstwo in Deutschland.


    Und wenn nach welcher Einzelentscheidung auch immer, die Menschen merken, dass - anders als propagiert - meist eine Kompromisslösung entsteht und jeder irgendwie was abgekommt - konkret beim Humboldtforum ein Gebäude mit de fakto historischen Fassaden, einer kontemporären Ostseite und neuer Innengestaltung, es wird die Geschichte des PdR umfassend eingebunden und prominent hingewiesen und das Mittelalter wurde auch noch jahrelang ausgegraben dazu ein kulturelle für jeden zugängliche Funktion - dann entsteht halt auch Akzeptanz gepaart mit der Erleichterung, dass überhaupt nach jahre- und jahrzentelangen Diskussions- Planungs- und Bauprozessen überhaupt endlich etwas fertig geworden ist.


    Die sarkastische Feststellung, dass wenn dagegen bei den Protagonisten niemand zufrieden ist trifft eine Entscheidung so falsch nicht sein kann, trifft wohl beim Humboldtforum zu, wenn ich mir die allseits negativen Reaktionen ansehe.

    Meinungsstreit ist ja Bestandteil einer Demokratie - besser als ein Bürgerkrieg allemal ,aber die Art und Weise und Heftigkeit verleidet sie halt auch vielen Menschen. Und ohne Zeitfaktor geht gar nichts bei gefühlten Pattsituationen, das gehört auch dazu, ist Teil der Frustration aber auch unabdingbar für Akzeptanz. Jeden anhören - auch den letzten Stuss diskutieren entweder so lange bis jemand einknickt aus Erschöpfung oder weil er keinen Bock mehr hat oder verstorben ist, damit sich Mehrheitsverhältnisse bilden im besten Fall ein Konsens.


    So anstrengend das alles sein mag, tröste ich mich mit einem etwas schrägen Vergleich.

    Verglichen mit den bedauernswerten Briten und dem Brexit, der für mich irgendwie mit dem Bau der Mauer vergleichbar ist, stehen die erst am Anfang, wir haben wir das gröbste schon hinter uns. lol.