Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • ... < aber, der Felsendom ist meines Erachtens ein schlecht gewähltes Beispiel.

    Weder ist die dreiseitige Rekonstruktion der Berliner Schlossfassade samt Kuppel, ein Schrein wie der Felsendom und Andererseits existiert soetwas wie das " Land der Dichter und Denker" schon lange nicht mehr, wenn überhaupt jeh.

    Für mich ist das ganze eher ein Denkanstoss, auch um die Person Friedrich- Wilhelm IV zu hinterfragen. Einerseits " Romantiker auf dem Tron" anderseits lässt er die Aufständischen 48er blutig niederschlagen und erschiessen.

    In Frankreich musste der "Bürgerkönig" Louis- Philippe dafür ins englische Exil, nichtsdergleichen in Preussen ....

    Einmal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ^^Ich empfehle dir und allen anderen interessieren die letzten sechs Seiten dieses Threads. Hier wurde die Thematik anhand des Kuppelspruchs und der Bronzetafeln ausführlich diskutiert. Zuletzt losgetreten von meiner Wenigkeit ab Kommentar #659.


    (Für die Untergang-des-Abendlandes-Theatralik bitte ich dich aber andere Foren aufzusuchen, danke)

  • Als Ausländer betrachte ich seit Jahren die Diskussion meiner deutschen Mitbürger zu solchen Themen. Ich stelle immer wieder fest, dass es für viele Deutschen nicht möglich ist, eine sachliche Diskussion über den Umgang mit der Vergangenheit und seine architekturliche Hinterlassenschaften zu führen. Auch eine Rekonstruktion darf und muss kritisch bewertet werden, aber bitte sachlich. Spott und Polemik gehören nicht in ein Forum wie dieses.


    Was den Kuppelspruch betrifft, ist die Wiederherstellung des historische Schriftzugs als Zeitzeuge legitim und richtig an seiner originale Stelle.


    Sehr oft haben die Verantwortlichen in diesem Land versucht, für sie unangenehme Zeugen der Vergangenheit aus dem Stadtraum und dem Gedächtnis zu tilgen. Es gibt viele Beispiele dafür: Völkerkunde Museum, Berliner Sportpalast, Deutschlandhalle, Haus des Fremdverkehrs, Stadtschloss, Palast der Republik, die historische Mitte um den Petriplatz, usw. Da gehen anderen Länder viel behutsamer mit ihren historischen Erbe (belastet oder unbelastet) um.


    Für die grammatischen Fehler bitte ich um Entschuldigung - ich habe deutsch nur "nebenbei" gelernt.

  • Aber natürlich kann man über Kreuz und Inschrift diskutieren und unterschiedlicher Meinung sein. Selbstverständlich ist auch Kunst ein Beitrag um Dinge hervorzuheben oder kritisch zu unterstreichen. Und hier können m. E. auch Politiker unterschiedliche Ansätze haben.

    Aber leider verstehen sich manche immer als erste Kämpfer gegen Ausgrenzung und Spaltung, obwohl genau das merkwürdigerweise immer das Ergebnis ihrer Politik ist.

    Das Stadtschloss wird auch diese Kunstinstallation überstehen, die neuen Gräben und Vorbehalte im Land werden dadurch (leider) nur tiefer. Aber Hauptsache man war in der Zeitung.

  • Das Humboldt-Forum wurde in den Fassaden zum großen Teil originalgerecht teilrekonstruiert! einschließlich Turm! Das Bauwerk zeigt korrekt architektonische, kultur- und religionshistorische Zeitschichten.


    Wenn die Kultur-Staatsministerin Frau Roth den Spruch als Zeugnis einer vergangenen Epoche nicht ertragen kann, weil es ihrer eifernden Weltoffenheit und dem heutigen, arrganten, „politisch korrekten“ Zeitgeist nicht entspricht, ist weder ihre naive Geschichtsvergessenheit , noch ihr Versuch zu rechtfertigen, den Spruch durch ein LED-Erleuchtungs-Bild (oder Spruch) zu überstrahlen!


    Frau Roth müsste dann konsequenterweise auch an alten Kirchen Schmuckelemente abmeißeln, in Museen Bilder und Kunstwerke verhängen, in Schlössern Bilder und Symbole aus feudaler, undemokratischer Zeit „umkontextualisieren“ und bilderstürmerisch vernichten.

    Das ganze Humboldt-Forum ist gefüllt mit Artefakten aus früheren, undemokratischen, nicht "weltoffenen" Kulturen. Warum müssen wir am Gebäude ein dazu passendes Beispiel aus deutscher Vergangenheit unbedingt verstecken?

  • Entschuldige bitte, das ist Unsinn.

    Man muss doch etwas nicht gut finden, weil es wie das Original aussieht und selbstverständlich darf darüber diskutieren werden, sowohl als Politiker, als auch als Privatperson. Herr Boddien vertritt seine Meinung ja auch.


    Ich glaube, das Spruchband hatte keiner auf dem Schirm, und als es dann Wirklichkeit wurde, begann erst die Diskussion darum, ganz im Gegensatz zu den anderen Schmuckelementen, die gut dokumentiert, lange vor Beginn des Wiederaufbaus, vielfach auch der Grund für diesen waren und deren Verlust durch Kriegszerstörung und Sprengung als schmerzliche Wunde empfunden wurde.


    Ich kann mich nicht entsinnen, vorher mal was von dem Spruchband an der Kuppel gehört oder gesehen zu haben. Das kam doch erst mit der Enthüllung der Kuppel ins Bewusstsein, erst als erfreulicher blauer Farbtupfer, dann allmählich mit der ganzen Schwere des anachronistischen Textes.

  • Ich hab auch manchmal das Gefühl einigen wird Berlins neue/alte Mitte etwas zu schön, würdevoll und traditionsbewusst, darum wird nun hart um jede rekonstruierte Fassade und jedes Detail gekämpft und konterkariert, wo es nur geht, wie mit der Überblendung des Kuppelspruchs, der Einheitswippe, dem geplanten Flussbad etc.
    Bis Ende des Jahres kommt ja auch noch die gewaltige Wappenkartusche mit Reichsadler und Insignien über das Hauptportal. Bin mal gespannt welche Debatten das auslöst...

    Einmal editiert, zuletzt von Treverer ()

  • Frau Roth müsste dann konsequenterweise auch an alten Kirchen Schmuckelemente abmeißeln, in Museen Bilder und Kunstwerke verhängen, in Schlössern Bilder und Symbole aus feudaler, undemokratischer Zeit „umkontextualisieren“ und bilderstürmerisch vernichten.

    Ich finde es zunehmend sinnlos hier zu diskutieren, wenn Schleife um Schleife um denselben Denkfehler gedreht wird. Entweder wollen oder können mache hier den Unterschied zwischen einem Original und einer Rekonstruktion nicht verstehen. Aber darin liegt nunmal der Kern der ganzen Schloss-Reko-Kontroverse, nämlich, dass wir dort aktiv Symbolik einer längst überholten und antidemokratischen Herrschaftsform REPRODUZIEREN. Dabei ist es völlig irrelevant wie originalgetreu der Neubau ist.

  • Baukörper

    • Ich schreibe nicht, dass Frau Roth das Spruchband „gut finden muss“. Natürlich dürfen Politiker und Privatpersonen über das Spruchband diskutieren und ihre Meinung sagen.
    • Rekonstruktion ist nicht authentisch, wenn zu rekonstruierende Objekte je nach Geschmack oder empfundener Bedeutung beliebig in Teilen physisch oder optisch verändert werden.
    • Entschieden wurde, auch den Turm möglichst originalgerecht zu rekonstruieren.
      Das Spruchband ist auf historischen Bildern sichtbar dokumentiert.
    • Originalgerechte Rekonstruktion berücksichtigt nicht, wer welche Teile davon wann „auf dem Schirm“ hatte, davon gehört, sie gesehen hatte und wann eine Diskussion darüber begann.
    • Der erfreuliche blaue und auch goldene (!) Farbtupfer ist wiederhergestellt.
    • Das Spruchband zeigt deutlich, dass die meisten Dynastien in Europa (auch Preußen) sich Mitte des 19. Jhds. auf das Gottesgnadentum beriefen (GB heute: God save the King). Damals galten eben keine heutigen Maßstäbe wie Rechtsstaat, Demokratie und Weltoffenheit.
    • Der Text ist nicht anachronistisch, sondern ein chronistisch-historisches Dokument, passt also zu den meisten Teilen des (teil)rekonstruierten Bauwerks und der Artefakte im Forum!
  • ... wenn doch endlich die Skulpturen auf den Eckpunkten des Kuppelkranzes und auf der Brüstung des Hauptgebäudes aufgestellt werden. Es würde dem ganzen diese schreckliche Strenge nehmen.

  • Also, die Propheten um die Kuppel sollen nach aktuellem Stand noch kommen, weil sie alle schon in der Mache und teils sogar schon fertig sind, aber weitere Statuen, die über den Portalen, verbitten sich Frau Roth und die Stiftung Humboldt-Forum allerdings. Teilweise sollen die Götter und Allegorien angeblich Züge der Hohenzollern tragen und diese verherrlichen.
    Der Schlossverein sammelt indes weiter fleißig Geld für diese Statuen. Man hofft allem Anschein nach auf bessere Zeiten, wenn die Statuen irgendwann doch noch aufgestellt werden dürfen.

  • Bezieht sich hierauf.


    Treverer Puh, na dann nur ein Glück, dass wir keine Götter-Hohenzollern-Hybriden auf das Stadtschloss und damit in den Himmel über Berlin gehoben bekommen! Diese steinernen Titanen würden glatt einen radikalen Stimmungswechsel in der Bevölkerung beschwören und eine verspätete Kontra-Revolution zurück zur Monarchie bewirken. Aber vielleicht hätte man auch hier mit einer Kunstaktion (rosa Tütüs, Hipster-Beutel, ollet Shirt mit Peace-Zeichen und natürlich Regenbogen-Schal) die schlimmste Gefahr abwenden können. Noch besser wäre natürlich gleich den Christo zu machen und eine weiße Plane über das gesamte Gebäude zu ziehen: Des Kaisers neues Schlosskleid.


    Im Ernst: Langsam wird es doch grotesk, da verlieren mich Frau Roth und Co direkt wieder bzw. bestätigen die Vorurteile und Klischees voll. So viel paranoider Aberglaube oder aber Komplexe von einer angeblich aufgeklärten und selbstbewussten Person bzw. Gesellschaft. Aber irgendwie wundert mich langsam fast nichts mehr. Vielleicht kommt ja wirklich irgendwann noch die Verhüllung sämtlicher Phallusse (Bestärkung patriarchaler Strukturen) und entblößter Brüste (Sexualisierung/Objektifizierung der Frau, Provokation anderer Kulturkreise). Steht eigentlich der Führer noch im Wachsfiguren-Kabinett? Nicht, dass da noch was schief läuft...


    P.S.: Bin ich eigentlich der Einzige, der zunehmend an den Streisand-Effekt denken muss? Wie kann man irgendwelche längst vergessene und erloschene Symbolik zurück zur Wirkung bringen? Indem man skandalisiert und tabuisiert, oder nicht? Einen größeren Gefallen kann man ja auch einem Gangster-Rapper kaum machen, als seine Songs auf den Index zu setzen und groß öffentlich über ihn zu schimpfen...

    2 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Es wäre ebenfalls sehr wünschenswert, wenn der Gebäudeabschluss des Neuen Marstalls wiederhergestellt werden könnte. Früher wurde der Risalit mit einem Dreiecksgiebel hervorgehoben, der zu beiden Seiten von Figuren optisch eingefasst wurde. Auch die Eckrisalite wurden mit Attikafiguren akzentuiert. Der plattgewalzte Ist-Zustand beeinträchtigt die optische Wirkung erheblich.


    Weiß einer, ob die Attikafiguren und der Giebel nur eingelagert sind und jederzeit wieder an ihren Platz zurückkehren könnten? Auf Wikipedia wird jedenfalls vermerkt, dass die Vereinfachung der Fassade erst in der Nachkriegszeit erfolgte.

  • ^ Die faktenferne Häme gegen "die Grünen" und "die Linken" findet hier im Forum statt wie im Rest der Gesellschaft auch. Das hat nichts mit Streisand-Effekt zu tun, sondern ist einfach Ausdruck der seit Jahren stattfindenden Radikalisierung der politischen Rechten. Diese Einsicht ist längst in Wissenschaft, Kriminialitätsstatistik und den Verfassungsschutzberichten angekommen.

  • Ich finde, dass es ist nicht nur die politischen Rechten die seit Jahren radikalisiert werden sondern auch die politischen Linken. Das ist in der Politik so typisch deutsches - ein pragmatischen Mittelweg ist kaum zu finden; es wird vollkommene ideologisiert in Richtung alles oder nichts. Wo das hinführt haben die Völker Europas leider oft genug erlebt.

  • @ Maszel ,der Tympanon des Giebelschmuckes vom Marstall wurde bei Abnahme des Giebels eingelagert - die Skulpturen verlieren sich recht früh - während das giebelfeld noch in den 80ern in den InventarliSten des Denkmalamtes auftaucht - verliert sich seine Spur seit der letzten Bestandsaufnahme - ich würde meinen der liegt bestimmt noch im Depot in Hohenschönhausen/ Lichtenberg - und soll wie so vieles einfach nicht mehr auftauchen - ich empfehle auch mal ne Expedition in das wilde Gelände vom Tierpark friedrichsfelde - da sind viele ungeliebte und unbrauchbare Spolien und Kriegstrümmer mal verbuddelt worden wie die Fahnen der Löwengruppe von Begas.
    Zu den fehlenden Figuren am Schloss-


    Ich finde leider keine Hinweise darauf dass die Figuren mit dem Hinweis auf Porträthafte Züge der Hohenzollern in ihrer Vollständigkeit nicht aufgestellt werden sollen- es dürfte sich ja wenn dann um die Figuren der der Kuppel handeln - auf der Seite des Fördervereines ist nur davon zu lesen dass für diese noch gesammelt wird. Die Behauptungen hierzu werden nirgendwo
    mit einer Quelle belegt und ich konnte auch keine ausfindig machen.


    Ich kann mir nicht vorstellen dass man allen Ernstes über so eine Argumentation die Vervollständigung des Figurenprogrammes verhindert.

    Die Visagen der hier verwendeten Hohenzollern dürfte kaum wirklich einer identifizieren können, erst recht nicht wenn man schwerlich davor stehen kann um sie aus der Nähe zu studieren.
    Zudem verdecken sie wohl auch teilweise das absurd umstrittene Spruchband.


    Hier wäre die Aufstellung der Skulpturen für die Lesbarkeit des Spruchbandes doch eher willkommen beschränkend und nur störend für die Angedachte befristete Textl. Überblendundung.

    Das wäre doch das eigentliche Argument gegen die Aufstellung der Figuren- erst recht bei Nacht wären die ja für so ne textlastige eventuelle Leuchtreklame ja eher blöde.


    Blöde wär aber auch die Fassade des nächtens zu ner penetranten Gewissensdemo ala Rosis etablissement oder Jahrmarktsattraktion zu machen.


    Ich pers. brauch diesen lauten Staatskunst-Oberlehrer-Zeigefinger hier jetzt so gar nicht.


    Ich verstehe diesen Bohei hier um das Spruchband überhaupt nicht - und mir kommt das wirklich mittlerweile eher wie ein künstlicher und unnötiger Kulturkampf vor um das eigene ideologische und Moralische Kapital zu erhöhen.


    Das wirkt letztlich auf mich eher wie die Fortsetzung der ewig andauernden stänkerei gegen das HF mehr nicht -


    Mein Gott, dieses Spruchband kann doch keiner wirklich lesen - da könnte genauso gut tinky winky und lala stehen und keiner würd es merken -der Spruch läuft doch um die Kuppel herum und es dürfte die meisten die sich über die wirklich schöne fassadenarbeit freuen nicht die Bohne interessieren - ich verstehe die Rekonstruktion einschl. Spruch da eher wie eine penible historische Exaktheit - die jetzt hysterisch moralisch angezweifelt in ihrer Berechtigung genauso hanebüchen verteidigt wird.


    Das spruchband hat in seinem Gehalt kaum für einen aufgeklärten Menschen noch irgendeine Bedeutung, geschweige ergibt es für die Menge in der Antiquierten Wortwahl und Zusammenstellung überhaupt noch einen Sinn.


    Jetzt mit Dioden über ne verkopfte Relativierung des Spruches nachzudenken halte ich aber für ausgemachten Blödsinn - und sieht auch noch n.M scheisse aus.

    Permanent so ne freaky Leuchtreklame zu installieren find ich eher störend erst recht wenn man dafür sinnvolle Teile der Fassadengestaltung zur besseren Lesbarkeit wegliesse.


    Von mir aus hätt da auch gar nüscht stehen brauchen oder man hätte die ganze Reihe an Architekten die am histor. Schlossbau beteiligt gewesen waren einmal in goldeneren Lettern auf blauem Grund aufgezählt die dem Bau seine künstlerische Bedeutung überhaupt erst gegeben haben.


    Das hätte die fantastischen Wirkung der Fassaden und Kuppel nicht geschmälert. Das Spruchband birgt längst nicht so viel Anschaulichkeit zur hist. Nutzung der Stülerkuppel als Andachtsort wie jetzt das Kuppelkreuz - das muss man aber auch aushalten können ohne sich gleich in der Hysterie von Signaldeutungen gegen den zeitgeistgefütterten Wertekanon zu ergießen. Berlin hat das mal echt gekonnt mit dem Aushalten von unterschiedlichen Meinungen und der Lässigkeit - mittlerweile kommt mir das alles hier genauso kleinkariert panisch, engstirnig und unduldsam vor wie die mittlerweile übermäßig gebaute Verengte nichtssagende Architektur in die man den Großteil der Leute zum Arbeiten und schlafen stopft.

    2 Mal editiert, zuletzt von Endell ()

  • GeorgSchimmel Was ist denn falsch wieder gegeben worden? Stört sich Frau Roth nun doch nicht an einer vermeintlich verherrlichenden Ähnlichkeit alter Götterfiguren zu den Hohenzollern? Und zum Streisand-Effekt: Die Kuppelinschrift und das Kreuz hätten schon kaum jemanden interessiert. Die beklagte Ähnlichkeit von alten Figuren und lange verstorbenen Herrschern wäre allenfalls noch ein Fun Fact für Fremdenführer. Das kann mir niemand ernsthaft weismachen, dass davon wirklich eine schädliche Symbolwirkung zu befürchten gewesen wäre. Wen beschäftigt so etwas ernsthaft in seinem Alltag, wenn es nicht durch solche schrillen Debatten in die Öffentlichkeit gezerrt wird. Oder was konkret siehst Du daran sachlich anders?

  • Ich finde es trotz aller Differenzen beachtlich, wie gesittet hier die Diskussion über die Kuppelinschrift verläuft. Das kenne ich von anderen Portalen ganz anders. Das hat jedenfalls angeregt, selber tiefer in die Materie einzusteigen. Das ist dabei herausgekommen:


    Die Debatte um die Kuppelinschrift am Berliner Schloss

    Ein rekonstruiertes Bibelzitat

    Es ist in keinem andern Heil, ist auch kein anderer Name den Menschen gegeben, denn in dem Namen Jesu, zur Ehre Gottes des Vaters. Dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind.

    Diese Inschrift ziert ebenso wie ein christliches Kreuz seit wenigen Jahren wieder die Kuppel der Berliner Schlosses. Sie wurde durch König Friedrich Wilhelm IV. aus Bibelversen (Apostelgeschichte 4,12 und Philipper 2,10) zusammengesetzt. Gemeinsam mit der 1845 bis 1854 durch den Architekten Friedrich August Stüler errichteten Kuppelkonstruktion über der Westfassade von Schlüters barockem Schlossbau ist sie seit der Rekonstruktion der preußischen Residenz wieder als Ausdruck monarchischer Herrschaft zu bewundern.

    Disput um Kontextualisierung

    Seitdem reißt die Debatte darüber nicht ab, inwiefern das Schriftband sich mit dem Auftrag des im Schloss beheimateten Humboldt Forums verträgt, einen Ort für den Dialog der Weltkulturen zu schaffen. An vorderster Front der Kritiker der jetzigen Situation präsentiert sich Kulturstaatsministerin Claudia Roth. In einem Statement begrüßt sie ausdrücklich die kritische Auseinandersetzung mit der Symbolik von Kuppel, Kreuz und Inschrift und verteidigt ein Kunstprojekt, das die Inschrift kontextualisieren soll. Dabei ist geplant, die Bibelzitate temporär nachts mit alternativen, kommentierenden und reflektierenden Texten überstrahlen zu lassen. Die Stiftung Humboldt Forum möchte sich zudem mit einer Tafel von der Botschaft des Kuppeltextes distanzieren. Das wiederum empört einige Rekonstruktionsbefürworter.


    Der Disput über die Deutung der Inschrift wird von beiden Lagern verbissen, bisweilen aggressiv und irrational geführt. In der Süddeutschen Zeitung lässt sich Jens Bisky dazu hinreißen, von einem "Ludergeruch der Reaktion" zu sprechen, der die Schlosskuppel umweht. Er wandelt damit ein Zitat des preußischen Königs um, der 1849 die ihm von der Frankfurter Nationalversammlung angetragene Kaiserkrone mit dem Hinweis auf den "Ludergeruch der Revolution" ablehnte. Auf der anderen Seite möchte man "eine rot-linksextremistische Bundesregierung" als verantwortlich zeichnen für den Angriff auf die Schlossrekonstruktion. Im rechtspopulistischen Portal "Tichys Einblick" lässt sich Klaus-Rüdiger Mai über Roths politisches Schaffen und ihren Bildungsweg aus, um zu dem Schluss zu kommen, dass die Kulturstaatsministerin in Wahrheit auf die Zerstörung der Kultur abzielt. Zum eigentlichen Diskurs hat er indes wenig beizutragen.

    Herrschaftliche Architektur als Bedeutungsträger

    Die Frömmigkeit Friedrich Wilhelms IV.

    Kehren wir daher zur Sachlichkeit zurück und werfen einen Blick auf die Entstehungsgeschichte der Kuppel im 19. Jahrhundert. Dabei ist zunächst festzuhalten, dass diese die Schlosskapelle barg, weshalb das rekonstruierte und ebenfalls kritisierte Kuppelkreuz sowie die Bibelzitate an diesem Ort nicht unerwartet vorzufinden sind.


    Doch herrschaftliche Architektur ist immer auch auf ihre Funktion als Bedeutungsträger zu hinterfragen. Meinem Kollegen, dem Kunsthistoriker Alfred Hagemann, kommt das Verdienst zu, die Symbolpolitik Friedrich Wilhelms IV. am Beispiel der Berliner Schlosskuppel einem breiten Publikum vorzustellen. Welche Bedeutung der Monarch der Errichtung eines Kirchenbaus beimaß, wird an der 1845 erfolgten, symbolträchtigen Grundsteinlegung der Friedenskirche am Fuße von Sanssouci in Potsdam deutlich. Zu der Programmatik äußerte er sich wie folgt:

    Es scheint mir zu passen, eine Kirche, welche zu einem Pallast-Bezirk gehört, der den Namen Sans-Souci, ohne Sorge, trägt, dem ewigen Friedensfürsten zu weihen und so das weltlich Negative "ohne Sorgen", dem geistlich Positiven "Frieden" entgegen oder vielmehr gegenüber zu stellen.

    In gleicher Weise verfolgte Friedrich Wilhelm in Berlin die Verbindung der weltlichen dynastischen Macht mit christlicher Symbolik. So ist auch die Programmatik der 96 Figuren an den tragenden Pfeilern im Innern der Kuppel zu verstehen: Neben Aposteln, Propheten und Märtyrern tauchen auch Reformatoren, mittelalterliche Monarchen und Mitglieder des Hauses Hohenzollern auf. Wir sehen hier weltliche Herrscher und den evangelischen Glauben als gemeinsame Stützen des Christentums versammelt.

    Gottesgnadentum und universeller Herrschaftsanspruch

    Und so kann man auch das Äußere des Kuppelbaus als Botschaft eines Königs an sein Volk verstehen, dessen Herrschaftslegitimation in einer revolutionären Zeit, die in Deutschland in den Jahren 1848 und 1849 ihren Höhepunkt erreichte, massiv in Frage gestellt wurde. Ist die Kuppelinschrift in diesem Kontext als ein Hinweis auf eine Herrschaft von Gottes Gnaden zu verstehen? Immerhin hat Friedrich Wilhelm die Kaiserkrone aus den Händen der Nationalversammlung, somit der Volksvertreter, abgelehnt, um damit dem Umbau zur konstitutionellen Monarchie entgegen zu wirken.


    Das Gottesgnadentum der Herrschaft der Hohenzollern ist wiederum untrennbar verbunden mit dem Gedanken des universellen Herrschaftsanspruchs des Christentums, wie er in den Bibelzitaten der Kuppel zum Ausdruck zu kommen scheint. So naheliegend diese Interpretation zu sein scheint, so sehr stößt sie unter Theologen auf Widerspruch.

    Nur ein Glaubensbekenntnis?

    Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland, wendet sich gegen diese Deutung. Er verweist darauf, dass die Worte von Petrus und Paulus, die in den Bibelzitaten zu lesen sind, ein Glaubensbekenntnis darstellen. Sie stünden nicht für Staatsfrömmigkeit, sondern für Glaubensfreiheit. Den Gedanken, der Hohenzollern hätte die Verse für eine Demonstration des Gottesgnadentums vereinnahmt, ist für Claussen nicht nachvollziehbar.


    Auch Richard Schröder, Philosoph und Theologe, argumentiert gegen die Deutung der Inschrift, so wie sie von der Stiftung Humboldt Forum vorgenommen wird. Er sieht in der Schlosskapelle nicht mehr als die private Hauskirche des Schlossherren. Vielmehr sei der Berliner Dom der Bau, in dem sich Friedrich Wilhelms Stellung als oberster Hüter der Landeskirche manifestiert. Schröder verweist darauf, dass eine konstitutionelle Monarchie und die Herrschaft von Gottes Gnaden keinen unüberwindlichen Gegensatz darstellen müssen. Den Kniefall im Bibelzitat deutet er als eine Geste des Respekts, nicht der Niederwerfung.


    Zur Frage des universellen Alleingültigkeits- und Herrschaftsanspruchs des Christentums merkt Schröder an, dass die Gleichbehandlung aller Religionen für einen gläubigen Christen bereits durch sein Bekenntnis zu einer einzigen Religion und seiner göttlichen Wahrheit zu einem unmöglichen Unterfangen wird. Doch so sehr diese Argumentation auf einer nachvollziehbaren Basis fundiert, so wenig taugt sie dazu, den Widerspruch zwischen der Funktion des Humboldt Forums und der Kuppelinschrift aufzulösen.

    Abschied vom Absolutismus

    Wie vielschichtig die Bibelverse gedeutet werden können, zeigt ein weiterer Ansatz des Kunsthistorikers Peter Stephan. Die Schlosskuppel dient seiner Ansicht nach als Abgrenzung gegen Cäsarenwahn und absolutistische Herrschaftsansprüche. Friedrich Wilhelm hätte darin zum Ausdruck bringen wollen, dass kein Herrscher und kein Staat sich als Heilsbringer betrachten solle. Die Preußen hätten nicht vor dem König zu Knien, sondern mit ihm gemeinsam vor Gott.


    Dabei negiert Stephan nicht, dass der Monarch auch eine Abgrenzung zum Freiheitsgedanken der Aufklärung und der demokratischen Revolution von 1848 im Sinn hatte. Der Autor spricht sich vielmehr dafür aus, die unterschiedlichen Sinnschichten in einem breiten Diskurs freizulegen.

    Ausblick

    Dieser Überblick über die unterschiedlichen Facetten der Diskussion um die Bibelinschrift an der Berliner Schlosskuppel veranschaulicht, dass eine eindimensionale Deutung dem historischen Kontext nicht gerecht wird. Legt man die Aufgeregtheit und den verbissenen Kampf um die Deutungshoheit beiseite, so kann man zu vielschichtigen Ergebnissen und Erkenntnisgewinnen gelangen. Umso mehr sollte nun endlich akzeptiert werden, dass die Kuppel mit dem christlichen Kreuz und der Bibelverse als historisches Zitat rekonstruiert wurden - und zwar als Ergebnis eines demokratischen Prozesses.


    Ich plädiere aber auch dafür, gegenüber den von Kulturstaatsministerin Claudia Roth und der Stiftung Humboldt Forum angeregten Formen der Kontextualisierung aufgeschlossener zu agieren. Sie sind temporär angedacht und werden dem Gesamtwerk der Rekonstruktion des Berliner Schlosses keinen Schaden zufügen. Sie werden auch nicht zu einem Niedergang der Kultur beitragen. Eine Entfernung von Kreuz und Schriftband ist kein ernsthafter Teil der Forderungsmasse. Ganz im Gegenteil sehe ich in der Debatte eine Chance für neue Impulse, preußische Herrschaftsvorstellungen zu entschlüsseln und einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln.


    Erstveröffentlichung: https://www.zeilenabstand.net/…rift-am-berliner-schloss/

  • jan85 keine Ahnung was du falsch oder richtig wiedergeben haben willst. Es hat jedenfalls nichts mit meinem Post zu tun. Ich habe einzig alleine deine (unbelegten) theoretischen Kausalitätsvermutungen zum Streisand-Effekt kommentiert und eine alternative Kausalität angedeutet, die aktuelle Forschungsstand sowie relevante Veröffentlichungen der deutschen Sicherheitsbehörden einbezieht.

  • GeorgSchimmel Verortest Du mich jetzt ernsthaft in irgendeiner unappetitlichen politischen Schublade, weil ich Kritik an einer spezifischen Politikerin und ähnlich argumentierenden Unterstützern geäußert habe? Lustigerweise hatte ich die gleiche Politikerin kurz zuvor sogar noch beim Thema LED-Projektion in Schutz genommen und ich weiß auch gar nicht, wer neben Frau Roth die Sorge um die Figuren teilt. Mir geht es bei solchen Dingen in aller Regel um die Sache - hier die Lächerlichkeit einer Sache - und nicht um irgendwelche Farben oder Lager (als irgendein CSU-Mann mal gegen die Siegessäule polemisierte, fand ich das ebenso absurd - und ich würde auch nicht die Sowjet-Sklpturen im Treptower Park vernichten). Dass man u.a. in diesem Forum gerne mal in dieses und mal in jenes Lager gedrängt wird, ist mir nicht neu, war aber mE noch nie förderlich für einen wirklichen Austausch. Deine Sachargumente würden mich tatsächlich aber mehr interessieren als Deine Vorwürfe: Inwiefern empfindest Du eine Reko der Figuren denn selbst als Fehler?


    Wenn Du genau gelesen hast, weißt Du zudem, dass ich die ursprüngliche Information zu den Statuen und deren mutmaßlicher Ähnlichkeit zu irgendwelchen Hohenzollern sowie der offenbar hieraus resultierenden Widerstände gar nicht wiedergegeben sondern nur aufgegriffen habe. Daher die Nachfrage, ob Du die Thematik anders mitbekommen hast.

    Und ja, ich mutmaße tatsächlich, dass diese Rhetorik überhaupt erst ein Thema und einen potentiellen kulturellen Konflikt kreiert, welche zuvor zumindest in der breiten Öffentlichkeit nicht bestanden (Stichwort Streisand-Effekt). Das heißt nicht, dass es nicht gefährliche Spinner gibt, sondern nur dass ich da keinen Zusammenhang erkennen kann und man so unnötig Munition verteilt, die dann verschiedene Lager nutzen können.

    Zum Vorwurf der "unbelegte Theorie": Logischerweise kann schwer durch Quellen belegt werden, dass etwas bislang kein wirkliches Thema war. Es könnte aber leicht widerlegt werden, WENN dieses Thema tatsächlich bereits vorher irgendeine Relevanz oder gar Brisanz besaß (ob in der Mitte und auch auf der Rechten der Gesellschaft). Ich höre jedenfalls zum ersten Mal davon, dass durch eine Reko irgendwelche Hohenzollern verherrlicht würden und daraus ein reales Problem entstehen könnte. Selbst wenn die mutmaßliche Ähnlichkeit zur Errichtung mal beabsichtigt war, wäre der Effekt heute mE doch längst verloren, da die Hohenzollern keine greifbare Instanz mehr sind. Wer bitte weiß denn überhaupt, wie die aussahen, läuft dann zum Schloss, sieht sich die Götterfiguren an und bekommt irgendwelche bedrohlichen Gedanken oder Gefühle? Wie gesagt, gefährliche Spinner existieren, doch wer davon bitte bezieht sich denn öffentlich auf die Hohenzollern/ die Monarchie von Gottes Gnadentum?