Das Problem liegt in meinen Augen weniger beim Kreuz oder dem Spruch selbst. Dessen beide neutestamentlichen Quellen waren, in ihrem Kontext betrachtet, durchaus herrschaftskritisch, insofern sie weltliche und geistliche Herschaft gerade relativierten. Es liegt nicht einmal so sehr in der antidemokratischen Instrumentalisierung dieser Sätze durch Friedrich Wilhelm dem IV. Das Problem liegt darin, dass das Kreuz nun, ohne die dazugehörige Kapelle, nicht nur seine einstige religiöse Funktion eingebüßt hat, sondern, durch den neuen Inhalt des Gebäudes, die außereuropäischen Sammlungen, neu lesbar wird, wie auch der Spruch. Beides erinnert nun an die Zusammenarbeit zwischen Kolonialismus und Misson, und daher geraten diese Symbole nun in eine krasse Spannung zu den Exponaten, von denen sich viele bekanntlich kolonialem Unrecht verdanken. (Vgl. zum Sachverhalt auch den angenehm unaufgeregten Artikel in der Berliner Morgenpost.) Die grundsätzliche Idee einer abendlichen Überschreibung durch eine Leuchtschrift scheint mir (vorausgesetzt, sie ist nicht die gesamte Nacht sichtbar, wodurch der nächtlichen Eindruck der Kuppel und des Schlosses doch sehr unruhig würde) eine relativ maßvolle und kluge Weise, mit dem Problem umzugehen.
Ich war übrigens am Donnerstag bei der Debatte und der Präsentation der Idee mit der Leuchtschrift anwesend, und während die meisten Stimmen intelligent und auf hohem Niveau diskutierten, fiel ausgerechnet eine Stimme deutlich ab, und zwar leider genau jene von Wilhelm von Boddin. Er nannte den Spruchband allen Ernstes den größten Anschlag auf das christliche Abendland seit 2000 Jahren () und er war sich auch nicht zu schade, das rechtsidentitäre Pseudoargument zu bemühen, wonach in Köln der Muezzin von der Moschee ins Freie rufen könne (was, nebenbei bemerkt, noch gar nicht bewilligt wurde). Als ob das HF wie eine Moschee eine religiöse Bedeutung hätte! Das ist natürlich Wasser auf den Mühlen jener rechten Kulturchristen, denen christliche Symbole genau das sind, was Chrupalla deutsche Gedichte: Identitäre Symbole ohne Inhalt. Das war tatsächlich eine Enttäuschung, denn ich hatte Boddin bislang eher mit einem gepflegten Konservativismus als mit identitären Ressentiments verbunden.