Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • Zitat von Architektenkind

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    Interessante geschichtliche Fakten, die ich noch nicht wusste.


    Ich hätte jetzt in der Tat gedacht, der Spruch sei einer Art allgemeinen Gottesfurcht des 17. Jahrhunderts entsprungen und im Grunde Jacke wie Hose.


    Auch finde ich – als großer Reko-Fanboy – das Einordnen solcher Inschriften, Statuen oder sonstwas durch Infotafeln, Videokunst usw. absolut begrüßenswert.


    Ob man die Schrift jetzt gleich ganz hätte weglassen sollen – wahrscheinlich nicht, aus Gründen der Authenzität...


    EDIT: Bzw. hätte man gleich sagen können: Wir rekonstruieren das Schloß von, sagen wir, 1713 – Inschrift-Problem gelöst.

    3 Mal editiert, zuletzt von Bonteburg () aus folgendem Grund: Rechtschreibung / Zusatzgedanke

  • Wahnsinn, diese absurde Diskussion um das Spruchband! Das ist ein historischer Text nothing else. Man kann ihn von unten nichtmal ganz lesen, auch nicht, wenn man komplett um das Gebäude herumgeht. Glaubt hier wirklich jemand, dass die Menschen hier eine überhebliche "Belehrung" benötigen, weil sie den Spruch sonst missverstehen? Ich habe zumindest noch niemanden vor der Schlosskuppel "auf die Knie fallen" sehen.

  • Ich finde die Aufregung um das Spruchband auch gekünstelt. Das ist keine Behörde und auch kein Ministerium! Es geht weder administrative "Macht/Herrschaft" vom Humboldtforum aus, noch ist es per Definition dafür geeignet oder gedacht Prozesse gesellschaftlicher Inklusion zu fördern oder anzustoßen. Hier werden Probleme konstruiert, die das Gebäude überhaupt nicht lösen können muss. Das ist so, als würde ich den berühmten nackten David von Michelangelo rekonstruieren und ihm nen Schlüpper verpassen, weil sich vegane Puritaner an gemeißelten Latten erhitzen könnten. Lasst dem Stadtschloss gefälligst seinen Penis und dem David sein Spruchband. Oder andersrum. Durch die Herstellung eines Kontrasts zu den eigenen Wert- und Moralvorstellungen wird Kunst und Kultur doch überhaupt erst erlebbar und kann diesen erweitern und vertiefen. Zu versuchen, diese Diskrepanz zu glätten, um den Rezipienten vor der Konfrontation zu bewahren, seine eigenen Glaubenssätze in einen Kontext stellen zu müssen, führt weder zu mehr gesellschaftlichem Verständnis, noch trägt es dazu bei unsere Kultur und Herkunft zu verstehen.

  • Naja, da macht ihr es euch aber ganz schön einfach. Wenn man ein solch großes und wichtiges kaiserzeitliches Symbol im Herzen der bundesdeutschen Hauptstadt möglichst originalgetreu wieder aufbaut, dann kann man sich gewissen Debatte nicht entziehen. Konstruiert sind diese wenn dann nur wahrhaftig von den Erbauern dieser Rekonstruktion. Sie sind gerechtfertigt und werden bleiben. Das Schloss an sich wird in seiner steinernen dominanten Präsenz dafür sorgen. Jeden Tag aufs neue.


    Das ist es ja, was ich in meinem vorherigen Kommentar angesprochen habe. Ich kann mir vorstellen, dass letztendlich die prägendste Wirkung des Schlosses die Reflexion des Umgangs der deutschen Gesellschaft mit ihrer Geschichte sein wird. Besonders natürlich durch die Ausstellungen, aber eben auch anhand einiger architektonischer Aspekte. Die "lebendige Skulptur" zeigt sich ja auch am Beispiel des Spruchbands. Egal ob im Original, mit künstlerischer Aufarbeitung oder komplett ohne Schrift: Die Kontroverse wird bleiben. Die Neugestaltung und Ergänzung des Umfelds, die Inhalte der Ausstellungen oder auch etwaige Erweiterungen werden diese und andere Kontroversen am leben halten und das Schloss vielleicht fortlaufend verändern und umformen. Ich fände das ziemlich genial! (Und ja... die Barockfassade finde ich auch schön)


    Durch die Herstellung eines Kontrasts zu den eigenen Wert- und Moralvorstellungen wird Kunst und Kultur doch überhaupt erst erlebbar und kann diesen erweitern und vertiefen. Zu versuchen, diese Diskrepanz zu glätten, um den Rezipienten vor der Konfrontation zu bewahren, seine eigenen Glaubenssätze in einen Kontext stellen zu müssen, führt weder zu mehr gesellschaftlichem Verständnis, noch trägt es dazu bei unsere Kultur und Herkunft zu verstehen.

    Das ist doch eigentlich ein super Plädoyer für die LED-Schrift...

  • Alle Demokratien in Europa benutzen Gebäude aus den alten Monarchien als Museen, Parlamente oder Repräsentationsgebäude. Von meiner Heimat Österreich muss ich gar nicht lange schreiben. In der Wiener Hofburg befindet sich auch das "Weltmuseum"(auch aus einem kolonialen Kuriositätenkabinett" entsprungen) und zusätzlich haben die wichtigsten Ämter der Republik hier ihren Sitz(anders als beim Stadtschloss) Ein beachtliher Teil der Hofburg ist ebenso eine Rekonstruktion, durch den Brand 1992 sogar ziemlich jung. Die Zäune um die Burg sind mehrfach so wiederhergestellt worden, wie sie Kaiser Franz Josef wollte( nämlich um ideal als Stütze für Gewehre gegen Demonstranten zu funktionien) und auch die von den Nazis aufgestellten Betonadler sind noch da.

    Hätte man den Spruch weggelassen oder durch einen anderen Spruch ersetzt, würde es die Monarchie viel eher verklären. So funktioniert das Gebäude wie ein Original mit allen Ecken und Kanten(mir ist klar, dass durch die moderne Ostseite und die fehlenden willhelmischen Seitenkuppeln da schon recht viel verändert wurde, im Vergleich zur angeführten Hofburg). Im Forum sollte ja dennoch genug Platz bleiben, um sich auch damit angemessen beschäftigen zu können, ohne die Monarchie zu verteufeln oder den Spruch zu verharmlosen.

  • Mit "Albernheit" ist diese geplante Installation wohl ganz gut beschrieben. Ich habe nie verstanden, warum man sich gerade so an dieser Inschrift abarbeitet. Als sei das Gottesgnadentum früherer ( und heutiger ) Könige eine neue Entdeckung der Historiker - absurd.

    Jetzt wird dem Schloss und der Kuppel auch noch ein Strick daraus gedreht, dass es Rekonstruktionen sind. Da sollten wir uns doch mal dran erinnern warum: weil ein kommunistisches Regime die Originale in einem Akt von Kulturvandalismus weggesprengt hat. Das ist die Wahrheit. Und während auf der anderen Spreeseite demnächst ohne großen Widerstand das kommunistische Staatsdenkmal, auf dem uns Ulbricht und Co grüßen, am Originalplatz wiederhergestellt wird, muss man sich am Schloss schon gegen neuerliche Verunstaltungen erwehren.

    Das ist an Lächerlichkeit nicht zu überbieten. Als seien hierzulande Demokratie, Republik und Religionsfreiheit durch monarchische Bestrebungen oder die Kirchen bedroht. Absolut lächerlich.

  • ^Genau, und wenn die Debatte wirklich wichtig ist (ist sie das?)... Dann her damit! Das heißt dann aber: Runter vom vermeintlich moralisch erhöhten Thron, raus aus den Elfenbeintürmen und rein in die demokratische, inklusive Diskussion mit der offenbar dringend zu belehrenden Bevölkerung. Und deren Argumentation dann auch respektieren. Das ist natürlich schwieriger, als ungefragt Leuchtbotschafen um Schlosskuppeln zu wickeln und von der hohen Warte aus moralische Überlegenheit zeigen zu wollen...

  • ^ und ^^ Wer sich hier wohl in moralischer Überlegenheit ergeht? Hier darf keiner mit Kritik davonkommen. Keiner darf eine Verherrlichung vermeintlich gottgewollter Herrschaft in der Folge einer zusammengeschossenen Revolution kritisieren, ohne sich als Kulturbarbar diffamieren lassen zu müssen. Der wird sofort in die Nähe zur DDR gerückt.


    Wie wäre es denn mal mit einer differenzierten Argumentation im Sinne von "Ja, historisch problematisch, aber nun mal original. Vielleicht könnte man die Geschichte des Spruchs ja durch eine Tafel erläutern..." Nichts davon: Immer feste druff.


    Aber ich halte mich hier raus. Habe den historischen Kontext der Inschrift genannt und stelle fest: Geht Euch am Hintern vorbei. Und wenn sich Herr Saxonia im MEF anketten will, weil er Marx und Engels von Ulbricht und Honecker sowenig unterscheiden kann wie das 17. vom 19. Jahrhundert, dann soll mir das recht sein. Rutscht mir doch den Buckel runter. Soll Berlinier wieder seine Kaiserhymnen anstimmen wie beim Aufsatz der Kuppellaterne.

  • Mal angenommen, das Stadtschloss wäre nie gesprengt worden: Auch dann würde die Woke-Bewegung ähnlich massiv gegen das Spruchband vorgehen. Da braucht man sich gar nichts vormachen. Es ist doch eher noch viel absurder, so etwas erst teuer und aufwändig zu rekonstruieren und dann kurz darauf noch während der Eröffnungsphase wieder zu verdecken. Wenn, dann sollte man die Leuchtschrift ergänzend als eine Art vermittelnden Kommentar/Paralleltext anbringen. Dass man das alte Band dagegen darunter verdecken/verstecken muss, finde ich tatsächlich völlig albern. Als ob die Bevölkerung von so etwas verstrahlt und geistig kontaminiert wird. Dass einige Leute scheinbar überhaupt nicht mehr mit so etwas umgehen können und jedes Mal so ein (mediales) Wehklagen anstimmen, verursacht bei mir zunehmend Betroffenheit und Fremdscham. Lange Zeit fand ich den Begriff "Cancel Culture" etwas überzogen und böse. Inzwischen finde ich leider, dass es auf bestimmte Ausläufer genau zutrifft. Und ja, es erinnert auch mich an die Episode, wo man antiken Statuen krampfhaft die entblößten Stellen verdecken musste.

  • Auch dann würde die Woke-Bewegung ähnlich massiv gegen das Spruchband vorgehen.

    Um eines ein für alle mal klarzustellen: Mit irgendwas "Wokem" habe ich nicht das Geringste zu tun. Es ist aber natürlich herrlich bequem, jede Kritik in diese Spinner-Ecke zu stellen...

  • Aber ich halte mich hier raus. Habe den historischen Kontext der Inschrift genannt und stelle fest: Geht Euch am Hintern vorbei.

    Niemand "feiert" dieses Spruchband. Es geht primär überhaupt nicht darum, dass ein "unsauberer historischer Kontext" irgendwie "reingewaschen" werden soll. Das ist eine Überzeichnung. Das Stadtschloss stellt keine Werbetafel für das Christentum oder Kaiser Wilhelm dar, nur weil da ein Kreuz drauf ist und "sein Spruchband" dran steht. Ebensowenig wie meine Zitierung eines Gedichts von Theodor Fontane eine Werbetafel für das Kaisertum darstellt. Und ebensowenig wie der Deutsche Bundestag eine Werbetafel für das Deutsche Kaiserreich darstellt, weil er sich im Reichstag befindet oder der Reichstag selbst eine Werbetafel für die Bierbrauer darstellt.

    Es geht im Kern um die Forderung eine historische Rekonstruktion verhindern, bzw. deren -nach zeitgeistlicher Betrachtung- problematische Symbolik aus dem Gebäude "tilgen/säubern" (statt diese erklärend begleiten) zu wollen. Auf die Problematik, Historisches unter der Lupe von gesellschaftlichen Aktivistengruppen betrachten zu müssen, will ich gar nicht näher eingehen, aber die Diskussion ist überreizt, weil sie über das Spruchband hinaus geht und sich hier blos konzentriert. Die Herstellung von Konformität historischer Zusammenhänge mit zeitgeistlichen Wertvorstellungen hat einen totalitären Kern. Wenn die Geschichte eines gezeigt hat, dann das. Dieser Kern ist (anders als die Totalitarität vergangener Tage, die sich heute nur mehr in Spruchbändern ausdrückt, die niemand liest) aktiv und "virulent" wenn man so will. Die Übergänge zwischen "Wokeness" und "Vigilantismus" sind fließend und für eine Gesellschaft ist beides Gift. Langfristig wird eine polarisierte und in Lager geteilte Gesellschaft weder ihre materielle oder physische Freiheit mehren, noch genügend Ordnungsfähigkeit (im soziologischen Sinne) generieren können, um nachhaltige Prozesse anstoßen zu können.

  • An der Debatte merkt man wieder mal welche blödsinnigen Vorwürfe den Rekobefürwortern hier mal wieder unterstellt werden. Ich sehe mich eher als Ästhetiker, der wichtigste Grund für Rekonstruktion ist aus meiner Sicht die Inkompetenz zeitgenössischer Bauherren & Architekten. Von mir aus kommt dort ein digitales Spruchband hin aber bitte nicht in pink (Geschmacksverirrung?), sondern in den Original Farben.

  • Das Stadtschloss stellt keine Werbetafel für das Christentum oder Kaiser Wilhelm dar, nur weil da ein Kreuz drauf ist und "sein Spruchband" dran steht. ... Die Herstellung von Konformität historischer Zusammenhänge mit zeitgeistlichen Wertvorstellungen hat einen totalitären Kern. Wenn die Geschichte eines gezeigt hat, dann das.

    Du hast nicht gelesen, was ich zum historischen Hintergrund geschrieben habe – was Dich vom Totalitarismus-Vorwurf anscheinend nicht abhält. Ich hatte erläutert, dass es weder um das Kaiserreich noch um Wilhelm noch um "historische Wertvorstellungen" geht, sondern um Friedrich Wilhelm IV. und dessen schon damals (!) reaktionäre, explizit anti-demokratische und anti-liberale Politik, die in dem Spruch zum Ausdruck kommt. Er entspringt demselben Geist (und derselben Familie) wie das Zitat "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" – und das war nach 1848 bekanntlich keine leere Drohung.


    Dennoch habe ich nirgends gefordert, den Spruch wieder herauszumeißeln. Meinetwegen kann er dort prangen und daran erinnern, mit was für religiös-verquastem Unsinn in diesem Land Mitte des 19. Jahrhundert der Absolutismus wiederbelebt werden sollte. Jahrzehnte nach der Aufklärung und der Französischen Revolution, nach Kant, Hegel und Feuerbach.


    Was mich auf die Palme bringt, ist allein das Beharren darauf, dass man hier mit diesem Spruch keine Probleme haben darf – und dass einen schon die leisteste Kritik an dessen Rekonstruktion (ja, die bloße Erläuterung seines historischen Zusammenhangs) zum "woken", totalitären, kulturbarbarischen DDR-Fan mache, der sich auch noch moralisch überlegen fühle.


    P.S.: Ich habe hier neulich ausführlich die "woke" Berlin-Ausstellung im Humboldt-Forum kritisiert. Ich bemühe mich um Differenzierung. Ich vermisse es, von der anderen Seite mal Ähnliches zu lesen zu bekommen. Aber dort ist man leider unerschütterlich selbstsicher unterwegs.

  • Aber ich halte mich hier raus. Habe den historischen Kontext der Inschrift genannt und stelle fest: Geht Euch am Hintern vorbei. Und wenn sich Herr Saxonia im MEF anketten will, weil er Marx und Engels von Ulbricht und Honecker sowenig unterscheiden kann wie das 17. vom 19. Jahrhundert, dann soll mir das recht sein. Rutscht mir doch den Buckel runter. Soll Berlinier wieder seine Kaiserhymnen anstimmen wie beim Aufsatz der Kuppellaterne.

    Marx und Engels sind nur das Feigenblatt. Ich hatte das Denkmal hier schon vor Jahren problematisiert. Zukunft des Rathausforums / Marx-Engels-Forums


    Im Übrigen geht es gar nicht um Kontextualisierung. Wenn auf der geplanten Tafel neben der Kuppel steht:

    „Alle Institutionen im Humboldt Forum distanzieren sich ausdrücklich von dem Allgemeingültigkeits- und Herrschaftsanspruch des Christentums.“ Dann ist das einfach nur dumm. Als würde man vor einen römischen Triumpbogen schreiben, man distanziere sich von den dortigen Darstellungen und Inschriften.

    Gleiches gilt für das Überblenden mit Zitaten aus dem Grundgesetz. Das ist einfach nur schwachsinnig.

    Davon geht sicher die Welt nicht unter. Aber es zeigt wieder mal die völlig falschen Prioritätensetzungen. Sich an sowas abzuarbeiten, da fehlt mir jedes Verständnis. Derweil findet in Berlin jedes Jahr mit den "Al-Quds Märschen" eine der größten antisemitischen Kundgebungen Europas statt. Das ist ein Problem, bzw. das Sympton eines Problems und nicht eine historische Inschrift am Stadtschloss.

  • ^Gehört zwar nicht hierhin, aber derzeit finden die größten anti-semitischen Aufzüge in Sachsen statt.

    Nicht desto Trotz ist der Al Quds Marsch unerträglich. Genau so wie die Inschrift an der Kuppel. Das wird man doch mal sagen dürfen.

  • Wenn ich - als Frankfurter Bürger - diese Gespenster-Debatte hier durchlese komme ich nur zu folgendem Schluss:

    Der einzige Ort in Europa, an dem der "homo sapiens" bereits zu einer höheren Stufe der Evolution gekommen sein dürfte, das ist die Schweizer Eidgenossenschaft.

    Dort gibt es weder eine "Hauptstadt" noch ein "Stadtschloss". Sehr viele andere Zeitgenossen unserer Spezies sind einfach noch nicht so weit.


    (kann dann weg.)

  • Architektenkind Dieses Schlagwort war nicht spezifisch auf Dich oder eine andere Einzelperson bezogen, sondern auf den Gesamtdiskurs, der zu dem mE peinlich kleingeistigen Ergebnis geführt hat.


    Und ja: Meinetwegen soll das Spruchband ruhig da prangen und so wie Du sagst zeigen, wie die damalige Geisteshaltung lautete. Die Kanonen an der Siegessäule wurden ja auch nicht eingeschmolzen und trotzdem steht die Säule heute nicht gerade mehr für Militarismus o.ä. Für mich wirkt es mitunter, als wenn manche Menschen regelrecht Angst vor der Konfrontation mit der Geschichte haben oder aber ihren Mitmenschen absolut nicht über den Weg trauen. Das Gleiche gilt auch für das Marx-Engels-Denkmal oder den Sowjetklopper vom Treptower Park. Das sind alles Teile unserer vielfältigen und oftmals leider auch unrühmlichen Geschichte. Da muss man sich doch nicht so ins Hemd machen, als wären das alles irgendwelche Pilgerstätten für gefährliche Spinner. Gerade Berlin empfinde ich meist eher als kaum zu beeindrucken. Teils auch im negativen Sinne, aber hier durchaus mal im positiven.

  • [...] sondern um Friedrich Wilhelm IV. und dessen schon damals (!) reaktionäre, explizit anti-demokratische und anti-liberale Politik, die in dem Spruch zum Ausdruck kommt. Er entspringt demselben Geist (und derselben Familie) wie das Zitat "Gegen Demokraten helfen nur Soldaten" – und das war nach 1848 bekanntlich keine leere Drohung.

    Also wenn ich das richtig verstehe, steht für dich nicht die christlich-missionarische Botschaft im Fokus, sondern der Umstand, dass der Auftraggeber des Spruchbandes ein Antidemokrat war. Wird die Debatte denn öffentlich so geführt? Ich meine, in der öffentlichen Diskussion geht es primär um die christliche Rhetorik.

    Das Bundesfinanzministerium residiert in einem Nazibau. Warum gibt es da keinen Aufschrei? Wenn das Humboldtforum durch ein am Gebäude erlebbares, originär "demokratiefernes" Element Gefahr laufen würde an Demokratietreue einzubüßen, dann müsste auch das Bundesfinanzministerium zu den bösen Buben zählen, denn seine gesamte Fassade strahlt "Demokratieferne" aus. Es interessiert nur niemanden, weil das BFM bekannterweise eine demokratische (wenn auch unbeliebte) Instanz ist und die grauen, ungeschmückten Steinwände weniger Attackvektoren für Aktivistengruppen bieten, als ein schmuckes Spruchband. Wie kann nun ausgerechnet das Humboltforum vor dem Hintergrund des BMF in Verruf geraten? Am BMF wird nichts erklärt, nichts erzählt, nichts in Kontext gebracht.