Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • Ich habe jetzt mal eine verrückte Idee:

    Wäre es nicht eine gute Idee Schlossfreunde und Freunde des PdR zu versöhnen, den Palast auf dem Gelände des Marx- Engels- Forums wiedererstehen zu lassen? Das die historische Altstadt dort jemals wiederkommen sollte, halte ich für abwegig. Aber der Palast der Republik könnte die Freifläche des Fernsehturms wirkungsvoller zum Schloss abschließen als die jetzige grüne Wiese. Klar, GELD ist dafür nicht da. Aber der Palast war doch auch bei der Bevölkerung nicht total unbeliebt und es fanden nicht nur Parteitage drin statt. Aber das ist meine Vision, dort wieder reinzugehen, mit Blick auf das Schloß!

  • ^ Nein, das wäre aus meiner Sicht keine gute Idee. Ein Gebäude (nicht nur, aber auch) aus politischen Gründen erst abzureißen und dann als "Versöhnungsangebot" an andere Stelle wieder aufzubauen, ist schon fast Irrsinn. :)

    Und das MEF sollte als Grünanlage unbedingt erhalten bleiben - es muss natürlich nach Abschluss aller Bauarbeiten auch wieder als solche vernünftig hergerichtet und gepflegt werden.

  • ^^ Da es meinem Eindruck nach einen gravierenden Mangel an verrückten Ideen gibt, atme ich auf, wenn eine solche einmal geäußert wird. Daher danke, axelmö, Deine Idee ist in der Tat originell.


    Allerdings spricht auch in meinen Augen zu viel dagegen. Der PdR war kein architektonisches Juwel, er stand nur 40 Jahre und war nur 27 Jahre im Betrieb. Schon deswegen scheint mir ein Wiederaufbau nicht gerechtfertigt, erst recht nicht an anderer Stelle, was sowieso problematisch ist, und schon gar nicht an einer Stelle, bei der es umstritten ist, ob sie überhaupt bebaut werden sollte.

    Einmal editiert, zuletzt von ElleDeBE ()

  • ...erst recht nicht an anderer Stelle, was sowieso problematisch ist...

    ...und man das Gebäude dann auch noch um 180° drehen müßte, damit Vorder- u. Rückseite überhaupt irgend einen Sinn ergeben würden, aber das nur am Rande.


    Wäre es einfach nur ein Gebäude welches aus rein architektonischer bzw. stadtplanerischer Erwägung wieder errichtet werden sollte, könnte man das vielleicht so machen und es wäre eine Reko an neuem Standort. Historiche Gebäude umversetzen bzw. an neuem Standort zu rekonstruieren ist schließlich nichts neues.


    Beim Umversetzen eines geschichtlich bedeutenden Standortes (z.B. Sitz der Volkskammer) sträuben sich mir meine letzten Haare.

    Man müßte dann jedem Besucher erklären...

    "Wir befinden uns hier zwar in der rekonstruierten Volkskammer, wo u.a. auch die deutsche Einheit beschlossen wurde, aber die befand sich eigentlich ganz wo anders".


    Will sagen, geschichtliche Gebäude bzw. die in ihnen geschehenen Ereignisse sind an ihren originalen Standort gebunden, rein historische Gebäude im besten Fall auch, aber nicht unbedingt zwingend. (so oder in Teilen ähnlich verstehe ich die Aussage von ElleDeBE und würde dem zustimmen)



    Gruß, Jockel

  • Jetzt kann man auch langsam etwas wehmütig werden, wo meine absolute lieblings Baustelle bald abgeschlossen seien wird. Etwas vergleichbares wird es so schnell nicht mehr geben... ein echtes Geschenk an Berlin und auch an die Deutsche/ Europäische-Geschichte.... dadurch rückt jetzt auch endlich nicht nur der Natzionalsozialismus bzw die DDR immer ausschließlich in den Vordergrund. Endlich kann man erleben, das es auch mal eine Zeit davor gab... wenn ich einen Wunschkanidat hätte für eine Raumrekonstruktion, dann wäre es die Schlosskapelle unter der Kuppel. Ich stelle mir es aufregend und überraschend vor in einem Schloss auf einen so großen Kuppelsaal zu treffen... die Große Kuppel ist meiner Meinung nach auch das Element, welche das Schloss von allen anderen Schlössern ästehtisch abhebt und auf den ersten Blick und besonderst macht. Kennt jemand vergleichbares Schloss ? Abgesehen von dem neuen Palais in Potsdam...

  • .... Kennt jemand vergleichbares Schloss ? Abgesehen von dem neuen Palais in Potsdam...

    Du kommst doch wie zu lesen aus Stuttgart. Merkwürdig, dass du das Residenzschloss Ludwigsburg, nicht zu kennen scheinst. ungefähr 5 Kilometer vor den Toren Stuttgarts, eines der grössten Schlösser des Barock und dann noch in hervorragendem unzerstörten Zustand, auch die Parkanlagen ein Traum. Manchmal liegt das Gute doch ach so nah.;)

    https://www.schloss-ludwigsburg.de/start


    oder einfach mal weniger auf den Desktop starren....

  • ^ Barockschlösser gibt es natürlich zuhauf (mein Favorit ist die Residenz in Würzburg), aber ich glaube Desktopstarrer wollte auf die Kuppeln hinaus. Da wird es schon enger. Das (klassizistische) Residenzschloss in Braunschweig hatte eine, die aber nicht mit rekonstruiert wurde. Sie war recht niedrig und lag seltsamerweise nicht über dem Portikus, sondern dahinter. Bei kleineren Schlössern – wie Sanssouci – findet man Kuppeln häufiger, aber aus der ersten Liga der großen Residenzen fällt mir sonst keines mehr ein.

  • Camondo natürlich kenne ich das Residenzschloss Ludwigsburg, dass sehe ich mir auch immer wieder gerne an ;) Ich habe micht auf die Kuppel bezogen, ob es vergleichbare Schlösser mit einer Kuppel in diesen Dimensionen gibt...

  • < Gut, dann nur die Kuppel, aber auch hier muss man vorsichtig sein. Das von Dir angeführte Neue Palais in Potsdam hat nur eine Scheinkuppel. Rein garnichts verbirgt sich darunter.

    Und ehrlich gesagt fand ich das Berliner Schloss vor Errichtung der Kuppel in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts sehr viel stimminger.

  • Stimmt, es ist jetzt eigendlich eine ähnliche Situation wie am Palais, da die Kuppel jetzt auch ohne funktion bleibt....hättest du den Münzturm stimmiger gefunden ? Ich gebe dir zumindest da recht, das die Kuppel von der Lustgartenseite etwas klein und deplatziert aussieht, allerings sind es ja eben auch die sämmtlichen unsymetrischen Details und Zeitschichten genau das, was das Schloss erst so richtig den fastzinierenden Charakter gibt, da es dem unbedarften Beobachter erst auf dem zweiten Blick auffällt. Das ist die große Kunst am Schloss, aus vielen verschieden Teilen ein fast "harmonisches" Ganzes zu kreieren... von der Westfassade aus gesehen, will ich die Kuppel aber aus meiner Sicht gesehen nicht missen, da macht sie sogar mehr Eindruck auf mich, als es ein Münzturm warscheinlich gehabt hätte bzw nur ein einfaches Triumpftor...und wie ich mit der Frage nach dem Vergleich schon festgestellt habe, scheint eine große Kuppel schon ein Alleinstellungsmerkmal zu sein.... und gerade die klassizistische und schlichte Bauweise der Kuppel lässt es nicht überladen aussehen...


    Allein der Apotehkerflügel und Versetztheit des Schlosses zu UdL und die Tatsache, dass die Süd-Ost Seite früher der Hauptbezugspunkt war, lässt nur den Schluss zu, dass es wie Berlin oft groß gedacht wurde aber nie 100% harmonisch geworden ist/war, nur um mal eine Parallele zu Berlins Stadt- und Architekturgeschichte zu ziehen....

  • Bezüglich der Kuppel stimme ich Camondo absolut zu! Despektierlich gesagt, ist es das Phallussymbol für den Wiederaufbau geworden. Aus meiner Sicht gehört sie unbedingt in ein differenziertes städtebauliches Umfeld eingebunden, damit sie funktioniert. Damit ist aber nicht gesagt, das ich die Kuppel gestalterisch nicht gut finde.


    Momentan finde ich funktioniert sie städtebaulich am besten von Unter den Linden - Höhe Neue Wache und vom Schlossplatz - Rathausbrücke. Vom Lustgarten und von der Schlossfreiheit / Schinkelplatz, funktioniert sie meiner Ansicht nach nicht - das Schloss bekommt an der falschen Stelle den Schwerpunkt und wirkt disproportioniert. Sie funktioniert also nur dort, wo man ihr nicht explizit eine "Schaufassade zuordnen kann.

  • Ich finde bei der Bewertung des Berliner Schlosses werden immer 3 Dinge vergessen:


    1.) Die Hauptfassaden des Schlosses waren immer die Nord- ("Gartenseite") und Südfassade (Stadtseite). Diagonal endeten die Achsen Unter den Linden (Westen - Stadterweiterung) und Königstraße/Rathausstraße (Osten - Altes Berlin) an diesen Fassaden, die perspektivisch verzerrt erschienen und die Symmetrie somit untergeordnet war. Im Lustgarten und am Schlossplatz gab es eine platzfassende Randbebauung am Ende dieser "Achsen", vor den Wasserläufen Spree und Kupfergraben. Ironischerweise sind das die beiden Stellen, an denen der alte Dom mit Kuppel geplant- und der neue Dom mit Kuppel, entstanden sind. Es herrschte also eine Art räumlich-städtebauliche Spiegelung von Ost nach West in der Achse des Schlosses, die gerade in der Gründerzeit zerstört wurde.


    2.) Schlüters Schloss war ungerichtet (fast quadratisch), es hat das Alte Berlin mit der barocken (siehe Hauptfassaden in 1) Stadterweiterung als "Gelenk" verbunden. Zusammen mit dem Münzturm, dem vorgesehenen Dom auf dem Schlossplatz mit Kuppel innerhalb eines Blockrandes und den Kupfergraben + Spree, ergibt das eigentlich das städtebauliche Bild des Markusplatzes (Venedig), in den Punkten Stadträume und städtebaulichen Dominaten.


    3.) Das Schloss war im Barock mehr als doppelt so hoch, wie seine umliegende Bebauung und im Klassizismus immer noch ca. 2 "Normalgeschosse" höher. Diese Höhe war für ein Barockschloss nicht unbedingt üblich und verschaffte dem Schloss eine ganz andere Wahrnehmung als die seinerzeit beliebte Achsialität und Symmetrie. Das verlangte eine viel urbanere städtebauliche Einbildung des Schlosses - was auch Schinkel perfekt verstand.


    Viele Grundintentionen des Schlosses und seiner Erbauer, waren aus meiner Sicht, städtebaulich komplett andere, wie in der heutigen Sicht - mit dem Fokus auf dem Schloss vor seiner Zerstörung. Die städtebauliche Situation hat sich allerdings nicht grundlegend geändert, sodass man das Schloss doch viel mehr aus sich herraus betrachten sollte, als über sein gäniges Bild.

    Ob Einheitsdenkmal, Verkehrsberuhigung-Lustgarten, Apothekenflügel/Baumgruppe, Bebauung MEF, Neptunbrunnen-Rossbändiger..., oder die einst geplante ThyssenKrupp-Repräsentanz vor dem Staatsrat - man diskutiert auch aktuell, nur einzelne Punkte und nie das Umfeld als Ganzes in seiner städtebaulichen Dimension.

  • Die Kritik am Kuppelkreuz ist mal wieder typisch für die meisten ach so "weltoffenen" Linken: Toleranz predigen, aber Intoleranz praktizieren. Wie auch immer, die Stiftung Humboldtforum hat zur Aufsetzung der Laterne am kommenden Freitag eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der auf den historischen Kontext der Kuppel mit Inschrift und Kreuz eingegangen wird:


    https://www.humboldtforum.org/…25_PM_Kuppelkreuz_neu.pdf


    Auszug aus der oben genannten PM zur Baugeschichte der Schlosskuppel:


    REKONSTRUKTION DER KUPPEL

    Architekt historisch Friedrich August Stüler, 1844–1854 (inkl. Neue Schlosskapelle)

    Bauherr historisch König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen
    Architekt Humboldt Forum Entwicklung historische Fassaden: Stuhlemmer Architekten (2003–2009); Ausführungsplanung und Realisierung: Franco Stella Projektgemeinschaft (2009–2019)Vorfertigung / Montage / Kupferabdeckung Kuppel Metallverarbeitung und Dachklempnerei Taubert, Greiz

    Bildhauer Andreas A. Hoferick, Berlin
    Herstellung Laterne Fittkau Metallgestaltung GmbH, Berlin
    Bauherrin Humboldt Forum Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss


    Auf der letzten Seite der PM gibt es außerdem noch zwei Visualisierungen.

  • @Architektator lasst uns doch bitte mehr Neutralität wahren. Ich bin kein Freund der Linken, aber wir sollten nicht dauernd diesen blöden Stempel auf Parteien ausdrücken. Professionalität sollte hier wirklich gewahrt werden! :)


    Ich bin kein übrigens kein Freund von "überall historisierend", aber das Humboldtforum ist eine sinnvolle Ergänzung der historischen Mitte von Berlin. Auch wenn man die moderne Seite eher im PdR-Stil hätte interpretieren sollen, einfach weil Richtung Alex die moderne Mitte steht. Das verstehe ich als kluge Balalce in der Stadtplanung.

  • Bei aller Freude über die sich anbahnende Fertigstellung der Kuppel mit Laterne und Kreuz, die auch ich teile: Man muss nicht "links" sein (vorausgesetzt, links würde noch immer bedeuten: atheistisch, antikirchlich, antichristlich, was aber fragwürdig ist), um zu sehen, dass dieses Kreuz in symbolischer Hinischt gleich mehrfach problematisch ist. Das können auch und gerade Christen so empfinden. Im gut gemachten neuen Blog der Reformierten Kirche Zürich ist heute ein sehr informierter und intelligenter Artikel ("Das nervende Kreuz") erschienen, der die Argumente gegen das "Problemkreuz" ziemlich brillant zusammenfasst.

  • ...um zu sehen, dass dieses Kreuz in symbolischer Hinischt gleich mehrfach problematisch ist. Das können auch und gerade Christen so empfinden. Im gut gemachten neuen Blog der Reformierten Kirche Zürich ist heute ein sehr informierter und intelligenter Artikel ("Das nervende Kreuz") erschienen...

    Der Autor beschwert sich im Wesentlichen darüber, dass das Kreuz auf dem Gebäude nicht angemessen und statistisch schlüssig den Berliner Religionsmix darstellt und somit die Bevölkerungsstruktur verfälscht und einseitig "bedient" wird, also letztlich: "warum bekommen nur die Christen ein Kreuz, alle sollten ein religiöses Symbol bekommen, auch die Agnostiker und Atheisten", so als wäre das Humbolt-Forum das "House of One", ist es aber nicht.

    Dieses Argument würde könnte man anführen, wenn es sich um einen Neubau eines funktionellen Staatsgebäudes handeln würde, z.B. um ein neues Bezirksamt, Ministerium, o.Ä. Das Kreuz hat hier aber keine Präsentationsfunktion, sondern ist Teil der Rekonstruktion eines geschichtlichen Gebäudes. Daher ist das Kreuz auch kein "Machtsymbol", sondern genauso "Teil einer historischen Rekonstruktion" wie z.B. eine ägyptische Hyroglyphe Teil der historischen Rekonstruktion eines alten Tempels darstellt. Nun sind die alten Ägypter heute keine bedeutende Religionsgemeinschaft mehr und der Autor würde bestimmt nicht auf die Idee kommen, ein ägyptisches Religionssymbol an einem ägyptischen Museum in Kairo entfernt haben zu wollen, weil ja heute mehrheitlich Muslime in Ägypten leben. Wenn ihn das Kreuz nervt, wieso nervt ihn dann nicht auch der Dom, dessen Kreuz ist noch weit größer und schwebt deutlich höher in der Luft. Tatsächlich könnte man aus einem "Symbol für alle" auf dem Schloss in diesem Zusammenhang herauslesen, dass der Rest der Religions- und Nichtreligionsgemeinschaft von dem Dom-Kreuz symbolisch-visuell degradiert würde. Man kann Alles aus Allem herauslesen.


    [x] Viel Lärm um Nichts

  • ^ Die Autorin "beschwert sich" nicht (bei wem denn?), sondern fasst zusammen, warum dieses Kreuz für alle Seiten eine Verlegenheit darstellen kann:


    1. Es erinnert an eine ehemalige Verbindung von Thron und Altar, an die sich nach hundert Jahren Trennung von Staat und Kirche kaum jemand zurücksehnt, auch die meisten Christen nicht.

    2. Ihm fehlt ohne die einstige Kapelle eine christliche Berechtigung.

    3. Das Kreuz thront nun über einem Gebäude mit Sammlungen, die u.a. von Kolonisatoren geraubt und von christlichen Missionaren entwertet und für die Musealisierung eingesammelt worden sind.
    4. Das Kreuz gerät in Spannung mit dem Humboldt Forum, das als ein Begegnungsort der Kulturen der Welt ›auf Augenhöhe‹ und als ein Identifikationsort für die polykulturelle migrantische Stadtgesellschaft gedacht ist. Es steht für unsere christliche Herkunft, aber gerät genau deswegen auch in Spannung zur muliti- und areligiösen Gegenwart.


    Das Aufzeigen von Problemen bedeutet übrigens keine Stellungnahme gegen das Kreuz. Die Autorin vergleicht das Kreuz mit der "Rache des Papstes", dem Lichtkreuz auf dem Fernsehtum bei Sonenschein, auch das ein "Problemkreuz" (für die damalige DDR-Führung), und kann dem Kreuz, gerade weil es alle nervt, etwas abgewinnen, wel es, wenn auch auf unangenehme Weise, "an Instrumentalisierungen durch Thron und Mission erinnert und uns gleichzeitig die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis, unserer Identität und Situierung aufgibt."

  • ^

    zu 1. Nein tut es nicht, es sei denn man betrachtet das Humbolt-Forum als "Thron". Es ist aber kein Schloss, sondern es trägt nur das Kleid eines Schlosses. Der Reichstag hat auch kein "Reich" mehr über das er tagen könnte, trotzdem heißt er noch so, weil er ein historisches Gebäude ist. Da regt sich ja auch keiner drüber auf, dass "Reichstag" eine unpassende Bezeichnung ist, die eine unheilvolle Symbolik mit sich bringt. Den Leuten traut man durchaus zu, dies zu abstrahieren. Warum hier nicht?


    zu 2. Es braucht keine "christliche Berechtigung" denn es ist kein Gotteshaus, sondern ein Ausstellungsforum mit historischer Fassade. Die Berechtigung ergibt sich aus dem Wunsch nach originalgetreuer Rekonstruktion und aus nichts Anderem. Das die Kapelle nicht gebaut wurde, liegt doch nicht daran, dass man sie nicht rekonstruieren wollte, sondern aus bautechnischen Gründen nicht konnte, wenn ich mich recht erinnere. Ich wüsste auch nicht warum es einer Kapelle bedarf, um das Kreuz zu rechtfertigen, denn dann wäre das Kreuz ja doch wieder ein religiöses Symbol und eben kein rein historisches Rekonstrukt mehr.


    zu 3. Wieso wird das Kreuz in diesem Zusammenhang denn als "Macht&Missionierungssymbol" gedeutet? Nochmal, das Humboldt-Forum ist kein Herrschaftssitz und keine Kirche! Nur weil es diese Funktion einmal hatte, finde ich nicht, dass man diese Symbolik heute noch übertragen kann. Persönlich bin ich kein Christ, fühle mich aber auch nicht im geringsten durch ein goldenes Kreuz in meiner freien Entfaltung gehindert oder gar in meiner Menschlichkeit degradiert, nur weil es auf einem Ausstellungsforum für besonders fantasievolle Autorinnen unrühmliche Analogien zu Schandtaten früher Jahrhunderte darstellt und sich die Frechheit herausnimmt, sich nicht selbst zugunsten eines modernistischen Liberalismus auf dem Altar der politischen Korrektheit zu opfern.


    zu 4. Nein steht es nicht. Niemand hat behauptet, das Humbolt-Forum müsse "Spannungen der Multikulturell/religiösen Gesellschaft" herausarbeiten und architektonisch in seiner Fassade darstellen! Wo steht das bitte, dass die Autorin darauf kommt, dies wäre hier anzustreben? Weil dort internationale Exponate zu sehen sein werden? Weil es eine "Begegnungsstätte" für Kulturen sein soll? Nach anderer Lesart wird hier ein eigtl. dogmatisch-religiöses-Symbol einer neuen Widmung zugeführt und dient nun als "Hausherr und Hüter einer freien und undogmatisch betrachteten Weltkultur, die sich selbstbewusst präsentiert". Man könnte es also auch so deuten, dass das Kreuz quasi aus den Fängen der Kirche entführt- und symbolisch zwangsliberalisiert wird.

  • ^

    1. Ebenso könntest zu mit Verweis auf die neue Funktion des Gebäudes leugnen, dass das Humboldt Forum an das ehemalige Schloss erinnern könnte.


    2. Auch für Dich hat das Kreuz auf dem HF keine christliche Berechtigung, das sagt auch die Autorin. Anders als sie scheinst Du aber gar nicht sehen zu können, dass es für andere (z.B. für Christen) ein Problem sein könnte, dass ihr religiöses Symbol nun auf einem Gebäude ohne jede religiöse (christliche) Funktion steht.


    3. Hier hast Du das Argument, denke ich, nicht verstanden: Gerade durch die neue Funktion bekommt das Kreuz eine problematische Bedeutung, eben weil (geringe) Teile der Sammlung sich einer sehr problematischen missonarischen Sammeltätigkeit verdanken.


    4. Vielleicht noch einmal zur Klärung das Argument: Das HF versteht sich als ein Begegnungsort der Kulturen der Welt "auf Augenhöhe", als ein Identifikationsort für die polykulturelle migrantische Stadtgesellschaft. Das Kreuz nun durchkreuzt diesen Anspruch. Das ist das Problem. Und der Artikel scheint mir auch deswegen so klug, weil er nicht einfach die herkunftsvergessene multikulturelle Vogelperspektive einnimmt, sondern die überwiegend christlich geprägte Herkunft anerkennt, aber deswegen nicht in die identitäre oder "kulturreligiöse" Position kippt, die die Gegenwart nicht wahrhaben will, und schließt folglich damit, dass das Kreuz uns "die Frage nach dem eigenen Selbstverständnis, unserer Identität und Situierung aufgibt." Diese Position scheint mir eigentlich sehr besonnen und klug zu sein.

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    zu 1. Welche Definition wollen wir denn nun verwenden. Das "Schloss" ist genau genommen ja nun mal nur eine Fassade. Böse Zungen haben damals behauptet, das Projekt wäre deshalb Architektur wie Disneyland oder Las Vegas und im Prinzip stimmt das ja, auch wenn sich der Vergleich ob des ungleich höheren Anspruchs an Bauausführung und handwerklich-künstlerische Arbeit in Berlin eigtl. verbittet. Offiziell heißt das Gebäude seiner Funktion nach "Humboldt-Forum" und nicht "Stadtschloss". Das wird zwar oft synonym verwendet (auch ich tue das), aber eigtl. ist es falsch und wenn du schon derart überkorrekt sein willst, dass du "Teilexponaten", die einst missionarisch aquiriert wurden, eine Bedeutung zubilligst, die das Erscheinungsbild der Kuppel und damit einen wesentlichen Gestaltungsträger des Gesamtgebäudes in Frage stellen, dann müssen wir auch definitorisch exakt sein. Die Autorin trennt nicht zwischen der Funktion und der Fassade des Gebäudes, sie sieht beides als Einheit und erkennt darin eine negativ aufgeladene Symbolik. Das HF ist aber zu bewerten wie ein eigenes Gebäude innerhalb eines historischen Fassadennachbaus. Quasi ein Museum in einem Ausstellungsstück (statt vice versa).


    zu 2.&3. Das Kreuz bekommt eine problematische Bedeutung in den Augen derer, die eine solche darin lesen wollen. Und deshalb habe ich auch eine eher negative Reaktion wenn solche Artikel kurz vor der Eröffnung kommen und Zusammenhänge konstruieren, die man schon vor fünf Jahren hätte anführen können. Das größte Problem für mich ist aber folgendes: Es gibt schlicht keine Alternative! Das Kreuz passt auf die Kuppel, wie der Deckel auf den Topf. Kannst du dir wirklich vorstellen, dass -würde man das jetzt neu ausschreiben- am Ende eine Lösung dabei heraus käme, die der Kuppel ästhetisch besser stünde? Ich kann mir das selbst beim besten Willen nicht vorstellen. Eine sonstwiegeartete Kugel, Pylone, Figur, oder abstrakte Form könnte in meinen Augen nur in einer Katastrophe enden, die das historische Ensemble und die wunderbaren historischen Sichtachsen von UdL, der Museumsinsel ect. nur entwerten würde.


    zu 4. Das Kreuz soll die selbst gestellten Ansprüche des HF durchkreuzen und das ist ne ganze Dekade lang niemandem aufgefallen? Ich bin kein Historiker und will das hier nicht zusammenfassen, aber auf der Webseite des HF gibt es eine seitenlange Abhandlung darüber, warum das Kreuz zur Kuppel gehört, zumal man wohl davon ausgehen kann, dass es im HF Raum für Erklärungen der Fassadenteile geben wird. Den geschichtlichen Kontext kann man nicht einfach "unter den Tisch fallen lassen" und aus der Fassade tilgen, nur weil dieser Kontext hier halt mal ein religiöses Symbol darstellt. Wenn man das tut, entwertet man die Fassade und gibt letztlich den Kritikern recht, die von vornerein von "Disneylandarchitektur" gesprochen haben. Dann wäre das Schloss auch kein Hybrid mehr, sondern ein Mutant.


    lang, aber lesenswert:

    Wieso erhebt sich über der Kuppel eines barocken Hohenzollern-Schlosses eigentlich ein christliches Symbol? Der Kunsthistoriker Alfred Hagemann, Leiter des Bereiches Geschichte des Ortes, erklärt die historische Dimension des Kreuzes auf der Kuppel des Humboldt Forums.


    ebenfalls lesenwert ein Statement zum Thema:

    Hat die Rekonstruktion der historischen Fassade des Berliner Schlosses Einfluss auf die Präsentation oder die Rezeption der Ausstellungen, Sammlungen und Programme im Humboldt Forum? Auf diese Frage antworten Lars-Christian Koch, Direktor für die Sammlungen der Staatlichen Museen im Humboldt Forum, Gorch Pieken, leitender Kurator des Humboldt Labors sowie Paul Spies, Chefkurator des Landes Berlin im Humboldt Forum.

    Einmal editiert, zuletzt von Berlinier ()