Dimension des Stadtschlosswiederaufbaus

  • ^Zur Zeit der Entstehung gab es aber keinen deutschen Kaiser. Friedrich Wilhelm IV war nur König von Preußen. Selbst der nur kurfürstliche brandenburgische Adler hält einen Reichsapfel. Der hat also in der Tat nichts mit dem Kaiser des Fontanegedichts zu tun.

  • Vor fast genau drei Jahren zog mit dem Luf-Boot als Großobjekt eine "Ikone" des Ethnologischen Museums, wie es damals lautete, ins Humboldt Forum. Die damalige Pressemitteilung hier. Dort formulierte Hermann Parzinger:


    Zitat von Parzinger

    DasBoot von der Insel Luf hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Gebaut wurde es 1890 auf einer der westlichen Inseln, die heute zum Staat Papua Neuguinea gehören. Mit solchen Booten fuhren die Männer von Luf im 19. Jahrhundert auf das offene Meer, trieben Handel und führten Krieg. Aber solche Zwecke erfüllte dieses Boot nie, denn aufgrund des Bevölkerungsrückgangs auf der Insel konnten die verbliebenen Männer es nicht zu Wasser lassen. Es blieb im Bootshaus, wo es 1903 Max Thiel für die Handelsfirma Hernsheim & Co sah und erwarb. Nach einem Zwischenstopp auf Matupi in Neubritannien gelangte es 1904 in das damalige Museum für Völkerkunde in Berlin.


    Dass es sich bei der Geschichte des "Bevölkerungsrückgang" um eine Legende handelt, die die Vernichtung der Inselbewohner im Rahmen einer deutschen "Strafexpedition" verdeckt, ist nun Thema des neuen Buches von Götz Aly ("Das Prachtboot"). Heute erschien eine ausführliche Rezension in der FAS: https://zeitung.faz.net/fas/fe…ch-wieder-auf/607421.html

    Der Artikel lässt sich hier lesen:

    https://pbs.twimg.com/media/E0…2mj?format=jpg&name=large

  • Ideologie in der Baukunst unter diesem Titel gibt es im Tagesspiegel einen interessanten anregenden Artikel der sich mit der Politisierenden, Wirkung von Architektur, ideologischer Aneignung und Instrumentalisierung befasst.


    In diesem Zusammenhang wird auch die Rolle von Rekonstruktionen, traditioneller, idealistischer, utopistischer und vermeintlich zeitgenössischer Architektur und deren Ideologischer Verortung, aber auch die oft übersehene zweifelhaften Rolle der Moderne in repressiven Systemen betrachtet.

    Der Artikel bemüht sich um Ausgewogenheit und eine rationelle Haltung zu dem Thema das wie ich finde eine nähere Betrachtung verdient / vielleicht kennt jemand auch Schriften und Literatur abseits der nicht ganz unmotivierten und von daher wenig neutralen Thesen Trübys zu dem Thema - Ich denke mehr Expertise, weniger Eifer und Leidenschaft und ein breiter gefasster Pool täten hier ganz gut.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • ... und heute im Spiegel (leider hinter der Bezahlschranke) ein Artikel dazu.


    Allerdings lässt der Titel nichts Objektives vermuten: "Warum das Berliner Fake-Schloss in seiner jetzigen Form nicht zu retten ist" ebensowenig der Vorspann: "Das Humboldt-Forum sollte zu einem neuen Zentrum der Weltkultur werden. Doch an vielen der geraubten Kunstwerke klebt Blut. Kolonialverbrechen werden bis heute systematisch verharmlost."

  • "Bla Bla Blubber" denk ich nur, wenn ich den Teaser lese. Das Humboldtforum mit seinen hervorragenden Sammlungen hätte ein wirklich toller Ort werden können. Kein anderes Museum, das sich außereuropäischen Kulturen widmet, ist jemals mit so einem gewaltigen finanziellen Aufwand in die Mitte einer großen europäischen Hauptstadt gezogen. Aber leider hat der linke Diskurs das Projekt mit seiner naturgemäß langen Planungsphase schon wieder überrollt. Einst als musealer Gegenentwurf zum seit Jahrzehnten geschmähten "eurozentrischen" Weltbild gedacht, ist es jetzt angeblich nur noch ein Sammellager von Raubkunst. Die Revolution frisst ihre Kinder, könnte man fast sagen.

  • Deiner Logik folgend, dürfte man ja z.B. in Köln mit Rücksichtnahme auf den Dom nur im Stil der Gotik bauen - wobei, das wäre vielleicht allemal spannender als die real vorhandene Nachkriegsmoderne ;)

    Darum geht es nicht. Eines unter vielen Argumenten, die den Bau des HF legitimeren sollten war, dass die Wiederherstellung des friederizianischen Ensembles um den Schlosskörper erreicht wird.


    Wenn aber, offensichtlich, das höchste Bauwerk Deutschlands in direkter Nachbarschaft steht, kann das alte Gravitationszentrum mit dem Schloss städtebaulich nie wiederhergestellt werden. Grundsätzlich nicht.


    Egal ob man am Brandenburger Tor steht oder direkt vor dem HF, der Turm nimmt immer das Augenmerk des Betrachters ein.

  • Damit müssen Sie wohl Berlin verlassen. Oder darf ich fragen was an der Ausführung aus Sicht der Stadtentwicklung in Berlin verwertbar ist. Weder werde ich zustimmen, wenn Sie vorschlagen den Alex abzureißen, noch bin ich bei Ihnen wenn es darum geht einer Architektur nachzutrauern die bereits von den Preußen stümperhaft aus Italien und Griechenland kopiert wurde. Die Säulen nehme ich hier gerne als Beispiel. (Dorische, ionische, korinthische Säulen)

    Ich bin großer Fan des Schlosses aus 3 Gründen:
    1. Es heilt die Stadt an der Stelle - es ist ein Baukörper der eben die Geschichte auf eine Art wiederbelebt die der Stadt und dem Auge schmeichelt, eben kein verkrüppelter Dom - sondern eine Interpretation die nahe am Original ist und ein bisschen Glanz in das so geschundene Berlin bringt. Ein modernes Gebäude wäre dazu nicht in der Lage gewesen.
    2. Mir geht es nicht um das Schloss als solches - es ist die Qualität des Gebäudes um der schlicht perfekte Bezug zur Museumsinsel - der moderne Teil spiegelt die Architektur von HEUTE wider und ich kenne keinen Entwurf der viel besser gewesen, wäre die, Moderne so abzubilden.

    3. Die Möglichkeiten die dieser riesige Raum bietet als Ausstellungsraum - ob ich jetzt jede Ausstellung davon toll finden muss - müsig - es ist in jedem Fall ein weiterer Magnet für die Stadt mit seinen entsprechenden Auswirkungen...


    Sinnloses Vollzitat des Vorposts gelöscht.

  • ^^ Ich kann das nur abstrakt nachvollziehen. Ich saß erst vor einigen Tagen länger am HF (Nordseite), bewegte mich dann Richtung Pariser Platz und mein Eindruck war ein anderer: Das Gravitationszentrum der Berliner Mitte hat sich nun (für mich!) vom Pariser Platz/Reichtagsgebäude/Bundeskanzleramt/Holocaust Mahnmal dahingehend zum Ensemble um das HF/Berliner Dom/Altes Musem/Historisches Museum verlagert, dass nun beide (für mich!) ziemlich gleichwertig als inerstädtische Gravitationszentren erscheinen. Der Fernsehturm ist von weitem sichtbar, bringt aber trotz seiner Höhe nicht genug Masse und Präsenz und Bedeutsamkeit mit, um (für mich!) etwas daran zu ändern. Möglich, dass die Hochhäuser am Alex das Gewicht dieses innerstädtischen Ostteils stärken werden, aber selbst dann glaube ich nicht, dass dieser modernere Teil je zum Gavitationszentrum avancieren kann. Eher wird sich eine Dreierkette Brandenburger Tor-Schloss-Alex bilden, durch die das Ensemble um das Schloss, weil in der Mitte gelegen, deutlicher als Zentrum wahrnehmbar sein wird.

  • Arty Deco Wenn Du direkt vor einem Baum stehst, stört Dich der Wald dahinter vermutlich auch noch. Trotzdem bist Du hier mE auf dem Holzweg.


    Nur weil man etwas bemerkt, muss es ja nicht maßgeblich die Wirkung beeinträchtigen oder gar stören. Dann sieht man eben im Hintergrund den Fernsehturm. Ist halt immer noch Berlin. Na und? Dass die Ensemblewirkung MIT dem Humboldtforum eine ganz andere als vorher ist, kann man mE nicht ernsthaft bestreiten. Dass Berlins Zentrum 1 zu 1 in den preußischen Zustand zurückversetzt wird, hat mE hingegen niemand ernsthaft behauptet. Dass der Fernsehturm geflissentlich verschwiegen wurde, halte ich ebenfalls für eine reine Behauptung - und ehrlich gesagt für einigermaßen wirr und bemüht dazu. Ich frage mich irgendwie auch immer wieder, ob Du Deine Beiträge tatsächlich ernst meinst oder einfach eine Beschäftigung zum Füllen überschüssiger Freizeit suchst (weniger fein gesagt: trollst).


    Zu den Innenräumen: Das Video ist mE ein ganz nettes Zeitdokument. Wirklich scharf darauf wäre ich aber nicht. Allenfalls könnte ich mir ein paar selektive Elemente vorstellen, so wie es bei den Außenfassaden ja auch selektiv Modernes zu erblicken gibt.

  • Hierbei ist auch die Ausstellung von 1946 "Berlin im Aufbau" zu nennen, die doch sehr selbstverständlich im erhalten gebliebenen Weißen Saal gezeigt wurde. Es wirkt auf mich so, als hätte das Schloss auch nach der Monarchie (wie war es eigentlich bei Friedrich2, der ja wenig in Berlin war?) eine Zentrumsfunktion gehabt, ähnlich wie oft in kleineren Städten die Stadthallen.

    Den Fernsehturm sehe ich nicht als Problem. Stella hat in seiner Zurückhaltung vielleicht die beste Lösung für das Schloss gefunden. Die Hauptfassaden wirken und werden nicht erdrückt. Ich bin froh, dass man sich hier nicht für die sogenannte moderne Architektur entschieden hat. Leider funktioniert diese in anderen Städten oftmals sehr gut. In Berlin ist da aus meinem Empfinden irgendwie eine Störung oder Abwehrung vorhanden (siehe Axel-Springer Koolhaas). Ein Cube wie am Hbf das ist die Ausnahme, besser man ist das Risiko an dem Ort nicht eingegangen. Das Rückseite des Schlosses sollte jedoch ein Gegenüber bekommen. Ich hätte hier die Landesbibliothek am besten verortet, vielleicht in zwei Gebäuden mit Erhalt der Sichtachse Fernsehturm-Humboldtforum.

    Was mich stört am Humboldtforum ist das Aufgebot an Security und Privatfirmen, früher gab es mal den klassischen Sicherheitsmann, heute alles ausgelagert. Mich erinnert das negativ an den Reichstag. Ich empfand es als fast schon erhebend die Treppen hochlaufen zu können, wen störten die Schlangen an der Treppe? Jetzt bald sogar mit Graben aus Schutz vor wem - dem Volk? Ich hoffe, dass zumindest die Höfe am Schloss offenbleiben und nicht die auch noch durch Sicherheitshysterien geschlossen werden.

  • Wenn aber, offensichtlich, das höchste Bauwerk Deutschlands in direkter Nachbarschaft steht, kann das alte Gravitationszentrum mit dem Schloss städtebaulich nie wiederhergestellt werden. Grundsätzlich nicht.

    Nach Deiner Logik wären Hochhausstädte wie London, Warschau, Paris, Moskau und Frankfurt städtebaulich total im Arsch, weil ihre historischen Zentren von Hochhäusern dominiert werden.


    Ich weiß ja nicht in welchen Sphären Du dich durch die Stadt bewegst, ich mache dies vorwiegend aus der Fußgängerperspektive. Verlinke doch mal Bilder, auf welchen Orten der Spreeinsel der Fernsehturm seine Dominanz ausübt. Auf dem Schlossplatz beispielsweise hat der Fernsehturm fast die selbe "Gravitation" wie ein Schupmann-Kandelaber oder ein Fahnenmast.


    Historisch liegt Du da ebenfalls falsch, da der Fernsehturm Mitte der 60er eigentlich nur ein Substitutionsbauwerk für das nie realisierte Regierungshochhaus auf dem Schlossplatz oder MEF war. Die DDR-Staatsachse wurde Anfang der 50er städtebaulich um diese Höhendominante und diesem Ort entwickelt.

  • Nach Deiner Logik wären Hochhausstädte wie London, Warschau, Paris, Moskau und Frankfurt städtebaulich total im Arsch, weil ihre historischen Zentren von Hochhäusern dominiert werden.

    In Paris und Frankurt werden die historischen Zentren definitiv nicht von Hochhäusern dominiert, weil sich die Hochhaustandorte nicht im historischen Zentrum, sondern am Rand des historischen Zentrums befinden.


    In Paris stehen die Hochhäuser nicht in der Nähe von Notre-Dame, Opera, Louvre oder Pantheon, sondern in La Defense. Und La Defense ist weit genug entfernt von den großen Merk- oder Wahrzeichen der Stadt.


    In Frankfurt ist es ganz ähnlich. Die Hochhäuser stehen nicht am Römer oder am Kaiserdom, sondern beginnen erst an der Taunusanlage und führen von der Mainzer Landstraße zum Messeviertel. Auch in Frankfurt sind die Hochhauscluster weit genug entfernt von den großen Merk- oder Wahrzeichen der Stadt.


    Frankfurt und Paris sind keine Beispiele, mit denen man belegen kann, dass Hochhäuser im historischen Zentrum einer Stadt funktionieren.

  • ... Aber London ist ein gutes Beispiel dafür, dass Hochhäuser ihren Platz im Stadtzentrum einer europäischen 2000 Jahre alten Capitale haben können ohne die historischen Gebäude wie Saint Paul oder den Tower dominieren zu müssen. Weil es einen Hochhausrahmenplan gibt der besonders historische Gebäude und Sichtachsen berücksichtigt.

    Nur um Deiner steilen These zu entgegnen. Ansonsten offtopic.

  • Egal ob man am Brandenburger Tor steht oder direkt vor dem HF, der Turm nimmt immer das Augenmerk des Betrachters ein.

    Dieses Argument spricht nicht gegen das Humboldt-Forum, sondern eher gegen den Fernsehturm.

  • @Architektur-Fan

    Alle genannten Städte haben nicht EIN "Gravitationszentrum" sondern mehrere. Der Invalidendom steht in der Nähe des Eifelturms, Tower und Tower Bridge im Schatten der Hochhäuser der "City" und Frankfurts Altstadt, HFB, alte Oper sind umringt von Höhendominanten.


    Um in Berlin zu bleiben - wenn man Arty Decos Argumentation umdreht, wäre der Fernsehturm schon vor der Errichtung des HF der städtebauliche Mittelpunkt des Stadtzentrums gewesen. Das war er auch damals schon nicht, sondern der PdR mit Staatsrat und Außenministerium als Herzstück der Staatsachse. Selbst der Alexanderplatz repräsentierte den sozialistischen Staat in Form von Gebäuden der Wirtschaftsrepräsentanz und des Konsums, die gemeinsam einen zentralen Platz bildeten. Der Fernsehturm liegt im Rücken einer Hochbahntrasse, in der 3. Reihe vom Alex, inmitten einer Grünanlage von Wohnungsbau umgeben. Er spielt in der DDR-Staatsachse eine wichtige Rolle als Höhendominante und "Anker" zweier Achsen, er ist aber nicht raumbildend für die Staatsachse und funktional unbedeutend.

  • In Paris und Frankurt werden die historischen Zentren definitiv nicht von Hochhäusern dominiert, weil sich die Hochhaustandorte nicht im historischen Zentrum, sondern am Rand des historischen Zentrums befinden.


    In Paris stehen die Hochhäuser nicht in der Nähe von Notre-Dame, Opera, Louvre oder Pantheon, sondern in La Defense. Und La Defense ist weit genug entfernt von den großen Merk- oder Wahrzeichen der Stadt.

    Für Paris würde wohl eher der Eiffelturm als dominierende Höhenkomponente im Bild der inneren Stadt passen (- weshalb der Turm in der Planungsphase umstritten war, und zunächst nur als temporäres Bauwerk genehmigt wurde).


    Allerdings stimme ich Dir nicht ganz darin zu, dass La Defense keine Rolle spielt, da es bewusst ans Ende einer historischen Sichtachse gesetzt wurde.

  • ... Aber London ist ein gutes Beispiel dafür, dass Hochhäuser ihren Platz im Stadtzentrum einer europäischen 2000 Jahre alten Capitale haben können ohne die historischen Gebäude wie Saint Paul oder den Tower dominieren zu müssen. Weil es einen Hochhausrahmenplan gibt der besonders historische Gebäude und Sichtachsen berücksichtigt.

    Naja, das liegt buchstäblich im Auge des Betrachters, aber urteilt selbst. Der Sichtachsenschutz ist erheblich aufgeweicht worden, weil die City nach dem Exodus der Banken nach Canary Wharf (wegen höhenbeschränkungsbedingten Platzmangels) die Versicherer nicht auch noch verlieren wollte. Alle Neubauten der letzten Jahre gravitieren daher nach EC3 (Versicherer), währen der NatWest Tower das höchste Gebäude in EC2 (Banken) geblieben ist…


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    St. Paul’s links