Eine sinnvolle Diskussion ist nicht möglich, wenn Wortbeiträge kaum zur Kenntnis genommen oder Argumente übergangen werden.
Eine Reko steht doch überhaupt nicht zur Debatte
vs.
Neben moderner, innovativer und flexibler Architektur, die eine große Strahl- und Anziehungskraft entwickelt (45 Nennungen), können sich viele der Befragten auch eine Rekonstruktion der Bebauung des Areals, die bspw. die Vorkriegsarchitektur und -struktur wiederherstellt, vorstellen (42 Nennungen).
Ich hoffe einfach mal, die Stadt betreibt die Bürgerbeteiligung ernsthaft und nicht nur als Zirkus.
Wer sagt denn, dass der Dresdner Neumark ein Riesenerfolg ist?
Bereits oben mehrfach zitiert: Die Betrachtung der ökonomischen Kennzahlen und die Zustimmung von 80% der Bevölkerung. Auch hilfreich ist ein Besuch auf dem Neumarkt und die Beobachtung, wie die Menschen dort auf die Architektur reagieren.
Das sind individuelle Eindrücke dich ich respektiere aber überhaupt nicht teile. Nicht in Bezug auf Dresden oder Potsdam, Frankfurt mit den nachgebauten Fachwerkbauten, noch in Bezug auf das Berliner Stadtschloss. Deswegen erkenne ich die Umsetzung bei keinem der Beispiele an. Finde diesen Weg absolut nicht zielführend.
Bei diesem Zitat kann ich leider nur "Ich, Ich, Ich" herauslesen. Sorry, so funktioniert eine faktenbasierte Diskussion nicht.
Manch einer scheint noch nicht mal zu lesen, was er zuvor selbst geschrieben hat:
Darin behauptet Bartetzky, dass Leipzig die heimliche Hauptstadt der Rekonstruktion sei. (Seite 279)
Betonst Du das, weil bekanntermaßen in Leipzig nichts rekonstruiert wurde?
Womit wir auch noch einmal bei den genannten Beispielen wären. Wir können lange darüber diskutieren, wo die Grenze zwischen Sanierung, Teil- und Vollrekonstruktion verläuft. Mädlerpassage und Trifugium liegen irgendwo dazwischen, je nachdem, welchen Gebäudeteil man betrachtet. Auch beim Hassobjekt mancher, dem Dresdner Neumarkt, wurden Originalteile in einige Bürgerhäuser eingebaut. Ich habe nicht den Eindruck, dass die Kritiker da konsistente Maßstäbe anlegen.
Das als Beispiel für eine gelungene Rekonstruktion zu verwenden ist echt starker Tobak. Das Palais Schlobach wurde 2006 abgerissen, vom Kosmoshaus ist nur die Fassade erhalten. Originalsubstanz wurde also unwiederbringlich vernichtet um neu bauen zu können.
Ich finde eher deine Sätze starken Tobak. Dass ich die Rekonstruktion gelungen finde, heißt ja wohl nicht, dass ich den 2006 erfolgten Abriss gutheiße.
Letztens hatte ich einen Gast, der erst gegen Rekos argumentierte (studiert hat er u. a. Baugeschichte), bis sich herausstellte, dass er in besagtem Hotel Inside nächtigte, offenbar ohne bemerkt zu haben, dass es großteils eine Reko ist. Abseits aller idiologischen Debatten sind Fassaden nach altem Vorbild nämlich genau das: schön und anziehend und ein starkes Argument z. B. bei der Buchung eines Hotelzimmers.
"Forum Recht und Demokratie" in rekonstruierten Gebäuden aus der Zeit des Absolutismus und des Kaiserreichs
Ich kann die Frauenkirche bewundern, ohne Christ zu sein und das Berliner Stadtschloss gutheißen, ohne mir den Kaiser zurückzuwünschen. Wenn ich die Hochhäuser am Potsdamer Platz lobe, heißt das nicht, dass ich den Kapitalismus großartig finde. Und Olaf Scholz ist kein Nazi, nur weil sein Ministerium in einem Nazi-Bau untergebracht ist. Wir reden hier immer noch über Architektur. Und wenn durch einen demokratischen Prozess eine bestimmte Architektur entsteht, ist dies das beste Beispiel für gelebte Demokratie. Demokratie ist der Prozess, nicht das Ergebnis.
Ich glaube, das ideologische Schreckgespenst wird genau deshalb aufgeblasen, um von den so offensichtlichen Motiven für Rekos abzulenken. In Berlin hat sich nicht ein Bürgerverein gegründet und einen demokratischen Beschluss herbeigeführt sowie Spenden eingesammelt, um den Kaiser zurückzuholen. Unter dem wäre all das nämlich so gar nicht möglich gewesen. Sondern weil man die schönen alten Fassaden haben wollte. So differenziert und kunstvoll wie eine Barockfassade ist nun einmal keine Alternative, die man stattdessen hätte errichten können.
Zweckdienlicher als das Jammern über das angeblich so reaktionäre Deutschland wäre es, daraus eine Konsequenz für die eigene Arbeit z. B. als Architekt zu ziehen. Es steht jedem frei, mit hervorragenden Entwürfen um breite Zustimmung zu werben. Zum Beispiel mit abwechslungsreichen Dachlandschaften, Fassadengliederung statt eintöniger Rasterung, Bauschmuck, Farbigkeit statt Grau und Weiß, repräsentativen Entrées... Gern auch in neuer, origineller Formgebung.
Es wird ja immer der Gegensatz zwischen Reko und innovativer, hochwertiger Architektur aufgemacht. Aber wo ist denn letztere? Die Realität ist eher, dass "moderne" Entwürfe der stärkste Rückenwind für Reko-Bestrebungen sind. Denn es sind oft miserable Entwürfe, die uns dann allerorten in gebauter Form auflauern. Wenigstens in ihren Innenstädten wollen sich viele Menschen davon erholen.
Das hatten wir hier aber immer wieder durchgekaut.
Schade nur, dass so wenig Erkenntnis daraus folgt. Auch der nächste miese Entwurf wird hier wieder von einigen als super belobigt werden, weil er sich in zwei, drei Nuancen von einem Rohbau abhebt.
Ideenlosigkeit in Deutschland und ein gewünschter Rückbezug auf Vor-Kriegszustände, mit denen man nicht nur die bauliche Zerstörung verwischt sonder auch die politischen Wirren zwischen 1914 und 1990.
Ich würde die Aussage mal umdrehen: Die meisten Architekten und Verantwortlichen leiden unter Ideenlosigkeit und einem gewünschten Rückbezug auf die Nach-Kriegszustände, womit man jahrhundertealte Architekturtraditionen verwischt. Oder positiv gesagt: Architektur darf gern auch ausdrücken, dass man sich mit Krieg und Zerstörung nicht abfindet.
Zwar bieten sich auch meines Erachtens Rekonstruktionen auf dem Matthäikirchhof kaum an, aber dennoch unterstütze ich jeden, der sie fordert. Denn ich wünsche mir ein Flair wie in einer Altstadt an dieser Stelle (und ja, auch das gründerzeitlich überformte Leipzig hat vielerorts diesen Flair). Dazu braucht es aber mehr als nur alte Durchwegungen.