Leipzig: Matthäi-Viertel (Vergangenheit-Gegenwart-Zukunft)

  • Wenn man wirklich auf kleinteilige Bebauung, seitens der Stadt, setzen würde könnte das Quartier Stück für Stück verwirklicht werden. Dass das geht sieht man am 'Museumsquartier'. Man sollte dann aber auch gleich die Büroflächen auf ein Minimum beschränken. Gastronomie, Gewerbe/Gastgewerbe und Wohnungen sollten bestimmen. Damit leben in diesen Bereich der Innenstadt kommt. Es könnte schon ein sehr attraktives Projekt werden.


    @ Cowboy - bei der 'Hainspitze' war doch immer das Natrukundemuseum im Gespräch. Daraus ist bekanntlich nie etwas geworden. Ich habe versucht mal die ehemalige Bebauung zu finden aber jeweils nur einen Anriss bekommen.


    http://lipsikon.de/Einzelansic…=3199&index=0&fromOid=230 - das linke Gebäude ist die gegenwärtige Freifläche. Ganz rechts ist das noch vorhandene Gebäude am Richard-Wagner Platz.


    http://lipsikon.de/Einzelansic…=4011&index=0&fromOid=230 - das letzte Gebäude auf der linken Seite. Auch das ehemalige Kaufhaus im Hintergrund und das Hotel de Pologne auf der rechten Seite.

  • Blick vom Dittrichring auf den Matthäikirchhof. Die barocke Häuserfront wurde bekanntermaßen nach 1900 gründerzeitlich bzw. im Reformstil überformt.

    Quelle: lipsikon.de



    Wenn ich diese Bild sehe, dann blutet mir, trotz der Schönheiten, der Gründerzeit und der ganzen Neoostilarten, schon ein wenig das Herz. Da sieht man, was die Gründerzeit letztendlich "zerstört" hat. Da kann man m.E. die Diskussion um die Blechbüchse oder die Diskussion um Retro schon ein bißchen anders sehen. Historismus und Co. sind auch kein "Original". ;)


    Aber eine Entwicklung als Wohnviertel mit kleinteiliger Bebauung, wäre ein absoluter Gewinn. Denn Handelsfläche gibt es schon genug in der Stadt und die Stadt ist ja im Grunde schon ein einziges Shopping-Center. Bei Abyssalon klingt das aber eher nach Stadthäusern ;)

  • ^ Aber was wenn nicht Stadthäuser, sind denn kleinteilige Gebäude mit hohem Wohnanteil? Wenn man dabei eine ähnliche Qualität und Diversität erreichen könnte wie am Friedrichswerder in Berlin (und da schliesse ich sowohl die historisierenden als auch die modernen Fassaden mit ein), wäre schon viel damit erreicht. Wichtige wäre allerdings, hier keine reine Wohngegend entstehen zu lassen. Wohnungen und kulinarische Nutzungen sind allerdings meist nur schwer miteinander zu verbinden.

  • Zum Mathäiviertel: wurde im Zuge des Unineubaus nicht von Kirchenseite argumentiert, die Paulinerkirche sei nie entweiht worden und demzufolge Kirchenbesitz? Wie verhält sich das bei kriegszerstörten Kirchen, z.B. der Matthäikirche? Es ist zwar vermutlich unwahrscheinlich, dass dort die Kirche Anspruch erhebt, aber wäre es theoretisch möglich?

  • Matthäikirchhof / Klingertreppe

    Hallo zusammen !


    Nach langem interessiertem Durchlesen habe ich mich entschlossen auch ein paar Beiträge zu liefern und hoffe auf gegenseitige angenehme Unterhaltung :).


    Als Einstand möchte ich etwas zur Klingertreppe und nach und nach aus meinen Archiven etwas zum Komplex Matthäikirchhof beisteuern.



    so hätte sie mal aussehen sollen, die Treppe samt Sockel und Wagner



    ist im Bildermuseum zu bewundern: ein Miniaturwagner von Klinger


    Vielleicht erstmal dazu, warum die Treppe überhaupt weg musste:
    Das Gebäude der Feuerversicherungsanstalt ("Runde Ecke") wurde als eines der wenigen intakten Bürogebäude der Innenstadt nach dem Krieg ja gleich von den jeweiligen Geheimdiensten in Anspruch genommen.



    die "runde Ecke" um 1950 von hinten, im Hintergrund die Hauptfeuerwache; aus Herbert Küas: "Das Alte Leipzig"


    Der erste Erweiterungsbau für die Stasi wurde bereits in den 1950er Jahren (wahrscheinlich als erster Büroneubau Leipzigs nach dem Krieg überhaupt) errichtet. Samt Kino und Kegelbahn. Auf der abgeräumten Fläche dieses Stadtteils sollte darüberhinaus ein neues Konzerthaus entstehen, sämtliche Theater und das Gewandhaus waren ja zerstört oder schwer beschädigt.



    links "neues Konzerthaus", daneben 1. Erweiterungsbau des MfS, ganz rechts die "runde Ecke"



    nie realisierter Siegerentwurf für die Umgestaltung des Friedrich-Engels-Platzes; aus "Deutsche Architektur" 1953


    Jetzt passte allerdings so ein öffentliches Gebäude mit Besucherströmen den Geheimniskrämern nebenan überhaupt nicht! Als in den 1970er Jahren klar wurde, dass das Audimax am Karl-Marx-Platz aus Rationalisierungsgründen nur in der Doppelfunktion als Sitz des Gewandhausorchesters realisierbar war, sah die Stasi ihre Stunde gekommen und riß sich das ganze Areal unter den Nagel.



    lange als Standort für das Neuen Gewandhaus samt Tiefgarage favorisiert: der Matthäikirchhof


    Durch die archäologischen Grabungen wusste man im übrigen sehr gut über die einstige Zwingburg bescheit, die Dietrich der Bedrängte hier anstelle der "urbs lipsk" gegen die Stadt errichtet hatte. Und - Ironie der Geschichte - entstand sie hier quasi wieder. (Ironie Teil 2: Die alte Zwingburg wurde von den Leipziger erstürmt, hier entstand ein Franziskanerkloster, später wurde daraus die Matthäikirche).
    Jetzt zur Klingertreppe: Die Mitarbeiter des damaligen BCA (Büro des Chefarchitekten ~ quasi Stadtplanungsamt) und dem AKB (Büro für architekturbezogene Kunst und Denkmalpflege ~ quasi Denkmalbehörde) unternahmen alles mögliche, um diese Treppe zu erhalten. Man war schon soweit gegangen am oberen Ende sogar eine Art antifaschistisches Mahnmal zu planen, nur um die historischen Wegebeziehungen wenigstens auf ideologische Weise irgendwie zu retten.



    Stasi mit "vorbeigelenkten" Besucherströmen


    Das half aber alles nichts. Während einer Bezirkseinsatzleitung (~ quasi Krisensitzung, normalerweise für den "Ernstfall"!) wurde vom Bezirksleiter der SED höchstselbst festgelegt, dass die Treppe zu verschwinden habe. Die Kosten für die Dokumentation und den Aubbau übernahm die Stasi und lies die Treppe zum von nder Denkmalpflege zugewiesenen Lager abtransportieren.



    aus Sicherheitsgründen nicht erwünscht - die Klingertreppe


    Entschuldigung übrigens für die Bildqualität. Ich muss erst noch üben!
    Soweit erstmal. Ich denke, das ist doch recht unbekanntes Material und freut vielleicht den einen oder anderen. Demnächst mehr ...

  • Wow, besten Dank für die Ansichten, raubbau.


    Sowas sieht man wirklich sehr gern und erfährt gleich wieder neues. Alles sehr interessant.

  • Hochinteressant sind für mich besonders die Entwürfe zum Wagnerdenkmal.
    Das zeigt doch, dass man es fertigstellen kann.
    Gedankenspiele darauf ein viertes Wagnerdenkmal zu errichten , sollten nicht weiter verfolgt werden.
    Nach dem Abriss des Stasibaus hat das Gebiet großes Potential.
    Ich hoffe nicht, dass in diesem Plattenbau ein "erhaltenswertes Denkmal der Friedlichen Revolution" gesehen wird.

  • Willkommen im Forum, raubbau! Schöner kenntnisreicher Einstiegsbeitrag. Ich fürchte nur, du wirst noch Quellen für die Abbildungen angeben müssen, das ist hier so üblich und wird von den Moderatoren auch recht eindringlich angemahnt. Das Bildmaterial ist wirklich höchst interessant. Das letzte Bild zeigt im Grundriss sehr eindrucksvoll, dass unter Einbeziehung der vorhandenen Bausubstanz (Feuerversicherungsanstalt) tatsächlich eine Festung mit zwei Bastionen auf erhöhtem Areal entstand. Ich habe das noch nie so klar erkannt, aber die nach wie vor einschüchternde Wirkung des Komplexes beruht natürlich ganz wesentlich darauf. Das Architekturmodell sieht bzw. sah, wenn ich das richtig sehe, einen Abriss des Großen Blumenbergs und der Bürgerschule/Naturkundemusem vor. Auch scheint mir, dass die Rosentalgasse zum Platz hin unter dem Gebäuderiegel hindurchführen sollte. Ganz ähnliche Konzepte wurden ja in Berlin umgesetzt (Stalin- bzw. heute Frankfurter Allee). Mit dem Gewandhaus zwischen (nicht mehr vorhandenem) Alten Theater und Schauspielhaus wäre dieser sehr geschlossene Platz das kulturelle Zentrum der Stadt geworden. Immerhin bemerkenswert, dass man nach den Planungen von 1953 sonst fast alle Bestandsbauten geschont hätte, auch das Kaufhaus am Brühl sollte wieder aufgebaut werden. Das Hochhaus ist ja ein Relikt aus der "Ring-City" von Hubert Ritter und hat nur die Straßenseite gewechselt.

  • Danke, Danke und Danke. Ich werde ja gleich ganz rot.... O.K., dann erstmal das Formale: Soweit nicht anders angegeben befinden sich die abgebildeten Unterlagen in meinem Besitz und ich habe sie vorm Papiercontainer bewahrt. Die Originalquelle der Zeichnung vom Wagner Denkmal kenne ich nicht.


    Nach den archäologischen Grabungen - vor allem für den Neubau in den 70er Jahren - hat sich die Stasi Zeichnungen anfertigen lassen, in denen die Lage der Klosterkirche und der frühreren Burgen auf dem Matthäikirchof detailliert dargestellt ist. Der geplante "Burgcharakter" ging ja soweit, dass man ringsherum eine Mauer errichten wollte - die wurde dann wegrationalisiert und man hat stattdessen Kameras angeschafft.
    Die etwas schäbige Sichtmauer zur Promenadenanlage steht übrigens direkt auf der alten Stadtmauer, die in diesem bereich die einstige Töpferstraße abgegrenzt hat.


    Wenn man den Innenhof der Stasi betritt kann man nochmal sehr schön das Ausmaß der ganzen Anlage und des ehemaligen Viertels erahnen.



    Hier mal im direkten vergleich die beiden Stadtmodelle von 1823 im Alten Rathaus...


    und dem Stadtmodell im Neuen Rathaus im Zustand von 2005:


    Bilder: Alle selbst gemacht.

  • Dave hat schon in einem anderen Strang davon berichtet, ich will hier aber noch mal den heutigen Artikel der Leipziger Internetzeitung verlinken, der nicht nur die - uns durch Zutrag diverser Forenmitglieder natürlich längst bekannten - Fakten zur Klingertreppe liefert, sondern auch die Diskussion um die weitere Entwicklung des Hinterlandes, also des momentan praktisch inexistenten Matthäiviertels, anstoßen will. Ralf Julke unterstellt dem Stadtrat in seiner Entscheidung für die Wiederaufstellung der Treppe den Wunsch, hier mehr Impetus für die weitere Entwicklung anzuregen, z.B. als "Architekturwettbewerbe, Bürger-Workshops oder erst einmal Ideen-Sammlungen..." Der Vorsitzende des Richard-Wagner-Verbandes Leipzig e.V., Thomas Krakow, wird mit den Worten zitiert: "Natürlich arbeiten wir daran, dass auch die Statue noch umgesetzt wird". Die Überlegung geht in die Richtung, einen gegenwärtigen Künstler mit der Umsetzung der Klingerschen Planung zu betrauen. Eine andere Möglichkeit wird es auch nicht geben, wenn man die Statue ergänzen will, Klinger selbst wird sich dafür nicht mehr zur Verfügung stellen. Die eigentlich interessante Frage, ob eine sehr am Entwurf angelehnte "klassische" Plastik oder eine moderne Interpretation entstehen soll, wurde offen gelassen. Ich befürchte das letztere und finde, es müsste wenigstens eine stimmige Gesamtwirkung mit den bereits vorhandenen Reliefs auf dem Sockel sichergestellt werden.

  • ^ Interessant sind in dem Zusammenhang die völlig konträren Positionen von Rainer Ilg, Vorsitzender des Klinger-Vereins:


    "Nur eine moderne künstlerische Lösung kommt in Frage. Wir wollen namhafte Bildhauer ansprechen, denken an Otto Bernd Steffen, Wieland Förster oder an Jonathan Meese."


    und Thomas Krakow, Vorsitzender des Richard-Wagner-Verbands:


    "Es steht außer Frage, dass das ursprüngliche Denkmal nach Plänen und Vorlagen von Max Klinger, wobei sich ein Modell in Besitz des Bildermuseums befindet, vollendet werden muss. Der Bezug auf die Tradition hat sich in Leipzig bewährt wie die Aufstellung des Mendelssohn-Denkmals in den Anlagen vor der Thomaskirche belegt."


    Schön, dass beide ihre Entscheidung bereits gefällt zu haben scheinen ;)


    Quelle: LVZ

  • In dem Zusammenhang sei nochmal daran erinnert, warum der stadtseitige Flügel überhaupt leer steht: Hier residierte ursprünglich neben der Stasi die BVdDVP - Bezirksverwaltung der Deutschen Volkspolizei. Nach der Wende Sitz der Landespolizeidirektion. Und die musste ja zu überteuerten Mieten nach Paunsdorf zwangsumziehen, um das Behördenzentrum voll zu kriegen, dass Biedenkopfs Amigo gebaut hatte ... aber das nur mal nebenbei.

  • KLINGER-TREPPE


    Das künftige Bild der Klinger-Treppe kann man anhand des Geländers schon erkennen, als ich heute vorbeigefahren bin.


    Dazu wird am kommenden Dienstag der 36 Tonnen schwere Klingersockel auf die Treppe gesetzt >>


    Dienstag, 8. Juni, 7.00 bis 7.30 Uhr


    Quelle: Stadt Leipzig

  • städtebaulich fast schon ein muss. leider enden die stufen an der fassade vom ehemaligen STASI bau. wird zeit dass da neue planungen starten - mit dem neuen brühl und dem hotel de pologne wird es aber sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen.

  • MAX-KLINGER-TREPPE


    Noch ein Monat, dann soll die Max-Klinger-Treppe (samt Umfeld?) der Öffentlichkeit übergeben werden. Dieses Bild entstand gestern >>



    Am Goerdelerring. Das Trafo-Gebäude (rechts) bekam einen neuen Anstirch.

  • MAX-KLINGER-TREPPE


    ...endlich wieder an der Max-Klinger-Treppe vorbei geschaut >>



    Westlicher Zugang zur Treppe.



    Am Goerdelerring mit Blick zur Max-Klinger-Treppe.



    Die Max-Klinger-Treppe vor der ehemaligen STASI-Bezirksverwaltung Leipzig.



    Östlicher Zugang zur Treppe.



    Am Goerdelerring.

  • Danke für die Fotos. Schön, dass die Stadt mit der Errichtung der Max-Klinger-Treppe Fakten für den Verbleib der ehemaligen Stasi-Platte schafft und somit auch den Weg für private Investoren freimacht. Nicht nur ein Abriss drängt sich jetzt mit der Treppe regelrecht auf, sondern m.E. künftig ebenso eine kleinteilige Neubebauung des Matthäi-Viertels.