Der Altstadt-Salon

  • Mir wäre es auch lieber wenn die Situation von vor 1944 noch unverändert erhalten wäre. Aber wir haben nun mal heute eine andere Ausgangslage mit gewissen positiven Aspekten, deren Veränderung in welcher Form auch immer ohnehin so gut wie ausgeschlossen sein dürfte.


    Ich hatte übrigens im Historischen Museum schon Wettbewerbsentwürfe zum Wiederaufbau von Paulskirche und Börse aus den späten 1940ern in der Hand. Letztere sollte eine Art Eingangshalle für die Paulskirche werden, mit einem unterirdischen Verbindungsgang. Die Paulskirche selbst wäre als Respektserweisung an die 48er weitgehend originalgetreu wiederhergestellt worden, nicht mit dem komplett neuen Interieur was wir heute kennen.

  • Markt 40

    Für die liebe Nachwelt hier die nun vervollständigte Inschrift über dem Sockel von Markt 40 - der Lesbarkeit halber in Normalschreibung:


    Dorn und Disteln stechen sehr, falsche Zungen noch viel mehr; doch will ich lieber durch Distel und Dorn waten


    — als mit falschen Zungen sein beladen 🍷🍷🍷 Machte der Neid Brände wie das Feuer, so wär


    — das Holz nicht halb so teuer und wären der Neider noch so viel, so geschieht doch, was Gott haben will.

  • Mir wäre es auch lieber wenn die Situation von vor 1944 noch unverändert erhalten wäre.


    Leider ist die 'Situation vor 1944' alles andere als eine unveränderte. Schön daß hier gerade auf das Gelände des Stadtarchivs aufmerksam gemacht wurde, wo zuvor der stattliche Komplex der Stadtwaage stand, denn hier, wie an vielen anderen Stellen der Altstadt, hat bereits der Historismus deutliche Breschen in den Bestand geschlagen. Ich empfehle allen, die das echte alte Frankfurt kennenlernen wollen, den Mylius-Fotoband. Denn Mylius hat viele der Veränderungen durch Abriß, die schon 1866 ff stattfanden, dokumentiert. Neben der Stadtwaage z.B. das alte Schlachthaus, die Zeughäuser auf der Konsti und im Rahmhof - da steht heute die Börse - das Cronstetten- und das Senckenberg-Stift, die Johanniterkirche an der Fahrgasse, die Häuser, die den Straßendurchbrüchen von Großer Eschenheimer, Neuer Zeil und Kaiserstraße oder schlicht der modernen Zeit im Weg waren. Eigentlich wurde das bauliche Erbe der Reichsstadt Frankfurt bereits in der preußischen Epoche stark gefleddert und vieles durch Neubauten in 'Stil' ersetzt. Der Bürgersaalbau des Römers, den man beim Heidelberger Schloß abgekupfert hat, ist ein schönes Beispiel dieser Überformung. Eine Wiederherstellung des Zustands vor 1944 würde uns die stadtgeschichtlich bedeutsamen Bauten nur zu einem Bruchteil zurückbringen. Denn sie waren zu dem Zeitpunkt längst verschwunden, wie z.B. der Pallas des Saalhofs, den man schon im Barock durch den Bernusbau ersetzte. Er existiert nur noch als Strichzeichnung auf dem Merianstich. Ähnlich, erhaltene Bauten findet man heute noch in Seligenstadt ebenfalls an der Mainfront oder Bad Wipfen. Wo will man also anfangen?

  • Ich habe nicht behauptet, dass die Situation vor 1944, eine seit dem Mittelalter unveränderte Stadt zeigt. Vermutlich stand vor der Stadtwaage schon ein anderes Haus an dieser Stelle und der Dom hat sich auch mehrfach gehäutet.


    Allerdings bedauere ich die Veränderungen bis 1944 nicht.


    Das obige Bild zeigt eine gewachsene Stadt ohne nennswerte Bausünden. Moderne Häuser wie das Haus am Dom oder Liebfrauenstraße 3 fügen sich gut ein. Selbst die Brachialdurchbrüche wie die Braubachstrasse hat der Stadt wenig geschadet.


    Gerade die Gründerzeitbauten sind doch heute von allen verfügbaren Häsuern die begehrtesten. Auch Haussmann hat in Paris große Teile der Altstadt abgerissen. Heute gilt das Haussmannsche Paris als eine der schönsten Städte der Welt.


    Gerade in der Gründerzeit war viel Geld zum Bauen vorhanden, anders als in der Nachkriegszeit. Sicherlich hätte man das alte Schlachthaus erhalten können, aber für welchen Zweck?


    Die Bebauung vor 1944 ist zumindest meiner Meinung nach nicht nur schön anzusehen sondern auch gut nutzbar. Die meisten Häuser haben schon großstädtische Dimensionen wie man am Dom Roemer Projekt sieht. Lediglich Teile der mittelalterlichen Altstadt wären heute schwer zu nutzen.

  • Die "Hundehütte" (M30) ließe sich mit Giebelfenster und Giebelverschieferung vielleicht noch ansatzweise retten, aber M32 ist unfassbar hässlich. Man müsste dieses Gebäude tatsächlich demonstrativ nach seinem Architekten benennen, damit wirklich JEDER weiß, wer es verzapft hat und die Möglichkeit hat, dieses Architekturbüro zu meiden. Es ist eh schon eine banale unpassende Scheusslichkeit, aber nach jedem Regenguss (aktuell wieder per Webcam sichtbar) sieht die Fassade wie dringend sanierungsbefürftig.

  • Moin,


    Ich verfolge nun dieses Projekt hier für ein paar Wochen und muss sagen das ich es zum Großteil sehr gut finde. Allein der Ansatz ist super, sowas vermisse ich in Hamburg. Einzig und alleine muss ich teilweise die nicht nach historischem Vorbild gebauten Gebäude kritisieren. Manchen sind wirklich schön, interessant und gut gelungen, andere sehen aber wiederum einfach wie Fremdkörper aus. Wenn ich es richtig um Kopf habe soll es darum gehen ein Disney-Land Gefühl zu vermeiden... Doch genau dieses kommt auf, bei der Betrachtung mancher Bauten und ich denke auch, dass viele Besucher über manche Bauten verwundert sein werden. Wie auch immer, letztendlich kann ich Frankfurt für dieses Projekt nur gratulieren!
    LG

  • So ähnlich geht es mir auch. Je mehr ich über Architektur und Stadtentwicklung lerne, desto besser gefällt mir das DomRömer-Projekt. So sollten Städte gebaut werden. Keine unmenschlichen Blöcke wie in der Europacity (Frankfurt), sondern eine dichte Bebauung mit menschengerechten Größenverhältnissen.


    Das Level an architektonischen Details ist bemerkenswert. Die Rekonstruktionen gefallen mir alle sehr geht. Von den Neubauten Markt 14 und 38 bin ich positiv überrascht. Weniger gefallen mir die Gebäude Markt 30-34. Aber das sind keine großen Kritikpunkte. Im Vergleich zum typischen Neubauprojekt ist das DomRömer-Areal eine meilenweite Verbesserung.


    Projekte wie das DomRömer-Projekt, das Gründungsviertel in Lübeck und der Neumarkt in Dresden, sollten Vorbildprojekte für die Stadtentwicklung der Zukunft sein. Dafür müssen die Kosten natürlich geringer ausfallen. Dies würde die Städte deutlich lebenswerter und schöner machen.

  • Nur um die 50, meist kleinere Wohnungen entstehen dort. Die offiziellen Kosten belaufen sich auf ca. € 200 Millionen. Der Zeitrahmen für die Realisierung beträgt um die 20 Jahre.


    Bei allem Stolz und Freude über das Ergebnis, als Blaupause für die überfällige massive Angebotsausweitung im Wohnungsmarkt taugt das Vorbild daher wenig.


    Selbst die wieder notwendigere kleinteilige Parzellenstruktur ist "unecht", da dort die Komplexität nur von einem Bauträger und über Teileigentum beherrscht werden kann. Echte Teilhabe war hier für die künftigen Bewohner kaum/ nicht möglich.


    Aber genau dies wäre wünschenswert in den auszuweisenden Baugebieten, damit die neuen Viertel vielfältiger besiedelt werden als City West und Co.

  • Das Dom Römer-Projekt hat einen wichtigen Teil der kriegszerstörten mittelalterlichen Altstadt wiederhergestellt. Weitere Teile der ehemaligen Frankfurter Altstadt ähnlich zu rekonstruieren wäre wünschenswert. Zumal das realistischerweise übrig gebliebene Gebiet innerhalb der Wallanlagen überschaubar ist. Zu nennen wäre die Mainunferbebauung aus den 1950er Jahren und das Dreieck Mainkai - Schumacherstrasse - Dom.


    Nördlich der Berliner Straße sind vielleicht einzelne Teilrekonstruktionen möglich. Beispiele sind ja Alte Oper, Thurn und Taxis Palais und Goethehaus, aber keine flächdeckende Umgestaltung.


    Das Europaviertel war nie mittelalterliches Viertel. Es ist ein reines Neubaugebiet. Die Frischluftschneise gab die breite Allee dort vor.


    Allerdings hat bereits Herr Speer Jr. angemerkt (oder war es Mäckler), dass sich die Planung für Neubaugebiete, wie Riedberg oder Europaviertel besser zukünftig an die gründerzeitlichen Strassen und Platzvorgaben Frankfurts (Westend, Nordend, Sachsenhausen) orientieren sollten, da diese hier die besten Voraussetzungen für eine lebenswerte Stadt bieten würden.

  • Gratulation den Frankfurtern zu diesem schönen, neuen Stadtteil. Nicht alles gefällt mir, was neu gebaut wurde. Selbst wenn man mehr Rekos hätte machen wollen, es hätte ja einen Aufschrei gegeben in der Architektenwelt, man hätte Disneyland noch lauter geschrieen als es jetzt schon getan wird. Alles in allem ist aber ein echtes Ensemble entstanden, das Identifikation stiften wird mit der Stadt. Bauten, die sich nicht bewähren, werden dann in 20 Jahren umgebaut. Da werden hoffentlich Verbesserungen erzielt.
    Ich selber würde gerne an einem solchen Ort wohnen. Hier gibt es Atmosphäre und ich kann mir vorstellen, dass hier eine gute Nachbarschaft entstehen wird. Leider wird viel zu wenig in dieser Art gebaut. Hier stelle ich mir vor, dass man sich zu Hause fühlen kann. Freue mich, das Ganze mal im Original ansehen zu können !

  • Der Gesellschaftsvertrag der DomRömer GmbH soll dahin geändert werden, dass die Vermietung und Verwaltung der Gewerbeflächen zur satzungsgemäßen Aufgabe wird.


    Hintergrund ist der Verbleib von Gewerbeflächen im Eigentum der Gesellschaft, um die Vermietung im Hinblick auf ein ganzheitliches Quartierskonzept zu gewährleisten. Im Nachtrag Nr. 2 vom 06.03.2017 zum Projektentwicklungs- und Totalübernehmervertrag vom 23. / 30. November 2010 und zum Nachtrag Nr. 1 vom 7., 18. und 20. Dezember 2012 heißt es in der Präambel, dass die Dom Römer GmbH voraussichtlich die im Rahmen der Neubebauung zu erstellenden, jeweils im Erdgeschoss befindlichen Gewerbeflächen, mit Ausnahme der Gewerbeflächen in den optionalen Rekonstruktionen, nicht veräußern und zunächst nach Maßgabe eines noch zu erstellenden Vermietungskonzeptes auf die Dauer von 10 Jahren vermieten wird. Erst danach sollen die Gewerbeflächen am Markt veräußert werden. Die Stadt Frankfurt am Main wird als Alleingesellschafterin den Gesellschaftszweck im Gesellschaftsvertrag der Dom Römer GmbH entsprechend erweitern. Im Nachtrag Nr. 2 ist zudem der Vollständigkeit halber festgehalten, dass Flächen, die darüber hinaus nicht veräußert werden, zum Zwecke der Vermietung und Verwaltung bei der Dom Römer GmbH verbleiben sollen bis zum Übergang von Besitz, Nutzen und Lasten auf einen künftigen Erwerber.


    Q

  • Luzerner


    Theoretisch ist es sicher toll dort zu wohnen. Aber man muss bedenken, dass das DomRömer-Quartier wahrscheinlich sehr touristisch geprägt sein wird. Wären aber "ganz normale" Stadtteile in der Weise wie das DomRömer-Quartier gebaut, wären das sicher sehr lebenswerte Orte, da gebe ich dir Recht.


    Die Dimensionen sind einfach deutlich besser dem Menschen angepasst. Zum Beispiel bei den Innenhöfen. Auch bei vielen modernen Bauprojekten gibt es Innenhöfe. Die sind aber so groß, dass man dort teilweise hunderte verschiedene Nachbarn treffen kann. Die Innenhöfe beim DR-Quartier sind dagegen nur so groß, dass man dort wahrscheinlich alle Nachbarn kennt.

  • Ich war gestern auf meinem wöchentlichen Dom-Römer-Rundgang.


    Meiner Meinung nach war es ein großer Fehler bei der der nördlichen Häuserzeile (Markt) des Krönungswegs nicht auf die alten Fassaden zurückzugreifen.


    Es ist tatsächlich so, dass die Neubauten wie schlechte Freizeitparkkopien einer mittelalterlichen Stadt aussehen.


    Das Ergebnis der Neubauten ist verheerend schlecht geworden.


    Die Fassaden sind zu unruhig. Assymetrie funktioniert hier überhaupt nicht.


    Die Häuser Markt 32-40 hätte man zumindest an den alten Fassaden ausrichten müssen, besser noch die Fassaden rekonstruieren.


    Markt 40 und Markt 30 sind die einzigen Häuser, die einigermaßen gelungen sind.


    Sowohl bei der Alten Oper als auch beim Steinernen Haus stehen auch nur noch die Fassaden. Man hätte den Architekten mit ihrem Neubau-Diktat nicht folgen dürfen.


    Dagegen ist die Braubachstraße ohne Rekos sehr gut gelungen.


    Ich denke die Häuser der Braubachstraße können als Vorlage für weitere Anti-Bauhaus-Geschäftshäuser in deutschen Städten dienen.


    Ich würde mir wünschen, daß bei zukünftigen Projekten die richtigen Lehren gezogen werden.

  • ^ Gut, dass die Welt nun Dein sehr persönliches Urteil zum Dom-Römer-Projekt kennt, auch wenn offen bleiben muss, wer nun genau mit "den Architekten" gemeint ist, und um welches "Neubau-Diktat" es geht, und wer diesem Diktat eigentlich gefolgt ist ("man"?). Möglicherweise lohnt sich zur Klärung dieser Punkte ein Blick zurück in die Konzeptions- und Planungsphasen.

  • Umwerfend! Bin schwer begeistert.
    Aja an die Disney Land Rufer, sanierte Fachwerkhäuser insbesondere in Franken die 700 Jahre und mehr auf der Pappe haben sehen genauso aus nachdem die Bautrupps jene verlassen haben.

  • ^ Ich finde es auch toll. Gerade diejenigen, die meinten, es sei alles zu teuer, und man soll das lassen. Im Nachhinein werden es fast ausnahmslos alle toll finden und als Bereicherung der Stadt. Auch wenn es nicht die Dimensionen der Elbphilharmonie in HH hat, auch dort hat man das Projekt ja nur gehasst als es gebaut wurde, und inzwischen sind die Hamburger entzückt vom Bau.

  • ^


    Wenn Zeit und Spiegel die die größten Kritiker bei der "Elphi" darstellten, in das absolute Schwärmen gerieten als sie fertigstellt war muss irgendwas richtig gemacht worden sein. ^^


    Ähnliches wird natürlich auch hier in Frankfurt ablaufen.