Der Altstadt-Salon

  • @ Wahnfried
    Die Ostzeile ist ein schlüssiges Ensemble. Die 50er Bauten am Römer selbst hingegen stören nicht. Und gerade sie haben einen hohen ästhetischen, wie auch kulturellen Wert. Weitaus mehr, als die 50er Gebäude an der Nordseite.
    (Wie man das gegen eine Reko des Salzhauses aufwiegt, soll jetzt nicht erneut angeschnitten werden)


    Es gibt vielfältige Beispiele, wie moderne Elemente mit historischen harmonieren können. Das Risiko bei modernen Gebäuden etwas zu verschlechtern mag natürlich ein größeres sein, wenn es eine funktionierende historische Alternative gibt.
    Dennoch war nicht jedes Haus in der Altstadt wie das Salzhaus. Die meisten Gebäude bedienten sich nicht einmal eines Sichtfachwerks. Die vielbeschworene "Ensemblewirkung" sehe ich nur in Fassadentypus, städtebaulicher Situation und Kleinteiligkeit. Die Architektur selbst ist von fragwürdiger Qualität. In vielen Stellen wären auch moderne Gebäude denkbar.
    Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass sich so ziemlich jedes Gebäude, welches die kleinteiligkeit in Parzellengröße und Fassade bewahrt dort einfügen kann, mit der kleinen Ausnahme reiner Metall/Glas Fassaden oder ausschließlich liegenden Fensterformaten.


    Edit: Mit dem gesagten hier wiederhole ich mich bestimmt. Im Endeffekt wurden wirklich schon fast alle Argumente gebracht. Ich möchte auch jedem seine Meinung lassen. Ich kenne auch viele Menschen die sich über Rekonstruktionen ausschließlich freuen.
    Was micht eben immer wieder antreibt hier zu schreiben ist teilweise der pauschlae Ruf nach Rekonstruktionen bei geichzeitigem polemischen diskreditieren der Moderne. Ich möchte da eben an einen gewissen Respekt vor der Geschichte appelieren. Dazu noch mal ein Beispiel:


    Im östlichen und südlichen Teil der Altstadt stehen ja fast auschließlich diese 50er Jahre Mietshäuser. Im bekannten "Frankfurt ist Bielefeld am Main" Städteveriss auch mit den "Hundeklovorgärten" erwähnt.
    Diese Struktur ist heute nicht mehr Zeitgemäß (und hier könnte mit einem Bruchteil des Geldes, was jetzt auf dem TR Areal investiert wird, wohl ein wesentlich großflächigerer Nutzen für die Stadt erzielt werden. ;) )
    Jedoch hat auch diese Struktur eine Geschichte. Das städtebauliche Ideal dieser aufgelockerten Stadt wurde nicht nur vom CIAM propagiert sondern entwickelte sich bereits im 3. Reich als Antwort auf den Bombenterror. So sollte es Feuersbrünsten schwer gemacht werden von einem Gebäude auf das nächste überzugreifen. Die Struktur lehnt also nicht nur eine historisch-politische Interretation von Architektur ab, welche fälschlicherweise historiserende Strömungen in Bezug zum Driten Reich setzt ( "Nazi Argument", leider von einigen Reko-Gegnern in der Öffentlichkeit immer wieder verwednet, obwohl eben die Nazis eigentlich antiurban eingestellt waren), sondern hat auch eine funktionale Begründung, welche den unmittelbaren Erfahrungen der Erbauer selbst entspricht. Mit dem Aufkommen der Atomwaffen ist nun diese Begründung obsolet geworden.
    Ich würde hier nicht für Denkmalschutz plädieren. Aber ich erkenne diese Architektur für ihre Zeit respektvoll an. Und die Tatsache der Kurzlebigkeit ist hier kein Negativargument gegen die Moderne sondern eben historisch begründetes, nicht anders mögliches Ergebnis.

    5 Mal editiert, zuletzt von mik ()

  • ^Pauschal sagen kann man im Prinzip gar nichts. In der Regel wirkt ein Neubau in einer ansonsten historischen Bebauung als störend, oder zumindest als Einbuse. Wenn wir beim Beispiel Kaiserstraße bleiben wüßte ich jetzt kein Nachkriegsgebäude das den Nachbarbau aus der Gründerzeit an Anmut übertrifft.
    Ein eher gelungenes Beispiel ist der Fürstenhof von Schneider.


    http://www.immo-news.net/photo/982949-1226923.jpg


    Wobei aber auch hier gesagt werden muß, dass der orginalgetreue linke Flügel wesentlich mehr Augenfutter liefert als der einfachere "moderne" Flügel.


    Auch wenn es off topic ist, würde ich schon auch behaupten, das es den linken Hausbesetzer wohl weniger um die historische Bebauung im Westend ging, sondern eher als Widerstand gegen "reiche" Investoren.
    Allerdings waren damals nicht nur die Sponti Szene Teil des Widerstands sondern auch die Einwohner der Westends und viele andere Gruppen.
    Das könnte man schon als Abstimmung der Bevölkerung gegen den Abriss von historisch /ästhetisch wertvollen Gebäuden werten.

  • Na, dann hoffen wir mal, dass der Mustergrüne nicht zurückkommt und nun Nachkriegsbunker besetzt ;) Spass beiseite: ich finde, man sollte hier im Forum von pauschaler Parteienkritik Abstand nehmen; egal ob positiv oder negativ.


    Zurück zum Thema: ich denke, wenn sich die "Füllbauten" zwischen den Rekonstruktionen diesen unterordnen und mit ihnen harmonieren, so kann man damit sicher auch gut leben. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass es keine nicht-Rekonstruktionen gibt, die auch gut mit den Rekos harmonieren.


    Wichtig wäre, dass es ein "Primat der Rekos" gibt: an Problemstellen muss sich der Lückenschluss an den Rekonstruktionen orientieren, auch wenn dann der Übergang zu angrenzenden modernen Bauten nicht ganz stimmig ist. Denn eins steht fast sicher fest: die Rekos werden länger stehen bleiben als der bereits vorhandene moderne Nachkriegsbestand.

    2 Mal editiert, zuletzt von Ffm486 ()

  • Sorry für den Doppelpost aber der erste Posts bezog sich auf Schmittchens Einwurf. Dieser Bezieht sich nun auf den Beitrag von Mik.


    Sicherlich sollte es kein Problem sein in der Altstadt auch moderne Gebäude zu errichten wenn sie sich in die Kubatur und Materialwahl einfügen. Jedoch ist die Gefahr doch sehr groß dass dabei etwas herauskommt was am Ende des Tages störend wirkt. Siehe als Beispiel der Neumarkt in Dresden, dort stechen die modern gehaltenen Fassaden auch unpassend und störend heraus.
    Was nun die Bebauung der Häuser am Mainufer angeht, da stimme ich zu. Hier wäre vermutlich mit wenig Geld viel zu verbessern. Wobei man sich auch da bitte an die historisch klassizistische weise Fassadengestalltung halten sollte. Solche Solitäre ala Westhafen und Deutschernufer würden da nicht passen.

  • Mich würde mal interessieren, wieso man die Ostzeile, die ja durchaus als Musterbeispiel für das dienen kann, was man nun in größerem Maßstab beabsichtigt, eigentlich als harmonisches Ensemble wahrnimmt, obwohl sie eigentlich ein wildes Architektursammelsurium ist?


    Zunächst mal ein Gesamtblick (August 2009, nach dem Abschluss der Renovierung des Kleinen Dachsberg / Schlüssel):



    (Klicken zum Vergrößern)


    Von links nach rechts:


    • Großer und Kleiner Engel (1562),
    • Goldener Greif (im Kern 1562, Umbau im 18. Jahrhundert),
    • Wilder Mann (klassizistischer Neubau um 1800),
    • Kleiner Dachsberg / Schlüssel (ursprünglich zwei Häuser, im Kern wohl noch vor 1500, vermutlich um 1541 vereinigt, Umbau der linken Hälfte im 18. Jahrhundert),
    • Großer Laubenberg (im Kern wohl um 1450, Umbau im 18. Jahrhundert),
    • Kleiner Laubenberg (1541, wohl im 17. Jahrhundert verändert).


    Wir haben hier insgesamt vier gotische Häuser, wenngleich auch für Frankfurt relativ untypisch später stark verändert, da die Krönungsfeierlichkeiten, die ab 1561 auf dem Römerberg stattfanden, das Bedürfnis erhöhten, Fenster zwecks Vermietung von Aussichtsplätzen in die Gebäude zu brechen. Dann ein barockisiertes Haus, dessen riesiges Zwerchaus trotz traufständigem Dach noch giebelständig wirkt (ganz typisch für die Frankfurter Barockarchitektur!) sowie einen klassizistischen Kasten.


    Letzterer mal im Detail (Oktober 2009):



    (Klicken zum Vergrößern)


    Eigentlich passt hier gar nichts - die klassizistischen Fenster sind größer als alles, was man sonst in der Gruppe findet, das Raster über drei Stockwerke verteilt und im Gegensatz zu Barock und Gotik völlig regelmäßig, eine Überkragung sucht man vergebens und das Dach ist geradezu schamlos auf eine Wohnnutzung ausgerichtet. Trotzdem empfindet man das Gebäude nicht als "Bausünde" - wieso? Sind es die ortsbezogenen Materialien oder schlicht nur die Tatsache, dass es nur eines von sechsen ist und darin untergeht? Oder doch etwas ganz anderes?


    Die Antwort auf diese Frage ist meines Erachtens essentiell dafür, wie mit der Gestaltung der Füllbauten in der "neuen Altstadt" umgegangen werden sollte.

    Einmal editiert, zuletzt von RMA () aus folgendem Grund: Liste gefixt, Typo

  • Ich wuerde sagen die Kleinteiligkeit duerfte einer der Gruende sein. Es gibt keine grossen "leere" Flaechen. Selbst die Fenster haben ein Fensterkreuz.

  • Danke RMA für diese Analyse, den sie zeigt ja perfekt die Problematik auf, die auf den zu bebauenden Bereich besteht. Wie können moderne Häuser mit Rekos harmonieren?


    Ich würde mich auch ober eine Komplettreko freuen, bin aber realistisch genug, nicht daran zu glauben. Ganz wichtig ist wohl hier, das bei 'moderne' Bauten darauf geachtet wird, das sie sich einfügen und trotzdem für sich stehen können. Was sind da die wichtigsten Parameter? Wohl die Parzellengröße als auch Geschosshöhe, Fenstergestaltung und Giebelform. Keine Glassfassden, Fensterraster, die typisch für diesen Bereich sind, keine Staffelgeschosse als Abschluss. Das muß erreicht werden. Aber innerhalb dieser Parameter ist es doch wohl möglich, ansprechende Gebäude zu bauen.


    Aber bitte nicht so ein Gehry Gebäude, so sehr ich die auch gut finde. Hier soll so ein kleiner Teil der Alstadt wiederentstehen, das ist meiner Meinung nach kein Platz für Experimente.

  • RMA #67:
    Danke RMA für diesen Beitrag der weiterführt. Es ist wirklich nicht sehr einfach die Gründe für die Ensemble-Wirkung der Frankfurter Altstadt gegenüber Gegnern und Zweiflern zu beschreiben und die entscheidenden Unterschiede gegenüber der Wirkung neuer "Füllbauten" zu definieren, obwohl das immer wieder gemacht wird. Die Antworten sind wie mit Händen greifbar und müssen umfassend formuliert werden. Daneben gibt es allerdings auch noch handfeste praktische Gründe auf "Füllbauten" zu verzichten.
    Solche Beispiele wie hier führen uns näher an die essenziellen Fragen heran. Mit den Erkenntnissen aus diesen Fragen und dann der Einsicht oder Nicht-Einsicht der Entscheider, steht und fällt das ganze Projekt.

    Fizgig #69
    ...realistisch genug, nicht daran zu glauben.
    Was könnten denn die stichhaltigen Gründe sein, die dagegen sprechen? Warum soll es nicht gehen? Oder ist es "nur" die derzeitige Beschlusslage die uns das sagen lässt?


    Postet von RKWF am 07.12.2009 im DAF Strang "Der Altstadt-Salon" direkt hinter #69

  • mik #63 (Wiederholungen können durchaus mal gewollt vorkommen)

    mik hat hier sehr gut einen vermutlich wichtigen Problempunkt, den ich auch schon immer sehe angeschnitten, der wegen seiner Tragweite im Römer unbedingt noch offener, öffentlicher und selbstkritischer zu thematisieren ist:
    ..... Dennoch war nicht jedes Haus in der Altstadt wie das Salzhaus....... Die Architektur selbst ist von fragwürdiger Qualität ....

    Genau das ist eines der wirklichen Kernprobleme in der älteren und neueren Stadtplanung im Bezug auf die Frankfurter-Altstadt. Schon sehr lange ist ersichtlich, dass man diese Thematik im Römer - zumindest unterschwellig - ähnlich sieht und darum auch in den Projekten die Weichen entsprechend stellt. Eine schon historische Fehleinschätzung.

    Die Einsicht, das es mit der Rekonstruktion einiger weniger, vielleicht architektonisch oder altstadttypisch bedeutender Häuser nicht getan ist, fehlt im Römer offenbar vollkommen. Über die Gründe, warum das so ist wird eben noch zu debattieren sein s. o.

    Ohne jetzt Fachmann sein zu wollen, denke ich mal sagen zu dürfen, dass auch einzelne der zur Rekonstruktion vorgesehenen Altstadthäuser, gesamtdeutsch gesehen keine übermäßige herausragende architektonische Rolle spielen, mal abgesehen von dem Faktor der durchaus typischen mittelalterlichen und späteren Frankfurter Architekturelemente.

    Das pittoreske Gesamtensemble, zumindest jetzt als Gesamtensemble auf dem Dom-Römer Areal, in seiner einmaligen, für die Frankfurter Altstadt typischen Art und Vielfalt, mit den Raritäten der eben dann noch sehr schönen, wertvollen alten Häusern erst, gibt dem Projekt seinen wirklichen Sinn. Dies lässt sich eben nur realisieren, wenn alle Häuser zumindest in der äußeren Gestalt originalgetreu aufgebaut werden, aber nicht durch irgendeine Kleinteiligkeit.



    Postet von RKWF am 08.12.2009 im DAF Strang "Der Altstadt-Salon" direkt hinter #70

    3 Mal editiert, zuletzt von RobertKWF ()

  • mik #63 zum zweiten Teil nach Edit:

    Es mag durchaus sein das diese Art 50er Jahre Mietshäuser so betrachtet werden können, sind aber in dieser Form wirklich keine Seltenheit um gerade diese dort in der Altstadt erhalten zu müssen. Die Argumente treffen eben heute hier nicht mehr zu. Wenn diese Bauten und Ensembles funktionieren und sich die Menschen darin wohl fühlen, warum also prinzipiell nicht. Kann Beispiele nennen, wo sich diese Wohnform mittlerweile ganz ordentlich erhalten hat. Die Häuser müssen dann eben auch entsprechend gepflegt und renoviert werden, wenn sie sich denn rechnen. Ich hätte an einem anderen Standort überhaupt nichts dagegen.

    Aber gerade auf diesen genannten Arealen, mit der ganz anderen historischen und wirtschaftlichen Bedeutung sind sie mehr als ein Fremdkörper geworden. Wie man manchmal erkennen kann, denkt die "Stadt" wohl selbst schon seit längerem an eine Neubebauung dieser Areale. Vor einiger Zeit bei einer Sitzung des Dom-Römer Ausschusses im Historischen Museum, hat Arno Lederer Entwürfe an die Wand gepinnt, auf denen seine Vorschläge für die Wohn-Bereiche südlich des Doms gezeigt wurden. Das hat er sicherlich nicht ohne Anstoß aus dem Römer getan. Merkwürdig nur dass man nichts darüber in der Öffentlichkeit vernehmen konnte.


    Postet von RKWF am 08.12.2009 im DAF Strang "Der Altstadt-Salon" direkt hinter #71

  • RobertKWF: Mein Realismus gründet sich auf die bisherigen Aussagen der Stadt, nur eben die 7 Häuser selbst rekonstruieren zu wollen und das es zwar genug Interesse aus der Privatwirtschaft gibt, aber davon bestimmt einige gerne dort bauen wollen, aber nicht sich unbedingt zusehr einschränken wollen, was Bauvorschriften und Ausführung angeht.
    Wenn es gelingt, das die Fassaden dem alten entsprechen, wäre das schon sehr gut. Du hast Recht, die Ensemblewirkung ist hier entscheidet. Aber ich kann mir durchaus auch hier und dort eine modernere Variante vorstellen.


    Zu dem Südlichen Alststadt Bereich: Es ist wirklich Schade, wie sehr dieser Bereich doch wie ein reines Wohnviertel wirkt, das in jeder anderen Ecke der Stadt stehen könnte. Dabei gehört dieser Bereich mit zur Keimzelle der Stadt und das merkt man nun wirklich nicht. Gerade die Fahrgasse, einst die wichtigste Nord-Süd Verbindung in der Stadt wirkt so abgehängt. Da wünsch ich mir schon, das es da neue Entwicklungsmöglichkeiten gäbe. Aber das kann auch nach und nach geschehen.

  • Wie ich mir das Gebiet das aktuell in der Diskussion steht vorstelle hab ich in Beitrag #38 schon ausreichend erläutert. Davon rücke ich auch nicht ab, vor allem nicht von den dringend notwendigen zusätzlichen Rekos (welche Gebäude das wären siehe erwähnten Beitrag). Größeren Gestaltungsspielraum gibts in meinen Augen nur an der Hühnermarkt-Ostseite und beim direkt ans Haus am Dom angrenzenden Grundstück, da dort der jeweilige Vorgängerbau kein Vorbild für die Neubebauung sein kann. Das Erscheinungsbild als Frankfurter Altstadt muss auf jeden Fall wieder hergestellt werden. RMAs Fragestellung kann da schon mal sehr gut als Orientierung dienen. Geht allerdings auch noch nicht weit genug: Man stelle sich nur mal vor, es wäre nicht nur der Wilde Mann sondern der Großteil der Gebäude am Samstagsberg käme in einer ähnlichen eher frankfurt-altstadt-untypischen Gestalt daher - das Erscheinungsbild wäre ein völlig anderes und überhaupt nicht mehr so leicht als Teil ausgerechnet der Frankfurter Altstadt zu identifizieren, und derartiges gilt es auch für den Dom-Römer-Bereich zu verhindern. Von daher sind Merkmale wie ich sie im erwähnten Beitrag schon aufgezählt hab, gerade auf den Parzellen ehemals gotischer Häuser essentiell. Auch wenn das allermeiste Fachwerk verputzt war, hat man der Altstadt doch immer angesehen dass es sich vor allem um Fachwerkgebäude gehandelt hat, und diesen Eindruck gilt es natürlich wiederzuerlangen.


    Für modernere Versionen von Altstadtgebäuden, so wie mik sie sich vorstellt, gibt es auch noch in anderen Ecken der Altstadt mehr als genug Platz. Für die katastrophalen Gebäude an der Berliner Straße und die absolut unurbanen Vorstadt-Zeilenbauten rund um den Dom, östlich des Karmeliterklosters und entlang der Fahrgasse, die in einem Stadtzentrum so einfach nichts verloren haben, sehe ich mittel- bis langfristig nämlich keine andere Alternative als den Abriss.
    Dass der historische Grundriss dann zumindest grob wiederherzustellen ist wenn sich die Gelegenheit dazu bietet, sollte selbstverständlich sein. Rekos würde ich außerhalb des Dom-Römer-Bereichs auf bedeutende Einzelgebäude oder Ensembles beschränken. Das Roseneck, Fürsteneck und das Haus Lichtenstein kämen mir da in den Sinn. Bei einem Abriss der Schirn (und wenn er erst in 50 Jahren stattfindet) auch die Scharnhäuser am Saalgassenplatz, das Fünffingerplätzchen (Pesthaus, Haus zum Hasen, Haus zum Widder und Haus zur wilden Frau), sowie ein paar der Häuser am dann noch unbebauten Teil der Markt-Südseite. Ansonsten angepasste Neubauten, die, wenn sie nicht gerade an Rekos angrenzen, halt durchaus auch etwas moderner ausfallen können. Südlich der Berliner Straße sind dabei aber Kleinteiligkeit und schiefergedeckte Satteldächer Pflicht und allzuharte Kontraste möglichst zu vermeiden.

  • Die Erkenntnis, dass eine Rückkehr zum alten Stadtgrundriss – selbst ohne irgendwelche Reko-Absichten – schon alleine die Aufenthaltsqualität von Innenstädten erheblich aufwerten kann, setzt sich ja langsam glücklicherweise deutschlandweit durch. Wie von Rohne bereits ausgeführt, könnte ich glücklich ins Grab steigen, wenn das zumindest für den Bereich zwischen Römerberg, Braubachstraße und Fahrgasse bis Mitte dieses Jahrhunderts erreicht ist.


    Durch einen Verzicht auf die Wiedererrichtung der ohnehin total bedeutungslosen Hinterhofbebauung, was ja auch schon vor dem Krieg Ziel der meisten behutsameren Sanierungsmaßnahmen war (Handwerkerhöfchen, Kirschgarten), könnten dabei selbst in extrem eng bebauten Gegenden wie dem ehemaligen Fischerviertel (ungefähr zwischen Fahrgasse und dem Leinwandhaus) durchaus Quartiere wiedererstehen, die auch den Anforderungen einer Charta von Athen (Sinn und Unsinn dieser mal dahingestellt) genügen.


    Da eine Totalreko des vorgenannten Gebietes zwar wünschenswert, aber zugegeben völlig illusorisch und vor allem unbezahlbar ist, wäre hier wohl ein Modell wie am Friedrichswerder in Berlin am ehesten denkbar, also moderne Townhouses auf den alten Parzellen in ungefähr der alten Kubatur, wobei man über die Gestaltungsleitlinien noch trefflich streiten könnte (im Gegensatz zu Berlin geht es hier ja nicht um Gründerzeitler, sondern verputzte, meist schlichteste Fachwerkbauten). Dazu noch einige Leitbauten (siehe Liste Rohne), wobei, wie zuvor schon angemerkt, es der als Einzelbauwerk herausragenden Baudenkmäler in Frankfurt ohnehin nur sehr wenige gab.


    Die Bebauung des Technischen Rathaus-Areals kann meines Erachtens nur ein Testlauf für derartige Pläne sein, denn seien wir ehrlich, ob man sich nun als "Traditionalist" oder "Modernist" sieht, die sogenannte gegenwärtige "Altstadt", wie wir sie rund um den Dom sehen, spottet jeder Beschreibung und lässt selbst eine Radilostraße in Rödelheim im Vergleich dazu urban wirken. Von der Außenwirkung noch ganz zu schweigen.

  • RMA #67:
    Mich würde mal interessieren, wieso man die Ostzeile ..... eigentlich als harmonisches Ensemble wahrnimmt, obwohl sie eigentlich ein wildes Architektursammelsurium ist.

    Diese Frage wird einer wie RMA sicher selbst besser beantworten können als ich.
    Eine simple, vielleicht auch laienhafte Antwort könnte z. B. sein, "es sind eben die Originale", hätte ich beinahe gesagt, also "es sind eben die weitestgehend original rekonstruierten Häuser" wie sie über jahrhunderte im räumlich und zeitlich engen Zusammenwirken entstanden sind. Beeinflusst oder eingeengt noch durch die beschränkten technischen Möglichkeiten und die strengen Auflagen (Gestaltungssatzungen) der Stadtoberen sowie das drängende Bedürfnis und Streben nach schmückenden, gefälligen Äußerlichkeiten bis ins Detail um den Nachbarn zu imponieren? Und natürlich der extreme Platzmangel. Man kann beinahe körperlich spüren, wie sich die Häuser gegenseitig bedrängen, um jeden Zentimeter Raum kämpfen und sich nicht vielleicht nur schützend anlehnen um nicht umzufallen.

    In den hunderten von Jahren hat sich dort im Bauwesen ja nur sehr langsam, ohne sehr große Sprünge etwas verändert, wodurch eben diese scheinbar organisch gewachsenen Strukturen entstanden sind, trotz gewisser unterschiedlicher "Baustile".
    Der zeitliche Abstand zu heutigen Baumöglichkeiten ist für diese Ecke einfach zu groß geworden, als dass heutige Architektur mit ihren völlig anderen Grundlagen, mit ihrer von der Moderne beeinflussten Hinwendung zur rationalen Sachlichkeit, hineinpassen könnten.
    Bei den deutlich jüngeren Gründerzeitler-Vierteln sollte das eigentlich weniger gravierend sein, wenn diese nicht noch aufwändiger und umfassender mit plastischen Ornamenten geschmückt worden wären als selbst die Altstadthäuser im Kernbereich.

    Aber nein, das ist noch nicht alles. Wie haben die das früher nur hinbekommen? :headscratch:


    Postet von RKWF am 09.12.2009 im DAF Strang "Der Altstadt-Salon" direkt hinter RMA #75

  • RobertKWF: Erstmal haben "die" damals überhaupt nichts "hinbekommen" - das Ganze ist organisch gewachsen, ein Haus nach dem anderen entstanden, jedes hat zu seiner Zeit einen Vorgänger verdrängt und jedes einzelne wurde zu seiner Zeit ohne Rücksicht auf die Gestaltung der benachbarten Gebäude erbaut. Maß der Gestaltung war der Wunsch des Erbauers nach optimaler Nutzung seiner Parzelle und die sich aus den Materialien und der Bautechnik seiner Zeit ergebenden Restriktionen bezüglich der Größe der einzelnen Bauelemente wie Wandflächen und Fenstergrößen.


    Der Reiz der Fachwerkkonstruktion besteht ja nicht zuletzt darin, dass die grundsätzliche statische Notwendigkeit der Verstrebungen in ihrer regelmäßigen Wiederholung schon ornahmenthaft wirkt, so dass schon sparsam verwendete zusätzliche Schmuckgestaltungen eine sehr dekorative Gestaltung ergeben.
    Auch das ist eine Ausprägung von Form Follows Function.
    Nur - das Interesse an der sichtbaren Präsentation dieser Konstruktion ist ja erst neueren Datums. Diejenigen, die diese Gebäude in ihrer Vorkriegsvariante nutzten, hatten die Gebäude ab dem zweiten Stock verschiefert, oder, wie die "Samenhandlung Kahl" vollständig verputzt und den Giebel verschiefet. Darüberhinaus waren die Gebäude in einem Umfang, den die neue Gestaltungssatzung nicht hergibt, mit Werbung unter den Fensterbänden von zwei oder drei Etagen zugemalt.
    Der hier so gerne eingeforderte "Respekt von der geschichtlichen Bedeutung" dieser Ansicht, ist eine reine Kopfgeburt derer, die ohne in der Verantwortung für Nutzung und Erhalt zu stehen, ihre Träume von einer heilen Welt von Anderen umsetzen lassen wollen.
    Nicht ohne Grund befanden sich die "Altstadtfreunde" immer wieder im Konflikt mit den Eigentümern und Nutzern.


    Die Ostzeile ist ein Stilmix. Er wirkt harmonisch, im Wortsinne, denn Harmonie ist die Zusammenfügung von Gegensätzen zu einem Ganzen. Und für den Nicht-Fachmann sind alle Häuser so alt, dass er die unterschiedlichen Epochen nicht mehr bewusst wahrnimmt.
    Insofern sind die neuen Anforderungen, besonders der geforderte individuelle Charakter jedes einzelnen Hauses innerhalb eines nicht zu engen Rahmens sicherlich ein Ansporn für eine wirklich interessante neue Altstadt.


    Nur muss es eben auch erlaubt sein, mit allen 12 Tönen zu spielen und nicht immer nur C-Dur. Oder meinst Du, wenn der Eine oder Andere aus diesem Forum hätte mitreden dürfen, dass der "klassizistische Kasten" dort jemals gebaut worden wäre - viel zu Modern, nicht angepasste Fenstergröße, Mansarddach zur Vergrößerung des Wohnraums - nein, sowas an dieser Stelle, das darf man nicht bauen.


    Auch ohne die komplette Zerstörung der Altstadt wäre das Bild heute ein anderes als von siebzig Jahren. Vermutlich wäre die ausdünnende Sanierung fortgesetzt worden und sicher hätte man das eine oder andere Haus - wie es auch in den Jahrhunderten zuvor geschehen ist - durch einen Neubau mit den Mitteln und dem Stil der jeweiligen Zeit ersetzt.

  • Erstmal haben "die" damals überhaupt nichts "hinbekommen" - das Ganze ist organisch gewachsen, ein Haus nach dem anderen entstanden, jedes hat zu seiner Zeit einen Vorgänger verdrängt und jedes einzelne wurde zu seiner Zeit ohne Rücksicht auf die Gestaltung der benachbarten Gebäude erbaut.


    Das ist schonmal falsch, bereits aus dem 15. Jahrhundert sind verbindliche Bauordnungen überliert, seit der gleichen Zeit auch Nachbarschaftstreitigkeiten, die ein gewisses natürliches Regulativ aus dem Kreise der Bürgerschaft heraus belegen. Das bekannteste Beispiel ist ja die Goldene Waage, die eigentlich ein Stockwerk höher werden sollte, aufgrund der Proteste der Nachbarn jedoch dann so errichtet wurde, wie sie bis 1944 stand (und somit die übrigen Häuser nicht überragte).


    Nur - das Interesse an der sichtbaren Präsentation dieser Konstruktion ist ja erst neueren Datums. Diejenigen, die diese Gebäude in ihrer Vorkriegsvariante nutzten, hatten die Gebäude ab dem zweiten Stock verschiefert, oder, wie die "Samenhandlung Kahl" vollständig verputzt und den Giebel verschiefet. Darüberhinaus waren die Gebäude in einem Umfang, den die neue Gestaltungssatzung nicht hergibt, mit Werbung unter den Fensterbänden von zwei oder drei Etagen zugemalt.


    Auch dies ist falsch herum aufgezäumt – das Interesse, die Fachwerkkonstruktion zu verbergen, währte für einen kurzen Zeitraum, etwa 1725 bis 1850. Danach kam es zunehmend zu Fachwerkfreilegungen (auch schon im Kaiserreich). Alleine die Tatsache, dass man auf zahlreiche verputzte Fachwerkbauten idealisierende historistische Fachwerke aufmalte, belegt das schon. Man hatte im Kaiserreich (im Gegensatz zu den 1930ern) nur noch nicht die Kenntnisse über die Entwicklung des Fachwerks in Deutschland, um einen unter dem Verputz oder Schiefer meist durch größere Fenster verstümmelten Fachwerkbau denkmalgerecht wiederherzustellen. Dass die Zahl der Freilegungen auch in den 1930ern (und erst recht davor) so niedrig war, lag auch schlicht daran, dass die Hausbesitzer selber der Freilegung zustimmen mussten, und dafür aufgrund der geringen Kaufkraft in der Altstadt das Geld dafür nicht vorhanden war. Bei einer Enteignung durch die NS-Stadtregierung hätte das freilich ganz anders ausgesehen, darauf wurde jedoch verzichtet (das hat man dann in den 1950ern für die Trümmergrundstücke nachgeholt).


    Nur muss es eben auch erlaubt sein, mit allen 12 Tönen zu spielen und nicht immer nur C-Dur. Oder meinst Du, wenn der Eine oder Andere aus diesem Forum hätte mitreden dürfen, dass der "klassizistische Kasten" dort jemals gebaut worden wäre - viel zu Modern, nicht angepasste Fenstergröße, Mansarddach zur Vergrößerung des Wohnraums - nein, sowas an dieser Stelle, das darf man nicht bauen.


    Der klassizistische Kasten wurde nach städtischer Verordnung gebaut. Das Baustatut von Johann Georg Christian Hess legte 1809 den Klassizismus als verbindlichen Baustil fest und regelte dies bis ins kleinste Detail. Wohl weniger die Bürger denn die Architekten wären heute über derartige Bauvorschriften schlichtweg empört. Nichtsdestotrotz brachte der Klassiszismus in Frankfurt innerhalb dieses engen Korsetts herausragende Leistungen hervor.


    Auch ohne die komplette Zerstörung der Altstadt wäre das Bild heute ein anderes als von siebzig Jahren. Vermutlich wäre die ausdünnende Sanierung fortgesetzt worden und sicher hätte man das eine oder andere Haus - wie es auch in den Jahrhunderten zuvor geschehen ist - durch einen Neubau mit den Mitteln und dem Stil der jeweiligen Zeit ersetzt.


    Auch das habe ich sogar dir persönlich schonmal widerlegt, aber du willst es, warum auch immer, offenbar weiter in den Raum stellen – selbst unter den abbruchsanierenden Nazis war der Bereich, über den wir reden, unter Ensembleschutz gestellt worden. Abbrüche zwischen Neuer Kräme, Schnur- und Fahrgasse und Main gab es nicht und hätte es auch nicht gegeben.

    2 Mal editiert, zuletzt von RMA () aus folgendem Grund: Rechtschreibung

  • Danke auch, RMA, für deine Fragestellung in Beitrag # 67. Diese Frage ist außerordentlich wichtig, auch, aber nicht nur für unsere Problematik beim (Teil-) Wiederaufbau des Dom-Römer-Bereichs. Wenn man aus dieser Fragestellung die richtige Antwort zieht, kann man eigentlich bei jedwedem Bauen in historischer Umgebung ein vernünftiges Ergebnis erzielen – sei es jetzt in einer gotischen (Fachwerk-) Altstadt oder in einem Gründerzeitviertel.


    Für mich sind folgende Gründe dafür entscheidend, dass sich auch ein „klassizistischer Kasten“ in die gotische Umgebung einfügt:



    • Die Architektur muss sich dem Städtebau unterordnen! D. h., wichtig ist beim Bau eines Gebäudes, dass man den öffentlichen Raum im Blick behält, ihn optisch begrenzt und ihm auf diese Weise Halt und Behaglichkeit bietet. Konkret bedeutet das vor allem, dass die Baulinie, die von der Nachbarbebauung vorgegeben wird, eingehalten und fortgeschrieben wird. Auch die Höhe und Breite des Gebäudes sollte sich an der Nachbarbebauung orientieren. Kleine Unterschiede wirken hier zwar belebend, doch sollte die Maßstäblichkeit nicht gesprengt werden.



    • Ein ganz wesentliches Merkmal jedes Gebäudes bis in die 1920er Jahre hinein war ein Dach, das diesen Namen verdient (auch, wenn der Klassizismus, wenn er die antike Grundform des Tempels zitierte, hier manchmal etwas zurückhaltender war). Man sollte dabei vor allem bedenken, welche Gestaltungsmöglichkeiten ein Dach bietet – angefangen von der Firstrichtung über die Grundform (Mansard-, Sattel-, Zeltdach etc.) bis hin zu "Anbauten" wie Gauben und Zwerchhäusern.



    • Für die Fassade sollten nur „natürliche“ Materialien verwendet werden, was in erster Linie bedeutet, dass ausnahmslos bzw. überwiegend Materialien mit einer matten Oberfläche zu nutzen sind wie Putz, Sandstein, Holz, Schiefer und Ziegel etc. Tödlich sind meiner Meinung nach „unnatürliche“ Materialien wie Metall- oder Kunststoffverkleidungen, geschliffener Granit, Sichtbeton etc. Bei Verwendung von Glas sollte man beachten, dass es nicht zu dominierend wird und es nicht zu großflächig eingesetzt, sondern ggf. unterbrochen werden sollte.



    • Das bestimmende Element sollte, gerade in einer kleinteiligeren Bebauung, die Vertikale sein. Dies vielleicht deswegen, weil ein Betrachter i. d. R. steht und nicht liegt. Die vertikale Ausrichtung erreicht man vor allem durch stehende Fensterformate. Eine horizontale Richtung, wie sie eine langgestreckte Gebäudeform, horizontale Gesimse u. dgl., liegende Fensterformate und vor allem Fensterbänder bewirken, sollte unbedingt vermieden werden.



    • Sind die vorgenannten Punkte eingehalten, kommt es „nur noch“ auf gestalterische Phantasie und einen Sinn für Proportionen an. Dem Auge sollte etwas geboten werden - sei es durch ein originelles Detail, eine interessante Farbgebung oder auch durch Ornamente - ohne das es kitschig wirkt. Die Erkenntnis, dass man gerade durch Farbe doch viel bewirken kann, scheint sich ja mittlerweile auch in Deutschland, in dem man jahrzehntelang nur das langweilige Weiß kannte, durchzusetzen.


    Die uns bekannte geplante Satzung für den Dom-Römer-Bereich enthält eigentlich alle oben angesprochenen Elemente, weshalb man eigentlich ganz guten Mutes sein sollte.

  • ^
    Nun denn, wenn nach der kurzen Zeit des Verputzens und der Veschieferung von nur 125 Jahren die lange Zeit von 94 Jahren nicht ausreichte, den Eigentümern der Ostzeile bewusst zu machen, dass man ihre Häuser doch freilegen muss, weil das besser aussieht, dann darf ich wohl auch noch ein wenig brauchen.


    Ich finde es halt immer wieder irritierend, wenn einerseits der Vorkriegszustand als Maßstab genommen und Ensembleschutz proklamiert wird und andererseits jedes einzelne Gebäude eben nicht in der Form präsentiert wird, wie es sich nach seiner Nutzung tatsächlich darstellte sondern poliert, lackiert und mit Zuckerguss überzogen.


    Klassisches Beispiel ist der Römer selbst - der historisch korrekte Zustand wäre eben ohne den Balkon und den damals gleichzeitig angebrachten Zierrat.


    Im Übrigen hat man noch in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts Fachwerkhäuser auf dem Land mit Asbestzementplatten vernagelt und selbst in Fachwerkmusterstädten wie z.B. Seligenstadt wurden Häuser mit Baujahr um 1300 erst vor ca. 15 Jahren freigelegt - Originale allerdings.


    Mit ausdünnender Sanierung meine ich in diesem Bereich (inzwischen) wirklich nur Anbauten und zugestellte Innenhöfe - allerdings würde es mich wirklich interessieren, was wohl in den Siebzigern passiert wäre, wenn die Bewohner einer noch existierenden Altstadt den Wunsch nach Küchen, Toiletten und Bädern in ihren Wohnungen bekommen hätten, was außerhalb ja allmählich zum Standard wurde.


    Die Lösungen, die sich in anderen Städten dafür gefunden haben (meistens Anbauten auf früheren Hofflächen, die die Ansicht nicht oder wenig beeinträchtigen) wären in der zugebauten Frankfurter Altstadt ja nicht möglich gewesen.


    Zusammenlegung mehrerer Gebäude um den Mehrbedarf an Fläche je Wohneinheit zusammenzubekommen wäre mit den unterschiedlichen Stockwerksebenen ja auch nicht gegangen.


    Wie wurde das in den Häusern der Ostzeile gelöst? Da sind ja auch Wohnungen drin - hat jemand Vergleiche der Grundrisse Vorkriegszustand und heutige Nutzung?

  • Sehr interessante Debatte. Ich finde nur, dass "historisch" ein sehr dehnbarer Begriff ist. Persönlich verwende ich ihn ja ganz gerne für Gebäude älter als 30 Jahre und Originalsubstanz. Andere eher für alles, was irgendwie alt aussieht. Es ist deshalb ziemlich müßig, miteinender zu debattieren, wenn man ganz andere Auffassungen der Bedeutungen verschiedener Begrifflichkeiten hat.


    Sicherlich ist klar, dass die Altstadt, die hier gebaut wird in keinster Weise irgendwas mit "historisch" in einem eng interpretierten Sinn zu tun haben wird. Es geht viel mehr um die Ereiterung eines, in seiner Funktion äußerst modernen Postkartenmotivs, um eben die Heimeligkeit, welche die Ostzeile Frankfurtern und Touristen verspricht, auch in ein paar Straßenzügen erlebbar zu machen.
    Dieses Phänomen ist definitiv eines des 20. und 21. Jahrhunderts. In seiner Form Zeitgeschichte live.
    Und auch wenn dieser Post polemisch wirken mag, ironisch ist es nicht gemeint.
    Das Problem ist eben nur, dass den Rekobefürwortern ein wichtiges Argument verloren geht, wenn man mal klarstellt was denn eigentlich historisch "heißt".



    Mal allgemein zu der ganzen Diskussion:


    Die Debatte sollte nicht um die ideale Form geführt werden, sondern um die ideale Funktion für den Ort. Ein "Freileichtmuseum" würde Verschieferung bedeuten und Bauzustand von 1800 vielleicht. Für das Touri- und Identifikationsland langt die Tourilandversion aus den späten 20ern. Für die intellektuelle Hochkultur, die bedeutungsschwangere Ernsthaftigkeit, bedürfte es hingegen äußerst ehrlichen Sichtbetons. Ich plädiere ja eher für den Mix aus allem. Dann ereicht man glaub ich den besten Schnitt durch die Gesellschaft und hat was ehrlich gewachsenes, ausgekämpftes. Wäre nur qualitativ als Städtebau schwierig qualitätsvoll durchzuplanen. Eben die eierlegende Wollmilchsau. Aber meine Meinung ist ja bekannt :D


    Irgendwie müsste man sich erstmal einig sein, was man im "Herzen" der Stadt will, bevor man sich darüber streitet, was die ideale Form dafür ist.

  • mik: Du sprichst mir aus dem Herzen - aber wenn man erst darüber nachdenkt, wie man diese Fläche nutzen will und dann entscheidet, in welcher Form von Bauwerk das geschieht, dann kommt meiner Meinung nach höchstens eine Fassadenrekonstruktion heraus, und dass wollen weder die Reko-Fans noch ich.


    Dieses Stück Stadt hat einen hohen Wert - selbst rein materiell betrachtet. Wenn dort etwas gebaut wird, was kommerziell genutzt wird, dann müssen die Kosten für Herstellung und Unterhaltung erwirtschaftet werden. Das wird mit einer reinen Touristengastronomie plus Wohnungen obendrüber wohl schwer werden.


    Für mit öffentlichen Mitteln gebaute Gebäude ist die Frage nach iher Nutzung noch wichtiger - schließlich wird hier das Geld nicht nur der Befürworter sondern das aller Bürger ausgegeben. Die Annahme, der Reko-Befürworter, sie seien in der Mehrheit, weil jeder, der nicht laut Nein ruft ja zustimme darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass man mit der Frage "Würden Sie jetzt 10€ spenden, um diese Gebäude wieder aufzubauen?" ein völlig anderes Votum bekommen würde. Noch besser die Variante "Wenn sie jetzt nicht Nein sagen müssen sie nächstes Jahr 10€ zahlen".