Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße

  • Update mal von der hinteren Seite.


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    Warum begegnet man hier innerhalb von gut fünf Minuten drei Kampfhunden mit entsprechend martialischer Begleitung?

    Für mich ist die Fischerinsel - ähnlich wie das Memi - ziemlich grenzwertig. Manchmal habe ich den Eindruck hier wird poverty porn zelebriert.


    Andere Städte setzen gerade bei solchen Orten alles daran, um Vorzeigebauten sozialen Wohnungsbaus zu schaffen. Bei der Linken hier in Berlin drängt sich bei mir dagegen der Eindruck auf, man lässt bewusst alles verkommen um ja jedem zu zeigen wie schrecklich alles ist und wie dringend notwendig Enteignungen und Sozialismus sind.

    Eine Sanierung des Memi oder der Fischerinsel scheitern bestimmt nicht am fehlenden Geld.

    Ebenso schafft man bewusst diese sozialen Brennpunkte, wenn Neubauten wie dieser hier - abgesehen davon, dass die Architektur unterirdisch ist - wieder nur als Sozialwohnungen baut. Wie soll eine dabei vernünftige Mischung entstehen? Es ist politisch nicht gewollt, so scheint es mir.


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  • Andere Städte setzen gerade bei solchen Orten alles daran, um Vorzeigebauten sozialen Wohnungsbaus zu schaffen.

    Andere Städte setzen gerade bei solchen Orten alles daran, um prunkvolle Staats- und Prachtbauten zu schaffen.


    In anderen Städten (in anderen Ländern) würde es in solch zentralen Lagen überhaupt keinen sozialen Wohnungsbau geben. Insofern ist deine Aussage wenig überzeugend.

  • Ein wirkliches Armutsghetto ist die Fischerinsel nun auch wirklich nicht. Das Milieu besteht hier zu einem guten Teil aus Familien mit unteren Durchschnittseinkommen, zu einem deutlich größeren Teil jedoch aus betagten Erstbezüglern, die, ganz DDR, dank Doppelbezugsrenten wahrscheinlich auch nicht wirklich am Existenzminimum leben.


    Vergessen darf man auch nicht, dass diese Gebäude eben Vorzeigebauten des Sozialen Wohnungsbaus (wenn auch etwas anders strukturiert) waren. Überdurchschnittliche Ausstattung, umgeben von Nahversorgung, Betreuung, viel Grün - verkehrstechnisch gut angebunden. Was wollte man in den frühen 70'ern mehr?

  • Architekturfan

    Ich glaube nicht dass woanders nur prunkvolle Staats- und Prachtbauten errichtet werden und dafür Sozialbauten abgerissen werden. Das ist auch so eine Mär. Insofern ist deine Aussage wenig überzeugend.


    Friedward

    Und ja die Fischerinsel war eine Vorzeigebau aber bestimmt nicht für den sozialen Wohnungsbau in der DDR sondern für besonders linientreue Kader.

    Dass man nun daraus Opfer gemacht hat, ist auch so eine Geschichte, die in das Narrativ von so manchen gehört. Sei's drum.

    Aber genau weil man hier eben diese Gebäude nun hat, sollte man eben was draus machen und dafür sorgen, dass es ein Erfolgsmodell wird.


    Ganz ehrlich. Also ich fands nicht besonders angenehm dort, jede Menge Obdachlose auf den Bänken, Kampfhunde wie gesagt und ansonsten, recht verwahrlost. Es fühlt sich an wie ein Ghetto.

  • Architekturfan

    Ich glaube nicht dass woanders nur prunkvolle Staats- und Prachtbauten errichtet werden und dafür Sozialbauten abgerissen werden. Das ist auch so eine Mär. Insofern ist deine Aussage wenig überzeugend.

    Theseus532, du solltest einzelnen Wörtern mehr Beachtung schenken. Bitte streiche das Wort "nur" und ersetze es durch die Wörter "bei solchen Orten". Und dann wirst du merken, dass sich die Bedeutung meines zuvor gesagten Satzes ändert.

  • Na wenn du meinst mich über deine Wortklauberei belehren zu müssen, nur zu.

    Das macht deine Aussage allerdings auch nicht richtiger.

  • Ebenso schafft man bewusst diese sozialen Brennpunkte, wenn Neubauten wie dieser hier - abgesehen davon, dass die Architektur unterirdisch ist - wieder nur als Sozialwohnungen baut. Wie soll eine dabei vernünftige Mischung entstehen?

    Sicherlich nicht durch die "unsichtbare Hand", wenn überhaupt, dann durch solche Projekte. Nicht alle, sondern die Hälfte der 210 Wohnungen sind gefördert, es gibt 49 möblierte Wohnungen für 16€ je Quadratmeter, z.T. Concierge-Service. Von der bewussten Schaffung sozialer Brennpunkte kann hier mitnichten die Rede sein. Ich finde es völlig richtig, dass man auch so zentrumsnah noch bemüht ist, der Mieten-getriebenen sozialen Segregation entgegenzuwirken.


    Und ihre Kampfhundanekdote in allen Ehren, aber seit wann ist die Fischerinsel eigentlich ein "sozialer Brennpunkt"? Wäre mir neu. Früher vielleicht? Ich würde wetten, dass mittlerweile auch ein nicht kleiner Teil der Wohntürme nicht mehr von dem Klientel bewohnt wird, welches sie in die Kategorie "poverty porn" einordnen.


    Eine Sanierung des Memi oder der Fischerinsel scheitern bestimmt nicht am fehlenden Geld.

    In erster Linie wohl an der Frage, ob überhaupt Sanierungsbedarf besteht oder? Des Weiteren stünde einer vorgezogenen Kernsanierung der Umstand im Weg, dass die Wohnungen in den Bestandsgebäuden vermutlich restlos vermietet sind, oft mit langjährigen und vergleichsweise günstigen Mietverträgen. Diese Leute rauszuschmeißen, weil sich Architekturfreunde wie Sie und ich an der Ästhetik der Gebäude stören, ist nicht so einfach zu rechtfertigen. Das wäre tatsächlich politisch nicht gewollt.


    Naja... hoffen wir mal, dass man sich in nicht allzu ferner Zukunft zumindest mal um die Fassade des Memi kümmert.

  • Ganz ehrlich. Also ich fands nicht besonders angenehm dort, jede Menge Obdachlose auf den Bänken, Kampfhunde wie gesagt und ansonsten, recht verwahrlost. Es fühlt sich an wie ein Ghetto.

    Und auch hier ... als jemand sich regelmäßig auf der Fischerinsel aufhält, erkenne ich diese in Ihren Beschreibungen nicht wieder, aber Begriffe wie "martialisch", "verwarlost" und "Ghetto" sind eben zu gutem Teil Empfindungssache.

  • Hier ein Blick auf den Petriplatz mit dem Archälogischen Haus.

    Meine Begeisterung hält sich doch sehr in Grenzen. Ausser, dass die große Leere am Petriplatz jetzt etwas verringert wurde, kann ich kaum was positives erkennen.


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    Soweit man das was erkennen kann, wurde wirklich alles getan um sich der unterirdischen Gegenwartsarchitektur an dieser Stelle anzupassen.


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    Der Petriplatz mit Umgebung war / ist sicherlich einer der schwierigsten weil völlig verkorksten Orte in Berlin, die es galt zu wiederherzustellen bzw. weiterzuentwickeln. Das Ergebnis ist für mich trotzdem ziemlich ernüchternd.

    Vor lauter falscher Rücksichtnahme, Anpassung und Mutlosigkeit kommt dann so etwas heraus.

    Vielleicht wird ja das House of One noch ein kleiner Lichtblick.


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  • Dass das hier ne ziemlich verkopfte eher grobmotorische Geschichte wird, konnte man schon den preisgekrönten Entwürfen entnehmen / schon die Glanzleistung des Capri von Ortner war ernüchternd.


    Die Tops der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung boten hier einfach mal personell über Jahre bis Jahrzehnte ne üble Fehlbesetzung.

    Die Entscheidungen die hier zum zukünftigen städtebaulichen Charakterbild auf historischer Scholle getroffen wurden, halte ich für völlig unbrauchbar - Verdichtung die sich durch die Aneinanderreihung von Öffnungsarmen, Grosskubaturen mit geringstmöglichem Detaileinsatz auszeichnet - halte ich für ausgesprochen Reizlos und abwehrend.


    Es gab wirklich bessere Entwürfere für den Petriplatz und ich habe den Verdacht dass besonders das AZ hier zum Schlag in die Magenkuhle ausholt.


    Das House of One hätte noch mit einem anspruchsvollen feingliedrigem Gegenüber eine gänzlich andere Wirkung einnehmen können - das wird mit dem AZ hier nun komplett verdorben - und das Gelände zu einer trostlosen Aussackung.

    Da wärs besser gewesen man hätte gar nichts gebaut und sich mit gläsernem Strassenbelag für die Bodendenkmale begnügt.


    Hier war man sowieso nicht an einer architektonischen Wiederbelebung eines traditionellen Stadtortes interessiert, sondern gefiel sich m.M eher darin den Ort als archäologisches Relikt zu musealisieren und ihn lediglich mit Gegenwartsideen zur Herausstellung von Stadtarchäologischen Artefakten zu überlagern.

    Das house of one wird den eher unwohligen stadträumlichen Eindruck nun also eher noch mal vertiefen und mit den übrigen Neuschöpfungen eine Art Stilblase erkennen lassen deren beste Eigenschaften nicht über den Architekt. Abwehrschirm zur Leipziger Straße und eine installierte öffentliche Relevanz herausreichen.


    Auch wenn das Thema des House of one hier unglaublich progressiv daherkommt und die Architektur nicht uninteressant zu sein scheint - ist der Charakter des Baues eher Trutzig und abweisend und schlägt für mich in die selbe Kerbe wie das archäologische Zentrum - das sind flächig betonte abweisende Gebäudeskulpturen. Das ist mir mind eine Burg zu viel.


    Weder das geografische noch das geschichtliche Potenzial des Ortes werden im baulichen Ausdruck sonderlich geschickt zur Reannimation mit effektiver verlebendigender städtischer Eigendynamik bemüht.


    Die zugedachten Funktionen haben ja einen eher überschaubaren Wirkungskreis,

    einladendende architekt. Gesten sind hier kaum präsent, Traditionsverweise so stark abstrahiert dass sich die Neubebauung eher authistisch zum eigenen Ort verhält.


    Der Rest an Altbestand wirkt in seinen lebendigen Fassadenbildern, seinen Steildächern,

    seiner bürgerlichen Individualität und in seiner überwiegend Kleinteiligen Orientierung eher ignoriert und bedrängt.

    Ich halte das hier für ein Fiasko - der dieses Areal auf. lange Sicht für eine erfolgreiche bindungs und verknüpfungsfähige Entwicklung verdorben hat.

    Einmal editiert, zuletzt von Endell ()

  • Dass das hier ne ziemlich verkopfte eher grobmotorische Geschichte wird, konnte man schon den preisgekrönten Entwürfen entnehmen / schon die Glanzleistung des Capri von Ortner war ernüchternd.

    Ich kann nur sagen, dass wir bei der von Dir beschriebenen "Ernüchterung" immer alles betrachten müssen und allzu oft sind mir die Beiträge zu einseitig:


    1. Aktuelle Marktlage macht günstigen oder sogar sozialen Bau quasi nur mit Subventionen und Anreizen durch die Stadt möglich (Dank Wohnungsbaugesellschaften hätte ich genau hier mehr erwartet), allerdings bleibt da meistens der gestalterische Anspruch auf der Strecke. Günstig muss es ja sein aber schön wirds dann eben nicht. Diese Logik kann durchbrochen werden. Allerdings muss man wissen, dass das Steuergeld sind die wir da einsetzen und wir sind in Deutschland "Gott sei Dank" sparsam. Aber wir müssen auch innovativer werden auf diesem Sektor damit wir


    2. Die Real-Estate Firmen haben nach wie vor viel zu viel Macht, gerade was die Architektur anbelangt. Die Rendite-Aktivierungsmaschinen laufen seit Jahren auf Hochtouren, kein Mensch schimpft auf die Real Estate Firmen, sondern wie immer macht man sich es einfach und nimmt ausschließlich die Politik in Haftung. Was einseitig und schlicht unsinnig ist, sieht man immer wieder, wenn Entwürfe im Nachhinein völlig über den Haufen geworfen wurden, die eigentlich "als Abnahme" galten. Pure Willkür mit dem Versuch die Politik, die zu schwerfällig ist, an der Nase herumzuführen. Diese Kritik lese ich sehr selten hier.


    3. Nehmen wir den Bürger selbst und damit die Politik. All die hier häufig in Richtung Politik formulierten Vorwürfe referenzieren doch auf unsere demokratische Gesellschaft, bei der eben alle ein Mitspracherecht erhalten und Einwände einbringen können. Beteiligungsverfahren von 10 Jahren und mehr sind hier allen bekannt. Das Problem: Wir haben mittlerweile ein wachsendes fehlendes Demokratieverständnis in der Bevölkerung und die Gremien verlängern den demokratischen Prozess unnötig, was zu Unmut führt. Auf der Fischerinsel beispielsweise wurde ein Hochhausentwurf nicht durch die Politik verhindert, wenn man die Politik als verlängerten Arm der Bürger sieht. Ob da ein Hochhaus hätte gepasst, will ich mal persönlich bezweifeln, aber das ist ja subjektiv.

    Und ich wiederhole, was ich an anderer Stelle immer sage. Wenn einem die Mehrheit im Senat nicht gefällt, gibt es Wahlen und man kann mit Argumenten für seine Position werben. Wenn aber eine Wahl vorbei ist, gilt es die demokratisch gewählten Mehrheit auch zu akzeptieren und aus meiner Sicht als Bürger sogar die Bürgerpflicht konstruktiv an einer Gesellschaft und auch der Stadtentwicklung mitzuwirken! Alles Andere ist dann die Hybris, wenn Menschen davon sprechen, es ginge ja nichts vorwärts und es sei alles zu langsam. Wir wissen natürlich, dass es auch Gruppierungen gibt, die nichts anderes wollen, als die demokratischen Institutionen scheitern zu sehen, um Ihre Gesellschaftsordnung aus dem fürhen Jahren des vergangenen Jahrhundert zu etablieren.


    4. Vor-Ort: Also ich finde das Capri, sooft ich auch vorbeilaufe, wirklich nicht schlecht. Die Farbe schmeichelt dem Auge, die Kubatur passt an diese Stelle hervorragend, die Höhe passt hier auch und die Architektur ist ja weitaus besser als viele der Bürokisten. Kein Highlight, aber auch nicht schlecht.


    5. Die Umgebung: Wir müssen konstatieren, dass die Umgebung im Gegensatz zu der beschriebenen Kleinteiligkeit das eben genau nicht ist. Man sieht, was man sehen will. Ich sehe neben den wenigen wunderschönen Altbauten, die Leipziger Strasse, die Hochhäuser auf der Fischerinsel und eine riesige Autobahn namens Leipziger Strasse mit Blick auf Axel Springer Hochhaus und weitere Hochhäuser der Leipziger. Wer sich wünscht, die Hochhäuser mögen verschwinden und wir bauen dort wie in FFM eine Kleinstadt wieder auf, der hat nun die Realität nicht wirklich im Blick. Ich finde die Entwicklung dieses Gebiets kann man auch erst beurteilen, wenn das House of One und die anderen Gebäude, die Richtung Schloss folgen, wirklich gebaut sind.


    6. Entwicklung: Viele der geäußerten Kritik zur Architektur betrachtet den Ist-Zustand, ohne dabei die mittelfristige Entwicklung zu betrachten. Die Baulücken aktuell haben natürlich einen erheblichen Einfluss auf das Gesamtbild. Aber die Entwicklung ist auch bei aller berechtigten Kritik wirklich positiv aus meiner Sicht. Wenn ich dort die Restauration des ehemaligen Kaufhaus XY (Name vergessen) betrachte, und die Entwicklung der ganzen Umgebung, mit der Idee, die Liepziger Straße etwas zu verkleinern, die Fischerinsel nehmen wir mit dazu, sind hier viele bauliche Verbesserungen der Gesamtsituation schon vollzogen und auch gerade erst angestoßen.

  • 1. Aktuelle Marktlage macht günstigen oder sogar sozialen Bau quasi nur mit Subventionen und Anreizen durch die Stadt möglich (Dank Wohnungsbaugesellschaften hätte ich genau hier mehr erwartet),

    Das ist aber kein Wohnbau, sondern ein Museum. Ich bin auch enttäuscht. Meine mich an Visus mit Backstein zu erinnern. Schade.

  • alexsb73: Was das Capri angeht sehe ich es ähnlich wie Du. Es ist zu befürchten, dass es am Ende eines der Highlights sein wird. Es zeigt zumindest Gestaltungswillen.


    Deiner Aussage angeht, dass die Bauherren/Investoren zuviel Gestaltungsspielraum hätten und dieser verringert werden müsse, stimme ich nicht zu im Gegenteil:


    1. Natürlich gibt es den Drang zur Rendite-Maximierung. Das ist aber auch ok - und ohne diesen wäre Berlin nie gebaut worden. Und so manch andere Stadt auch nicht. Dass Dein Argument aber trotzdem fraglich ist, zeigt sich schon daran, dass dieselben Investoren in Leipzig ganz anders bauen (im Umgang mit Altbauen). Oder in Frankfurt (in einem Spektrum zwischen echten, proQM teuren Hochhäusern und einer Rekonstruktion der Altstadt). Oder in Kopenhagen. Nein, was hier geschieht ist schon zu einem grossen Teil spezifisch für Berlin - und das heisst: Spezifisch für die Politik - bzw den in ihr zum Ausdruck gebrachten Wählerwillen.

    2. Diese Berliner Politik findet zum Beispiel nicht die Kraft, Baubbehörden so auszustatten, dass kleinteilige Genehmigungsverfahren überhaupt bewältigbar wären. Ein Europaviertel mit 500 Bauherren und Genehmigungsverfahren statt mit 5? Undenkbar. Also werden es halt plumpe Blöcke...


    3. Die Bauherren haben eh schon mit dem komplexesten Baurecht der Welt (!!) zu kämpfen (und die Behörden natürlich auch). Gleichzeitig hat die Politik damit zu kämpfen, dass es in Berlin zu fast jedem Bauvorhaben Ärger und gegnerische Bürgerinitiativen gibt - viel mehr als in jeder anderen deutschen Stadt. Also beschränkt sich die Politik in fast allen fällen darauf, "Erfolge" zu erzielen, in dem man die Bauherren weniger hoch, breit oder tief bauen lässt. Oder ganz verhindert. Schon mal erlebt, dass die Berliner Politik angesichts von Wohnungsnot sagt: Hier gehen 10 Stockwerke oder 10.000qm mehr, lieber Bauherr! Das war mal so bis in die 20iger. Folge: Die Bauherren konzentrieren alle Energie auf den Kampf um Quadratmeter, die man ihnen nehmen will. Und auf den Kampf mit dem Baurecht. Und die Behörden im Gegenzug auch. Die Fassaden fallen hinten runter. Lieber da nicht auch noch Ärger - wegen einer kontroversen Fassade!


    4. Meines Erachtens ist auch nicht zu unterschätzen, welchen Einfluss der Verlust an traditioneller bildungsbürgerlicher Substanz (die in Berlin ja zu wesentlichen Teilen jüdisch war) bis heute hat. Das verändert die Zusammensetzung der Zivilgesellschaft und ermöglicht hier Diskussionen und Gewichteverschiebungen zum Thema Baukultur, die in anderen deutschen oder europäischen Städten eher selten sind.


    Das findet viele Ausdrucksformen. Eine etwas gewagte und von persönlichen Erfahrungen geprägte Aussage: Man schaue sich mal die Zusammensetzung und die Qualität des Berliner Landesparlaments an - ein Bundesland mit 3,5 Mio Einwohnern. Das, was da so unterwegs ist, findet man sonst eher in Stadtparlamenten von deutschen Mittelstädten mit 300.000 Einwohnern. Ein parteiübergreifendes, qualitatives Grauen (aber das ist eine sehr persönliche Sicht).


    5. Hinzu kommt, dass sich Berlin, wie kaum eine andere ostdeutsche Stadt, der Tradition des Ostmoderne verpflichtet sieht. Und das heisst nun mal: Einheitliche Fassaden. Niemand soll herausstechen. Möglichst wenig Extrawürstchen für die "Reichen und Schönen". Hauptsache gleich - und wenn das heisst: Alles gleich monoton oder gleich hässlich.


    Netto Ergebnis ist, dass dann so etwas entstehen kann wie am Petriplatz.

  • lieber Alexb73, Du meinst das Kaufhaus Herzog - oder besser den Teil der noch existiert.

    Der Bau liegt zum größten Teil in der Brüderstrasse - jener Straße die lange Zeit als wichtige Geschäftsstraße fungierte und ursprünglich in doppelter Länge in den Schlossplatz mündete.


    In der Brüderstrasse befindet sich bis heute noch ein kleiner Bestand histor. Gebäude, teilw. aus dem 18.Jhd, die man bis auf den Neobarocken Kaufhausbau, vielleicht kleinteilig nennen möchte.

    Die kommen natürlich erst hinter dem Betonblock und es ist bezeichnend dass diese nicht unbedingt Teil des Wahrnehmungsfeldes zu sein scheinen.


    Das liegt wohl an der Betrachtungsweise des Ortes.

    Von der Leipziger aus drängelt sich zuerst halt der Plattenbau auf, der schon im Format, im harten Kontrast zur putzigen Schneekugelkulisse an der kleinen Gertrauden/Scharrenstraße steht.


    Das nun Kleinteiligkeit automatisch mit Kleinstädtisch gleichzusetzen ist halte ich für eine eher schlichte Idee, - Hier fällt es mir sogar recht leicht das Städtische eher in der abwechslung aus Bürger- und Geschäftshäusern zu erkennen als in der Antiurbanen Haltung der masstabslosen Wohnbebauung aus den 60ern die hier en Block gleich 2 Straßenzüge dominiert.


    Hätte man sich nicht dazu hingerissen für das 1968 errichtete Bauministerium in der Brüderstraße dort die Hnr 29.und ihren Nachbarn abzureißen würde man hier heute noch ein rel. intaktes hist. Bauensemble vorfinden - denn auch ein Beträchtlicher Teil der historischen Bebauung in der breiten Straße fiel erst dieser unsinnigen Ministerialbebauung zum Opfer.

    Ein Bürgerbeteiligungsverfahren gab es nach meinem Wissen für die Neustrukturierung und Bebauung des Petriplatzes nicht.


    Es wurde für das ABZ damals in der Ausschreibung wert auf eine funktional und gestalterisch anspruchsvolle Lösung gelegt die sich in die heterogene Bebauung des Umfeldes gut einfügt - jeder kann heute sehen was man sich darunter

    Vorzustellen hat.
    Gestalterisch spielt die Heterogenität des Ortes gar keine Rolle - der Bau hat eine merkliche Schlagseite zum Platzhirsch aus den 60ern.

    Die Traditionsinsel wird mit ner ziemlich gewöhnlichen -an den Gegebenheiten uninteressierten, großformatigen Schachtel von Wohn und Geschäftshaus zugestellt.
    Das Ensemble verliert damit seinen Status als historisches Schaustück und kriegt jetzt nicht mal ein kooperativ gestimmtes, Gegenüber.
    Das Jurymitglied Lüscher reagierte auf den Siegerentwurf jedoch zufrieden und befand der Bau reagiere auf den. Historischen Ort und leistet unter hohem Anspruch Stadtreparatur -so eine Einschätzung is wohl eine Frage der architekturhistorischen Präferenzen - Bauten vor 1960 die die historische Struktur noch am ehesten bebildern verlieren hier deutlich an Wirkung und spielen als Impulsgeber für diese Stadtreparatur gar keine Rolle.


    Hinzu kommt dass die Umsetzung des siegerentwurfes des ABZ aus der Verantwortung polit. Handelns heraus, um Jahre Verzögert wurde - so dass sich die Kosten für den Bau vervielfachten und man den Bau zusätzlich, nachteilig im gestalterischen Aufwand verschlankte.


    Entgegen den Fadenscheinigen Behauptungen von Abstimmungsbedürftigen Bedarfsänderungen, denen die SPK auch widersprach, dürfte die Verschleppung des Bauvorhabens eher mit ganz gewöhnlicher Inkompetenz, mangelnder Weitsicht und Unsicherheit zu begründen sein.


    Das Jahre nach der Siegerkür und Beschluss des Bauvorhabens als nachgerücktes Argument noch ein Betreiber gesucht und dann extra als städtische Betreibergesellschaft gegründet werden musste, nahm sich für mich sehr seltsam aus.


    Möglicherweise hat man einfach gemerkt, dass sich die getroffenen Entscheidungen zu den Umsetzungsformen des House of One und des ABZ, sich erfolgreich am Ort nicht vertrugen und im Zusammenspiel ihrer groben Großformate eher unglücklich auf das Quartiersbild auswirken. M.M hätte es hier eher Abstimmungsbedarf mit dem Architekten des ABZ. zur Harmonisierung zwischen Alt-Bestand und dem Glaubenshaus bedurft.

    Der Plattenbauriegel ist hingegen leider so bestimmend dass man nicht auch noch darauf reflektieren hätte müssen.


    Auch wenn die Funktion der Gebäude dem öffentlichen Gemeinwohl zugute kommen - und ich der Idee des ABZ viel abgewinnen kann - es versteht sich nicht als Museum sondern in erster Linie als Forschungs und Arbeitsstätte mit gläsernem Werkstattbereich.

    Also eher ein Ort der Konzentration, mit dem Ossiarium und dem Bethhaus ein Ort der Pietät, das ist ganz schön viel Stille.

    Für eine Stadtreparatur setzt man hier also überwiegend auf Friedhofsruhe.

    Ich könnte mir vorstellen dass, das nicht unbedingt das Attribut eines städtischen Bereiches sein sollte den man aus seiner urbanen Isolation herausheben und zu einem Resillienten Stadtraum zurückführen möchte.

    Das Capri ist wohl Geschmackssache- ich bin dieser rationellen Fassadensprache und Dachlosen Bauform einfach überdrüssig -und sie stimmt eher gleichgültig, vermissen würd ich’s nicht.

    Das mag ein artiger, wenig überraschender Bau sein, was mich aber stört ist, dass hier der Bau in der Gestaltung mit dem Vorbild des Köllnischen Rathauses vermarktet wird und dann derart runtergebrochen, Abstrahiert und formalisiert wird dass das Vorbild überhaupt nicht mehr erkennbar ist.

    Ich halte das einschieben eines Staffelgeschosses und nen Arkadengang inner Rasterfassade jetzt nicht für aussagefähig genug um eine ehrlich, interessiert gemeinte Auseinandersetzung mit dem köllnischen Rathaus abzubilden - so was steht an der Leipziger und andernorts bereits zu Hauf.
    Selbst der vorangegangene Testentwurf ließ das architekt. Vorbild präsenter Werden. Obwohl ich den Nöferentwurf schon eher an der Karl Marx Allee für sinnvoll gehalten hätte.

    Das man genügsam mit nem Vorsprung in der Kubatur und ner Höhenstaffelung -Bezüge zur markanten Barocken Turmstumpf-Architektur des Vorbildes herstellen will, empfinde ich eher als ungenügend und im Ergebnis wenig überzeugend.

    Man blieb hier einfach hinter seinen Möglichkeiten auch wenn’s nur n Hotel ist hätte eine individuellere Haltung und Detailnoten die man aus dem Historischen Angebot des Ortes beziehen konnte, dem Duktus einer eher langweiligen, austauschbaren Abschreibungsästhetik entgegengewirkt.


    Die Silhouette eines Walmdaches hätte z.B wunderbar in eine Moderne Interpretation einfließen können, ebenso der charakteristische Giebel über dem Risalit. Der Turmstumpf hätte schon durch leichte Rückversetzung als solcher wirksam werden können.


    Was bringt mir so eine lutschige Form von kritischer Rekonstruktion wenn sie nur noch mit zugekniffenen Augen erkennbar wird? Kommunizierter Anspruch und das Niveau der Umsetzung fallen hier für mich einfach wie so oft auseinander.

    Aber was soll’s, ortner war ja auch Teil der Jury beim ABZ von daher wird’s dann schon wieder sehr stimmig.

  • Weiß hier jemand, wann es beim House of One endlich weitergeht? Auf dem Baugrund tut sich jetzt schon seit Jahren nichts mehr. Wenn es so weiter geht, möchte man der 800-jährigen Bauzeit des Kölner Doms Konkurrenz machen.

  • Ich habe immer noch nicht mitbekommen wer eigentlich Bedarf an einem House of One hat - ist das nicht ohnehin eine idealistische Kopfgeburt? Oder gibt es zukünftige Nutzer die bereits auf den Bau warten?

  • ^ Wieso? Das Haus soll doch von drei religiösen Vereinen betrieben werden. Diesen Aspekt finde ich als Agnostiker aber nicht sonderlich interessant. Dafür gefällt mir der Entwurf umso besser. Innenräume wie Außenwirkung stelle ich mir beeindruckend vor.