Fischerinsel / Petriplatz / Breite Straße

  • Diese um sich greifende "Weil-Autos-bald-automatisch-fahren-gehört-dem-Auto-wieder-die-Zukunft-Debatte" macht mir richtig Angst. Nicht nur, dass es umwelt- und klimapolitisch eine Katastrophe wäre, wenn die gerade beginnende Trendumkehr gestoppt würde, weil automatische Autos durch geringeren Abstand weniger Staus verursachen – es wäre auch städtebaulich ein Desaster. Alle Träume vom Rückbau der innerstädtischen Autobahnen wären dahin und man käme wieder zurück zur Straßenbau-Priorität in der Verkehrspolitik (die man freilich nie wirklich aufgegeben hat).


    Für alle anderen Verkehrsteilnehmer ist so eine Entwicklung die Hölle, für den menschlichen Maßstab im Städtebau auch. Und erzähl mir niemand, dass Elektroautos irgendwie "umweltgerecht" wären – ihr Bau verschlingt Unmengen an Rohstoffen, und solange der Strom zu einem Gutteil aus der Braunkohle kommt, ist die Klima-, die Feinstaub-, die Gewässer-, die Luft- und die Landschaftsbelastung ein Desaster. Aber ich fürchte, im autoverrückten Deutschland greift man zu jedem Alibi und Ansichten wie diese werden sich trotzdem schnell wieder durchsetzen:


    Zitat von Oranien

    Nimmt man an, dass Autos von "Ownership" zu "Access" wechseln, entfallen 70 oder 80% aller PKW aus dem Stadtbild. In Verbindung mit Elektromobilität, Ridesharing und Autonomem Fahren ändert sich die Gesamtbilanz noch mehr zugunsten von Automobilität. Wer Autoverkehr so "abschreibt" wie Du hat einen wesentlichen Teil der Entwicklungen verpasst und ist der Vergangenheit verhaftet.


    Wenn das derzeitige Niveau von punktuellem Straßenrück- bei gleichzeitigem Autobahn-Ausbau schon Ausdruck einer überholten Anti-Auto-Ideologie ist, dann kann es einem vor der verkehrspolitischen Zukunft nur grausen. Unter dem Banner einer vermeintlich ökologischen und "smarten" "E-Mobility" wird eher der innere Autobahnring durch die Stadt gebrochen werden, als dass die U1 auch nur bis zum Adenauerplatz verlängert wird. Vom Bau der U10 ganz zu schweigen. Es ist zum Heulen.


    Und natürlich ist es Off Topic. Aber damit habe ich nicht angefangen.

  • ^
    Jein denn, die Städtebauliche und dem ihr untergeordnete Architektonische Lösung hängt dort essentiell vom Verkehr ab. Ich denke das Möglichkeitsspektrum wurde hier nun mit allen Utopischen und Dystopischen Potential ausgeschöpft. Es hat aber eben auch gezeigt das der Städtebau nicht viel tun kann. Die vorhandenen Architekturen haben daran jedenfalls keinen großen Anteil, außer in der Nutzerverteilung. Und da ist der Neuere Städtebau der Nachwendezeit wahrscheinlich verheerender als jener der Ostmoderne gewesen.


    Nimmt man an, dass Autos von "Ownership" zu "Access" wechseln, entfallen 70 oder 80% aller PKW aus dem Stadtbild.


    Wohl eher nicht, schonmal von Rebound-Effekt gehört. Gerade wenn ich mir die Subventionsmodelle der Regierung ansehe. :nono:

  • Ich denke es wird auch in Zukunft neben dem Rad und dem klassischen ÖV einen Modus individueller Fortbewegung geben, der aber eher eine Art öffentlicher Individualverkehr, bzw. ein automatisiertes Taxisystem sein wird.
    Es ist eigentlich nur konsequent, den Zugriff auf diesen öffentlichen Individualverkehr in das Tarifsystem des ÖV zu integrieren; damit werden weite Teile des Busnetzes zumindest in der Vororten überflüssig und die Verkehrsunternehmen können sich auf den eigentlichen Massenverkehr (U-/S-Bahn, Tram) konzentrieren.
    Die von oranien beschriebenen Parameter (Zugriff statt Besitz, autonom fahrend, elektrisch angetrieben) laufen auf einen individuellen Transportmodus hinaus, der eher weniger Ähnlichkeit mit dem jetzigen Massenautoverkehr mit seinem Platzverbrauch und der Belästigung und Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer haben wird.
    Man darf nicht vergessen, dass bei so einem Transportmodus auch die Kosten jeder einzelnen Fahrt unmittelbar abgerechnet und transparent werden, was die Versuchung relativieren dürfte, dem inneren Schweinehund nachzugeben und die "Kabine" zu benutzen anstatt das Rad oder die Bahn.
    Zudem wird das Radfahren wesentlich attraktiver, da die "Kabinen" sich pedantisch an die Verkehrsregeln halten werden; die gefühlte "Gefährlichkeit" des Radverkehrs, die viele potentielle Radler abschreckt, resultiert ganz wesentlich aus den fahrlässigen bis mutwilligen Fehlern und Regelverletzungen motorisierter Verkehrsteilnehmer im Handlenkermodus.
    Und wer regelmäßig seine 5 oder auch mehr Kilometer Rad fährt, ist in der Regel auch mit 60 Jahren noch fit genug, dies immer noch zu tun.
    Ich denke, dass schon einiges dafür spricht, dass Straßenschneisen a la Grunerstraße oder A 100 in 15-25 Jahren nicht mehr benötigt werden und zurückgebaut werden können.

  • Und genau da ist der Zusammenhang mit der Bebauung. Wenn man heute neue Häuser entlang der Getraudenstraße baut legt man sich auf diese Straßenbreite fest. Sie sprengt den Maßstab der Fischerinsel. Petriplatz und Fischmarkt sind heute nicht mehr wahrnehmbar.

  • Breite Straße / Scharrenstraße/ Gertraudenstraße

    Zuletzt #748, (letztes Foto)


    Visu hier


    Der Rohbau des Neubaus an der Ecke Gertrauden-/Breite Straße ist so gut wie fertig. Ansichten von Norden:



    Auf der Rückseite der Bestandsbauten an der Brüderstraße wird auch gebaut. Blick von der Breiten Straße:



    Blick auf beide Rohbauten:



    Im Hintergrund sieht man die Hochhäuser auf der Fischerinsel:


  • ^ Wollte ich auch gerade posten. Ehrlich gesagt bin freut mich die Ablehnung. Das geplante Hochhaus würde die Struktur der heutigen Fischerinsel beschädigen und der Entwurf war ja auch extrem banal.

  • Huch, das überrascht mich jetzt. Ich hätte erwartet, bei einer öffentlichen Wohnungsbaugesellschaft wäre so ein Projekt so gut mit den Behörden abgestimmt, dass derartige Hindernisse von vornherein vermieden werden. Aber traurig bin ich um den Entwurf auch nicht.

  • ^^sorry, nächstes mal gibt's ne Anstandsminute:-)


    Ja der Entwurf war nicht so dolle, wobei mich insbesondere eben die Höhe gestört hat. Nix Halbes und nix Ganzes, auch wenn ich auf dem Gebiet eigentlich keine neuen Hochhäuser sehen mag. Die geplante Blockrandbebauung fand ich aber gut, die Begründung mit der zu großen Gebäudetiefe (2,50m) verstehe ich nicht wirklich.
    Die Grabungen würden mich schon interessieren, jetzt wo die Bäume eh weg sind...


    Hier nochmal die Visus zum Wettbewerb.

    3 Mal editiert, zuletzt von Bummler ()

  • Wie lange seid hr jetzt im DAF, Freunde? Der Bezirk hat einen CDU Baustadtrat - der hat das Projekt des SPD Bausenators abgelehnt und im September sind Wahlen. Seid sicher: nach der Wahl wird das Hochhaus gebaut, wie es geplant ist. Und wenn der Senat die Sache an sich zieht.

  • Ich denke auch dass das eine falsche Entscheidung ist.
    Der Entwurf war völlig in Ordnung. Wenn die Qualität entscheidend wäre, müsste man die gesamte Fischerinsel abreissen, da die bestehenden Hochhäuser so ziemlich das schlechteste sind was ich kenne.
    Die geplante Bebauung wäre eine sinnvolle Nachverdichtung an dieser Stelle gewesen und mit dieser Entscheidung handelt der Bezirk völlig im Widerspruch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Glaubwürdigkeit sieht anders aus.

  • Und das fällt denen natürlich ein nach dem schon eine Abrissgenehmigung für die Bäume offensichtlich erteilt wurde. :nono:
    Um das langweilige Hochhaus ist es jedenfalls nicht schade.

  • Das heißt für mich im Umkehrschluß, daß eine achtgeschossige Blockrandbebauung mit einer Gebäudetiefe von 14 Metern genehmigt würde.


    Das halte ich eh für die bessere Variante, also das mit der Gebäudehöhe. (die Gebäudetiefe ist mir völlig mumpe)


    Das wichtigste ist nach meiner Ansicht wieder einen Blockrand zu schaffen und das auch im weiteren Verlauf bis zur Spree und ebenfalls im Verlauf der Straße Fischerinsel soweit möglich beidseitig bis zum Spreekanal.
    Somit würden die (leider) vorhandenen Hochhäuser zumindest in der Wahrnehmung von den Straßen aus gesehen entscheidend zurück gedrängt.
    Weshalb man diesen positiven Effekt mit einem neuen Hochhaus am Blockrand wieder aufheben wollte erschließt sich mir aus gestalterischer Sicht nicht wirklich. (aus finanzieller Sicht bei mehr vermietbarer Wohnfläche schon)


    Ich glaube daß dort trotzdem bald gebaut wird, in welcher Form bleibt im Moment noch offen, aber da wird man sich sicher einigen können.
    Ebenso wie Konstantin befürchte ich, daß das Ergebnis wohl nicht sonderlich von den jetzigen Planungen abweichen wird.



    Gruß, Jockel

  • Ist es normal das auf dem obersten Stockwerk kein Dach bzw Vorrichtungen für das Dach zu entdecken sind?
    Unten baut man ja inzwischen die Fenster ein.



  • Beim obersten Geschoss handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nach um Technikflächen, die nach oben hin offen sind. In der Visualisierung hat diese oberste Ebene auch keine Fenster, stattdessen wird hier die (Kalkstein?)-Fassade fortgeführt. Eine etwas elegantere Lösung zur Unterbringung der Technikaufbauten.

  • Meist stehe ich ja den historistischen Vereinen wie Bürgerforum Berlin, Gesellschaft historisches Berlin etc. kritisch gegenüber, aber in diesem Fall haben sie einen tatsächlichen Missstand aufgegriffen. Das Hochhausprojekt wurde tatsächlich ohne ausreichende Bürgerbeteiligung geplant. Zudem haben die Historisten in diesem Fall immerhin 6000 Unterschriften gesammelt, das sind angesichts der 480 Unterschriften, die zum Rathausforum gesammelt wurden, eine ganze Menge. Diese Unterschriften zeigen, dass es hier tatsächlich Unzufriedenheit gibt. Daher könnte ich mir schon vorstellen, dass das ganze Projekt noch gekippt wird.

  • Ich finde es etwas übertrieben, dass Konstantin aufgrund des TS-Artikels von einer Kehrtwende spricht. Geisel will und muss sich im Wahlkampf profilieren. Er möchte das Hochhaus, sieht aber selber, dass er nicht "mit dem Kopf durch die Wand" rennen kann. Der größte Teil des Artikels erwähnt erneut die Gegner (Bezirk, Historiker, Bündnis von Bürgerbewegungen, zahlreiche Bürger) und die Gründe der Ablehnung.