Wirtschaft, Politik, Forschung, Gesellschaft

  • Arty Deco : Dass Deutschland das China der USA sei, ist zwar eine hübsche Polemik, aber falsch. Deutsche Firmen lassen (wie amerikanische) seit den Nullerjahren gerne in Fernost produzieren, weil dort die Lohnstückkosten geringer sind (die Fallstricke dieser Logik lasse ich mal außen vor). In Deutschland sind die Löhne aber höher als in den USA, zudem die Arbeitnehmerrechte stärker. Auch wenn Tesla einfache Tätigkeiten bislang 20 Prozent unter Tarif bezahlt: Billiglöhne dürften kaum der Grund für die Ansiedlung sein – zumal zwei der bislang vier Tesla-Fabriken in den USA stehen und eine fünfte dort gerade gebaut wird.


    Warum also Grünheide? Ich vermute, Musk wollte eine Fabrik in Europa, um dort sein Markenimage zu verbessern. Berlin bietet sich als Standort aus mehreren Gründen an – erstens hippes Start-Up-Appeal, zweitens zentrale Lage, drittens tatsächlich auch günstigere Arbeitskräfte aus dem nahen Polen (die trotzdem dem deutschen Arbeitsrecht unterliegen, was Musk vielleicht unterschätzt hat). Dass Grünheide nicht in Berlin, sondern nur bei Berlin liegt, dürfte aus seiner Perspektiive keine Rolle spielen – ich bin sicher, dass er von "our berlin factory" spricht und nicht von "our oder-spree county factory".


    Ich sehe die Fabrik sehr kritisch. Zum einen, weil ich E-Autos nicht für die Lösung des Mobilitätsproblems halte; zum anderen, weil das Wasserproblem für die Region fatal werden könnte. Auch stehe ich der Silicon-Valley-Ideologie ablehnend gegenüber. Dass Staat und Wirtschaft von dieser Ansiedlung nicht profitierten, stimmt aber nicht: Tesla zahlt Gewerbe- und Grundsteuern wie jeder Tante-Emma-Laden (auch wenn die Gewinnbesteuerung in den USA liegt); Grünheide wird eine sehr reiche Gemeinde werden. Und 12.000 Leute zusätzlich zahlen Lohnsteuern (auch wenn sie in Polen leben). Zulieferbetriebe dürften neu entstehen, kleine Händler und Handwerker in der Region vom Zuzug profitieren.


    Ich wünsche der Tesla-Belegschaft einen starken Betriebsrat, der Tariflöhne durchsetzt. Aber schon jetzt ist dieses Tesla-Ding ein Boomfaktor für Brandenburg, kein Dritte-Welt-Standort für Billigproduktion.

  • Für Brandenburg ist Tesla zweifellos ein Imagegewinn, Steuereinzahler und Arbeitskräftemagnet.


    Aber erst wenn in Potsdam das erste Kernfusionsauto der Firma "Uranio" erfunden wird und in der neueröffneten Fabrik in NYC der neue "Plutonio" vom Band läuft ist man Autoregion. Vorher nicht.

  • Architektenkind Sein (gewohnt fatalistisches) Narrativ passt ohnehin hinten und vorne nicht zur aktuellen Dynamik. Zu Deinen Argumenten hinzu kommt wie gesagt selbst nur bei Tesla noch, dass man ja auch ein Entwicklungszentrum in Berlin plant und auch in Brandenburg schon jetzt so viel wie nur möglich vor Ort ansiedelt. Die Deutschen Teslas sollen nach ersten Analysen übrigens auch neue Qualitätsmaßstäbe setzen und sogar nochmals die aus China übertreffen (wenn die Großserie die ersten Eindrücke bestätigt). Genau das hatte Elon Musk bezüglich der Ansiedlung auch versprochen, dass Tesla Qualität Made in Germany anstrebt. Daneben dann eben noch der Punkt, dass wie gesagt auch Mercedes bedeutende Entwicklungen und Produkte in Berlin angesiedelt hat. Aber auch bei BMW und VW-Porsche sind es vierstellige Zahlen an Jobs und zehnstellige Investitionen. Ist man jetzt also reine Entwicklungsabteilung ohne nennenswerte Produktion oder aber reine Werkbank ohne echten Impact auf die Transformation? Übrigens ist Berlin auch stark involviert in den Gebrauchtwarenhandel sowie Car-Sharing-und sonstige Mobilitäts-Dienste (Tesla will bald ja keine Autos mehr verkaufen, sondern Mobilität auf Abruf und ähnliche Ansätze verfolgt auch die deutsche Konkurrenz zumindest ergänzend). Es sind also nicht "nur" Elektroautos oder "nur" neue Software und Bedienkonzepte. Ich denke, es wird von vielen erheblich unterschätzt, dass große Teile der neu entstehenden Wertschöpfung auch in Berlin maßgeblich mitgestaltet werden. Und durch die Ansiedlung einer großen Autofabrik sowie von noch mehr Zulieferern nimmt es nochmals andere Dimensionen an.


    Arty Deco Für Dich gibt es offenbar nur komplette Weltdominanz oder Bedeutungslosigkeit. Zwischen Autoregion und Hauptsitz eines Weltkonzerns liegen aber noch ein paar Nuancen. Für ersteres kann es auch schon reichen, wenn viele große Konzerne und mittlere bis große Zulieferer hier wichtige Entwicklungsabteilungen und Produktionsstätten konzentrieren.

  • oder aber reine Werkbank ohne echten Impact auf die Transformation?

    Ja.


    In B-B sitzt weder höheres Auto- Firmenmanagement, Auto-Design, Auto-Entwicklung, Auto-Wertschöfpung. Geschweige denn Auto-Erfindung, oder Auto-Forschung.


    In diesem Jahr wird es für Berlin sehr schwer. Explodierende Preise bei Importen, Rohstoff und Energieknappheit, Inflation, Fachkräftemangel aufgrund Corona-Beschränkungen, unterdurchschnittliche BER Entwicklung, Kulturveranstaltungen mit halber Fahrt.


    Wenn Deutschland langfristig vom günstigen russischen Energieimport Abschied nimmt, brechen landesweit einige Industrien zusammen.


    Einziger Lichtblick: ein paar 10.000 Einwanderer aus der Ukraine nach B-B. (Zynismus aus)

  • In B-B sitzt weder höheres Auto- Firmenmanagement, Auto-Design, Auto-Entwicklung, Auto-Wertschöfpung. Geschweige denn Auto-Erfindung, oder Auto-Forschung.

    Bis auf den ersten Punkt stimmt das so einfach nicht. Lies doch einfach mal den Thread rückwärts. Oder schau mal, was andere Stimmen so dazu schreiben. Zunächst mal zur Region ohne Tesla:

    - Laut dem Businesslocationcenter von Berlin Partner ist Berlin der einzige Standort mit umfangreicher Präsenz der drei führenden deutschen Hersteller BMW, Mercedes und VW. Und alle drei haben allein in den letzten Jahren einige Milliarden investiert. Tatsächlich wird hier eine ganze Menge erforscht, entwickelt und auch produziert. Stichworte sind dabei u.a. Here, Now, Moia oder auch MBux und die EQ-Serie. Hinzu kommen Präsenzen weiterer Autofirmen sowie zahlreiche wichtige Zulieferer wie Bosch, Brose, Continental, Goodyear Dunlop, Knorr-Bremse, Schaeffler etc und auch mittlere und kleine Zulieferer ebenso wie die Daimler Bank oder auch Vertriebsplattformen á la Auto 1.


    Zu Tesla:

    - Man will in der ersten Ausbaustufe rund 500.000 Autos produzieren und 12.000 Mitarbeiter beschäftigen, angeblich sollen langfristig sogar 1 Mio Autos produziert werden. Zudem soll die größte Batteriefabrik der Welt entstehen. Und in Berlin ein Ingenieurs- bzw. Entwicklungs- und Designzentrum. Insgesamt soll die Autobranche durch Tesla auf Ausbaustufe 1 um 35 Prozent auf über 50.000 Jobs wachsen. Quellen: watson und Sueddeutsche Zeitung sowie Tagesspiegel

    Zum Vergleich: Mitsubishi als Gesamtmarke produziert 0,8 Mio Autos pro Jahr, Mazda 1,2 Mio, Mercedes und BMW oder auch Renault gut 2 bis knapp 3 Mio (Quelle: statista)

    - BMW bezeichnet die Tesla-Ansiedlung als großes Kompliment für den Deutschen Automobilstandort

    - laut Redaktionsnetzwerk Deutschland entsteht durch Tesla ein neuer Automobilstandort in Ostdeutschland

    - auch das Handelsblatt schreibt von einem neuen Automobilstandort im Osten Deutschlands und Meilenstein bei der Transformation der Deutschen Autoindustrie, der international führende Nachwuchsforscher anziehen werde

    - laut Autopapst Ferdinand Düdenhöfer ist Teslas neues Werk eine gute Nachricht für den Automobilstandort Deutschland

    - Laut Wirtschaftswoche sehen auch Verkehrsministerium und Verband der Deutschen Autoindustrie Tesla als Gewinn für den Standort und sogar als wichtiges Signal, dass Deutschland der führende Autostandort Europas ist

    - Laut Business Insider sieht auch das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) Tesla als positives Signal für den Deutschen Automobilstandort und als Zeichen, dass Tesla auf allen drei großen Märkten Asien, Nordamerika und Europa stark aufgestellt sein will

    - Laut Deutschem Institut für Wirtschaftsforschung gewinnt Deutschlands Autostandort ein technisch führendes Unternehmen


    Zur aktuellen Gesamtkonstellation:

    - Wie das Wirtschaftsressort der Welt schreibt, entwickle sich Berlin-Brandenburg schon jetzt erkennbar zum nächsten großen Automobilstandort, aktuell suchen u.a. Tesla, Auto 1, Daimler und Porsche ähnlich viel neues Personal wie an den Standorten München und Stuttgart gesucht werde. Zudem entsteht ein immer größerer Sog auf weitere Zulieferer.


    So viel zum Thema Zynismus. Den letzten Satz an sich lass ich dagegen lieber mal unkommentiert.

  • Zudem soll die größte Batteriefabrik der Welt entstehen.

    Wow.


    Berlin bezieht auch Gas vom größten Erdgaslager der Welt, in Russland.


    Ich glaube Du wirst nie verstehen, was wirtschaftliche Wertschöpfung auf Spitzenniveau bedeutet.


    Für Dich ist vermutlich Bielefeld ein internationales Modezentrum, weil dort H&M und Levis im Einkaufszentrum Klamotten vertickt.

    (LOL)

    Einmal editiert, zuletzt von Arty Deco ()

  • Aber erst wenn in Potsdam das erste Kernfusionsauto der Firma "Uranio" erfunden wird und in der neueröffneten Fabrik in NYC der neue "Plutonio" vom Band läuft ist man Autoregion. Vorher nicht.

    Äh, genau. Kernfusionsauto. Bestimmt. Ich bin sicher, es wird Golf CCLXXVI heißen und in Wolfsburg gebaut werden.


    P.S.: Was genau hätten, im Falle des Falles, Uran und Plutonium mit Kernfusion zu tun? Ich würde es eher mit Wasserstoff versuchen...

  • Ich glaube Du wirst nie verstehen, was wirtschaftliche Wertschöpfung auf Spitzenniveau bedeutet.


    Da bin ich mit den einschlägigen Wirtschaftsexperten der Republik (s.o.) dann ja wenigstens in guter Gesellschaft.


    Immerhin erkennst Du Deinen Zynismus ja noch selbst. Trotzdem ist es mE fragwürdig, immer wieder solche Untergangsszenarien zu wühlen. Wenn die Welt wirklich unter geht, kann man immer noch jammern und wehklagen. Wobei man selbst dann hoffentlich noch lieber so oder so agieren würde, statt nur noch zusätzlich Hysterie zu schüren. Und ja, es ist sicherlich dramatisch genug aktuell mit reichlich Potential zur weiteren Verschlechterung. Aber bei Dir geht ja jahrein jahraus nichts unter Apokalypse, egal ob gerade Bankenkrise, Corona oder Krieg ist. Nur mal zum Coronajahr 2021 (laut Deinen früheren Prognosen hätte es nichts als extremen Verfall bringen dürfen):

    - 50.000 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze in der Stadt

    - 10,5 Mia Investments alleine in Berliner Startups

    Quelle Berlin.de


    Also, so lange noch eine Welt und eine Stadt Berlin da ist, sollte man mE auch nach bester Möglichkeit darin leben und lieber weiter heiraten und Bäume pflanzen statt den Kopf am besten schon frühzeitig in den Sand zu stecken. Nebenbei: Auch in Bielefeld kann man ganz sicher vernünftig leben, arbeiten und glücklich werden, wenn man denn möchte. Dafür muss es gar kein Modezentrum sein.

  • Frage:


    Wieviele Firmen der Automobilbranche mit Sitz in B-B sind im DAX ?

    Wieviele kleine Weltmarktführer der Autobranche gibt es in B-B ?

    Wieviele Firmen der Automobilbranche mit Sitz in B-B erwirtschaften über eine 1 Milliarde Euro Umsatz ?

    Wieviele Unis im Raum B-B forschen erfolgreich an Spitzentechnologien für die Automobilbranche ?

    Wieviele "Einhörner" der Automobilbranche gibt es in B-B ?

    Wieviele Multi-Millionäre der Autobranche leben in B-B ?

    Wieviele internationale Patente der Autobranche hat B-B hervorgebracht ?


    Antwort auf alle Fragen: NULL


    Die einzigen Höchstleistungen die Berlin für den Autosektor erbringt werden von ein paar Werbefirmen erbracht, die Marketing Kampagnen entwickeln und auf dem Niveau deutschlandweit einzigartig sind.


    Jan85: Ich kenne die meisten Wirtschaftsdaten zu Berlin und Brandenburg. Ich verfolge auch die wesentlichen Entwicklungen am Standort.

  • Antwort auf alle Fragen: NULL

    Und schon wieder falsch. Vielleicht weißt Du es selbst nicht besser. Vielleicht willst Du aber auch gar nicht wirklich Argumente oder gar Fakten austauschen. Ich befürchte eher Letzteres, zumal ich ja bereits genügend Belege gebracht hatte.


    Deshalb beende ich das (Trauer-)"Spiel" an dieser Stelle auch.

  • Für Dich ist vermutlich Bielefeld ein internationales Modezentrum, weil dort H&M und Levis im Einkaufszentrum Klamotten vertickt.

    Aus der Reihe schlecht gewählter Beispiele: Bielefeld, Gütersloh & Herford ist die stärkste Bekleidungsindustrieregion in Deutschland, gerade auch in der regionalen Produktion: Ahlers-Gruppe (Pierre Cardin, Baldessarini, Otto Kern etc.), Gerry Weber, Seidensticker, Brax, Bugatti und so weiter ...

  • Wieviele kleine Weltmarktführer der Autobranche gibt es in B-B ?

    Wieviele Firmen der Automobilbranche mit Sitz in B-B erwirtschaften über eine 1 Milliarde Euro Umsatz ?

    Wieviele internationale Patente der Autobranche hat B-B hervorgebracht ?

    Antwort auf alle Fragen: NULL


    NULL kann ich als Antwort nicht durchgehen lassen. Zumindest ein Unternehmen mit Hauptsitz in Berlin inkrementiert Deine Antwort um EINS.

    Die IAV GmbH (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr) ist weltweit der zweitgrößte Entwicklungsdienstleister im Bereich Automotive.

    Im Geschäftsjahr 2019 wurde erstmalig ein Umsatz von über 1 Mrd. EUR erreicht.

    Die Liste der Patente ist lang:

    https://www.patentguru.com/ass…llschaft-auto-und-verkehr

    Einmal editiert, zuletzt von Revan ()

  • Welche Fachkräfte werden denn aktuell und absehbar NICHT gebraucht?...

    Überflüssiges Vollzitat gekürzt. Wenn man es anklickt, erscheint der gesamte Beitragstext.


    Kannst du mir bitte verraten bis wann dann die durchschnittlich 20Mrd pro Jahr von den Flüchtlingen erwirtschaftet werden? Laut dir scheint sich ja alles gut zu entwickeln in Bezug auf wirtschaftliche Relevanz.

    Siehe https://de.statista.com/statis…ch-die-fluechtlingskrise/


    Bzgl. Berlin, wir haben jetzt LAUFENDE Kosten von 26 Mio zusätzlich. ZUSÄTZLICH! Woher kommen die? Berlin hat Null Geld, nein schlimmer: Minus-Geld ohne Ende.

    https://www.morgenpost.de/berl…e-Kosten-fuer-Berlin.html


    Bzgl. Energiekosten: Ist mir neu, dass Energiekosten für unsere Gesellschaft nebensächlich sind. Ich dachte, dass ALLES von Energie abhängig ist.

    Natürlich ist auch die Bauwirtschaft zunächst nicht so wichtig. Es überrascht mich aber, dass in einem Architektenforum niemand wegen seines Jobs beunruhigt ist.

    Was benötigt denn die, um Ontopic zu bleiben, Berliner Wirtschaft und Gesellschaft am meisten?

  • Blaine Du wirfst jetzt auch verschiedene Punkte bunt durcheinander. Dennoch mal ein paar Einordnungen.


    1) Die "durchschnittlich 20 Mia" sind hohe aber klar erkennbar bundesweite Zahlen (und da zählt u.a. so etwas wie Bekämpfung von Fluchtursachen stark rein). Ansonsten hatte ich weder geschrieben, dass die Flüchtlinge die Kosten schon demnächst komplett zurückzahlen werden oder müssen. Noch habe ich behauptet, dass Flucht überwiegend gut oder erstrebenswert für Deutschland ist. Diese Menschen sind aber eben auch keine Kügelchen am Rechenschieber, die man mal versuchsweise hin- und herschiebt und dann nach Kosten-Nutzen-Abwägung eine Entscheidung trifft. Es ist zunächst einmal sogar eine völkerrechtliche Pflicht, Menschen in solcher dramatischen, unverschuldeten Not zu helfen. Aber wenn sie nun einmal kommen und vermutlich teilweise auch bleiben, dann muss man sich mE natürlich auch mit Folgen und Perspektiven beschäftigen. Und diese sind eben bei differenzierter Betrachtung durchaus nicht nur negativ. Denn Deutschland leidet wie gesagt unter einem stetig zunehmenden Fachkräftemangel, der durchaus auch durch Flüchtlinge abgemildert werden kann. Das ist mE auch nicht unmoralisch gedacht. Die allermeisten Flüchtlinge wollen in jeder Hinsicht ankommen, lernen und arbeiten und auch hier ein normales Leben führen. Zynisch (und sozial wie wirtschaftlich "teuer") wäre, wenn man sie dauerhaft in Unterkünften belässt und nur sich selbst überlässt.


    2) Den Teil mit den Lohnkosten hast Du entfernt. Dennoch auch hier eine kurze Erläuterung: Ja, Deutschland hat AUCH wegen den Lohnstrukturen (sowie sozialem Prestige vs. Arbeitslast bestimmter Jobs) Probleme mit Fachkräftemangel. Und ja, man muss die Deutschen Arbeitnehmer wie auch die Flüchtlinge vor Lohndumping und Ausbeutung schützen. Diese Dynamik ist aber keine monokausale Geschichte: Gerade auch die demographische Entwicklung war lange eine ziemlich ungesunde: Immer mehr immer ältere Menschen, darunter auch viele Pflegebedürftige. In den letzten Jahren hat die Zahl der Erwerbstätigen dennoch stetig zugenommen und ebenso die Zahl offener Ausbildungsplätze sowie Stellenanzeigen, während die Arbeitslosigkeit sank (nominelle Vollbeschäftigung wurde zunehmend zu einem realistischen Szenario). Und immer mehr offene Jobs können somit nicht schnell genug besetzt werden. Selbst bspw. im IT-Bereich, wo das Lohnniveau zuletzt sprunghaft gestiegen ist und trotzdem knallhart um gute Kräfte gekämpft wird.


    3) Ich habe auch nirgendwo geschrieben, dass Energiekosten (oder erst einmal eine flächendeckende Versorgung) nebensächlich sind. Diese Annahme folgt auch nicht aus irgendetwas, DAS ich tatsächlich geschrieben habe. Da geht also Deine Phantasie mit Dir durch. Ich bin ähnlich wie Greta Thunberg oder Elon Musk der Ansicht, dass Deutschland für eine möglichst sichere, unabhängige, bezahlbare und klimaverträgliche Energieversorgung auch auf Atomkraft angewiesen sein kann. Und ich finde daher, dass der gleichzeitige Ausstieg aus allem ein schwerer, grob fahrlässiger wirtschaftlicher, politischer und gesamtstrategischer Fehler war und bleibt. Das ist aber kein Berliner Thema.


    4) Es gibt in einem System (ob Wirtschaft oder Natur) mE nie DEN einen wichtigsten Faktor. Es ist in der Wirtschaft wie in einem Ökosystem immer der Faktor der entscheidende, der gerade alles limitiert. Ein sehr gelungenes Bild dafür liefert die sogenannte Liebig-Tonne aka Liebig-Fass. Nur genügend bezahlbare Energie/ materielle Ressourcen reichen also nicht, sie dürfen aber auch auf keinen Fall fehlen. Nur potentielle Arbeitskräfte reichen auch nicht, sie dürfen aber ebenfalls nicht zu rar werden. usw. usf. Berlin benötigt also viele Faktoren, um wie eine Pflanze zu gedeihen. Dazu zählen quer durch alle Branchen u.a. auch die menschlichen Ressourcen. Und man wird unabhängig von Lohnanreizen weder Alte noch schwer qualifizierbare Junge für jede Lücke finden. Daher braucht es so oder so auch Zuzug. Ohne die Flüchtlinge würde man gezielt anwerben.


    P.S.: Teile meiner Vorfahren sind selbst aus Schlesien geflohen und mussten sich aus nichts neu etwas aufbauen und auch mit Anfeindungen (asoziale Schmarotzer) leben. Inzwischen sind Lehrer, Ärzte, Anwälte, Ingenieure, Elektriker, einfache Handwerker aber auch Wirtschaftsleute daraus geworden, die auch viel in die Gemeinschaft und in nachfolgende Generation investiert haben. Ähnlich wie die Hugenotten. Oder Vietnamesen. Oder inzwischen auch Syrer. Oder bald dann die Ukrainer. Flüchtlinge müssen nicht automatisch schlechter für das aufnehmende System sein als angelockte Fachkräfte. Schließlich werden viele von ihnen letztlich heimisch und bringen sich mit ein.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • 2021 wuchs das Berliner BIP um 3,3 Prozent

    Damit ist das Vor-Corona-Niveau von 2019 wieder zu knapp 99,4 Prozent erreicht, obwohl es 2020 noch einen Einbruch um 3,8 Prozent gab ( (100 - 3,8) x 1,033 ). Ergänzend zu den 50.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen und den hohen Investitionen u.a. in StartUps sind das mE ziemlich erfreuliche Zahlen. Passend zur nächsten Krise also eine starke Erholung. Wie es nun weiter geht, muss man aber natürlich erst abwarten. Ich befürchte, dass es diesmal eher schmerzhafter werden könnte, gerade wenn die aktuellen Energieprobleme sich zu einer echten Energiekrise entwickeln sollten.

    Quelle Berlin.de


    Berlin reaktiviert Modulbauten-Pläne

    Während der Syrien-Krise wurden 60 Modulbauprojekte geplant, aber nicht einmal ganz die Hälfte davon auch realisiert. Die restlichen 33 könne man nun schnell aus der Schublade holen. Anschließend sollen sie dann weiter bestehen bleiben und für Azubis und Studenten genutzt werden.

    Quelle Berlin.de


    Berlin will Ukrainische Lehrerinnen für den Berliner Schuldienst gewinnen

    Kürzlich schrieb ich ja von IT-Kräften, die trotz zunehmend guter Bezahlung weiter rar bleiben. Auch der Lehrermarkt ist trotz zunehmend besser Vergütung leergefegt und verschärft sich seit Jahren absehbar immer weiter und weiter. Durch die Ukrainischen Familien werden nun noch mehr Lehrkräfte benötigt. Allerdings haben sich inzwischen auch schon 100 potentielle Ukrainische Lehrerinnen in Berlin gemeldet. Die sollen nun möglichst schnell ankommen und eingesetzt werden. Perspektivisch sollen viele der ansässig werdenden Lehrkräfte später dann möglichst auch langfristig an die Schulen gebunden werden.

    Quelle Berlin.de


    Bayer investiert u.a. in Berliner Standort

    Der Bayer-Konzern kündigte in Berlin an, in den kommenden Jahre rund 2 Mia in die Pharmasparte zu stecken - davon über 1,4 Mia alleine in Deutschland. Investiert werden soll vor allem in Biotechnologien inklusive Zell- und Gentherapie. Insgesamt wird auch viel in Technologie, Automatisierung und Digitalisierung gesteckt werden. Inwiefern dabei auch Arbeitsplätze entstehen, ist mir bei diesen Schwerpunkten nicht ganz klar und es gab auch keine Angabe. Ebenfalls unbekannt ist noch, wieviel Geld in welche der fünf genannten Standorte (Bergkamen, Berlin, Leverkusen, Weimar, Wuppertal) fließt.

    Quelle Sueddeutsche Zeitung

  • Halbherziger Ausstieg aus den meisten Corona-Maßnahmen - "Leider" keine rechtliche bzw. ausreichende medizinische Grundlage für Fortsetzung der Grundrechtseinschränkungen

    Berlin wird anders als verschiedene Bundesländer wie Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern nicht zum Hotspot erklärt werden und somit schon ab morgen ein Ende der meisten Maßnahmen erleben. Allerdings kann man nicht gerade sagen, dass Berlin sich freiwillig an die geltende Rechtslage hält. Die Gesundheitssenatorin Ulrike Gote erklärte, die Situation in Berlin sei nicht so, dass die im Gesetz festgelegten Kriterien erfüllt seien. Berlin liege bei den Infektionen unter dem Bundesschnitt (Anmerkung: laut anderen Quellen aktuell sogar die niedrigsten Werte aller Bundesländer). Außerdem sei die Lage in den Krankenhäusern zwar angespannt, es drohe aber keine Überlastung. Ihr Fazit: "Wir können leider den Hotspot nicht juristisch erklären."

    Quelle Berliner Zeitung


    In meinen Augen ist das entweder eine sehr unglückliche Formulierung oder eine unmögliche Haltung - wobei ich leider letzteres befürchte. Man kann doch einfach nur froh sein, dass die Lage inzwischen vergleichsweise entspannt ist (hohe Immunisierungsraten, ausreichend Impfstoffe, wirksame Medikamente, relativ geringe Auslastung mit Intensivpatienten). Auch sollte dann mE wie in anderen Staaten selbstverständlich sein, dass es ohne absehbare Überlastung der kritischen Infrastruktur und mit ausreichenden Schutzangeboten bis auf weiteres auch keine empfindlichen Grundrechtseingriffe mehr geben darf oder braucht.


    Diese Halbherzigkeit ist übrigens auch in der Praxis der Umsetzung zu erkennen. Den Schulen wurde zwar vom Senat mitgeteilt, dass die Maskenpflicht aufgrund der neuen juristischen Lage morgen fällt. Zugleich wurde eindringlich geraten, die Masken flächendeckend weiter zu tragen. Und an den Schulen wird nun überall massiver Druck ausgeübt, dass die Schüler das auch "freiwillig" weiter tun. Bei den angehenden Abiturienten und MSA-Schülern mit bevorstehenden Prüfungen kann ich es ja auch noch verstehen. Aber selbst bei 1. und 2. Klassen wird mit teils scharfer Rhetorik Druck auf die Familien ausgeübt. In den Kollegien und Klassenzimmern aber auch in den Eltern- und Klassenchats zeigen sich überall Verunsicherung und Spannungen. Ich hatte es ehrlich gesagt befürchtet, bin nun aber doch etwas enttäuscht. Man kann mE eine Empfehlung aussprechen, sollte aber sachlich und differenziert bleiben. Schon bei den Impfangeboten für Grundschüler (ohne explizite Stiko-Empfehlung und gegen den expliziten Rat von Kinderärzten durchgedrückt) hat mir die Rhetorik nicht gefallen. Jetzt wiederholt sich das Thema also auch wieder bei den Masken. Dass gerade - aber nicht nur - die jüngsten Schüler u.a. für die Sprachentwicklung und das emotionale Wohlbefinden Mimik und klare Aussprache brauchen, hatte der Senat ja im vergangenen September nach 1,5 Jahren Corona-Chaos selbst mal eingeräumt - und die Maskenpflicht zumindest für Grundschüler aufgehoben - O-Ton Frau Scheeres: „Ich finde, dass das jetzt wirklich auch an der Zeit ist. Es gibt Kinder, die eineinhalb Jahre Maske getragen haben und Schule noch nie ohne Maske erlebt haben.“ Sie räumte auch die (allen Beteiligten leider gut bekannten) Auswirkungen auf Sprachentwicklung, Rechtschreibung, Lesefähigkeit und Englischunterricht ein. Damals war die pandemische Gesamtlage übrigens sogar ernster als jetzt und trotzdem entschied man so. Aber die Pointe: Schon kurz darauf kehrte die Maskenpflicht auch an die Grundschulen zurück (ohne dass die Kinder je ernsthaft unter den Infektionen gelitten hätten) und die ganzen fundierten Argumente interessierten die Politik oder die Öffentlichkeit mal wieder ebenso wenig wie die dringlichen Worte von Kinderärzten. Und jetzt also wieder dieser Herdendruck bis gegen die Kleinsten: "Ihr dürft selbst entscheiden, aber Ihr wisst ja genau, was besser/richtig ist und was wir von Euch erwarten." Was für die Kinder selbst besser ist, hat die Öffentlichkeit dagegen leider auch schon vor Corona ohnehin nur selten interessiert und in der Pandemie hat man es nun fast permanent aus den Debatten und Entscheidungen verdrängt.

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Auch Vize-Präsident der HU, Ludwig Kronthaler, tritt nun wegen neuem Hochschulgesetz zurück

    Nachdem der ehemalige Berliner Senat den resonanzstarken Rücktritt der hochgeachteten HU-Präsidentin Kunst - sowie die unisono erklärte Solidarität von FU, TU und UdK - noch mit Unverständnis quittiert hatte, nun also knapp ein halbes Jahr später die nächste deutliche Reaktion. So viel auch zur damals hingeworfenen Ankündigung, man könne das kaum umsetzbare Gesetz ja noch "präzisieren". Da konnte ich ehrlich gesagt auch schon nur gequält lächeln, weil ich das Verfahren mit kopflosen Reformen und hektischem Nachsteuern und Verschlimmbessern oft genug live miterleben durfte. Herr Kronthaler äußert sich nun übrigens ähnlich offen bzw. offensiv wie Frau Kunst: "Ich bin fest davon überzeugt, dass die BerlHG-Novelle vom 14.9.2021 der Wissenschaft schadet. Die Hochschulautonomie wird eingeschränkt, die Wissenschaft beschnitten und neue Bürokratie in großem Umfang wird die Wissenschaft behindern." sowie "Seit etwa 25 Jahren habe ich mich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen der Wissenschaft eingesetzt. An der Umsetzung von Verschlechterungen will ich mich jetzt nicht beteiligen müssen."


    Zur Einordnung gerade der letzten beiden Sätze:

    Herr Kronthaler war alleine 5 Jahre als einer der Vize-Präsidenten der HU aktiv. Davor amtierte er u.a. als

    -Generalsekretär der Max-Planck-Gesellschaft

    -Richter am Bundesfinanzhof München

    -Direktor für Ressourcenmanagement der Europäischen Raumfahrtagentur ESA in Paris

    -Kanzler der TU München

    Quelle rbb


    Man darf stark mE sehr daran zweifeln, dass etwa ein Herr Müller mehr Ahnung von der Materie der Hochschulstrukturen inkl. Finanzen, Personalstruktur und sonstiger Ressourcen aufweist als eine Frau Kunst oder ein Herr Kronthaler. Wenn u.a. dieser also mit "Unverständnis" auf solche Worte und Schritte reagiert, dann zeigt das mE vor allem wirklich Unverständnis im eigentlichen Sinne - i.e. Ignoranz. Aber in Berlin "wundert" man sich ja auch seit zig Jahren, dass die Schulkinder trotz der vielen, teuren (natürlich hochprofessionell geplanten, angemessen finanziell und personell ausgestatteten und durchgängig professionell begleiteten und evaluierten Reformen - ups, da fehlt irgendwo ein nicht) weiter durch die Reihen in allen fundierten Vergleichsarbeiten die schlechtesten Leistungen bringen - und veröffentlicht als erstes und mW weiter einziges Bundesland vorsichtshalber lieber gar nicht mehr die Ergebnisse. Oder dass man nach Abschaffung von Vorschule und Sitzenbleiben bei den Abschlüssen kräftig nachhelfen bzw. fast schon mogeln muss.


    Ein mE hervorragender aktueller Panorama-Artikel des rbb behandelt übrigens beim Thema Lehrermangel gleich beide Felder (des Scheiterns): Schule und Hochschule. Mit dieser aktuellen Einordnung sinkt leider auch wieder meine zunächst geäußerte (und vielleicht auch vom damals erst noch abwartenden Herrn Kronthaler geteilte) Hoffnung auf eine Verbesserung unter dem personell erneuerten Senat. Und auch hier fällt mir Frau Gote in ihren Äußerungen leider sehr negativ auf:

    "Es ist noch ein weiter Weg... Ich denke, es braucht einfach Zeit." bzw. "Wenn das so ist, muss man daran arbeiten." Auch die konkreteren Ansätze klingen bei näherem Hinsehen sehr vage.


    Es ist mE unglaublich, wie hier gesellschaftlich enorm wichtige Strukturen fahrlässig vor die Wand gefahren werden. Man kann sich auch nicht ewig drauf verlassen, immer wieder selbst verschuldete Lücken durch qualifizierte Zuwanderung zu füllen...

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 () aus folgendem Grund: Korrektur: Natürlich war die TU solidarisch mit der HU, nicht die HU selbst.

  • Berliner Senatorin wettert erneut heftig gegen Infektionsschutzgesetz - Corona-Politik spaltet Berlin - Berliner Zahlen aktuell sehr niedrig

    Frau Gote hat nun nochmal nachgelegt und noch trotziger über das neue Infektionsschutzgesetz geklagt. Berlin habe zwar die geringste Inzidenz aller Bundesländer und lediglich eine moderate Krankenhausbelastung. Das werde nun aber nicht mehr lange so bleiben. Sie sehe so auch keinen Spielraum für vorausschauende und fürsorgliche Politik mehr: "Das aktuelle Bundesinfektionsschutzgesetz ist Mist. Die Hürden des Gesetzes machen uns als Land ein vorausschauendes Handeln unmöglich. Sie sollen es ja sogar verunmöglichen."

    Quelle rbb


    Für mich als früheren Befürworter einer strengen Corona-Politik ist diese Haltung unter den aktuellen Gegebenheiten tatsächlich vollkommen absurd, erschreckend und auch kontra-produktiv. Das Infektionsschutzgesetz trägt ja lediglich den zunehmenden (und mE völlig gerechtfertigten) juristischen und medizinischen Zweifeln an den Schutzmaßnahmen Rechnung: keine Grundrechtseinschränkung ohne Notwendigkeit und auch keine vorbeugenden Einschränkungen aufgrund nicht klar absehbarer zukünftiger Gefahren. Selbst die eigenen Rechtsexperten des Bundestages haben - zu damals wohlgemerkt eher noch brenzligeren Zeiten - deutlich zu verstehen gegeben, dass man die Roten Linien des Grundgesetzes bereits eher schon überstrapaziert hat (ja, laut Herrn Scholz gibt es angeblich keine roten Linien mehr, rein verfassungsjuristisch dann aber eben schon noch). Ich kenne zudem die Glaskugel der Frau Gote nicht, dafür aber die Datenbank des RKI (besonders der Gesamtverlauf ist spannend) und die des rbb und ich verfolge die Situation in anderen Ländern sehr aufmerksam. Anhand der Daten kann man ganz objektiv festhalten:

    - In Deutschland hatten wir zwar nie eine höhere offizielle Inzidenz als 2022 aber auch nie eine höhere Impf- und Immunisierungsquote in Kombination mit grundsätzlich milder verlaufenden Symptomen und ausreichender Versorgung mit Impfstoffen, Medikamenten und freiwilligen Schutzmöglichkeiten.

    - Trotz der deutlich höheren Inzidenzen hat Deutschland mit rund statistisch gezählten 10% "Corona-Patienten" in den Intensivstationen eine vergleichsweise niedrige Belastung. So gab es u.a. im April 2020 13%, im Januar 2021 sogar fast 25%, im April 2021 sowie im Dezember 2021 erneut über 22%. Anders gesprochen sind aktuell weniger als 3 von 100.000 Deutschen mit Corona auf einer Intensivstation (vorher teilweise ca 6 oder auch schon über 6)

    - Hinzu kommt außerdem ja noch, dass Corona nun bei Hospitalisierungen, Überweisungen auf die Intensiv und Sterbefällen häufig nur noch eine (oft genug zufällige) Nebendiagnose darstellt. Manche Krankenhäuser sprechen von 90% Nebendiagnosen. Systematisch erhobene offizielle Zahlen kenne ich leider nicht. Aber das wird auch nicht groß anders als in Dänemark oder Großbritannien sein, wo die tatsächliche Krankheitslast inzwischen als marginal und grippeähnlich gilt.

    - Apropos Dänemark: Die Dänen haben damals aufgrund der Datentrends bei einer Rekord-Inzidenz von über 5.000(!) aus Überzeugung alle Maßnahmen abgeschafft und sich anschließend selbstbewusst und vehement gegen jede verzerrte Darstellung ihrer Pandemie-Dynamik verwehrt. Die angeblich weit höheren Gesamtsterbezahlen hat es unter Omikron NIE gegeben, lediglich innerhalb stabiler Sterbezahlen anteilig mehr Tote mit Corona als Nebendiagnose.

    - Nun nochmal speziell zu Berlin: Wir haben laut RKI deutschlandweit sogar die niedrigste Inzidenz (unter 900), die geringste Positivrate bei PCR-Tests (unter 16%), die niedrigste Krankenhaus-Inzidenz (unter 2,6 - das ist deutschlandweit die Intensiv-Inzidenz), und dazu trotz Patienten aus anderen Bundesländern eine der niedrigsten Intensivauslastungen mit corona-positiven Patienten. Auch sind die Kurven zuletzt auf diesem bereits niedrigen Plateau weiter gesunken. Wenn es also einen passenden Zeitpunkt zum Wagnis von Lockerungen gibt, dann aktuell in Berlin (in Hamburg erwarte ich übrigens zeitnah Klagen gegen den Hotspot-Status, denn auch dort sind die Zahlen objektiv sehr niedrig).


    Ich kann somit absolut nicht verstehen, wie eine Senatorin diese Zahlen inklusive deren Einordnung durch Experten lesen, verstehen und gleichzeitig so sprechen kann (zumal wenn man die Lage in den Nachbarländern verfolgt). Es erschüttert mich sogar regelrecht. Wie Herr Lauterbach gibt sie stark verunsichernde Signale an die Bevölkerung, wonach man sich aus Sicht der Politik zu ständigen Tests und Maskentragen eigentlich dauerhaft freiwillig verpflichten muss, wenn man kein höchst egoistisches und unsoziales Wesen sein will. Ihre bereits gezogene Prognose zeigt zudem, wie stark sie selbst der Möglichkeit einer freiwilligen Regulierung misstraut. Das Resultat dieser spalterischen Rhetorik erlebt man mE aktuell überall in Berlin. Maskenträger werfen oft (mindestens) sorgenvolle oder vorwurfsvolle Blicke auf Maskenlose. Maskenlose reagieren umgekehrt entnervt, wenn sie jemand an die (inzwischen ausgelaufenen) Bestimmungen erinnert. Betriebe bekommen unabhängig von ihrer Entscheidung für oder aber gegen Fortbestand von Maßnahmen auf Basis des Hausrechts wütende Kommentare und Boykottaufrufe in den sozialen Medien. Und während Österreich die hart erkämpfte Impfpflicht nachträglich doch in den Wind schießt, hat der Bundestag nun trotz weit größerer aktueller Sorgen eine ferne Impfpflicht hoch oben auf die Agenda gesetzt. Ich vermute aber, dass diese Pflicht auch bei einem Beschluss normal spätestens in Karlsruhe kassiert wird. Inzwischen ist etwa in Dänemark Normalität und sozialer Frieden längst wieder selbstverständlich (wobei dort ohnehin nie so heftig gespalten wurde wie hier).

    2 Mal editiert, zuletzt von jan85 () aus folgendem Grund: Quelle zum Zitat ergänzt

  • Berlin und Brandenburg wollen Kooperation vertiefen - Fokus u.a. auf Verkehrsinfrastruktur - Umland boomt immer weiter

    Vor knapp einer Woche tagte eine gemeinsame Kabinettssitzung beider Bundesländer, wo Frau Giffey und Herr Woitke große Pläne verkündeten: Berlin-Brandenburg soll innerhalb Deutschlands zu einer wissenschaftlich, wirtschaftlich und kulturell(?) führenden Region werden. Innerhalb der Kooperation sollen bestimmte Säulen besonders betont werden:

    - Anlocken und Halten von Fachkräften

    - sogenannte "Innovationskorridore" mit thematischer Vernetzung

    - Ausbau der Schieneninfrastruktur (heute wird ein gemeinsamer Gipfel zwischen beiden Bundesländern und der DB stattfinden), insbesondere 10 wichtige Pendlerlinien sowie entlang besagter "Innovationskorridore" stehen hierbei im Fokus

    - Wasserstoffwirtschaft (das ist zumindest mir als Fokus bislang noch relativ neu)


    Auch die Verteilung der Flüchtlinge sowie die Finanzierung von Maßnahmen wollen beide Länder gemeinsam koordinieren (Berlin ist Hauptbetroffener, während Brandenburg ebenfalls zu den am stärksten involvierten Ländern zählt - obgleich die Zahlen der Ankömmlinge zuletzt nachließen).

    Quelle rbb


    Exemplarisch für die Sinnhaftigkeit bzw. Notwendigkeit einer engeren Kooperation mal nur die Entwicklung Schönefelds mit dem BER: In den über 120 Jahren von 1875 bis zu den Eingemeindungen von 2003 entwickelte sich die Bevölkerung von knapp 500 (nur Schönefeld) auf knapp 12.000 (inklusive 5 zusätzlicher Gemeinden). Nur 20 Jahre später sind es nun schon 19.000 Menschen und aktuell wird jetzt alleine in einem Stadtquartier für ca. 10.000 weitere Bewohner gebaut. In 15 Jahren werden insgesamt rund 30.000 Einwohner erwartet, bereits in rund 3-4 Jahren deutlich über 20.000 - womit man demnächst von der Kleinstadt zur Mittelstadt aufsteigt). Bekanntlich entstehen parallel riesige Büro- und Gewerbeflächen (alleine zusätzliche 1 Mio m² Büros). Schönefeld liegt beim Steueraufkommen ja schon jetzt fast gleichauf mit dem viel größeren Potsdam und wird perspektivisch wohl vorbeiziehen. Zugleich arbeiten bislang lediglich 900 Schönefelder vor Ort, während die Kleinstadt fast ebenso viele tägliche Ein- und Aus-Pendler wie Einwohner hat: 17.000.

    Quelle Tagesspiegel

    Quelle MAZ (leider mit Bezahlschranke)

    Einmal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Ich kann somit absolut nicht verstehen, wie eine Senatorin diese Zahlen inklusive deren Einordnung durch Experten lesen, verstehen und gleichzeitig so sprechen kann (zumal wenn man die Lage in den Nachbarländern verfolgt).

    Ich weiß, mit meiner Aussage hier und da Kopfschütteln zu erzeugen, aber in meinen Augen sind die Grünen mittlerweile eine absolute antidemokratische Hardliner-Partei geworden. Zumindest in großen Teilen. Die Aussagen der Senatorin passen da gut ins Bild. Wer sich beschwert, dass "leider" juristisch keine Möglichkeiten bestehen, die Bundesregeln zu übergehen, offenbart kein besonders gutes demokratisches Grundverständnis. In diesem Land herrscht Gewaltenteilung und Rechtstaatlichkeit. Diese wurden die letzten 2 Jahre genug übergangen, nun sah die Bundesregierung schlussendlich keine juristischen Möglichkeiten mehr, sich weitere Begründungen für ein Aufrechterhalten der Maßnahmen aus den Fingern zu saugen.


    Viele Politikerinnen haben sich in Corona ziemlich verrannt und waren bereit, demokratische Grundkonsense aufzukündigen. Die Aufarbeitung dessen beginnt erst und die Grünen werden sich viele unangenehme Fragen stellen lassen müssen.


    Genau so die Linken, die sich aus der Opposition gänzlich verabschiedet haben und sich willfährig dem Corona-Kurs der Regierung angeschlossen haben. Noch schlimmer, sie haben früh die Hetze gegen Ungeimpfte und generell Kritiker der Corona-Politik nicht nur unwidersprochen gelassen, sie haben diese Hetze aktiv befeuert und viele Menschen pauschal als rechts diffamiert, die abweichende Meinungen gezeigt haben. Der Stimmung und dem demokratischen Miteinander hat man damit einen Bärendienst erwiesen. Die Wahl im Saarland zeigt meiner Meinung nach, abseits der Lafontaine-Personalie, erste Abstrafungen dieser Partei für den Verrat ihrer eigenen Werte und den eingeschlagenen Corona-Kurs. Die Linke ist zu recht in der größten Krise seit ihrem Bestehen, die Grünen profitieren noch von ihrer Arbeit als Regierungspartei.


    Viele Menschen sind diese Panik-Politik leid. Auch die Gesundheitssenatorin macht auf russisch Roulette, in dem sie ins Dunkle hinein rät, die Zahlen würden nun wieder steigen. Stützt sie die Aussagen auf irgend eine wissenschaftliche Evidenz? Ich denke, wir alle kennen die Antwort insgeheim. Eine Politik, die seit 2 Jahren unwissenschaftliche Politik zu lasten der Menschen macht, da stehen wir. Wer nur "Impfpflicht" geifern kann und sich jeder gesellschaftlichen Debatte über Alternativen verschließt, liest dann halt die Zahlen so, wie sie derzeit gelesen werden.