Wirtschaft, Politik, Forschung, Gesellschaft

  • Bericht auf tagesschau.de über ein Thema, dass mir als ausgesprochenen Event-Muffel noch nie aufgefallen ist.


    Demnach ist Berlin im Vergleich zu manch kleinerer Stadt infrastrukturell und demografisch wesentlich schlechter für Konzerte à la Taylor Swift aufgestellt und wird deshalb geradezu von den Veranstaltern gemieden.


    Vieles klingt plausibel, aber ein kleiner Hauch augenzwinkerndes Berlin-Bashing scheint auch manchmal mitzuschwingen. ; )


    Ein interessantes Stück Zeitgeist 2024 ist es allemal.


    https://www.tagesschau.de/inla…rs-berlin-meiden-100.html

  • Schon sehr viel Berlin Bashing. Bzw. selbst Bashing, da vom RBB - Gras ist Grüner auf der anderen Seite vom Zaun kann man in der Berliner Gegend bekanntlich ja sehr gut. Was ist da jetzt der Kritikpunkt? Das Berlin nur ein 75.000 Personen fassendes Stadion hat (Und nebenbei noch eine ganze Latte anderer ausgewachsener Locations)? Da will ich mal die Liste der Städte sehen, die überhaupt ein 75k+ Stadion aufweisen können. Das genannte Volksparkstadion in Hamburg zu mindestens nicht. Und das man in München ein Pop-Up Stadion für eine Person aufbaut, ist in Zeiten wo alle nach mehr Nachhaltigkeit schreien, auch fraglich. Und seit wann hat das Ruhrgebiet 13 Millionen Einwohner? Und wo sind da die vielen 75k Personen Stadien genau - maximal Dortmund und Gelsenkirchen. Und wo ist ausgerechnet(!) im maroden Ruhrgebiet die Infrastruktur besonders gut? Auch erschließt sich mir die Logik nicht, warum Bands wie Rammstein, U2 etc. im Olympiastadion absolute Megakonzerte veranstalten können und das dann andere Stars abschrecken sollte?

    Der Artikel liest sich so, als hätte jemand einfach viel Frust und müsste den mal loswerden. EM, DFB Pokal Finale, Special Olympics, Istaf, tausende große Konzerte, Berlin Marathon, Paraden für 100.000ende und zahlreiche andere Events sollten doch wohl gezeigt haben, dass Berlin schon immer mit Großevents sehr gut klar kommt - auch was die Öffi Infrastruktur angeht.

    Wo wir gerade beim Thema EM sind um auf das Kernthema des Threads einzugehen: Gestern wurde in den Nachrichten des Berliner Rundfunks berichtet, dass Berlin-Brandenburg der Konjunktur-Flaute in Deutschland trotzt. Wirtschaftswachstum Q1/2024 war laut dem Bericht bei satten 1,6% und soll aufgrund der EM für Q2 noch auf 2,0% steigen. Auch von entsprechend positiven, langfristigen Folgen der EM wurde gesprochen.

  • ^Es ist sicher kein Standortvorteil aber auch kein riesiges Drama. Das gönne ich Hamburg, München und Co.

    Ich persönlich vermisse da tatsächlich eher die etwas größeren Musicals, die es in Deutschland primär in Hamburg gibt.

    Im Vergleich zur xundfünfzigsten Zwischenstation Taylor Swift und Co finde ich ein EM-Finale oder selbst das DFB-Pokal-Finale dann aber doch relevanter. Und es ist ja nicht so, dass es in Oly, Uber Arena, Waldbühne und Co nicht trotzdem noch genügend Künstler im Angebot gibt.


    Das mit dem Wirtschaftswachstum ist sehr erfreulich. Leider sieht es da in anderen Teilen Deutschlands aktuell schwieriger aus. Allerdings hatte ich kürzlich von einer Analyse der Deutschen Bank gelesen, wonach die Industrie (ähnlich wie bspw auch in Japan) inzwischen innovativere und hochwertigere Produkte mit höheren Margen produziert und sich so trotz Verlusten auf dem Massenmarkt inzwischen wieder der identische Handelsüberschuss wie vor den Krisen eingestellt hat. Allerdings kann es natürlich trotzdem sein, dass so Arbeitsplätze verloren gehen und der Wohlstand weniger in der Breite der Gesellschaft ankommt. Übrigens soll dieser Anpassungsprozess aber auch schon länger laufen und bspw auch vor Corona und den Kriegen und Handelskonflikten begonnen haben...

  • Allerdings hatte ich kürzlich von einer Analyse der Deutschen Bank gelesen, wonach die Industrie (ähnlich wie bspw auch in Japan) inzwischen innovativere und hochwertigere Produkte mit höheren Margen produziert und sich so trotz Verlusten auf dem Massenmarkt inzwischen wieder der identische Handelsüberschuss wie vor den Krisen eingestellt hat.

    Also bei den Süddeutschen Autoherstellern und den Zulieferern ist der Gewinn um 20% bis 30% und teilweise sogar mehr eingebrochen, das größte Chemiewerk der Welt in Ludwigshafen macht täglich (!) 4 Millionen Euro Verlust. Berlin kann froh sein das hier vor allem gut bezahlte Dienstleistungsjobs angesiedelt sind. Für das produzierende Gewerbe stehen die Zeichen aktuell sehr schlecht, vor allem wenn man mit den Leuten intern redet.

  • yourrulez: Dachte ich mir auch. Es gibt in Deutschland genau drei Stadien in der 75.000+ Liga – Dortmund, München und Berlin. Wobei Berlin angesichts des großen Innenraums bei Konzerten das größte Fassungsvermögen haben dürfte. Auf jeden Fall mehr als der Signal-Iduna-Park, in dem Taylor Swift gespielt hat.


    Auch sonst argumentiert der Artikel inkonsistent: Das Tempelhofer Feld ist nicht immer für Konzerte verfügbar – okay. Aber andere Städte haben oft gar nichts vergleichbares. Für das Olympastadion soll Fußball ein Problem sein – für Gelsenkirchen oder Hamburg aber nicht? Die Metropolregion Berlin hat 6,3 Mio. Einwohner mit einer Bevölkerungsdichte von 208 Personen pro Quadratkilometer, die Metropolregion Hamburg hat 5,4 Mio. mit einer Bevölkerungsdichte von 191 Personen – aber Hamburg soll ein dichtes besiedeltes Umfeld haben, Berlin ein dünn besiedeltes? Naja.


    Sogar die Waldbühne als hervorragende Location für mittelgroße Open Airs gerät hier zum Nachteil, und ein großes Festival wie das Lollapalooza wird als Negativbeispiel genannt, obwohl der letzte Ärger sechs Jahre her ist und es auf dem Olympiagelände mittlerweile einen festen Standort gefunden hat.


    Also ja, dass Taylor Swift nicht in Berlin war, ist schade. Dass Berlin zu schlecht sei für große Konzerte, wie es der Artikel nahelegt, ist pseudo-kritisches RBB-Selbst-Bashing. Ich glaube, die Stones waren auf jeder Europa-Tour der letzten 20 Jahre in Berlin. Und so viele Acts in dieser Größenordnung gibt es nicht. Was bleibt: Berlin ist doof, weil es Adele kein Stadion gebaut hat. Damit kann ich leben.

    Berlin Marathon, Paraden für 100.000ende und zahlreiche andere Events sollten doch wohl gezeigt haben, dass Berlin schon immer mit Großevents sehr gut klar kommt

    Zumindest, wenn parallel keine Wahl stattfindet. ;)

    Einmal editiert, zuletzt von Architektenkind () aus folgendem Grund: Unklaren Bezug geklärt.

  • Regent Es betrifft ja nicht unbedingt die identischen Unternehmen, die alle diesen Transformationsprozess im Gleichschritt meistern. Es wird durchaus schmerzhafte Verluste geben, was aber angesichts der globalen Größenverhältnisse auch nicht besonders überraschend kommen kann.

    Wobei bspw Daimler auch zunehmend den Volumenmarkt meiden und kleine Modelle einstellen bzw durch große luxuriöse Limousinen, SUV, Sportmodelle etc ersetzen will. BMW ist mW schon länger etwas erfolgreicher als die anderen bei den Margen und VW wurde auch schon mehrfach verfrüht abgeschrieben. Da werden es bspw die Franzosen und Italiener mit deutlich größerem Fokus auf Kleinwagen ggf noch schwerer haben. Für die Berliner Region wird aber ohnehin eher spannend, wie sich Teslas Volumenmodelle mittel- bis langfristig behaupten können. Und ob das Kompaktmodell überhaupt noch vor Ort zur Produktion kommt.

  • Das Olympiastadion steht für musikalische Großevents kaum zur Verfügung. Mir scheint, dass dies der entscheidende Punkt ist. Die Zahl der Events ist limitiert und die entsprechende Regulierung umfasst das ganze Olympiagelände inkl. der Waldbühne. Der Hintergrund dafür liegt u. a. in Anwohnerinteressen, Lärmschutzauflagen, etc.


    Und weil das Olympiastadion kaum, nur für ihr wenige Großevents gebucht werden kann, gibt es dann doch einen Mangel in Berlin an möglichen Locations für Großevents wie z. B. von Taylor Swift. Vor allem, wenn wenn es um mehrere Tage hintereinander geht.


    Ich bin auf dieses Thema gekommen im Rahmen der Thematik, dass Hertha BSC im Bereich des Olympiageländes ein Fußballstadion bauen möchte.

  • Ich bin auf dieses Thema gekommen im Rahmen der Thematik, dass Hertha BSC im Bereich des Olympiageländes ein Fußballstadion bauen möchte.

    Ja das stimmt. Das Problem ist , dass Bewohner die in der Nähe Wohnen er dagegen sind. Gemeint an der : Sportforumstraße ( östlich des Olympiastadion .Der Grund ist das Manche Wohnhäuser abgerissen werden müssten für die Fläche des neuen Stadion. Es soll Laut Plan für ca. 55.000 Zuschauer Gebaut werden. Das Olympiastadion mit ca. 74.000 Plätze gehört eigentlich nicht mal den Verein Hertha BSC. Das ist nur gemietet. Daher möchte Hertha unbedingt in dieser Gegend am olympiastadion bauen bzw. Bleiben. Als Alternativ war mal die Rede am Mailfeld aber der soll, wenn ich mich nicht Irre so bleiben. So " kurz" Zum Thema Olympiastadion.

  • Zunächst einmal ergänze ich der Vollständigkeit halber mal eine der Quellen für die Analyse der deutschen Bank und hier das Fazit im O-Ton.

    Eine der Kernaussagen ist mE, dass die Gesamtproduktion - und proportional hierzu zunehmend auch die Beschäftigung - (i.e. die industrielle Basis) signifikant schrumpfen, der Gesamteffekt auf das "Volkseinkommen" aber stabil bleibt und daher eigentlich eher von einer industriellen Evolution als von einer generellen Deindustrialisierung die Rede sein müsse. Die Deutsche Bank gibt hierbei laut eigenen Worten Optimisten und Pessimisten gleichermaßen ein Stück weit Recht. Ich finde man sieht das u.a. gut an dem letzten Bayer-Invest in Berlin, wo eine extrem leistungsfähige Fertigungsanlage aufgebaut wurde, für die jedoch nur gut eine Hand voll neue Mitarbeiter angestellt wurden. Generell ist Berlin bei der Transformation weit vorne dabei, da hier bereits sehr viel "alte Industrie" abgebaut wurde und eher neue entsteht, während sich viele der bestehenden Betriebe wandeln (aber einige auch nach wie vor akut von Abwanderung bedroht sind wie z.B. Gilette in Richtung Polen). Die Zahl der Industrie-Beschäftigten ist hier schon seit einigen Jahren weitgehend stabil, faktisch ist die Produktivität und Wertschöpfung pro Mitarbeiter aber enorm gestiegen und der Standort entsprechend konkurrenzfähig (hatte ich hier im Thread auch schon alles mal näher ausgeführt und Quellen verlinkt, weiß aber gerade nicht mehr wo).

    Klar ist aber zugleich auch, dass so oder so Existenzen daran hängen und es wie in jeder Umbruchphase zu entsprechenden sozialen Verwerfungen führen wird. Vor allem aber müssen die Menschen entsprechend qualifiziert werden, um die nach wie vor nachgefragten Stellen adäquat besetzen zu können.


    Umso wichtiger wäre es, dass die Bundesländer ihre Hausaufgaben in Sachen Bildungspolitik besser erledigen (denn Bildung bleibt Ländersache) und die junge Generation breit, flexibel und resilient aufstellt. Und genau das ist so ein Feld, wo ich wirklich sehr neidisch auf den Norden der Republik blicke. Speziell Hamburg mit einigermaßen ähnlichen Ausgangsvoraussetzungen hat sich bei der Vermittlung der basalen Kompetenzen massiv verbessert. Dagegen sieht es in Berlin nach wie vor traurig aus, wie u.a. dieser Artikel treffend beschreibt. Inzwischen ist er hinter einer PayWall, aber kurz gefasst:

    - Berlin hat über Jahrzehnte gepfuscht und die heranwachsenden jungen Generationen müssen es ausbaden.

    - Während anderswo - u.a. in Hamburg - das (längst vorhandene!!!) Wissen über Sprachförderung (insbesondere Lese- und Schreibflüssigkeit sowie Textkompetenz) aber auch Rechenkompetenz angewandt und die eingesetzten Verfahren auch beständig evaluiert und angepasst wurden, gab es hier immer wieder Diskussionen, Entschuldigungen und [meine Ergänzung] zermürbende Reformen ohne vernünftige Pilotphase oder Evaluierung.

    - Inzwischen kann fast die Hälfte der Kinder nach 2 bis 3 Jahren Schule nicht mal auf Mindeststandard lesen (aber selbst Informationen hören) oder rechnen und bis zur 8. Klasse wird das Defizit nur noch größer.

    - Immerhin: Die neue Bildungssenatorin treffe hierbei keine Schuld. Während ihre Vorgänger noch die Veröffentlichung der Ergebnisse verhinderten (mE ein handfester Skandal, der nie angemessen gewürdigt wurde), sei nun im Gegenteil in diversen Bereichen weitflächige Transparenz etabliert worden und die Senatorin blicke auch ohne jede Eitelkeit auf eben jene Bundesländer die es seit Jahren empirisch nachweisbar deutlich besser machen. Inzwischen gebe es vielversprechende Ansätze (nachzulesen auch hier).

  • Erstes Halbjahr 2024 mit recht positiven Signalen

    Inzwischen gibt es immer mehr Ergebnisse und Analysen zum ersten Halbjahr und es sieht insgesamt gar nicht mal so schlecht aus. Da es eine Menge an Themen und Daten gibt aber sich die Artikel teilweise auch überschneiden, werde ich es mal selbst etwas sortieren und dann anschließend die Quellen separat auflisten bzw. verlinken.


    BIP soll wohl mit ca. 2% etwas stärker wachsen als 2023

    Nachdem das BIP im Vorjahr einigermaßen überraschend doch noch um 1,6% wuchs, soll es dieses Jahr sogar für rund 2% Wachstum reichen. Wir wären damit zwar noch immer weit entfernt von alten Bestmarken, aber mE doch wieder auf einem durchaus soliden Niveau unterwegs. Besonders bei den Dienstleistungen geht es insgesamt wohl rauf aber auch bei den Startups sowie beim Tourismus sieht es wieder besser aus. Dazu aber unten mehr.


    Deutlich mehr Ansiedlungen und Expansionen

    Insgesamt gab es in den ersten 6 Monaten des Jahres bereits 58 von Berlin Partner betreute Ansiedlungen und damit nur 17 weniger als im gesamten Vorjahr (was mit insgesamt 75 Ansiedlungen auch als gutes Jahr galt). Rund zwei Drittel oder 64% der neuen Firmen stammten dabei aus dem Ausland (besonders viele aus UK, Türkei, USA und Ukraine. Hinzu kommen noch 150 betreute Expansionen von Bestandsunternehmen. Unter ersteren ragt die große neue Zentrale der Warner Music Group heraus und unter letzteren Bayers neues Translationszentrum für Zell- und Gentherapien aber auch die Modernisierung des Mercedes Werks. Neue Wachstumsimpulse gibt es zudem mit dem Baustart für Siemensstadt Square sowie starken Aufträgen bei den Zugbauern Alstrom, Siemens Mobility und Stadler aber auch bei Siemens Energy. Insgesamt betreute Berlin Partner im ersten Halbjahr Investitionen von rund 650 Mio und damit ein "Rekordvolumen".


    Erholung bei den Startup-Investitionen - anhaltender Fokus auf Fintechs, neuer Boom in Gesundheitssektor

    Hier gibt es zunächst einmal deutschlandweit gute Nachrichten: Es wird wieder deutlich mehr Geld investiert (mit 3,4 Milliarden bestes erstes Halbjahr seit 2015) und das Geld verteilt sich inzwischen auch auf immer mehr Regionen (Berlin erhielt 1,1 Mia, neu auf Platz 2 und inzwischen recht dicht hinter Berlin ist bspw. NRW mit 822 Mio). Dadurch ragt die Hauptstadt nicht mehr so stark heraus wie früher, was insgesamt aber gut für das "Ökosystem" ist. Auffallend stark bleibt Berlin beim Thema Fintechs, wo man 88% der Gesamtmittel oder 283 Mio einsammelte (bspw. NRW als 2. noch 33 Mio und der Finanzstandort Hessen als Dritter sogar nur noch 2 Mio). Mit der Gründung des "House of Finance and Tech" will man zudem Europas größten Fintech Hub etablieren und so weitere Gründungen begpünstigen. Ein erfreulicher neuer Trend ist dagegen, dass es u.a. aufgrund besserem Zugang zu Daten von Charité und Co inzwischen zunehmend auch Gründungen im Health Tech Bereich gibt. Zudem bleibt Berlin insgesamt die gründungsfreudigste Region Deutschlands (7,1 Gründungen pro 100.000 Einwohner, 2. HH mit 4,1, 3. Bremen mit 2,3 und 4. Bayern mit 1,9).


    Quellen:

    ausführliche PM von Berlin Partner

    Präsentations-Folien von Berlin Partner

    Sueddeutsche Zeitung zur Wirtschaftsbilanz

    Tagesspiegel zur Wirtschaftsbilanz

    Ernst & Young zur StartUp-Bilanz

    Zeit mit Analysen und Prognosen der Investitionsbank Berlin