Leipzig: Verkehrsprojekte

  • Wir diskutieren hier mitnichten nur über Architektur, sondern auch über deren gesellschaftliche und politische Rahmenbedingungen. Dabei ist es einem Thema wie "Leipzig: Verkehrspolitik" schon titelimmanent, über Politik zu schreiben, zumal beim Thema Verkehr, gar bei Verkehrspolitik, kaum über Architektur gesprochen werden kann.

    In Leipzig liegt nämlich der politische und Verwaltungs-Rahmen darin, daß kaum neue Strecken gebaut werden, und diese noch nie (!) am Bürgerwiderspruch gescheitert sind, sondern vielmehr der hiesigen Politik und Verwaltung erlagen und noch erliegen.

    Wenn Neubaustrecken seit Jahrzehnten "Untersuchungsstrecken" heißen und mit jedem neuen Nahverkehrsplan abermals geprüft werden, liegt das kaum am Bürgerwiderstand.

    Worüber sollten wir denn hier sonst diskutieren, wenn nicht über die (fehlenden) politischen und amtlichen Voraussetzungen "Leipziger Verkehrsprojekte", da reale Nahverkehrsprojekte eher Mangelware sind.

  • Zumal neue Strecken wirklich dringend benötigt werden, die Stadt wächst - nicht nur in der Dichte - sie erschließt vor allem ja auch neue Flächen - diese müssen vernünftig und zügig erschlossen und angebunden werden. Zudem richtet sich die Stadt offensichtlich zunehmend mehr auf den ÖPNV und Radverkehr aus, als auf den motorisierten Individualverkehr - was ich persönlich im Kern auch für sehr richtig und klug halte. Dann ist es doch nur folgerichtig, dass die Stadt neue Linien braucht. Und nachgewiesenermaßen sind Straßenbahnen nunmal effektiver als Busse. Nur kann und darf das dann aber keine 10 Jahre dauern, zumal das Bauen selbst ja nicht billiger wird. Und der Vergleich mit der Autobahn vor der Haustür hinkt aus meiner Sicht, schließlich muss man in einer Großstadt mit dem Ausbau des urbanen ÖPNVs auf den Straßen durchaus rechnen, sonst hat man unter Umständen den falschen Wohnort gewählt. Andere deutsche Großstädte sind vergleichsweise schneller bei solchen Projekten, das kann also auch nicht (allein) ein Problem der Bundesgesetzgebung sein.

  • Wenn sich die Parteien im Bundestagswahlkampf irgendwo einig waren, dann vor allem bei der Notwendigkeit von schnelleren Planungs- und Genehmigungsprozessen. Bei dem Thema dürften hitzige politische Diskussionen am wenigsten zu erwarten sein.

  • Der LVZ ist aufgefallen, daß in Leipzig seit ein paar Monden keine neuen Straßenbahnstrecken gebaut wurden - und zwar hier:

    https://www.lvz.de/Leipzig/Lok…ssenbahnstrecken-zu-bauen

    Im Artikel selbst versucht das Blatt den Ursachen auf den Grund zu gehen und sieht einen "Ämterkrieg".

    Ein paar Stichworte aus dem Beitrag:

    - Leipzig käme mit dem Bau neuer Straßenbahnstrecken nicht voran (!)

    - hinter vorgehaltener Hand würde von hausgemachten Problemen der Stadt gesprochen

    - verschiedene Ämter arbeiteten gegeneinander

    - Beispiel Mockau Nord: Umverlegung von Seiten- auf Mittellage / Gründe hätten vorher bekannt sein müssen

    - diese seien dort Einsprüche von Umwelt- und Grünflächenamt

    - Streit um Erhalt einer Baumallee

    - Streit um Parkplätze

    - auch in Zukunft Konfliktpotential: es drohten weitere Änderungswünsche

    - "aufkommende Entwicklungsinteressen" in Mockau

    - das alles vor dem Hintergrund zu knapper Planungskapazitäten

    - auch in Zukunft bliebe das so

  • Das alles erschöpft sich nur wieder in einer Zustandsbeschreibung. Die mangelnde Umsetzung ist der Skandal. Diese ganzen bürokratischen Verhedderungen offenzulegen offenart ein Führungsproblem, wo es offenbar möglich ist, dass sich Ämter aus Eigennutz gegeneinander ausspielen. Wie kann es sein, dass so wichtige Verkehrsprojekte auf den St. Nimmerleinstag verschoben werden. Es geht hier ja nicht um 6 Monate, sondern um halbe Jahrzehnte. Wenn Verkehrsplanung mit einem absolut aberwitzigen Abstimmungsaufwand abläuft dann braucht man sich über den überhohen Anteil von Individualverkehr nicht wundern. Und so im Kleinen, wie im Großen: Ob es nun TRAM- oder S-Bahnlinien sind. Es geht viel zu langsam, zu teuer und zu komplex zu. Überteuerte Projekte und x-malige Umplanungen die wieder zu Mehrkosten sind die Folge. Das gegenwärtige Planungssystem ist unrettbar verloren. So krass ist das zu konstatieren und zähle mir bitte niemand Apologien auf. Da fahre ich schon aus Trotz mit dem Auto.

  • ^^


    aus Trotz (sic) würde ich ja nicht Auto fahren, sondern eher die Verwaltung mit Schriftstücken oder Einwohneranfragen "nerven". Das wäre zumindest zielführender!

  • Das Papier kann ich mir getrost sparen, denn alles ist ein in sich selbstbeschäftigendes System der nicht enden wollenden Einspruchsmöglichkeiten, Widersprüche, Sachzwänge sowie Gesetzesvorgaben von Land, Bund und EU einkorsettet, das es da nichts mehr an Spielraum gibt. Hermetische Verkrustung.

  • ^^


    aus Trotz (sic) würde ich ja nicht Auto fahren, sondern eher die Verwaltung mit Schriftstücken oder Einwohneranfragen "nerven". Das wäre zumindest zielführender!

    Manche wollen aber einfach schnell und unkompliziert von A nach B kommen - da nützt ein Einspruchstakkato kurzfristig wenig 8)

    ^ In Magdeburg, Berlin und Chemnitz wird immerhin extensiv gebaut. Da bleibt Leipzig in der Tat als Negativbeispiel

  • Recht gesprochen, Dr. Zott. Ich sehe einfach nicht ein, wieso ich an Verkehrsexperimenten teilnehmen soll, die von vornherein auf die Benachteiligung einpendelner Arbeitnehmer hinauslaufen. Es ist eben derzeit nicht möglich, einfach so mal auf Rad und ÖPNV umzusteigen.Dafür ist das Netz viel zu zaghaft geplant worden und der Ausbau dauert aufgrund verkrusteter und sich in nebensächlichen Details verzettelnder Bürokratie zu lange um wirklich relevante Änderungen zu zeitigen. Sollte Leipzig auf einen dauerhaften Pfad, des Sichselbstgenügens und der Verbüllerbüung einschlagen, wären die Umlandgemeinden sicher dankbar, die Zuwächse an Wirtschaftskraft in ihre Fluren umzulenken, was Ansiedlungen und neue Baugebiete betrifft.

  • ^


    ich weiß ja nicht, was dir widerfahren ist, aber durch Wiederholen werden falsche Thesen nicht richtiger. Gerade im Süden ist der ÖPNV mit der Sachsenmagitrale und mehreren S-Bahnlinien alles andere als zaghaft ausgestattet. Da kannst du bedenkenlos alle paar Minuten mitfahren. Fast rund um die Uhr (am WE rund umd die Uhr).


    Deine Behauptung, man würde "einpendelnde Arbeitnehmer benachteiligen" ist dahingehend falsch, dass du ALLE Arbeitnehmer in der Verkehrsmittelwahl a) dem MIV zurechnest und b) von Benachteiligung sprichst. Beides trifft nicht zu. Durch sensiblbe Bereiche führen in der Stadt mehrspurige Bundesstraßen, um die Stadt führt ein Autobahnring, es gibt Parkplätze ohne Ende, Da findet die Benachteiligung offenbar nur in deiner Fantasie statt.


    Korrekt ist, dass nach Jahrzehnten der Besserstellung des MIV auch die anderen Verkehrsträger den Rückstand im Ausbau abarbeiten müssen. Besser Fuß und Radverbindungen helfen übrigens auch den MIV-Einpendlern: Wenn Leipziger ihren PKW mal nicht nutzen, ist mehr Platz auf der Straße.


    Die Ansiedlungspolitik hat ganz andere Probleme, nämlich die, brauchbares Personal zu akquieren. DAS wiegt ungleich schwerer als das privat frei gewählte Hin- und Herfahren mit PKWs. Offenbar stören sich auch Firmen nicht an deinem Weltuntergangsbeschreibungen, schließlich werden direkt im zentralen Bereich Leipzigs auch neue Firmenzentralen gebaut.


    Fazit: Deine Einlassungen sind fachlich falsch.

  • wobei die meisten Ansiedlungen - zum Beispiel parallel zur A 14 - nur grottenschlecht mit dem ÖPNV erreichbar sind. Irgendwie mit der 16 raus und dann noch in einen Umlandbus: das fördert nicht gerade den ÖV.


    Die "besseren Fuß- und Radwegverbindungen" sind in Leipzig explizit weiße Streifen, die leider nur dazu führen, daß die Tram öfter im Stau mit dem MIV steht. Das werte ich nicht wirklich als Förderung des Umweltverbundes. Bei aller Sinnhaftigkeit des Radverkehrs: man muß auch einsehen, daß ein relativ hoher Anteil der Berufspendler aus gesundheitlichen, zeitlichen, sicherheitsrelevanten, sportlichen oder hyhienischen (ich kann leider auch nicht duschen auf Arbeit, und den ganzen Tag leicht verschwitzt im Anzug ist auch schwierig) bis hin zu logistischen Gründen gar nicht aufs Rad umsteigen kann.

  • ^ es gibt ja aber auch noch die Faktoren des Pendelns zu den großen Arbeitgebern im Norden aus verschieden Bereiche rund um die Stadt. Wenn ich also nicht die umliegenden Kommunen und Gemeinden im LK Nordsachsen, LK Leipzig, dem Saalkreis oder Burgendlandkreis dezentral vernetze, haben ja nur die Leipziger*innen etwas davon. Da bräuchte es wesentlich umfangreichere Planungen. Selbst wenn zB eine S-Bahnverbindung Merseburg-Leipzig steht und ein HP GVZ-Nord existiert, werden sicher die allerwenigsten von Merseburg mit der S-Bahn zu Porsche oder DHL pendeln.



    Generell ist Deutschland so stark dezentralisiert, dass es eben gar nicht so einfach ist alle von der Straße zu holen. Das zeigt sich vor allem vom Rheinland über das Rhein-Main Gebiet, bis runter in den Raum Karlsruhe und weiter den Raum Stuttgart. Was dort auf Autobahnen aber auch in Zügen pendelt, ist enorm. Dadurch ist eine Strategie des Wechsels vom herkömmlichen Auto zum emissionsfreien, sicher besser und vor allem schneller. Nicht jeder "Hidden-Champion" in einer mittelgroßen oder kleinen Stadt ist mit dem ICE aus dem nächsten Ballungsraum erreichbar.

  • ^^

    Das sind mehr Stereotypen! Nach Norden kann man mit der Tram 16 rauszockeln oder auch in wenigen Minuten per S-Bahn zum Bf Messe gelangen. Die Busanbindungen sind typisch LVB mau bis mies, doch das ist zum Glück kein Naturgesetz. Besser ist es am GVZ geworden, der Anschluss ist ab Rathaus Wahren (Tram/Busse) und S-Bf Wahren (auf Anschluss von/zur S3) mit Bus 91 / 191. Der wird tags wie nachts von den Schichtdienstlern gut genutzt. Ist halt noch zu wenig, um anständige MArktanteile zu sichern.


    DHL sieht ganz anders aus. Dort stemmt die S3 dank Jobticket 30% des Berufsverkehrs (rund 2.000 Leute) tags wie nachts. Die Bedienung wird auf Chefebene sichergestellt. Ausfälle würden empfindliche Lücken reißen und DHL holt die mit Busshutteln im Minutentakt vom S-Bf ab. Es wird genutzt, aus und nach Leipzig wie Halle.


    (@ hedges: Merseburger werden rasch nach Halle fahren und dann mit S3 oder ab Ammendorf mit dem stündlichen PusBus direkt nach S-Bf Schkeuditz.)


    Rad fahren auf Arbeit machen zigtausend, ohne duschen zu müssen. Das betrifft ausgesprochene Sport- oder Langstreckenradler. Die Masse radelt entspannt. Würden es mehr machen, würde es in Summe um die Gesundheit der Gesellschaft besser bestellt sein, Bewegung an frischer Luft tut gut. Dass Berufspendler diesen nicht nutzen könnten, ist schlichtweg Unsinn. Eher haben es viele noch nie probiert oder trauen es sich nicht zu. Ansonsten empfiehlt sich die Anschaffung eines Pedelecs, damit können selbst Rentner locker mit 30 km/h cruisen.


    Die Märchen mit der ÖPNV-Behinderung durch Radstreifen sind auch ausgeleiert, weil falsch. Auf allen Straßen stand die Bimmel schon immer im Stau, wenn es zu hohen MIV-Aufkommen oder illegalerweise zugestellten Kreuzungen kommt. Die Streifen verhindern lediglich das riskante Rechtsvorbeifahren an der Bimmel. Die Dresdner Str. ist inzwischen keine Staufalle geworden. Die nach und nach mehr werdenden Radler hingegen sind zu Teilen auch entfallener / verlagerter KfZ-Vekehr und helfen somit REAL dem ÖPNV, denn die stehen nirgendwo im Weg herum.


    Radverkehrsförderung sind auch die unabhängigen Radwege. Wie Bahnbogen Sellerhausen, Karl-Heine-Radweg, die Wege zu und um die Seen usw. Da gibts noch ne Menge Potenzial.

  • Je nun - die einen sehen die Straßenbahn durch die Radstreifen behindert - die anderen nicht; und beide Parteien wiederholen diese Beobachtung natürlich. Ja, und es gibt Lee, die aus unterschiedlichen Gründen nicht mit dem Rad pendeln können. Warum das ein Stereotyp sein soll, weiß ich nicht; daß es pauschal "Unsinn" sein soll, halte ich für Unsinn. Mit dem Auto zur Arbeit machen zigtausend. Sie werden ihre Gründe dafür haben. Ich behaupte, der wesentliche Grund liegt in schlechten ÖV-Verbindungen.

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    der wesentliche Grund in der MIV Nutzung (für den Arbeitsweg) liegt in der Förderung durch den Staat:

    - Geberbeansiedlungen mussten (bis vor kurzem) Stellplatznachweise erbringen, somit herrscht praktisch nie Mangel

    - Pendlerpauschale und absetzbare KfZ-Kosten wirken zuvorderst beim PKW, andere Verkehrsträger sind da systematisch nicht so wirksam in der Entlastung

    - Medial wird die PKW Erreichbarkeit als Zwangspunkt hingestellt, per se ist sie es nicht, auch wenn es das Gros der Leute so handhabt.

    - PKWs sind inzwischen das mobile Wohnzimmer. Also geht es nicht um verkehrliche oder fehlende alternative Verbindungen, sondern um das Zuhause-Feeling mit allen Drum und Dran (ein Beweis mehr, warum Werbung wirkt und die Dt. KfZ-Branche gibt für Werbung jährlich knapp 3 Mrd. Euro aus!)


    Die Radstreifenauswirkungen sind messbar - Wo stehen deswegen Bahnen um Rückstau? Ich wüsste keine Stelle.

  • Es gab aber vorher in der Tat asphaltierte und abmarkierte Schienen, die dank Radwegabmarkierungen jetzt nicht mehr abmarkiert und ergo auch nicht mehr autofrei sind. Pars pro toto Ebertstraße, Gohliser Straße, Dresdner Straße, Schumannstraße. Diese Tatsachenbeschreibung gehört nicht zwingend zum Sprech der MIV-Lobby, wie Du hier behauptest. Da die Stadt sich nicht getraut, im Zuge der Radwegabmarkierungen dem ruhenden Verkehr Platz zu nehmen, wirkt es natürlich so, als fechten hier Rad und ÖPNV gegeneinander.

    Inwiefern die neuen Radwege tatsächlich Leute vom MIV aufs Rad wechseln lassen - oder nicht vielmehr ehemalige ÖPNV-Nutzer aufs Rad bringen, scheint noch nirgendwo exakt untersucht worden zu sein - könnte also auch unter Ammenmärchen fallen