Molkenmarkt, Klosterviertel - Neuplanung und kleinere BV

  • ^ Beim Projekt "B&B Voltaire" geht es zwischenzeitlich in die Höhe:




    Auf der gegenüberliegenden Seite, also zwischen Bahntrasse und Feuerwache (zuletzt hier), tut sich hingegen nach wie vor nichts.

    3 Mal editiert, zuletzt von Mosby87 ()

  • Es hat sich ja schon länger abgezeichnet, jetzt ist es offiziell: Die Umbauarbeiten im Bereich Molkenmarkt werden verschoben. Frühestens 2020 wird es hier losgehen.
    http://www.tagesspiegel.de/ber…muss-warten/20267772.html


    Ich prophezeie, dass es zu diesem Gebiet in den nächsten Jahren eine spannende Diskussion geben wird. Im nächsten Jahr wird das Bürgerbeteiligungsverfahren zum Molkenmarkt starten. Gleichzeitig werden Ausgrabungen beginnen, und es ist gut möglich, dass interessante Dinge gefunden werden, die dann in Form von archäologischen Fenstern sichtbar gemacht werden sollen.

  • Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Bebauungsplan wieder aufgemacht wird. Der scheint allgemeiner Konsens zu sein (außer vielleicht beim ADAC).

    Einmal editiert, zuletzt von Tomov ()

  • Es ist aber doch nicht neu, dass der Umbau von Molkenmarkt und Mühlendamm erst nach Beendigung der U5 Baumaßnahmen beginnen sollen. Daher wundert mich auch nicht, dass die Gelder dafür erst 2020 bereitgestellt werden.

  • Tomov, was Du dir vorstellen kannst ist wenig relevant. Die archäologischen Grabungen haben bei allen B-Plänen in der Altstadt zu Änderungen geführt. Warum sollte das am ältesten Platz der Stadt, an dem noch nie gegraben wurde, nun plötzlich anders sein? Ich denke, das wir nach den Grabungen anderes diskutieren werden.


    Dass allerdings am Alten Markt vulgo Königsmarkt vulgo Mollenmarkt vulgo Molkenmarkt etwas vom alten Berlin sichtbar gemacht wird ausser ein paar Alibikrümel kann man allerdings ausschliessen. Berlin will sich ja seiner Geschichte nicht vergegenwärtigen (mit Ausnahme der letzten 50 Jahre), der Rest ist ja Steinzeit oder wird vom Bund finanziert. Von dem groß angekündigten archäologischen Fenstern am Petriplatz und an der Königstraße ist ja auch genau nichts übrig geblieben. Die Reste des Ermelerhauses sind genauso vollständig entsorgt worden wie man mit dem Palais Derfflinger verfahren wird. Berlin wird neu gebaut - da stören 800 Jahre Geschichte nur.

  • Berlin will sich ja seiner Geschichte nicht vergegenwärtigen (mit Ausnahme der letzten 50 Jahre) [...] Berlin wird neu gebaut - da stören 800 Jahre Geschichte nur.


    Diese Kritik wäre 1950 oder 1970 richtig gewesen, schon Mitte der 80er stimmte sie nicht mehr. Das ganze Molkenmarkt-Projekt dreht sich doch darum, das Viertel wieder an den Stadtraum des 18. und 19. Jahrhunderts heranzuführen. Freilich darf die Stadtplanung dabei den Verkehr des 21. Jhdts nicht beeinträchtigen, was ein wenig der Quadratur des Kreises ähnelt. Außerdem ist die soziale Struktur von heute ganz anders als die vor 250 Jahren, weshalb es keine stolzen Bürger mehr gibt und kein zeitgenössisches Äquivalent der alten Kontorhäuser, sondern nur noch institutionelle Investoren, die ganze Häuserzeilen in Standard-Styropor-Optik bebauen. Das ist durchaus ein Kulturverlust, aber nicht dem bösen Wille der Senatsverwaltung geschuldet, sondern den ökonomischen Bedingungen.


    Im Übrigen ist es irreführend, Konstantin, wenn man Alt-Berlin von der Gründung bis zum 2. Weltkrieg als mit sich identische, historische Stadt betrachtet, danach aber als etwas ganz anderes. Der Einschnitt durch den Krieg, die DDR-Hauptstadtplanung und die "autogerechten" Verkehrsschneisen ist frappant, aber auch die Altstadt von 1918 war eine andere als die von 1750 – wilhelminischen Großprojekten fiel barocke Bausubstanz hektarweise zum Opfer. Die barocke Stadt ihrerseits stand auf den Fundamenten der Häuser von 1450, welche wiederum die Bebauung von 1250 ersetzt hatten. In jeder europäischen Stadt finden sich ältere Siedlungsschichten, die durch neuere überbaut wurden – weil die alte Bebauung durch Brände oder Krieg zerstört wurde, weil sie als nicht mehr zeitgemäß galt oder weil sie einem großangelegten Stadtumbau weichen musste.


    Nie hatte man Probleme, das Alte zu opfern, weil das Neue stets als überlegen galt. Hatten die Erbauer des Ermelerhauses 1720 Skrupel, beim Ausheben der Baugrube historische Mauerreste zu beseitigen? Nein. Verschwunden ist diese Sorglosigkeit erst mit dem Scheitern der Städtebau-Moderne: Diesmal hat sich das Neue als Irrweg entpuppt, also steigt die Wertschätzung des Alten. Allerdings in idealisierter Form: Was den Leuten vorschwebt, wenn sie sich "Das historische Berlin" zurückwünschen, ist eine Museumsstadt aus mittelalterlichen Kirchen, barocken Palais, pittoresken Gassen und wilhelminischen Prachtbauten; alles ohne Armut und Seuchengefahr, sondern frisch getüncht, mit Strom und Warmwasser und gutem Verkehrsanschluss, damit es bis zum Auto nicht so weit ist.


    Diese Stadt hat es nie gegeben, und angesichts der Geschichte des 20. Jhdts. hätte es sie auch nicht geben können. Man darf das bedauern, man darf aber nicht die Stadtplanung von heute daran messen. Diese kann angesichts einer völlig veränderten sozialen, technischen und ökonomischen Struktur höchstens versuchen, Reminiszenzen an das Verlorene zu schaffen – die Phantasie in Wirklichkeit verwandeln kann sie nicht.


    P.S.: Mit den "vollständig entsorgten Resten des Ermelerhauses" sind Fundamente aus dem 18. Jhdt. gemeint. Das Gebäude selbst wurde in den Sechzigerjahren abgetragen und am Märkischen Ufer wieder aufgebaut. Man kann dort heiraten.

  • Die Kritik bleibt heute genauso richtig, wie sie damals gewesen wäre. Die Veränderungen in der Berliner Altstadt waren bis 1918 weitestgehend eine behutsame Modernisierung während sienach 1945 auf das vollständige Exetutieren der Altstadt bedacht waren.


    Natürlich muss eine Wiederbelebung der Altstadt den Verkehr des 21. Jahrhunderts stören. Ich kenne wenig Städte, die immer noch 8-spurig ihren Autoverkehr durch ihre Altsadt leiten und dies auch nicht substanziell ändern wollen. Diese grundsätzliche Änedrung in der Verkehrspolitik gibt es nicht in Berlin - deshalb kann eine Umgestaltung des Molkenmarktes - wie der Petriplatz - nur scheitern. Aber, wie ich schon schrieb: warten wir erstmal die Grabungsergebnisse ab.


    Was das Verhältnis zur Geschichte betrifft messe ich den Senat nur an seinen eigenen Worten. Es sollte einen archäologischen Pfad mit unserschiedichen Stationen geben, der weitstgehend beerdigt wurde. Statdessen gibt es jetzt ein Mini-Bronzemodell der Altstadt vor der Marienkirche. Und solche Kulturvernichtung wie das Erdgeschoß des Alten Rathauses ist in anderen Städten z. Zt. schwer vorstellbar. Es geht mit nicht um die Erhaltung des einen oder anderen Mauerrestes, sondern darum dass z.B. an der Breiten Straße und am Köllnischen Fischmarkt erstmal tabula rasa gemacht wird um dann etwas zu erreichten, was mit der Innenstadt nicht zu tun hat und genauso auch in Marzahn, Parchim oder Kuala Lumpur stehen könnte.

  • Was den Leuten vorschwebt, wenn sie sich "Das historische Berlin" zurückwünschen, ist eine Museumsstadt aus mittelalterlichen Kirchen, barocken Palais, pittoresken Gassen und wilhelminischen Prachtbauten; alles ohne Armut und Seuchengefahr, sondern frisch getüncht, mit Strom und Warmwasser und gutem Verkehrsanschluss, ...


    Und was soll daran so schlecht sein?


    Nun, du formulierst den entscheidenden Kritikpunkt selbst in den folgenden Zeilen:

    Diese Stadt hat es nie gegeben, ...


    Es mag sein, daß es diese Stadt nie gegeben hat, und trotzdem ist der Aufbau im oben genannten Stile erstrebenswert.

  • Es ist doch immer das Gleiche: schon wer auf den jahrhundertealten Stadtgrundriss als Leitgedanken verweist, dem wir der übliche Kanon an Schlechtigkeiten vorgeworfen: Ewiggestrigkeit, Geschichtsfälschertum, Disneylandproduzent. Meist schliessen noch ein paar schlimmere Vorwürfe an - wahlweise ist man "vordemokratisch" (Lederer), "wilhelminisch" oder gleich (Halb-Nazi) - das kommt immer auf den Zusammenhang und die Heftigkeit der Diskussion an. Bei Frau Lüscher reicht es, dass man "heute ja auch nicht mehr in der Kutsche fährt". Und dabei hat die Diskussion über Architektur meist noch gar nicht begonnen, es geht ja bislang nur um den Stadtgrundriss.


    Wenn man sich die Protagonisten dieser Kritik anschaut, so fallen schnell die zwei bekannten Gruppen auf:


    1) Zeitgenössische Architekten, die es nicht verwinden können, dass die abstrakte Moderne keine einzige zusammenhängende, lebenswerte Innenstadt von Rang hervorgebracht hat. Angesichts der Beibehaltung von Funktionstrennung, absurder Dimensionssprünge und Detailarmut wird das auch so bleiben.


    2) Die politische Linke, die unterstellt mit dem Städtebau der Vergangenheit käme auch dessen Gesellschaftssystem, also der Feudalismus wieder (was gleichzeitig natürlich bei Rekonstruktionen aus der Zeit des Sozialismus als völlig abwegig beuhauptet wird). Oder das umgedrehte Argument von "Architektenkind", man dürfe etwas nicht rekonstruieren, weil man die Armut der Vergangenheit nicht wiederherstelle. Das ist beim Humboldtforum dasselbe: erst ist es gut, dass die aussereuropischen Kulturen im Humboldtforum präsentiert werden, heute darf das nicht sein, weil es "kolonialistisch" ist.


    Entscheidend ist eine Argumentationkette aufzubauen, da jeden Rückgriff auf Strukturen oder Architektur der Vergangenheit verbietet. Parallel jedoch feiert die Einsicht in die traditionelle Stadt überall in Europa wieder Erfolg nach Erfolg. Es wird rekonstruiert, wiederhergestellt, nachempfunden, adaptiert - die Bevölkerung begrüsst das Ergebnis seit über 2.500 Jahren unisono. Es ist ja in der Geschichte der Rekonstruktionen kein einziger Fall von Rekonstruktionsreue bekannt, also von dem Beschluß eine Kommune eine Wiederherstellung eines historischen Gebäudes rückgängig zu machen.


    Dieser fulminante Erfolg eines Prinzips führt in Berlin zu skurrilen Blüten. So sagte Preussenstiftungschef Parzinger jüngst mit Bezug auf die geplante Rekonstrukton der Bauakademie: das muss dann aber das letzte Mal sein. Warum denn, bitte? Hier wird suggeriert, bei Rekonstruktionen handele es sich um eine gefährliche Droge, die Menschen in wohlige Rauschstimmung versetzt letztendlich aber der Gesundheit schade. Dafür aber gibt es doch überhaupt keinen Anhaltspunkt.

  • ^^ "Oder das umgedrehte Argument von "Architektenkind", man dürfe etwas nicht rekonstruieren, weil man die Armut der Vergangenheit nicht wiederherstelle."

    Die hermeneutische Rücksichtslosigkeit, mit der manichäisch gesonnene Foristen anspruchsvolle Argumentationen, die sie offensichtlich nicht zu erfassen vermögen, traktieren, ist zuweilen atemberaubend.

  • ^^ Häh? Reinsteigern?


    Ich habe gerade mal drei eigene Sätze geschrieben. In einem so kurzen Beitrag ist es wohl kaum möglich, sich reinzusteigern. Zum Vergleich: liebes Architektenkind, du hast in deinem Beitrag #532 immerhin 39 Zeilen verfasst. Und jetzt rate mal, wer sich von uns beiden reinsteigert?

  • ^^Du kennst Fremdworte, ElleDeBe... Die Ertapptheit der Beteiligten läßt mich erkennen, dass ich richtig liege - das braucht im übrigen keinerlei Hermeneutik, um den Sinn von Architektenkind zu erfasssen. Die Rückschlüsse liegen ja auf der Hand und sind in vielen Beiträgen zu diesem Thema zu greifen.


    Alternativ könne man das als gedankenloses Mainstream(nach)gequatsche interpretieren. Aber ich mag ja hier nicht böswillig werden.

  • ^ Na, wenn Du schon so stolz darauf bist, hier igend jemanden "ertappt" zu haben, dann weise uns doch bitte anhand des Textes von Architektenkind nach, was Du ihm unterstellst: dass er behauptet habe, "man dürfe etwas nicht rekonstruieren, weil man die Armut der Vergangenheit nicht wiederherstelle."


    Ich meine das ernst, denn mit dieser präpotenten Unfähigkeit, etwas anspruchsvollere Argumentationen nachvollziehen zu wollen und duch die Dreistigkeit, sie zur Unkenntlichkeit zu verunstalten, vergraulst Du die besten Leute und schadest massiv diesem Forum. Also: Wo hat Architektenkind das gesagt, was Du ihm unterstellst?

  • Was soll denn bitte an der Argumentation "anspruchsvoll" sein? Das sind doch die üblichen, sattsam bekannten Gedankenketten. Etwas Neues oder über die bisherige Diskussion hinaus Weiterführendes kann ich da nicht erkennen.


    Neu ist bestenfalls die Argumentation es sei kein Problem das historisch Überkommene abzureissen, weil es unsere Vorfahren mit den historischen Bauten auch schon so gemacht haben. Also übersetzt: weil z.B. die DDR etwas plattgemacht hat dürfen wir das heute auch. Vice versa weil Kaiser Wilhelm etwas kaputt gehauen hat ist das heute auch legitim.


    Das ist doch absurd: Altes Rathaus, Gerichtslaube, die komplette Fundamentierung der Ratswaage am Petriplatz, große Teile des Kellers (nicht der Fundamente) des Ermelerhauses (die Aufzählung liesse sich beliebig fortführen) rückstandslos zu entsorgen und entweder Stahlbeton für ein U-Bahnröhre drüberzukippen, die unter dem Rathausforum genausogut 3 Meter nördlicher hätet verlaufen können oder den trivialsten o8/15 Styroporwohnungsbau à la WBM drüberzuknallen ist Kulturbarbarei. Wenn denn wenigstens etwas halbwegs anspruchsvolles Neues entstünde, das man mit dem Substanzverlust (allesamt eingetragene Denkmale) abwägen könnte - aber nein: ausschliesslich banalste Notdurftarchitektur.


    Deshalb nochmal zurück zum Molkenmarkt: hier war der älteste Platz der Stadt. Wenn in Berlin ein Roland stand, war er hier. Hier stand Friedrich I. (Zweitguss steht vor dem Schloß Charlottenburg) und der Platz hiess Königsmarkt. Und im Boden werden sich aussergewöhnliche Dinge finden, die das Planungsgeschehen der 8-spurigen Autobahn, die hier noch immer geplant ist, hofefntlich nochmals beeinflussen.


  • Diese Stadt hat es nie gegeben, und angesichts der Geschichte des 20. Jhdts. hätte es sie auch nicht geben können. Man darf das bedauern, man darf aber nicht die Stadtplanung von heute daran messen. Diese kann angesichts einer völlig veränderten sozialen, technischen und ökonomischen Struktur höchstens versuchen, Reminiszenzen an das Verlorene zu schaffen – die Phantasie in Wirklichkeit verwandeln kann sie nicht.


    Erstmal willkommen zurück :)


    Was du vergisst ist, dass heutige (erhaltene wie wiederaufgebaute) Altstädte eine andere Funktion haben als früher und das nicht trotz sondern sogar aufgrund der Art ihres Grundrisses und ihrer Architektur. Diese erfüllen ein gegenwärtiges Bedürfnis nach Identität/Unterscheidbarkeit, erfüllter Freizeitgestaltung (Bummeln), Kunst/Inspiration/Atmosphäre, Geschichtserfahrung, Sightseeing und den typischen Angeboten (Bars, Restaurants, kleinteiliger und spezialisierter Einzelhandel. Das heißt eine Altstadt erfüllt auch in der heutigen Zeit eine wichtige Funktion.


    Man muss das nicht von der heutigen Stadtplanung erwarten, aber man kann es durchaus. Natürlich würde man keine Altstadt an einem Ort bauen, wo nie eine war, also bietet sich lediglich der historische Ort an, insbesondere wenn dieser ohnehin einer Neuplanung bedarf. Da muss sich die Stadtplanung dann im Zweifel an der anderer Städte wie Frankfurt oder Lübeck messen lassen. Ich bin mir sicher, dass der Wiederaufbau des Frankfurter Dom-Römer-Areals sich als großer Erfolg herausstellen wird und finde es schade, dass man den Wiederaufbau dort nicht zum Anlass nimmt, auch in Berlin neu über den ehemaligen Stadtkern zu diskutieren.

  • ^ Danke! :cheers:


    Da scheint mir ein Missverständnis vorzuliegen: Ich mag erhaltene Altstädte (Prag und Barcelona gehören zu meinen Lieblingsstädten) und auch Altstädte, die im Krieg (teil-)zerstört und anschließend auf dem alten Grundriss in einem Mix aus erhaltenen, rekonstruierten und neuen Fassaden wieder aufgebaut wurden. Ich bin in Braunschweig aufgewachsen, wo nach dem Krieg so verfahren wurde, und ich halte die Innenstadt für sehr viel gelungener als die von Hannover oder Kassel, wo man nach der tabula-rasa-Methode verfuhr. Auch bin ich sehr dafür, die autogerechten Irrwege der Moderne zurückzudrängen und urbane Dichte (gerne auf altem Grundriss) wiederzugewinnen. Den B-Plan zum Molkenmarkt halte ich deshalb für einen städtebaulich guten Kompromiss (aus Annäherung an den alten Grundriss und Zwängen des Individualverkehrs), fürchte aber, dass es an der Qualität der Architektur hapern wird (das teile ich mit Konstantin, nur aus anderen Gründen als er).


    Bei zeitgenössischen Großreko-Projekten wie dem Dom-Römer-Areal in Frankfurt bin ich allerdings skeptisch (wobei skeptisch skeptisch meint, nicht: hasszerfressen feindselig.) Habe mir den aktuellen Stand dort kürzlich angeschaut und mich ambivalent gefühlt. Einerseits macht das Ganze wirklich mehr her als das Technische Rathaus, das dafür weichen musste. Andererseits hatte ich nicht den Eindruck, dass dort ein reales Stadtviertel wächst, sondern eher ein Alt-Frankfurt-Erlebnispark, in den vornehmlich Touristen kommen werden, um in einer pseudo-authentischen Alt-Frankfurter Apfelweinschwemme pseudo-authentische Urtümlichkeit zu genießen.


    Reko-skeptisch, nicht reko-feindlich, meint auch: Ich höre mir gerne Argumente an, warum man an einen verlorenen status quo ante wieder anknüpfen sollte (und stimme ggf. zu oder habe Einwände). Voraussetzung für eine fruchtbare Diskussion ist aber, dass alle Seiten ein Stadtbild nicht als Zustand, sondern als Prozess begreifen – als etwas, das ständig in Veränderung ist und nicht bis 1939 "richtig" war und seitdem "falsch" ist. Auf ein Argument reagiere ich deshalb allergisch: Das der Echtheit. Dass etwas richtig sei, wie es früher einmal war, weil es früher einmal war, ist ein in die Vergangenheit projizierter naturalistischer Fehlschluss. Und auf so einer Basis lässt sich nicht diskutieren (was für den Zustand von 1989 genauso gilt wie für den von 1939 oder von 1918).


    Also übersetzt: weil z.B. die DDR etwas plattgemacht hat dürfen wir das heute auch.


    Du solltest nicht versuchen, Argumente zu "übersetzen", die Du nicht verstanden hast.

  • Andererseits hatte ich nicht den Eindruck, dass dort ein reales Stadtviertel wächst, sondern eher ein Alt-Frankfurt-Erlebnispark, in den vornehmlich Touristen kommen werden, um in einer pseudo-authentischen Alt-Frankfurter Apfelweinschwemme pseudo-authentische Urtümlichkeit zu genießen.


    Dann hast du hoffentlich noch nie in München ein Weißwurstfrühstück bestellt? Oder einen Flammkuchen in Straßburg? Eine Pizza in Rom? All diese Städte sind irgendwo auch Erlebnisparks für Touristen, nicht immer so ganz authentisch, was ich aber nicht schlimm finde, denn als Einwohner gewinnt man ja auch viel, außer man lebt lieber in Kassel oder Pforzheim und hat dort sein Karstadt, sein Shopping-Center und ansonsten seine Ruhe.