Leipzig: Umgang mit Bauerbe

  • Die Argumentation ist die gleiche wie bei dem weggedämmten und verputzen Wandbild an der Giebelwand der Karl-Heine-Str. 117: Wenn das Objekt aus der Zeit des Nationalsozialismus stammen würde, hättet ihr es doch vernichten wollen. Werbung aus der DDR-Zeit aber soll erhalten werden. Das zeigt dann angeblich, dass es nicht um Denkmalschutz, sondern um irgendeine heimliche Affinität zur DDR gehen soll.


    Nur ist es hier wie dort völliger Unsinn. Zu den Wandbildern hatte ich mich bereits geäußert: http://www.deutsches-architekt…d.php?p=357365#post357365 Vor der restaurierten Persil-Werbung aus den 1930er Jahren an der Zschocherschen Str. 54 patrouillieren ja auch keine "artig gescheitelten" HJ-Pimpfe und "freudig ihrem Tagwerk entgegenschreitende" SA-Horden. Und die vielen Menschen, die für die Rekonstruktion der alten Glasfassade von 1931 an den historischen Weinstuben des Leipziger Schnaps-Produzenten Wilhelm Horn spendeten ( http://www.horns-erben.de/die-fassade.html ), waren vermutlich auch nicht alle als junge Erwachsene im Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold aktiv. Ich kenne mehrere Häuser, wo in den Zimmern an ursprünglich freistehenden Kommunwänden Werbung aus der Zeit um 1900 erhalten ist und die Denkmalpflege deren Bewahrung oder doch zumindest die genaue Dokumentation vor dem Überstreichen gefordert hat. Ist der zuständige Stadtbezirkskonservator etwa Monarchist?

    Siehe sowohl für die DDR-Reklame als auch für die aus der Zeit der Weimarer Republik und dem NS;


    A. Tappert; Leipziger Volkszeitung Online vom 04.04.2002
    Plagwitzer rettete die Persilfrau – und jetzt die DDR-Leuchtreklamen?
    http://www.photographiedepot.d…/2projekt/12_93persil.htm


    Und hier zu weiterer DDR-Leuchtreklame in Dresden, wobei zum Schluß auf das stadtbekannte Margonwasser-Leuchtschild hingewiesen wird, das ebenfalls unter Denkmalschutz gestellt wurde:


    MDR, 5. März 2012
    Denkmalschutz oder Technikschrott - Neonreklame "Made in GDR"
    http://www.mdr.de/geschichte-mitteldeutschlands/neon112.html


    In dem Beitrag stellt der Dresdner Leuchtmeister Frank R. Müller fest: "Sozialistische Werbung war keine Verkaufswerbung. Das war Präsenzwerbung! Das war auch so mit dieser sowjetischen Autowerbung." Allein um diesen Unterschied auch nachfolgenden Generationen erklären zu können - nicht als Selbstzweck, sondern stellvertretend für die beiden Gesellschafts- und Wirtschaftssysteme - halte ich den Erhalt der Werbung für wichtig. Daneben ist sie ein Zeugnis der Tauwetter-Periode nach dem Tod Stalins und der Versuche einer Modernisierung unter Walter Ulbricht. Außerdem gehört sie sozusagen als Bekrönung auf das Gebäude und sie zeigt, dass das Nachtleben in der DDR nicht ganz so grau und eintönig war wie es uns heute erscheint. ;) Und dies vor allem in der erstmals "hellsten Stadt unserer Republik", wie 1957 ein Werbefachblatt Leipzig pries. Schon 1955 hatte die LVZ gefordert: "Unsere Stadt muss als Handelsmetropole von Weltgeltung selbstverständlich ein modernes Gesicht haben, auch bei Nacht."


    Leuchtreklame in der DDR
    Es werde Licht
    http://einestages.spiegel.de/s…14841/es_werde_licht.html


    Mit einem Literaturhinweis: Plaste und Elaste: Leuchtreklame in der DDR. Das Neue Berlin, Berlin 2010, 128 Seiten.


    Und zum Schluß eine Frage am Rande: Gibt es so ein Projekt wie http://www.das-neue-dresden.de/ ( http://www.das-neue-dresden.de/impressionen.html ) eigentlich auch für Leipzig?

  • Das Thema Leuchtreklame - oder überhaupt stadtbildprägende Reklame - sollte vielleicht mal als eigenständige Rubrik weitergeführt werden? Immerhin kann Leipzig dank seiner Messegeschichte mit einigen Ikonen der Werbearchitektur aufwarten, es seien nur die "Reklameburg" und die alten Messetore genannt. Aber zurück zum Auslöser Traktoroexport. Diese Werbung kann man nicht losgelöst vom städtebaulichen und historisch-politischen Kontext sehen. Den kultur- und kunsthistorischen Wert dieser speziellen Leuchtreklame kann ich nicht beurteilen, kann aber insofern die Kritik von WolfsheimJenas schon nachvollziehen. Aber eben nur, wenn man sie losgelöst und singulär betrachtet. Interessant wird es, wenn man sie als Teil einer auf Gesamtwirkung abgestimmten "Lichtarchitektur" betrachtet (siehe letztes Bild hier weiter unten). Insofern stellt das Ensembel an der Windmühlen - / Grünewaldstraße eben durchaus eine Art Reklame-Freilichtmuseum dar.


    Zur Wirkung vom Zusammenspiel von Reklame und Architektur nur mal folgendes Beispiel: Das Europahochhaus.



    Quelle: Stadtverkehrsamt Leipzig: Leipzig. Leipzig, 1936


    Unmittelbar nach Erbauung war das Dach bereits als Reklamestandort etabliert.



    Quelle: Förster, Hans Albert: Leipzig - Geschichte und Ausblick. Dresden, 1952.


    Dieser Standort wurde auch zu DDR-Zeiten weitergeführt...



    Quelle: Czok, Karl und Thieme, Horst: Leipzig - Geschichte der Stadt in Wort und Bild. Berlin, 1978


    ... und in die Gesamtkonzeption der Leuchtreklamen eingebunden.



    Quelle: von mir :), 2006


    Zuletzt prangte die Allianz-Werbung auf dem Dach.



    Quelle: auch von mir, 2012


    Selbst wenn man die 1965 entfernte ursprüngliche Gliederung wieder rekonstruiert hätte - irgendwie sieht das Europahaus jetzt ganz ohne bekrönende Leuchtreklame recht nackig aus. Oder?

  • Hm.. ich tu mir da ein wenig schwer.


    Denn die Gestaltung und die Form der Reklame und der architektonische Entwurf des (meist) darunter stehenden Gebäudes haben ja in der Regel nichts miteinander zu tun. Da wo Leuchtelemente teil der Architektur sind, sind sie natürlich zu erhalten. Nur sehe ich das hier nicht.


    Ich will damit nicht sagen, dass Neon-Reklame für sich nicht erhaltenswert ist, ich finde aber dass sie durchaus in anderem Kontext gezeigt werden kann (Museum, ein Reklame-Park etc.).


    Bei nicht mehr existenten Firmen (zumal einer "gescheiterten Epoche") mag die Erhaltung dieser Werbeflächen auf den Gebäuden sympathisch erscheinen, bei aktuellen Logos (wie die gezeigte Allianz-Werbung) bin ich aber schon froh wenn sie aus dem öffentlichen Raum verschwindet. Denn sie nimmt überhaupt keinen Bezug auf ihre Umgebung und deren Gegebenheiten, sondern ist ein rücksichtsloser Versuch dem Betrachter das Corporate Design der Firma ins Bewusstsein zu drücken.
    Etwas, das ich eher als Belästigung empfinde (und das im Zuge der zunehmenden Zielgruppenspezifität von Werbung auch rückständig erscheint).

  • ^ wenn Du Dir ;) schwer tust besteht ja trotzdem noch Hoffnung :D. Zumal: Wir werden ja irgendwann einmal die "gescheiterte Epoche" von morgen sein. Insofern ist es egal, ob da oben Coca-Cola, Michelin oder Odol Werbung macht. Für mich gehört es als Abschluss irgendwie dazu. Idealerweise natürlich in architekturverträglicher Symbiose.
    In Zeiten von Debatten über "Lichtverschmutzung" und Energieverschwendung ist es natürlich verständlich solche Veteranen der Stadtgestaltung ins Museum abzuschieben.

  • Laut heutiger LVZ ist die Ruine des ehemaligen Gästehauses der DDR (Gästehaus Am Park) endlich verkauft worden. Vor 20 Jahren hatte es die Hamburger Unternehmergruppe Block für 20 Mio DM von der Treuhand gekauft um auf dem Gelände, nach Abriss des alten Gebäudes, ein Luxus Hotel zu bauen. Dummerweise fielen die Pläne mit dem einbrechenden Leipziger Hotelmarkt zusammen weswegen die Pläne nie realisiert wurden.


    Mit "schmerzhaften Verlusten" ist es nun an Opus 28 Vermögensverwaltung, hinter welcher Leipziger Projektentwickler stehen sollen, verkauft worden. Diese will erstmal alle Möglichkeiten sondieren und schließt nicht aus, dass auch etwas ganz anderes als ein Hotel entstehen könnte.


    Nette Anektoden:


    Als Strauß 1984 im Gästehaus residierte um der quasi zahlungsunfähigen DDR mit Milliarden Krediten aus der Patsche zu helfen, wurde im Vorfeld extra seine Suite vom Möbelkombinat Hellerau in den bayrischen Landesfarben Blau und Weiß gestaltet.


    Ende der 70er Jahre wurde das Haus für einen Besuch des Schah von Persien hergerichtet der allerdings gestürzt wurde bevor es dazu kam.

  • Update 15. Dezember '12

    City Ost
    Haus in der Büttnerstraße (Wahrscheinlich Nummer 8):




    Schade das der Eingang Vorn zugemauert wird, rein kommt man jetzt nur noch über den Hof:




    Tut sich da was in der Querstraße? Dieses Objekt macht schon einige Zeit einen Recht verlassenen Eindruck (In der Mitte mit Vorgarten), wahrscheinlich wurde innen nie fertig sanniert:




    Alles von Gestern

  • Wilhelm-Sammet-Straße 14/16


    Das Gebäude Nr. 14 (hoffe ich zumindest) hat seine Gerüste fallen lassen >>



    An der Wilhelm-Sammet-Straße in Gohlis.








    Und die Hausnummer 16.

  • ^ Danke für die Fotos, Dave. Insgesamt sehr schön geworden, die Wilhelm-Sammet-Straße 14. Abzüge gibt es allerdings für die Blechtürme, die von der Visualisierung dann doch deutlich abweichen. Schade zwar, schmälert das Gesamtergebnis m.E. aber kaum.



    Hier noch ein Vergleichsfoto des villenartigen Wohnhauses von Anfang 2009, als die Sanierung gerade begann. Hat sich dann doch ganz schön lange hingezogen.

    Bild: Lipsius

  • Die Büttnerstraße ist auch sehr gut geworden. Das müsste auch noch ein "Vorgründerzeitler" sein, welche in der Gegend öfter anzutreffen sind. Nur ist das Einmauern des Fronteingangs recht absurd.

  • Riebeckstraße Ecke Stötteritzer Straße

    Riebeckstraße Ecke Stötteritzer Straße


    Hilferuf des Stadtforums Leipzig per Mail


  • Käthe-Kollwitz-Strasse 6 - Sanierung beginnt 2013

    Laut heutiger gedruckter LVZ haben die Medica-Kliniken einen Mietvertrag für das denkmalgeschützte Haus Käthe-Kollwitz-Strasse 6 unterschrieben und wollen 2013 zunächst mit der Planung und dann auch gleich mit der Sanierung beginnen. Was genau dieses Vorhaben so lange verzögert hat, geht aus dem Artikel leider nicht hervor. Zur Erinnerung: 2007 wurde der Abriss in letzter Sekunde verhindert, 2009 berichtete die LVZ, dass Medica das Gebäude gekauft hätte, später wurden die Pläne zum Neubau an der Ecke zur Thomasiusstrasse öffentlich. Hoffen wir jetzt, dass alles gut geht und auch auf eine völlige Entkernung des Gebäudes verzichtet werden kann.

  • Die Büttnerstraße ist auch sehr gut geworden. Das müsste auch noch ein "Vorgründerzeitler" sein, welche in der Gegend öfter anzutreffen sind. Nur ist das Einmauern des Fronteingangs recht absurd.


    Glaube ich nicht, in dieser Mischung aus Neurenaissance– und Neobarock-Formen wohl eher so 1885–95.

  • Die Nivellierung des Fabrunterschieds von Erker und Fassade ist zwar etwas schade aber seis drum. Sah auf den Visualisierung im Exposé auch noch anders aus, vorallem dunkler.http://www.dgg-ag.de/epaper/Humboldtstrasse_12_Leipzig/
    Dennoch schön, dass dieses vorgründerzeitliche Gebäude an dieser recht exponierten Stelle saniert werden konnte. Wobei der Preis in Form des Bestehenbleibens der westlichen (hier rechts) Baulücke auch recht hoch ist.

  • Die schmale Lücke zwischen der Humboldtstr. 12 und der 12 a entspricht dem alten Zustand. Anders käme man ja gar nicht in das Haus hinein. In dem Expose geht man in der Zeichnung auf S. 40 offensichtlich davon aus, dass das Grundstück Nr. 12 wieder bebaut wird.

  • Prager Straße

    Erster guter Vorsatz für das neue Jahr 2013 (Registrierung im Architekturforum nach Jahren passiven Mitlesens) ist erledigt!
    Vielen Dank an alle aktiven Teilnehmer für die tollen Beiträge und Diskussionen.
    Meine erste Wortmeldung:
    Die an vielen Stellen geschundene Prager Straße setzt einige Hoffnungszeichen:
    Prager Straße 174, Baugerüst ist zu sehen:

    Prager Straße 123:

    Prager Straße 123, Rückfront aus Kregelstraße:

    analog Nr 129:

    Schon mal aufgerüstet, dann wieder abgerüstet nu wieder mit Gerüst. (Ob es diesmal was werden wird?):

    Die Nummer 228, fast fertig mit der (eher einfacheren) Sanierung.:

    Richtig schön wird die Nummer 254, besonders die neuen Fenster passen sehr gut zur Fassade und den Laibungen:

    Die Prager 262, schon bewohnt, obwohl noch nicht ganz fertig. Einfache Sanierung aber ein Segen für diese noch vor kurzem scheinbar hoffnungslose Zeile:

    Un zum Abschluss noch die Ecke Schönbachstraße 1: Villa Köhler ist eingerüstet:

    Fotos sind alle von mir.

    Einmal editiert, zuletzt von CarlVictor () aus folgendem Grund: Fotohinweis fehlte

  • Allerbesten Dank, CarlVictor, für den schönen Einstieg und herzlich Willkommen. Wir freuen uns über viele weitere Informationen und Fotos aus dem Südosten. Ich habe mal begonnen, Deine Hinweise in die DAFmap einzufügen und freue mich über Korrekturen und Ergänzungen: http://www.dafmap.de/d/lhal.html?id=1540&mt=4&zoom=16


    Weißt Du eventuell mehr über die Bauträger? Sind die eventuell an den Gerüsten genannt? Ich würde die sehr gern auf den zum Abbruch vorgesehenen Komplex Riebeckstraße 37-47/Stötteritzer Straße hinweisen, denn wer um die Ecke an der deutlich stärker befahrenen Prager Straße saniert kann sich vielleicht auch vorstellen, hier aktiv zu werden.


    Bei Deinem ersten Beispiel dürfte es sich nicht um die Nr. 174, sondern um die Prager Str. 180 handeln. Allerdings weiß die allwissende Müllhalde diesmal nichts.


    Prager Straße 123: H&P Holzbau und Planungsgesellschaft mbH - http://www.holzbau-leipzig.com/45867.html , ehemals LWB, 2011 verkauft: http://www.deutsches-architekt…d.php?p=308939#post308939


    Prager Straße 129: ?


    Prager Straße 151: Bauträger ist L-Konzept: http://www.l-konzept.de/joomla…rticle&id=861&Itemid=1000


    Prager Straße 228: ?


    Prager Straße 254: ? - Bei der DGA-Frühjahrsauktion vom 25. bis 27.03.2010 für 19.000 Euro versteigert: http://www.deutsches-architekt…m/showthread.php?p=261833


    Prager Straße 262: ? Bei einer Deutschen Internet Immobilienauktion am 22.07.2010 für 13.000 € versteigert: http://www.diia.de/?thema=obje…bd357c8f7d03ec809cb5b25a5


    Schönbachstraße 1: Firma hz baubetreuung / K&R Bauträger - http://home.immobilienscout24.de/14541814/expose/63647070
    http://hz.gc-i.de/objekte/schoenbachstrasse/villa

  • Danke CarlVictor,


    mir waren die ganzen Projekte schon aufgefallen, jedoch nur aus dem Auto heraus auf dem Weg von oder zur Arbeit. Nach Feierabend war es dann meist schon zu dämmrig für Bilder, deswegen mein Dank an dich.


    Die Häuser entlang der Prager Straße scheinen mir bestimmt von einzelnen Privatinvestoren zu sein, weswegen es schwer ist, Informationen zu bekommen.


    Übrigens wird auch an den Nachbarhäusern der Nummer 180, da wo der Autokennzeichenhandel im EG drin ist, von Zeit zu Zeit herumgedoktert. Eine gründliche Sanierung steht aber noch aus, vielleicht schiebt ja das neue Jahr etwas an.

  • Eine sehr schöne Entwicklung. Vor allem ist die Prager Strasse zwischen Ostplatz und Volkerschlachtdenkmal ein Kandidat für Lückenfüllungen. War die Bebauung dort immer schon so perforiert? Es gibt eine ganze reihe von Brachflächen, die geschlossen werden müssten, um ein einheitliches Bild herzustellen.