Deutsche Börse zieht nach Eschborn

  • Deutsche Börse zieht nach Eschborn

    Keine schönen Neuigkeiten: Die Deutsche Börse zieht von Frankfurt-Hausen nach Eschborn und lässt dort (schon wieder) einen Neubau errichten. Natürlich behält man die Gebäude in der Frankfurter Innenstadt einschließlich des Parketthandels und kann sich so weiterhin mit dem Sitz Frankfurt brüsten. Ansonsten machen die paar Kilometer den Unterschied bei der Gewerbesteuer. Weil das ohne wahrnehmbare Grenze unmittelbar benachbarte Eschborn von Frankfurts Infrastruktur profitieren kann, diese aber nicht bezahlen muss, kann in dieser Hinsicht ein Dumpingangebot gemacht werden. Da hilft nur noch Eingemeindung.


    Hier die ganz frische Pressemitteilung der Deutsche Börse AG:


    Die Deutsche Börse plant den Umzug ihrer derzeit in Frankfurt-Hausen beschäftigten Mitarbeiter in das benachbarte Eschborn. Das hat der Vorstand der Deutsche Börse AG am Freitag beschlossen. Es soll bis Sommer 2010 ein moderner Neubau entstehen, den die Deutsche Börse dann mieten wird. Bereits im Laufe des zweiten Quartals 2008 sollen rund 1000 Mitarbeiter vorübergehend in ein bestehendes Gebäude in Eschborn umziehen. Mit dem Umzug reduziert das Unternehmen zugleich signifikant seine Gewerbesteuerbelastung; gleichzeitig sinken die Gebäudekosten. Sitz der Gesellschaft wird weiterhin Frankfurt sein und auch der Handelsplatz Börse Frankfurt mit dem Parketthandel verbleibt in der Alten Börse in der Frankfurter Innenstadt.


    Die Deutsche Börse rechnet durch diesen Schritt mit einer weiteren Senkung ihrer Steuerquote: Mit dem Umzug, der Übernahme der International Securities Exchange ISE und den Auswirkungen der Unternehmenssteuerreform in Deutschland erwartet die Deutsche Börse für das Jahr 2010 eine Steuerquote zwischen 25 und 27 Prozent. Schon für das Jahr 2008 rechnet das Unternehmen mit einer Steuerquote von unter 30 Prozent verglichen mit der bisherigen Annahme von 31 bis 33 Prozent. Vor diesem Hintergrund kann die Deutsche Börse trotz der Kosten, die insbesondere im Zusammenhang mit den Umzügen und der Planung des neuen Bürogebäudes anfallen, eine signifikante Ergebnisverbesserung erzielen.


    „Die Reduzierung der Steuerquote ist eine weitere Strukturmaßnahme, um unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Sie ist Teil einer Strategie zur Verbesserung unserer Marktposition, die bereits zur Optimierung der Kapitalstruktur und der Verbesserung unserer Kosteneffizienz führte. Diese Optimierung geht einher mit den offensichtlichen Vorteilen, die ein neues, hochmodernes Gebäude auch für die Mitarbeiter bietet,“ sagte der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse Reto Francioni.


    Der Mietvertrag für das derzeitige Bürogebäude im Frankfurter Stadtteil Hausen, das die Deutsche Börse im Jahr 2000 bezogen hatte, läuft Mitte 2010 aus. Der Neubau wird auf die gestiegenen Bedürfnisse der Deutschen Börse zugeschnitten sein. Er soll modernsten Anforderungen an die Gebäude- und Informationstechnik genügen und deutlich energieeffizienter sein als das alte Gebäude. Insgesamt sinken damit ab 2010 die Gebäudekosten bei besserer Ausstattung des Gebäudes. Erste Planungen für den Neubau haben begonnen.


    Rückansicht der erst im Jahr 2000 fertig gestellten und bezogenen Konzernzentrale in Frankfurt-Hausen:



    Bild: Marc Rohde (unbeschränktes Nutzungsrecht)

  • Börse zieht nach Eschborn

    Katastrophale Nachrichten für Frankfurt: Die Börse gibt bis 2010 den Sitz im Industriehof auf und zieht in einen Neubau in Eschborn.


    Edit: Schmittchen war wieder mal schneller ...

  • Das war ja bei der Deutschen Börse irgendwann zu erwarten. Und ich habe ehrlich gesagt verständnis dafür. Denn ein paar Prozentpunkte weniger bedeuten viele Millionen mehr Nettogewinn zzgl. der Mieteinsparungen. Und der Standort ist ja auch heute schon nicht erste Sahne. Industriehof oder Eschborn ist dann auch egal für die Mitarbeiter. Schlimmer für Frankfurt ist der Personalabbau. Ich sehe Eschborn eher als Chance so manches Unternehmen im Rhein-Main-Gebiet zu halten oder neu anzusiedeln. Langfrisitig (!) muss aber auch Frankfurt sehen, dass es mit der Gewerbesteuer deutlich runtergeht. Und dass wir endlich einen intelligenten Lastenausgleich in der Region finden.

  • Ich wäre auch für Eingemeindung! War nicht auch mal angedacht eine Art "Metropolen-Steuer" für die umliegenden Gemeinden einzuführen? Immerhin nutzen Selbige, wie bereits erwähnt, jegliche Vorzüge Frankfurts: Infrastruktur, Kulturangebot, etc... ohne Gegenleistungen zu erbrigen!?


    Abgesehen davon ist Eschborn rein geographisch gesehen viel eher ein Teil Frankfurts, als viele der äußeren Stadtteile und die beiden "Hoheitsgebiete" gehen ohnehin direkt in einander über. In andern Großstädten hätte eine vergleichbare Gemeinde auch nie so lange diesen Status halten können.


    Ich würde sagen der FFMer "Speckgürtel" sollte mal ne Diät zu Gunsten der City bekommen! :daumen:

  • Zumindest im Zusammenhang mit dem Umzug ist nicht von Personalabbau die Rede. Wie kommst du darauf, garcia?


    Weder für das parasitäre Auftreten Eschborns noch für den unsolidarischen Schritt der Börse habe ich Verständnis. Jedes Unternehmen muss Gewinne und die Verbesserung seiner Position im Wettbewerb anstreben, das steht völlig außer Frage. Aber nicht um jeden Preis. Wo soll das denn sonst hinführen? Konsequenterweise müssten dann alle derzeitigen Frankfurter Gewerbesteuerzahler ins Eschborner Steuerparadies ziehen. Zumindest die, die ihren steuerlichen Sitz nicht ohnehin schon nach Luxemburg oder in die Schweiz verlegt haben.


    Frankfurt wird seinen Hebesatz nie auf das Niveau von Eschborn absenken können, wenn alleine der Kulturetat 240 Millionen Euro pro Jahr beträgt (Stand 2004, Quelle). Abends lassen sich die Damen und Herren der Börse dann mit der Limousine von Eschborn nach Frankfurt fahren, um dort hoch subventioniert in die Oper zu gehen, während es in Eschborn vermutlich nicht mal ein schäbiges Vorstadtkino gibt.

  • Ich finde auch es wird Zeit über Gemeindegrenzen nachzudenken, wo doch an vielen Stelle das Ende der einen und der Anfang der nächsten in der Bebauung gar nicht mehr sichtbar sind...


    Und diese Regelung, dass jede Gemeinde ihren Hebesatz selbst festlegen kann, finde ich auch nicht wirklich gut. Das fördert doch nur Zersiedelung und die damit verbundenen Folgen!
    Fehlt nur noch dass in Eschborn die ersten Briefkastenfirmen in Garagen entstehen... :nono:

  • .... und ich hoffte schon, dass der Trend von Abwanderungen richtung Eschborn gestoppt wäre. :Nieder:


    Volle Zustimmung, Schmittchen.

  • "... Eingemeindung", "... über Gemeindegrenzen nachdenken"
    Wie soll das denn funktionieren? Da hat wohl die Stadt Eschborn auch noch ein Wörtchen mitzureden. Man kann in diesem Zusammenhang keine feindliche Übernahme durchführen wie an der Börse!

  • Weiß jemand von euch wie groß der Bau der Deutschen Börse in Hausen ist?

    Vielleicht fällt ja jetzt ein Hochhaus weg, was in der Planungsphase war.

    Ich denke mal einen Nachmieter wird es wohl auch bald geben. Ist ja nicht gerade ein schlechtes Gebäude. Die Gegend ist ja auch nicht soweit von Messe und Autobahn entfernt. Vorallem das Freibad fast gegenüber ist nicht zu unterschätzen um sich mal abzukühlen. :lach:

  • Jetzt sind die Frankfurter Politiker gefragt hier zu intervenieren so gut es eben geht!
    Auch wenn der Sitz, anscheinend nur dem Image wegen, in Frankfurt bleibt geht es doch um eine nicht zu unterschätzende Anzahl an Arbeitsplätzen, die hier droht verloren zu gehen.
    Sicherlich kann man den Entschluß der Börse auch nachvollziehen, ob nun Frankfurt-Hausen oder Eschborn macht in Bezug auf Infrastruktur und Lage nun kaum einen Unterschied, bedeutet aber gleichzeitig eine Millionenersparnis, auf der anderen Seite geht es um ein Frankfurter Unternehmen das so selbstverständlich zu dieser Stadt gehört wie die Messe, die Banken und der Flughafen!


    Der Fall zeigt außerdem wie wichtig eine Neustrukturierung des Rhein-Main-Gebiets wäre, gerade auch für Frankfurt, aber darauf werden wir wahrscheinlich noch bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag warten ...


    Frage am Rande: Hat nicht auch American Express mal mit dem Gedanken gespielt von Frankfurt nach Eschborn abzuwandern? Was ist denn daraus geworden?

  • Nichts. American Express hat schließlich den Mietvertrag in der City West verlängert.


    Ich glaube ich nicht, dass Interventionen noch Aussicht auf Erfolg haben, nachdem der Umzug bereits mit offizieller Pressemitteilung verlautbart wurde. Auch wenn die künftig entfallende Gewerbesteuer die Stadt Frankfurt sicher schmerzen wird. Ohne konkreten Anlass würde ich aber auch nicht von einem Arbeitsplatzabbau ausgehen, also einen solchen nicht einfach wegen des Umzugs unterstellen. Die Börse zählt zu den Unternehmen, die nicht unter dem Verdacht stehen, Fett angesetzt zu haben.


    Die Diskussion im "Frankfurter Stadtgespräch" ging gerade etwas durcheinander, weswegen ich die hiesigen Beiträge in einen neuen Thread verschoben habe. Zumal ja auch Bauprojekte ins Haus stehen.


    Dazu berichtet die IZ heute (Artikel nur mit Log-In vollständig lesbar), dass die ersten rund 1.000 Mitarbeiter voraussichtlich übergangsweise in die "Häuser der Mode" ziehen werden. Für die Akquisition des Neubaus ist laut "Marktkreisen" Otmar Kehrer der Favorit, dem neben den Häusern der Mode auch ein großes Grundstück im Gewerbegebiet Eschborn-West gehört, letzteres gemeinsam mit der BayernLB. Auf diesem Areal sollen insgesamt 45.000 m² Bürofläche möglich sein. Erwartet wird, dass die Deutsche Börse ca. 30.000 m² Bürofläche benötigt.

  • Diese Nachricht finde ich zum kotzen!


    Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht ist das zwar nachvollziehbar und die Deutsche Börse steht schon unter aussergewöhnlichem Druck agressiver Investoren. Der jetztige Standort ist eben, auch wenn er eigentlich in Frankfurt ist, sozusagen "gefühltes Eschborn", so abseits und unattraktiv, wie das jetzige Gebäude in Hausen liegt. Aber die Börse gehört einfach nicht nur was den Sitz betrifft, sondern auch physisch in die Stadtgrenzen Frankfurts, da sie einfach zur Stadt gehört.


    Eschborn füllt sich also wieder einmal die Taschen, obwohl man wie Schmittchen richtig bemerkt hat mit dem dort nicht vorhandenen Angebot an Kultur und Infrastruktur kaum ein Unternehmen anwerben könnte. Dieses Auftreten einer Gemeinde als Parasit der ganzen Rhein-Main-Region finde ich vollkommen unerträglich.


    Ich hoffe nur, dass dieser Fall aufgrund der Prominenz des umziehenden Unternehmens zu einer Diskussion führt entweder die Finanzierung der Gemeinden insgesamt zu reformieren und die Gewerbesteuer in ihrer heutigen Form abzuschaffen, oder zu einer Neuordung der Rhein-Main-Region zu gelangen, die es durch einen fairen Lastenausgleich verhindert, dass einzelne Gemeinden weiterhin als Trittbrettfahrer Gewerbesteuer-Dumping betreiben.

  • Was wir hier erleben ist ein zweites Unterschleißheim (Landkreis München). Niedrige Gewerbesteuer, nähe zur Metropole und ein profitierender Main Taunus Kreis. Der Tag kommt und das BIP ist in Frankfurt niedriger als im MTK. Aber wie Schmittchen schön bemerkte - in die Oper geht man gerne in Frankfurt. Man muss nicht alles aus München kopieren. :nono: Das sind wohl die Vorzüge/Nachteile einer Metropolregion. Niedrige Steuern wie in der Provinz (Delaware lässt grüssen!) und ein Kulturleben/Infrastruktur wie in der Metropole... Die Börse ist für mich eigentlich urfrankfurterisch wie die Messe!


    /EDIT:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Unterschlei%C3%9Fheim#Firmen
    http://www.insm-regionalranking.de/ki_238.html


    Das ist die perfekte Kopie des Münchner Wirtschaftmodells! Mal sehen was da noch kommt...

  • Ich stimme Schmittchen auch zu, Schmarotzer-Eschborn sollte mal kräftig zur Kasse gebeten werden. Die Deutsche Börse ist leider zum Großteil in der Hand von knallharten Fondsmanagern die Null lokalpatriotisch sind (sitzen auch hauptsächlich in London und New York) und da kann man leider nix machen.

  • Die Situation Frankfurt/Eschborn ist noch viel schlimmer als München/Unterschleißheim: In München wird (wie in vielen großen Städten) der ganz überwiegende Teil der bedeutenden (und teuersten) kulturellen Einrichtungen (Oper und die wichtigsten Museen) durch das Land getragen.


    Das ist in Frankfurt anders, denn alle Museen und Oper/Schauspiel werden von der Stadt Frankfurt getragen, das Land Hessen gibt praktisch nichts (während es sich in Wiesbaden, Damstadt und Kassel prächtige Staatstheater leistet).

  • Das Problem kenne ich auch aus Köln. Hier wollte RTL vor ein paar Jahren in's Kölner Umland umziehen, weil ihnen dort ein Grundstück für einen Apfel und ein Ei angeboten wurde - und dort natürlich der Gewerbesteuersatz erheblich niedriger ist.
    Und das Ganze nur 1 km vor den Toren Kölns, mit Autobahnschluß vor der Nase - und nur 15 Minuten bis in die Kölner Innenstadt und 20 Minuten zum Flughafen.


    Das Ganze konnte dann noch eben abgewendet werden, weil Köln die alten Rheinhallen der Messe in's Rennen geworfen hat
    http://www.deutsches-architektur-for...ead.php?t=4718
    Eine absolute Filetimmobilie im Herzen der Stadt am Rhein gelegen, die nun aufwändig umgebaut wird.


    Erst kürzlich sollte eine neue Halle für ca. 7.000 Zuschauer als Heimspielstätte für die Cologne 99ers ebenfalls in Hürth vor den Toren Kölns gebaut werden, da diese mit günstigeren Konditionen lockten, als diese Köln bieten konnte. Der schon geschlossene Vertrag ist dann aber noch wegen irgendwelcher Einsprüche geplatzt - nun überlegt man wieder, die Halle doch in Köln zu realisieren.


    Gäbe noch eine ganze Reihe weiterer Beispiele.


    Ich kann euren Ärger absolut nachvollziehen. Das Umland profitiert erheblich von der Infrastruktur, dem Kulturangebot der Metropole - und versucht mit allen Mitteln, Unternehmen und Investitionen zu Dumpingkonditionen auf den eigenen Acker zu locken.

  • Die Stadt Frankfurt sollte auf jeden Fall noch versuchen den Umzug ins Umland zu verhindern. Obwohl ich bezweifle, dass es erfolgreich sein würde hier ein "Filetgrundstück" anzubieten: Durch den Standort in Hausen hat die Börse schon gezeigt, dass es ihr auf Repräsentanz und gute Infrastruktur weniger ankommt, anders als die Großbanken, die ihre Türme in der teuersten Lage mitten in der City haben.

  • sehr ärgerliche nachrichten. seltsam, dass ein unternehmen, das überall als vertreter des börsenplatzes frankfurt auftritt in ein kaff zieht. aber hausen war auch schon seltsam. die haltestelle "industriehof - neue börse" klang auch schon mäßig einladend...


    ps vermute, dass in pasewalk die steuern noch niedriger sind. wäre wenigstens positiv für den aufschwung ost.


    pps wäre auch mal ein thema für die landespolitik, aber die beschäftigen sich ja zurzeit mit ganz anderen dingen...

  • @ Schmittchen: Die Deutsche Börse hat bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie Stellen streichen wird. Ich phantasiere nicht.
    Nachzulesen hier


    Die FAZ bringt heute einen Kommentar der meine Meinung noch einmal unterstreicht. Trotzdem bin ich für eine Neuregeleung der Gemeindefinanzierung und des regionalen Lastenausgleichs.