Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Vielleicht sollten sich die beiden Autoren (und wahlweise auch gerne Frau Lüscher) auch mal ernsthafte Gedanken darüber machen, weshalb die Käufer selbst die vermeintliche Gnom-Kitsch-whatever-Version der historischen Architektur der von den Kritikern offenbar bevorzugten sachlich-modernen Formensprache vorziehen. Das nur auf irgendwelche irrationalen Emotionen wie Nostalgie und Zukunftsängste zu reduzieren, erscheint da doch etwas zu billig. Vielleicht liegt es doch auch ein wenig daran, dass es bei der gebauten Moderne nicht wirklich besser bei der Detailliebe und Stilsicherheit aussieht. Ich denke da spontan an die von Lüscher gelobten (und wohl indirekt erzwungenen) Mercedes-Bürobauten, die nun hoffentlich bald verdeckt werden. Und ob dieser sündhaft teure Bau am Zirkus wirklich so viel toller und authentischer ist, weil man da strenge Quader aufeinanderstapelt statt Säulen und Simse? Da wirkt die Aussage "Wir bauen für 100 Jahre" schon wie eine gewisse Drohung...


    Und bevor wieder eine armselige und feige "rote Karte" von den beleidigten Lüscher-Verteidigern kommt: Wie wäre es mal mit offen vorgetragenen Argumenten? Aber damit hat die gute Dame ja selbst so ihre Probleme, wenn sie nicht mal selbstbewusst genug ist, ihre eigene Arbeit wirklich transparent zu machen. In meinen Augen schuldet sie der Öffentlichkeit mehr als ein paar launische Sprüche in Zeitungsartikeln, die sich mangels realen Bezügen ohnehin nicht überprüfen lassen. Immerhin bezahlen die Bürger ihre Arbeit, wieso kann sie uns diese dann nicht dokumentieren und erklären? Über vermeintlich oder tatsächlich gescheiterte Architektur ablästern (diesen kitschigen Brunnen hier hätte ich ja so gerne verhindert) ist aber natürlich viel einfacher als sich zur Abwechslung mal selbst auf die Finger schauen zu lassen.

  • Obwohl ich sie anfangs sehr begrüßte, stelle ich bei Regula Lüscher mittlerweile ein ziemlich konservatives und manchmal sehr ideologisch (nicht zu verwechseln mit "idealistisch") begründetes Architekturverständnis fest.


    Zudem habe ich zunehmend ein Problem mit dem starken Gegensatz zwischen ihrer Rhetorik und ihrem Handeln. Einerseits gibt sie sich nämlich sehr idealistisch und fördert den Dialog, andererseits betreibt sie aber Geschmackspolizei.

  • ^ ...naja, es ist die Zürichisierung von Berlin. Das Problem ist nur Berlin ist nicht nicht Zürich. Gottseidank. Was in Zürich, das ja teils eine Puppenstube ist, radikal und modern konfrontativ wirkt, wirkt in Berlin ganz anders. Dieser ich nenne ihn mal Zürich-Look hat aber auch garnichts mit einer Fortführung der Bauhausmoderne zu tun. Die war nämlich besonders im Detail hervorragend und handwerklich spitze.


    ANDERERSEITS.... der Welt-Artikel... trifft den Nagel grandios auf den Kopf. Selten habe ich so eine fundierte Architekturkritik und Abrechnung mit der Gegenwartssituation gelesen. Allerdings lässt sie einen auch etwas ratlos zurück insbesondere wenn man auch die Reaktionen auf den Artikel liest.

    5 Mal editiert, zuletzt von Camondo ()

  • ^ ...ach...was seit ihr nur so abweisend in eurer Monotonen Gleichgültigkeit.?



    Die Kritik bringt es oft auf dem Punkt...zwar war es ein grauer Tag, dennoch und aber auch bei Sonnenschein ist das heute schon viel zu viel.
    Aber wem erzählt man das....Es wird ja wie angedeutet fleißig weiter so “““Modern“““ gebaut.

  • ^ Unfassbar, was die Frau von sich gibt!


    Zitat gelöscht. Regeln bzgl. Einfügung von Zitaten sollten langsam bekannt sein.
    Bato


    Tja, "verkaufsorientiert" bedeutet auch, sich nach Kundenwünschen zu richten. Aber die Frau will ja nicht das bauen lassen, was der Käufer und damit der Bürger will, sondern auf eine ziemlich überheblich-arrogante Art das was sie für richtig hält ... also den Stil, der zur Zeit auch in Zürich angesagt ist: Klötze mit Rasterfassaden.


    Und ich würde der Frau auch mal raten in Berlin mal auf Erkundungstour zu gehen. Dann wird sie feststellen, dass die Stadt städtebaulich & architektonisch gar nicht nüchtern ist, sondern facettenreich und bunt! Vielmehr fallen gerade die Neubauten, die während ihres Schaffens in Berlin entstanden sind, in diese Kategorie! Es ist fast schon beleidigend, was die Frau so von sich gegeben hat.

  • Frau Lüscher hat eine seltsame Ausgangslage. Wenn Berlin eine Sache nicht auszeichnet und auch nie ausgezeichnet hat, dann ist es Nüchternheit.
    Berlin ist permanente Aufgeregtheit. Ich verstehe auch nicht auf welche Wohngebäude sie sich bei dieser Argumentation bezieht.


    Ich kann ihrer Argumentation durchaus folgen, dennoch finde ich, dass "laute" Ästhetik auch sichtbar sein soll wenn sie aus Vermarktungsgründen laut sein will. Dies zu unterbinden ist wiederum Geschmackspolizei. Mehr noch als Stimmann (in umgekehrter Form) es je parktiziert hat. Aber der Vorwurf der Geschmackspolizei an ihre Adresse ist ja nicht neu.


    Den letzten Absatz finde ich gut. Wie sie über Verdichtung bei gleichzeitiger Lebbarkeit denkt. Aber alles in allem ist sie sehr konservativ geprägt.

  • Polizei entschärft Schöneberger Straßenstrich!

    Eine Nachricht, die außerhalb Berlins wohl mehr Aufmerksamkeit findet, als hier selbst:


    http://www.welt.de/politik/deu…liner-Strassenstrich.html


    Der Straßenstrich um die Kurfürstenstraße wird vom Polizeipräsidium seit neuestem nicht mehr als Kriminalitätsschwerpunkt eingestuft. Als Anlieger kann ich hierfür leider keinen begründeten Anlass erkennen. Im Gegenteil, ein sichtbarer Verteilungskampf in der Szene findet immer noch statt. Der Straßenstrich weitet sich auch immer weiter in bisher nicht betroffene Seitenstraßen aus.


    Hat man die Hoffnung, die anstehenden Neubauprojekte, insbesondere im Luxussegment, wie das Quarree Voltaire werden für ausreichenden Gentrifizierungsdruck sorgen oder will die öffentliche Hand etwa den Bauherren einen Gefallen tun, um für eine bessere Vermarktbarkeit zu sorgen. Wer kauft schon eine Luxuswohnung in einem als Kriminalitätsschwerpunkt eingestuften Gebiet?!


    Ein Schelm, der dabei an etwas Böses denkt. ;)

  • ^Meines Wissens ist Prostitution an sich ja keine Kriminalität. Wenn es also nur darum ginge, könnten die Einstufung der Polizei und deine Einschätzung sich trotzdem decken.

  • ^Meines Wissens ist Prostitution an sich ja keine Kriminalität. Wenn es also nur darum ginge, könnten die Einstufung der Polizei und deine Einschätzung sich trotzdem decken.


    Das stimmt natürlich, Prostitution an sich ist keine Kriminalität. Wenn jemand dazu aber dazu gezwungen wird oder jemand von den Prostituierten Schutzgelder kassiert, dann ist da schon Kriminalität und zwar keine Bagatellkriminalität oder glaubst Du, da stehen lauter "Selbständige" am Straßenrand?

  • Verwundert irgendjemand diese Entscheidung

    solange sich ein Reg. Bürgermeister in den Tagesthemen ungestaft hinstellen kann und auf Befragung durch Caren Miosga äußern darf, dass es in Berlin natürlich keine No-Go-Areas gäbe?


    Der Kinderspieplatz um die Ecke von der Kurfürstenstraße ist meines Wissens seit mehr als einem Jahr zugemacht worden, weil sich da jeden Morgen ein schönes Sammelsurium an Spritzen, benutzten Kondomen und sich auch sonst allerlei Hinterlassenschaften von nächtlichen Besäufnissen anfanden und der Bezirk sich außerstande sah, den Spielplatz sauber und für Kinder sicher zu halten.
    Ein befreundeter Polizist hat für die Entscheidung genausowenig Verständnis wie ich...aber da es ja angeblich nur noch selbstbestimmte "Sexarbeiterinnen" in Berlin gibt (von denen so gut wie keine ein Gewerbe angemeldet hat!) und Berlin ja eine weltoffene tolerante Stadt...kann es natürlich keine Zwangsprostitution in der Hauptstadt geben...;-)

  • Frau Lüscher will der "schönen" Stadt Berlin auch nach der nächsten Wahl erhalten bleiben und ihr weiter ihren (Raster-)Stempel aufdrücken. Die selbst von der Politik lange geforderte Transparenz wird sie wohl weiter schuldig bleiben...


    Ich frage mich nur, wann die Politik endlich den Stachel entfernt, den sie sich mit Schmackes in den eigenen Hintern gerammt hat. Die Frau hält sich nicht an die politischen Vorgaben, ignoriert die demokratisch gewählten Volksvertreter... und wird dann trotzdem im Amt gelassen??? Das verstehe, wer will. Sehr viel Rückgrat scheint ja nicht bei der politischen Klasse vorhanden zu sein, wenn man immer nur redet und fordert und sich dann doch nicht gegen eine eigene Angestellte durchsetzen kann. Ein Trauerspiel in bald 3 Akten...
    Tagesspiegel

  • Heute Journal vom 28.07.2016

    Der Neubau in der Bleibtreustraße wurde im Heute Journal als Beispiel für das Thema Neubauboom in den Großstädten und in wie weit die Stadt Berlin die Chance nicht nutzt und hässliche Neubauten baut. Vorne weg als Kritiker: Herr Kollhoff (großartiger Mann)


    Hoffentlich gibt es deswegen noch eine ausführliche Reportage

  • Vielleicht sollte man noch erwähnen, was Herr Kollhoff gut findet. Er begeistert sich für die Karl-Marx-Allee und fordert, auch neue Ensembles nach dem Vorbild der Karl-Marx-Allee zu planen.
    Kollhoff hatte diese Idee auch schon in einem Tagesspiegel-Artikel entwickelt, in dem er Walter Ulbricht als Wegbereiter einer qualitätvollen Architektur bejubelte.


    http://www.tagesspiegel.de/ber…x-allee/13372808-all.html

  • Hier das Video


    "Bausünden in Berlin" vom ZDF


    http://www.zdf.de/ZDFmediathek…/Baus%C3%BCnden-in-Berlin


    Kollhoff meint, dass die Karl Marx Allee als Nachkriegsarchitektur vorbildlich sei.


    Persönlich allemal attraktiver als die Plattenbauallee Leipziger Straße


    Es wäre so oder so ein schönes Thema für eine ausführliche Reportage.


    Jedenfalls, wer Kollhoff mag kann auch in diesem Bericht etwas über ihn sehen.


    Klinker - Meilenstein der Architektur

  • Da hätt ich Kollhoff aber schon etwas klüger eingeschätzt. Ausgerechnet die ehem. Stalinallee als Vorbild zu nehmen, ist schon arg dümmlich. Nicht, dass ich die Straße heute so wie sie nun einmal dasteht missen möchte, aber die zeitgenössischen Hintergründe sollte man sich als Architekt doch schon in Erinnerung rufen, wenn man heute einen ähnlichen städtebaulichen Geist fordert.
    Die Allee war sündhaft teuer, ihr Beitrag zur Linderung der allgemeinen Wohnungsnot im Gegenzug marginal und sie behinderte durch die Bündelung von Facharbeitern und Baumaterial den Aufbau "normalen" Wohnraums in Ost-Berlin und der ganzen SBZ. Das war umso gravierender, weil in den Jahren bis 1950/51 in den Städten der SBZ so gut wie überhaupt nichts gebaut wurde. Es bestand lange Zeit sogar ein Baustopp zugunsten der Errichtung von Neubauernhöfen infolge der Bodenreform, was wohnungspolitisch ein totaler Griff ins Klo war, wie sich spätestens mit der massiven Abwanderung aus den Bodenreformzentren infolge des Aufbaus der Schwerindustrie zeigte. Die Stalinallee war ein reines Propagandaobjekt. Nach außen sollte sie Stärke und Verwurzelung in der deutschen Tradition zeigen (obwohl die Gebäude für jedermann als mit sowjetischer Feder gezeichnet erkennbar waren) und nach innen ein unmissverständliches Zeichen der gesellschaftlichen und politischen Stalinisierung setzen.

  • Vielleicht sollte man noch erwähnen, was Herr Kollhoff gut findet. Er begeistert sich für die Karl-Marx-Allee und fordert, auch neue Ensembles nach dem Vorbild der Karl-Marx-Allee zu planen.


    Wenn man sich Kollhoffs Leibnitzkolonaden am Walter-Benjamin-Platz vor Augen führt ist das nachvollziehbar.


    https://www.google.de/maps/pla…8648!4d13.3141959!6m1!1e1



    Kollhoff meint, dass die Karl Marx Allee als Nachkriegsarchitektur vorbildlich sei.


    Persönlich allemal attraktiver als die Plattenbauallee Leipziger Straße


    Der Anblick der Scheibenhochhäuser an der Leipziger-Straße erinnert mich stets an Mittelmeerurlaubsreisen in der Kindheit. Leider fehlt das Meer in der Nähe.


    Die Karl Marx Allee hingegen wirkt auf mich als sei sie als belebter Luxusboulevard wie der Kurfürstendamm prädestiniert aber in der Realität ist wenig los. Außer bei Straßenfesten.


    Da hätt ich Kollhoff aber schon etwas klüger eingeschätzt. Ausgerechnet die ehem. Stalinallee als Vorbild zu nehmen, ist schon arg dümmlich. Nicht, dass ich die Straße heute so wie sie nun einmal dasteht missen möchte, aber ..........
    Die Allee war sündhaft teuer, ihr Beitrag zur Linderung der allgemeinen Wohnungsnot im Gegenzug marginal und ......


    Hättest du die zeitgenössischen Hintergründe auch so kritisch gesehen wenn er eine Gründerzeitallee als Beispiel genannt hätte? Oder Riehmers Hofgarten?

  • ^und ebenso wie die "Bettenburgen" am Betonstrand des Pauschalreisen-Massentourismus im 70er Style sind die DDR bauten einfach ziemlich prollig und anspruchslos. Das war in der DDR ja auch gewolltes Konzept ("Diktatur des Proletariats"), deswegen muss einem das als (fast) Nachgeborener aber trotzdem nicht gefallen. Ich halte die Unvermeidlichkeit, mit der immer der Erhalt der DDR Klötze verteidigt wird, für Unfug. Niemand lebt ewig, auch nicht die Generationen mit dem Zeitgeschmack des 20. Jahrhunderts. Ich bin mir eigentlich ziemlich sicher, dass unsere Kinder oder spätestens unsere Enkel hier gehörig abreißen werden - und so bleibt Berlin wie es bisher immer war, immer im werden, nie einfach sein. Und das ist vielleicht auch gut so!


  • Hättest du die zeitgenössischen Hintergründe auch so kritisch gesehen wenn er eine Gründerzeitallee als Beispiel genannt hätte? Oder Riehmers Hofgarten?


    Im Gegensatz zur Stalin-Alle waren das Massenprodukte, noch dazu in weitaus unkomplizierteren wirtschaftlichen Zeiten entstanden. Ganz zu schweigen davon, dass sie nicht der Glorifizierung eines Massenmörders dienten. Also wieder mal ein äußerst dusseliger Vergleich.