Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • Der Kollektivplan ist von 1946 (oder 47?). Da kann man ja noch nicht so wirklich von Ost und West reden bzw. bis zu den "großen Zerstörungen" war noch ne weile hin. Er ging eben mitten durch die (Innen-)Stadt...


  • Bitte entschuldigt meine Polemik, aber es geht mir als Ossi mächtig auf den Keks, wenn man die Fehler in Westberlin auch nur annähernd in die Nähe der Stadtzerstörung Ostberlins rückt.


    Na da können wir ja von Glück reden, dass du nicht der einzige 'Ossi' an Bord bist... ich empfehle in solchen Fällen immer die Betrachtung der Luftbilder aus dem Jahre 1952 (also nach der großen Beräumung) in Google Earth.
    Dort ist sehr eindrücklich zu erkennen, wie tiefgreifend die Planierungen des Berliner Stadtgebietes waren und zwar gänzlich ungeachtet aller politischen Grenzen. Das Ergebnis waren dann die allseits bekannten lockeren Blockbauten auf den entstandenen Freiflächen hüben wie drüben. Wobei man dem Osten immerhin noch eine gewisses grundsätzliches Konzept zugute halten kann - im Westen war man weitaus anarchischer zu Gange. Das hatte ja in einigen Bereichen architektonisch schon fast Dritte Welt Niveau (hat es teils bis heute, ich sag nur Kottbuser Tor oder Sozialpalast, u.a.). Mit historischem Baugrund musste man sich ohnehin nicht abgeben - der lag ja komplett im Osten.
    Was jetzt deine gefühlt 'brodelnde Urbanität' angeht, so ist dies in erster Linie ein gesellschaftliches Merkmal, weniger ein architektonisches. Warum im Osten auf der Straße nichts los war, brauchen wir wohl hier nicht näher zu erläutern.

  • ^^
    Ich verstehe nicht, warum man sich hier immer so leicht aus der Affäre zu ziehen versucht, indem man Argumente willkürlich entstellt oder banalisiert.


    Ich rede selbstverständlich vom heutigen Ost- und Westberlin. Noch nie in der Leipziger Straße gewesen? Vieles, was im Osten gemacht, wurde ist so nicht annähernd in Westberlin vorstellbar. Ich verstehe nicht, warum sich manche Leute damit so schwer tun. Es leugnet doch niemand, daß auch im Westen Müll gebaut wurde. Dort wurde aber weitgehend die traditionelle Baukultur von Blockrand und Traufhöhe beibehalten.


    Es interessieren mich auch wenig Luftbilder von 1952, wenn ich mich heute als Fußgänger und Radfahrer in Westberlin wesentlich wohler fühle, weil dort der Städtebau wesentlich menschlichere Maßstäbe hatte.

  • Vielleicht wäre es hilfreich, wenn du mal erwähnen würdest *WO* konkret du dich wohler fühlst. Sicher lässt es sich im Altbaubestand Charlottenburgs sehr viel entspannter wandeln, als irgendwo in Hellersdorf auf dem Parkplatz zwischen zwei zugigen Großplatten. Dann sind wir aber wieder bei den Äpfeln und Birnen.
    Wenn ich mich aber bspw. vom Friedrichshain ca. Heinrich-Heine-Str. zum Moritzplatz in Kreuzberg (und noch weit darüber hinaus) bewege, dann kann ich in diesen sehr vergleichbaren Arealen keinen wirklichen Unterschied feststellen. Von Blockrand ist da nirgends was zu sehen, einzig hinterm Moritzplatz wirds sozial betrachtet schon recht grenzwertig. Und die Gegend um die Urania steht der Leipziger Straße an Brachialität wahrlich in Nichts nach.
    Die Luftbilder von 1952 sollten dich vielleicht doch interessieren - zeigen sie doch sehr deutlich das bis in die heutige Zeit wirkende Grunddilemma.

  • Um es kurz zu machen.Das Berliner Stadtschloß wäre nicht gesprengt wurden,wenn es in einer der drei Westsektoren gestanden hätte.Das ist der Unterschied zur DDR,wo man ganz bewusst an der Stelle des Hohenzollernschlosses den Palast des " Arbeiter und Bauern Staates" errichtete,um so unübersehbar zu zeigen,wer die neuen Herren im Hause sind.

  • Nicht ganz korrekt. Man 'errichtete' einen Aufmarschplatz mit Tribüne. Der Palast der Republik kam erst sehr viel später, als man sich der riesigen Brachfläche bewusst wurde und war insgesamt auch nur 14 Jahre in Betrieb.
    Im Übrigen ging es hier nicht darum, was alles abgerissen wurde und warum (ich denke die Ulbrichtsche Kulturbarbarei ist wohl unstrittig) - sondern was auf den so geschaffenen Freiflächen dann neu errichtet wurde.

  • Vielleicht wäre es ganz hilfreich, zum Vergleich der Stadtentwicklung zwischen Ost- und Westberlin erst einmal in die Statistik zu schauen.
    Dort gibt es Angaben zur Entwicklung des Wohnungsbestandes in Ost- und Westberlin zwischen 1949 und 1988, die einen Vergleich ermöglichen.
    Demnach ist die Lage wie folgt:
    Westberlin:
    Wohnungsbestand 1988 gesamt: 1.096.744
    Neubau 1949-1988: 549.521
    Abriss 1949-1988: 144.585
    Anteil der Neubauwohnungen am gesamten Wohnungsbestand: 50,1 Prozent
    Verhältnis zwischen Wohnungsabrissen und Gesamtwohnungsbestand: 13,2 Prozent

    Ostberlin:
    Wohnungsbestand 1988 gesamt: 618.887
    Neubau 1949-1988: 343.880
    Abriss 1949-1988: 81.272
    Anteil der Neubauwohnungen am gesamten Wohnungsbestand: 55,6 Prozent
    Verhältnis zwischen Wohnungsabrissen und Gesamtwohnungsbestand: 13,1 Prozent

    Man kann anhand dieser Zahlen erkennen, dass Ost- und Westberlin in Bezug auf Wohnungsneubauten und Wohnungsabrisse fast gleich liegen.
    Dennoch gibt es natürlich Unterschiede. Ein Großteil des Westberliner Wohnungsneubaues erfolgte zwischen 1950 und 1970, als oft 20.000 Wohnungen im Jahr gebaut wurden. Der Ostberliner Wohnungsneubau kam dagegen erst ab 1973 so richtig in Fahrt, und ab 1984 gab es durch den Einsatz der bezirklichen Baukombinate eine nochmalige Steigerung auf zeitweise über 20.000 Wohnungen pro Jahr.

    Weiterhin gab es unterschiedliche Rahmenbedingungen. In Ostberlin gab es die Phase der "nationalen Bautradition", die es in Westberlin nicht gab. Dann gab es in beiden Stadtteilen Wohnkomplexe, die dem Leitbild der "gegliederten und aufgelockerten Stadt" folgten. (auch wenn dieser Begriff in Ostberlin nicht verwendet wurde). Ein Vergleich zwischen dem Heinrich-Heine-Viertel (Ost) und der benachbarten Otto-Suhr-Siedlung (West) zeigt diese Parallelität anschaulich. Nach 1961 gab es wieder unterschiedliche Entwicklungen. In Westberlin gab es gerade nach dem Bau der Mauer einen größeren Zwang zum flächensparenden Bauen, daher wurde gerade nach 1961 hier höher und dichter gebaut. Von dieser Entwicklung zeugen Wohngebiete wie das Gebiet rings um den Mehringplatz, das Märkische Viertel, die südliche Gropiusstadt, Marienfelde Süd oder das sogenannte "Grüne Dreieck" am S-Bahnhof Pichelsberg. Hier gibt es Wohnscheiben mit 15 Geschossen und Wohnhochhäuser mit bis zu 31 Geschossen, die es in Ostberlin nicht gibt.

    In Ostberlin gab es von ca. 1965 bis 1971 auch eine Phase, während der sehr hoch und dicht gebaut wurde, die Leipziger Straße und die Fischerinsel zeugen von dieser Ära. Doch um 1971 setzte sich die Erkenntnis durch, dass Hochhäuser einerseits viel teurer als niedrigere Häuser waren, andererseits gab es Untersuchungen, nach denen Hochhäuser gerade bei Familien mit Kindern unbeliebt waren. Daher wurde ab 1971 der Anteil an Hochhäusern schrittweise reduziert. Der Vergleich der nacheinander gebauten Wohngebiete Fennpfuhl, Marzahn und Hellersdorf zeigt diese Entwicklung sehr anschaulich.

    Über die städtebauliche Qualität des Ost- und Westberliner Bauerbes kann man sicher lange streiten, vieles ist auch Geschmackssache. Ich selbst kenne mich besser in der Ostberliner Baugeschichte aus, aber ich interessiere mich zunehmend für das Bauerbe des alten Westberlin und finde, dass auch hier eindrucksvolle Leistungen zu finden sind und dass diese Leistungen zu wenig gewürdigt werden. Für diese Missachtung ist aber meiner Meinung nach aber kein Ost-West-Konflikt verantwortlich, sondern diese Degradierung des Westberliner Bauerbes hat schon in den späten siebziger und achtziger Jahren eingesetzt. Mit dem Stadtgrundriss der Vorkriegszeit gingen Ost- und Westplaner jedenfalls gleichermaßen frei um, der Komplex am Mehringplatz, das Hansaviertel, das Springprojekt oder die Otto-Suhr-Siedlung waren mit einer radikalen Überformung des hergebrachten Stadtgrundrisses verbunden.

  • Modern Talking

    Zitat von Baukunst

    Ob Minder- oder Mehrheitsmeinung ist mir einerlei: Lüschers Uralt-Dogma von den Brüchen und Konrasten ist m.E. unzeitgemäß. Typisch für ihr akademisch-theoretisierendes Milieu ist, dass der Moderne ständig und überall eine "Chance" und "Raum" gegeben werden soll. Man tut so, als sei Berlin Paris oder Bern oder als ob man sich im 19. Jh befände. Überhaupt - was heißt schon modern? Jeder Neubau, der nicht gerade eine Rekonstruktion darstellt, ist modern, ob nun Adlon oder I.M. Peis DHM-Erweiterung. Modernismus triffts eher - Architektur soll bewusst wehtun und stören. So zumindest meine Erfahrung mit den zahlreichen Vertretern dieser Strömung in der Uni, in den Denkmalämtern und leider unter vielen Intellektuellen.
    Frau Lüscher sollte in eine Provinzstadt gehen, wo man (übertrieben gesprochen) Tankenstyle-Architektur neben dem Dom für ungeheuer mutig, spannend und weltmännisch hält. Der vielgescholtene Stimmann hingegen war der richtige Mann zur richtigen Zeit und es sind tolle MODERNE Sachen während seiner Amtszeit entstanden.


    Da diese Äußerung von Baukunst so treffend ist und das Alea-Thema etwas sprengt, habe ich sie hierher importiert und möchte gleich alle anderen dazu auffordern, wenn es in Diskussionen wieder sehr allgemein wird - wie zum Beispiel im Prenzlauer-Bogen-Thread -, einfach hier weiterzumachen.


    Ich finde es sehr gut, daß Baukunst hier mal auf das theorieverliebte intellektualistische Milieu zu sprechen kommt, das ich als relativ uninformierter Laie ebenfalls schon lange so empfand. Schon lange, bevor ich mich in Architekturforen anmeldete.


    Ich weiß auch nicht, wie diese Leute ticken. die scheinen eher in akademischen Erzählungen, Moden und dergleichen zu denken, als einfach mal das simple, nicht begriffliche und durchtheoretisierte ästhetische Empfinden sprechen zu lassen.


    Und der Vergleich mit Paris und Bern ist in der Tat sehr treffend. Für einige Paranoiker hier im Forum sind ich und andere ja nachweislich dafür, Berlin im Jahre 1912 wiederherzustellen. Und für ganz Paranoide geben Leute wie ich das dann noch nicht mal zu, weil wir dann ja so "unmodern", klingen. Und das wollen wir natürlich nicht zugeben. Alles vom Verfassungsschutz nachgewiesen - und geschreddert. Alles wahr!


    Moderne Architektur ist etwas Wunderbares, Legitimes und Notwendiges. Nur gibt es blöderweise kaum moderne Architektur, die so etwas wie Wärme, traditionelle Geborgenheit und Selbstverständlichkeit transportieren kann. Und das ist auch in Ordnung, solange letztere Qualitäten ausreichend vorhanden sind.


    Die Kaste, von der Baukunst spricht, hat offenbar noch nicht verstanden, daß die Moderne in jeder Hinsicht eine enorme Erweiterung unserer Freiheiten und unseres Bewußtseins ermöglicht hat. Und nun sind wir seit ein paar Jahrzehnten in der Phase, wo wir demütig lernen müssen, daß die Moderne nichts ist ohne traditionelle Stetigkeit, Geborgenheit und Identität. Daß man diese Dinge nicht einfach relativistisch konstruieren oder dekonstruieren kann.

  • ^^
    Tendenziell neigen Menschen wohl dazu sich mit ähnlich denkenden Freunden zu umgeben und zustimmende Meinungen stärker wahrzunehmen als abweichende, so dass letztlich fast alle den Eindruck haben sie verträten die einzig vernünftige Ansicht.

    2 Mal editiert, zuletzt von Chandler ()

  • Import

    Naja, es wird jedenfalls nie dazu kommen, dass am Spreebogen Germania-Style gebaut wird und das ist aufgrund der Vergangenheit auch richtig so.
    Dass der Kanzleramt-Komplex dort errichtet wurde wurde ja schon kritisiert.


    Die Vergangenheit bleibt aber nicht dieselbe, sondern ändert sich. Reines Germania im Spreebogen ist natürlich problematisch. Es geht ja nur um postmodernes Germania in der Nähe. Wäre durchaus sehenswert und könnte genauso gut auch als kritisches Statement gewertet werden. Oder als ironischer Kommentar.


    Die Vergangenheit ändert sich und unser Umgang damit auch. Man muß nicht jede Neurose bis ins Endlose fördern und affirmieren.


    Solche Neurotiker haben offenbar auch zum Band des Bundes ihr Statement abgegeben, wie du schreibst. Das ist doch nun ein Witz, das mit Bezug auf Speer und die Germania-Pläne zu kritisieren.


    Ich persönlich finde diese Idee sehr gelungen. So muß ein Regierungsviertel aussehen. Ich freue mich schon auf MEL 2. Einzig der Platz zwischen Kanzlei und Paul-Löbe-Haus könnte vielleicht noch verbessert werden. Z.B. durch ein großes anziehendes Kunstwerk. Irgendetwas Identitäres, Nationales.

  • In sachlichen Debatten haben IMHO jegliche Vergleiche mit der "Nazi Zeit" keinen Platz. Die steht für sich und ist ein Thema für sich.


    Generell ist aber die Zeit monumentaler Obrigkeitsarchitektur sicherlich vorbei. Eine Zivilgesellschaft zeichnet sich durch einen sachlichen Politikstil aus und da ist Pomp und Gloria einfach auch nicht angebracht, dass die profane Gestaltung von Gebäuden, Außenanlagen, aber auch die Abmessungen, einen psychologischen Einfluss auf die Menschen haben die sich dort tagtäglich bewegen muss, denke ich, nicht näher erörtert werden sondern ist einfach plausibel und Lebenserfahrung. Unsere tägliche Umgebung beeinflußt uns enorm. Architektur ist menschgemachte Umwelt!


    Und es gibt durchaus in der Politologie einige Anhaltspunkte dafür dass der Umzug von Bonn nach Berlin einen Anteil am oft beklagten "Verfall der politischen Kultur" in der Bundesrepublik hatte, nicht weil man nun an der Spree statt am Rhein arbeitet und abstimmt sondern weil Bonn, qua Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik, betont sachlich und unaufgeregt gestaltet wurde. Selbst das Bundeskanzleramt hätte genauso gut, aus etwas Entfernung betrachtet, ein Kreisgymnasium irgendwo in Westdeutschland sein können, das neue Bundestagsplenum irgend eine Kongresshalle.


    Ganz ganz anders das monumentale neue Regierungsviertel, "Klotzen statt Kleckern" war und ist dort offenbar das Motto. Ich finde das nicht sonderlich sympathisch. Abgesehen davon ist es mir als Steuerzahler einfach zuwider dass für Ego, Repräsentation und Prestige solche Unsummen ausgegeben werden. Ideologisch o. ä. würde ich das also gar nicht "aufhängen", ich denke es gibt zahlreiche sachliche Kritikpunkte. Einerseits die Wirkung der Architektur, wie beschrieben, andererseits dass dieses Regierungsviertel wie ein Raumschiff in Berlin gelandet ist und am Abend menschenleer wirkt, am Tage ebenso relativ steril, die Weite wirkt dabei eher trist und ideenlos als großzügig. Und letztlich verstehe ich bis heute nicht wieso gerade vielen Berlinern der Hauptstadtumzug solch ein Anliegen zu sein hat. Kann denn Lokalpatriotismus so wichtig sein, dass man dafür gerne solche riesigen zentralen Flächen in allerbester Lage für Bürokratiepaläste hergibt? Einen Steinwurf von Tiergarten, neuem Hbf und Brandenburger Tor könnten sich Stadtplaner sicherlich spannenderes ausdenken.

  • Deine ästhetische Bewertung in allen Ehren. Es gibt eben auch andere Eindrücke.


    Abgesehen davon ist es mir als Steuerzahler einfach zuwider dass für Ego, Repräsentation und Prestige solche Unsummen ausgegeben werden.


    Ich finde eine angemessene Repräsentativität für wichtige Regierungsbauten sehr wichtig. Gemessen an historischen Regierungsbauten anderer Staaten kommt unser Regierungsviertel noch recht bescheiden daher.


    Für die Belebung der Gegend habe ich auch schon eine gute Idee, die ich später mitteilen werde. Du unterschlägst aber, daß die Gegend dort noch im Aufbau ist und daß es Unter den Linden nach 22 Uhr auch menschenleer ist. Am Tage und im Sommer ist das Regierungsviertel doch recht frequentiert.


    Ich wüßte nicht, wie man das besser und billiger hätte machen können. Viele Bauten sind im übrigen auch in der Stadt verteilt und gut integriert.


    Das Band des Bundes ist ein weiterer Ort, der die Identität Berlins ausmacht, und das finde ich toll. Es braucht charaktervolle Orte in der Stadt, die ein Gesicht und Identität geben. Dazu bedarf es starker architektonischer Aussagen.

  • @Baumeista: Du bringst doch tatsächlich in jedem zweiten Post von dir das Kunststück fertig, den angeblichen Berliner Lokalpatriotismus in irgendeiner Form zu geißeln. Alle Achtung!!!


    Dass die Flächenbeanspruchung für das Regierungsviertel in deinen Augen so hoch ist, hat aber weniger mit irgendeinem Anliegen "Hauptstadtumzug" von Berlinern zu tun, sondern mit dem steigendem Bedarf der Verwaltungsbürokratie an Büros. Ferner sind es Bundesbauten, bei denen "der Berliner" (wie Du es immer so schön verallgemeinernd schreibst) keine bzw. nur geringe Interventionsmöglichkeiten hat. Sicherlich haben die mit Blick auf Bonn vergleichsweise größeren Dimensionen der Bundesbauten mit einer geänderten Selbstwahrnehmung der Bundesrepublik, mithin ihrer Verwaltung den Parteien und den Parlamentariern zu tun. Berlin (dem Land und seinen Bewohnern) ist dafür nicht verantwortlich zu machen, gleichwohl sich dieses geänderte Selbstverständnis in Berlin stärker manifestiert als anderswo.

  • Ist das wieder mal das "Deutsche Schamtrauma" (Symptome: bloß nicht zeigen wer man ist und was man hat/kann) oder die "Deutsche Neidsydrom" (Symptome: wenn nicht ich, dann auch kein anderer und ist ja dann eh alles egal) Das muss nichts mit protzen zu tun haben. Berlin ist an sich schon als Stadt repräsentativer, als eine "Kleinstadt" wie Bonn, geschweige denn als Hauptstadt. Hauptstädte müssen natürlich nicht immer die größte Stadt des Landes sein, aber etwas hermachen sollten sie schon. Das sahen die Kölner sicher auch so, seis nun wenns um Bonn als Bundeshauptstadt (falls es zur Debatte stand) oder Düsseldorf als Landeshauptstadt (wobei ich, wäre ich NRWler und nicht aus Köln, den jetzigen Zustand auch befürworten würde). So viel zum Lokalpatriotismus. Alternativ zu repräsentativen Bauten könnte man ja die Hauptstadt auch in Form einer Karawane durch die Lande ziehen lassen. Wär wohl eine kostengünstigere Alternative gewesen...


    Was soll da auch abends los sein? Ein Regierungsviertel ist letztendlich auch nur ein Büro- und kein Wohn- und Vergnügungsviertel. Die haben es nun mal so an sich, ob nun vor 10 oder vor 50 Jahren aus dem Boden gestampft. Da laufen eben in erster Linie Touris rum und die halten sich abends anderswo auf. War/ist abends im Bonner Regierungsviertel mehr los? Ich bin ja gespannt auf deine Idee, Berliner :).


  • Und es gibt durchaus in der Politologie einige Anhaltspunkte dafür dass der Umzug von Bonn nach Berlin einen Anteil am oft beklagten "Verfall der politischen Kultur" in der Bundesrepublik hatte, nicht weil man nun an der Spree statt am Rhein arbeitet und abstimmt sondern weil Bonn, qua Selbstverständnis der jungen Bundesrepublik, betont sachlich und unaufgeregt gestaltet wurde.


    Also wenn du mit deiner Altersangabe nicht gemogelt hast, so bin ich doch sehr erstaunt, dass jemand in dieser Generation Spießigkeit und Mief der Bonner Republik als erstrebenswerten Zustand ansieht. Das Deutschland von heute ist ein anderes. Die kriegsbedingten Krücken haben ausgedient und man darf einen Stuhl in der Weltgemeinschaft einnehmen, der passt. Und dazu gehört eben auch, dass man sich seiner Geschichte erinnert (anstatt sie auszublenden) und entsprechend würdig repräsentiert. All das ist in Berlin möglich und zwar nur hier.

  • Liliputrepublik Deutschland

    Ich bin ja gespannt auf deine Idee, Berliner :).


    Das klang ja schon bei der Einheitswippe an. Dort wäre sie sicherlich besser als vor dem Schloß.


    Meine Idee war ein "Politik-Parcours": Alle politischen Institutionen in Form ihrer Gebäude im Maßstab 1:50 oder 1:100 auf diesem großen Platz zwischen Paul Löbe und Waschmaschine.


    Also ein Miniatur-Reichstag, -Verfassungsgericht etc. Alles auf einem kleinen Areal oder Platz, entweder exakt kopiert oder künstlerisch expressiv gestaltet.


    Jedenfalls hätte das etwas Anschauliches und einen gewissen Attraktionswert. Es geht ja nur darum, da irgendetwas Nationales, Identitätsmäßiges hinzustellen.


    Die Funktion einer Institution könnte man sich beispielsweise Audio oder Video mäßig direkt am Gebäude erklären lassen. Das ist wohl das Beste. Da können sich dann Schülergruppen unser politisches System erklären lassen und haben gleich ein paar Originale dieser Minirepublik in der Nähe.


    Wir sind ja föderal am sein tun, sodaß auch einige andere Städte zum Zuge kämen. Z.B. auch Wiesbaden mit Statistischem Bundesamt oder Nürnberg mit BfA.


    Ich könnte mir das sehr attraktiv vorstellen: Hatte mir das Ganze gerade in schlichten Holzmodellen vorgestellt, die allein durch ihr Relief, ihre Form wirken.


    Man könnte auch ein paar Sehenswürdigkeiten anderer Städte einfügen, deren Landesparlamente etc.


    Ich hatte schon gedacht: So was muß ich mir patentieren lassen. Es wäre jedenfalls cool, wenn diese Gegend einfach etwas zum Identifizieren bekommt, was ein bißchen spaßig und selbstironisch ist und was einem das Regierungsviertel näher bringt.


    Was haltet ihr davon? :D

  • Berlin sollte sich in zentralen Gebieten international orientieren.London orientiert sich auch nicht an Newcastle,obwohl man natürlich feststellen muss,dass die Stellung von London eine andere ist als die von Berlin.


    Natürlich beinhaltet exklusiv auch teuer,ich meinte aber mehr das Ambiente.Deutsche Industriehäfen,die zu Wohn und Gewerbestandorten umgebaut wurden,sind auch teuer aber nicht exklusiv.Ob Frankfurt,Duisburg oder HH,alles nicht schlecht,aber nicht wirklich innovativ,eher gediegen.Neue deutsche Langeweile,könnte man etwas polemisierend sagen. Hamburg z.B. ist bei seiner Hafencity im Wesentlichen nicht über das traditionelle hanseatische Backsteinflair hinausgekommen.Viel zu wenig Anregendes ist auch hier in Berlin geplant bzw.umgesetzt.Wenn nicht genügend kreative Investoren vorhanden sind,wozu muss man dann mehrere solcher Gebiete gleichzeitig entwickeln ? Mit überall dem gleichen,altbekannten Schema.IMHO sollte man die Gebiete lieber weiter brachliegen lassen,als sie so uninspiriert für zukünftige Generationen aufzubereiten.


    Aus Mediaspree-Thread themenspezifisch hierher verschoben.
    Bato

  • Kleist: Das sehe ich etwas anders. Man kann sich eigentlich weder national noch international orientieren, sondern muss sich nach den lokalen Gegebenheiten richten: Wie steht es um Angebot und Nachfrage und welche Vorgaben kann man von Seiten des Senats/ der Bezirke überhaupt durchsetzen? Brachen finde ich aber nicht unbedingt wünschenswert. Ich denke nicht, dass man das Angebot irgendwie gezielt verknappen sollte. Man sieht doch, dass sich aufgrund der guten Nachfrage momentan gleich mehrere Quartiere entwickeln lassen. In vielen Fällen sind es nicht einmal viele spekualtive Bauten, sondern es gibt viele namhafte Investoren die langfristige Mietverträge unterschreiben.


    Übrigens finde ich das Gesamtkonzept der Europacity aus besagten Gründen (weitgehend öffentlich zugängliche Erdgeschoss-Zone) bisher sogar überzeugender als das der Mediaspree. Schade, dass man bei der Mediaspree eine öffentliche Uferzone einplant, aber dann praktisch nur Bürobauten aneinander gereiht werden. Die Architektur ist mE in beiden Fällen nicht unbedingt grottig schlecht, aber eben auch nicht großartig ambitioniert. Es deckt sich halt in etwa mit meinen Erwartungen. Ich finde aber "gediegen" auch nicht unbedingt schlecht. Es kann mE insgesamt oft gelungener wirken als billige Effekthascherei. Wirklich ambitionierte Architektur ist mE leider sehr selten.

  • Internationale Orientierung, woran denn sonst...

    Also das viele Deutsche mit der Größe von Berlin (und die Stadt ist ja noch nicht mal sooo groß) Ihre Probleme haben, ist ja bekannt. Das sich Berlin, jetzt aber an dem popeligen Frankfurt (Hochhäuser machen noch keine Stadt) orientieren soll, ist lächerlich.


    Ich finde, es fehlt an diesen, wie schon beschriebenen Innenstadt-nahen Baugebieten an den Highlights, an den herausragenden Gebäuden. Der Potsdamer-Platz ist wirklich gut gelungen und vermittel ein bißchen das Gefühl von Metropole.


    Baugebiete ala Mediaspree, Europacity sind hingegen für mich eine Katastrophe. Austauschbare Architektur, langweilig, beliebig, strahlt wenig bis keine Urbanität aus und dann zeugt es noch von großer Dummheit, die Ränder der Spree mit Büros und Industrieklötzen zu pflastern.


    Das ist alles nix halbes und nix Ganzes, wenn Berlin nicht so ein tolle existierende Infrastruktur hätte, wäre mir Angst und Bange über die Beliebigkeit der Architektur in den letzten Jahren.


    Da beschwert man sich über die Ghettos in London (Finanzdistrikt) oder in Paris, wo wenig Misch-Gebiete Büros/Wohnungen etc. entstehen, und dann topt man das ganze noch in dem man die besten Lagen noch mit Architektur von vor 20 Jahren bepflastert.


    Ich kann es schon nicht mehr lesen, aber es bleibt richtig:"Es gibt keinen Masterplan, dabei bleibe ich..." und die Stadtentwicklung hat aus meiner Sicht in Berlin an 3 Entwicklungsgebieten total versagt: 1 Alexanderplatz 2 Spreebebauung (Teilbereich Mediaspree) 3 Europacity

  • Ich verstehe nicht so recht was ihr immer mit London oder Paris habt. Die Situation in Deutschland ist doch anders. Hier sind nicht alle großen Unternehmenszentralen und sonstigen Organisationszentralen in der Hauptstadt konzentriert und auch die besonders wohlhabenden Menschen sind weiter übers Land verteilt und haben nicht zu großen Teilen ihren Wohnsitz in Berlin.


    Dementsprechend gab es eben keinen Bedarf für zwölf Hochhäuser am Alexanderplatz weil sie niemand mieten wollte. Ob und was gebaut wird entscheiden die Menschen oder Organisationen die es bezahlen.


    Also das viele Deutsche mit der Größe von Berlin (und die Stadt ist ja noch nicht mal sooo groß) Ihre Probleme haben, ist ja bekannt. Das sich Berlin, jetzt aber an dem popeligen Frankfurt (Hochhäuser machen noch keine Stadt) orientieren soll, ist lächerlich.


    Diese seltsame Haltung gegenüber Städten mit weniger Einwohnern ist mir recht fremd. Ich denke auch nicht, dass es bei der Entscheidung über die Fassadengestaltung usw. für den Bauherren und seinen Architekten relevant ist ob das neue Hotel, Geschäfts- oder Wohnhaus in Frankfurt, Duisburg oder Berlin, am Main, am Rhein oder an der Spree gebaut wird. In sofern ist die Architektur selbstverständlich austauschbar.

    Einmal editiert, zuletzt von Chandler ()