@ Guderian: Verstehe ich das richtig, ganz Deutschland hasst Berlin aus kleinlicher Eifersucht? Wie kommst du darauf? Worauf stützt du deine Aussagen?
Zuerst aber zu der angeblich falschen Aussage, Berlin würde das Geld anderer Leute verbraten:
Vor der Wiedervereinigung wurde nicht nur der Ostteil als "Hauptstadt der DDR" zum Unmut der übrigen Bevölkerung bevorzugt behandelt, auch West-Berlin bekam viele Zuschüsse - was aber auf Grund der besonderen Situation allgemein akzeptiert wurde. Zwischen 1951 und 1986 hat der Staat über 200 Milliarden DM Berlin-Hilfe gezahlt, allein 1986 waren 14 Milliarden DM! Das waren 444 DM pro Sekunde! 1987 dürften es wegen des Jubiläums noch mehr gewesen sein... Diese Summen wurden meist nicht einmal sinnvoll eingesetzt, man sprach stellvertretend von "Schweineohrensyndrom": Schweine werden in Westdeutschland geschlachtet, nach Berlin gefahren, dort wurden die Ohren abgeschnitten, das Schwein ging zurück in den Westen, und dafür kassierte man Subventionen - ohne dass viele Arbeitsplätze geschaffen wurden. Auf diese Weise wurde Berlin auch ein Zentrum der deutschen Kaffee- und Zigarettenindustrie.
Nach der Vereinigung fiel diese Berlin-Zulage weg, was für die Stadt natürlich ein Schock war. Aber dafür übernimmt der Bund den Großteil der Kulturausgaben Berlins (schon 2004 waren das über 400 Mio € im Jahr, siehe Bundestagsanfrage: http://dip.bundestag.de/btd/15/052/1505278.pdf) und kein anderes Land profitiert so stark vom Länderfinanzausgleich, in den letzten Jahren waren das immer zwischen 2,5 und 2,8 Milliarden € pro Jahr! Die nachfolgenden Nehmerländer bekommen über 2 Milliarden weniger! Weil andere Bundesländer besser wirtschaften, werden sie gezwungen vor allen Dingen Berlin zu subventionieren. Es dann etwas merkwürdig, wenn Studenten aus den Geberländern Studiengebühren zahlen müssen, Berlin aber ganz großzügig auch auf deren Kosten keine erhebt. Zusätzlich gibt es dann auch noch 2,8 Milliarden € Bundesergänzungszuweisungen vom Bund - und all' das, ohne dass die Ausgaben des Bundes für Bundeseinrichtungen berücksichtigt wurden.
Nun zu der steilen These, die deutsche (immobilien-)Wirtschaft würde aus Neid und Eifersucht Berlin im Stich lassen (was Berlin natürlich nicht groß juckt):
Glaubst du wirklich, Unternehmen würden auf Gewinne in Berlin verzichten,weil sie die Stadt nicht mögen? Liegt es nicht viel eher daran, dass dort nicht viel Gewinn zu erwarten ist? Büro- und Wohnflächen gibt es doch in Berlin mehr als genug, da würde ich doch auch eher in München, Frankfurt, Wiesbaden, Düsseldorf oder anderen Immobilienstandorten investieren. Was erwartest du denn von der deutschen Wirtschaft? Dass alle ihren Firmensitz aus purer Berlin-Begeisterung in die Hauptstadt verlegen? Berlin hat zwar Standort-Vorteile wie niedrige Mieten und ein interessantes und breites Kulturangebot, aber es spricht auch ziemlich viel gegen den Standort Berlin: Etwa das magere Direktflugangebot in die USA, viel Bürokratie, ein rot-roter Senat und die Tatsache, dass die Entwicklung Berlins schwer abzuschätzen ist - man muss sich sich nur mal vor Augen führen, was es schon für Fehleinschätzungen (positiv wie negativ) seit 1990 gab. Außerdem scheint in Berlin ziemlich viel schief zu gehen, an wem auch immer das liegen mag. Warum konnte München in so kurzer Zeit den FJS-Flughafen als Drehkreuz etablieren, während in Berlin immer noch nichts passiert? Warum dauerte der Hbf-Bau so viele Jahre länger? Wie konnte die Olympia-Bewerbung so kläglich scheitern? Warum gibt es jahrelang selbst an prominentesten Stellen Baugruben, ohne dass etwas passiert? Warum versenkt die Berliner Politik so viel Geld (BGB, Tempodrom, Grundstücksverkäufe, etc.)?
Ein Hauptproblem ist meiner Meinung nach, dass Berlin eben kein Finanzzentrum mehr ist und deshalb niemals in einer Liga mit Metropolen wie Paris oder London spielen kann.
Nach meiner Einschätzung ist Berlin keineswegs unbeliebt. Die Stadt gilt als aufregend, vielseitig und spannend, viele Freunde und Bekannte sind begeistert nach Berlin gezogen. Mittlerweile sind aber auch fast alle wieder weggezogen, weil sie etwa ihre Kinder in einem anderen Umfeld aufwachsen lassen wollen oder weil es nach Studium/Ausbildung einfach keine Stellen in Berlin gab. Wenn Berlin so verhasst ist, warum es dann als Reiseziel so beliebt? Warum gibt es dann ständig Titelgeschichten und Sendungen über die Stadt? Warum läuft gefühlt dreimal am Tag ein Bericht über das Adlon? Warum spielten gefühlte 90% der deutschen Romane der letzten Jahre im Prenzlauer Berg? Wenn da jetzt bei manchen eine gewisse Übersättigung eingetreten ist, überrascht das nicht.
Mir ist auch nicht klar, worauf die anderen deutschen Städte so eifersüchtig sein sollen. Sicher, niemand verliert gern Institutionen und Arbeitsplätze, viele Lobbyisten sind nach Berlin gezogen, viele Preisverleihungen und Events finden in Berlin statt. Weniger Aufmerksamkeit erfährt dadurch höchstens München, das noch als "heimliche Hauptstadt" galt, bevor Deutschland mit Berlin wieder eine richtige hatte. Aber jammert München? Die Stadt strotzt vor Reichtum und Wirtschaftskraft, die Immobilien sind auf Grund der hohen Nachfrage kaum noch zu bezahlen, auch kulturell läuft viel. Berlin hätte die wichtigste Privatsammlung mittelalterlicher Skulpturen haben können, wollte aber nicht - München nimmt sie mit Kusshand. Bonn ist nicht mehr Bundeshauptstadt, trotzdem geht es der Stadt besser denn je, usw. Worum sollte ein etablierter Hamburger oder Münchner Berlin beneiden? Berlin konnte einiges in die Stadt locken, etwa die Modemesse "Bread and Butter". Sie war sehr erfolgreich passte sehr gut zu Berlin, dann gab es einen Ableger in Barcelona - und jetzt gibt es die Messe nur noch in Barcelona. Was zum einen am schnarchigen Senat liegt, zum anderen aber auch daran dass Berlin international vielleicht doch so attraktiv ist wie viele Berliner glauben...