Stadtgespräch Berlin / dies und das

  • @ AEG


    Utopie ? Du meinst wahrscheinlich sie hatten eine Vision gehabt..


    Wirklich menschlich und architektonisch-visionär, weil der Natur näher, sind doch die Altbauten und gerade eben nicht die Gropiusstadt, die Scharoungebäude usw
    Warum haben den Altbauten heute einen so hohen Wert unter den Bürgern ? Weil sie sich dort wohl fühlen und Stuck und Oranament als Kunst empfinden welche die Phantasie anregt.
    Auch die Höhe der Räume ist angenehmer. Auch deshalb haben Altbauten einen ganz anderen Wert.
    Warum ist denn der Gründerzeitteil Kreuzbergs so beliebt und nicht irgendwelche Nachkreigsviertel im gleichen Stadtteil ?


    Das jeder ein Zimmer hat, ist ja ein Soziales Problem und kein Architektonisches. Mit der veränderten Architektur wird ja nicht die soziale Situation eines Menschen verbessert. Sondern mit den gesellschaftlichen Umständen..

  • AeG,


    wenn Sie selbst polemische Formulierungen verwenden ("marode[] Steinhaufen mit Gipsornamenten"), sollten Sie mich nicht anhalten, vermeintlich neutrale Begriffe zu verwenden. Solcher neutraler Begriffe bedinent sich die Politik ja gerne, um Unerhörtes zu trivialisieren. Der Widerstand bliebt durchaus nicht aus. Werfen Sie mal einen Blick in die Gemordete Stadt. Man hat es damals nur sehr geschickt verstanden, den Bürgern zu erklären, wieviel komfortabler das Leben in einem Neubau sei. Und gewiß: Vergleichen mit einem Altbau, der zuletzt im Kaiserreich renoviert worden war, mußte dies vielen so erscheinen. Im übrigen ist auch die Gleichgültigkeit eines Großteils der Bevölkerung einfach nicht zu unterschätzen.


    Die Entfernung des Berliner Altbaustucks war dennoch und gerade deshalb eine Banausentat. Wer ein intaktes und ein entstucktes Gründerzeithaus nebeneinander sieht, wird dies nicht fundiert bestreiten können. Ideologische Ergüsse sind da was anderes. Die bekomme ich ausreichend zu hören - auch von Ihnen. Also lassen Sie mir doch meine Ideologie. Wären besagte Häuser nun abgerissen und durch anderes ersetzt worden - es wäre genauso unverzeihlich, aber doch wenigstens nicht ganz so unnötig wie die Entstuckung.


    Ich kenne überigens sehr viele Altbauwohnungen, die durchaus großzügig geschnitten, mit mehreren getrennten Zimmern und einem Badezimmer ausgestattet sind.


    Beklagt wird hier nicht der Verlußt des TBC-fördernden, schabenbefallen siebten Hinterhauses eines südkreuzberger Armutsviertels sondern sagen wir des Jugendstil-Wohnhauses mit Wandvertäfelung, Kamin und Blick über den Landwehrkanal oder den Kurfürstendamm.

  • Vor allem Altbauwohnungen sind großzügig geschnitten.. Oder hast du schon mal von jemandem gehört der lieber in einem Gropiusstadt-Plattenbau wohnt, anstatt in einer durchschnittlichen Altbauwohnung ? Ich nicht.


    Die Qualität der Neubauten zeigt sich unter anderem auch in der viel größeren Anfälligkeit für Schimmelbildungen u.ä.
    Das betrifft vor allem Gebäude die zwischen 1950 und 1990 gebaut wurden.
    Bei gleichen Bedingungen hat man dieses Problem bei Altbauten bei weitem nicht so ausgeprägt.

  • Und auch wenn AeG es ständig behauptet, versteh ich nicht, daß leichter Gips damals eine Dauergefahr gewesen sein soll, die hunderttausende Menschen erschlagen hat. Die Gipsbrocken müssen ja einem regelrecht entgegengesprungen sein, damals.


    Ich denke der Hauptgrund, weshalb die meisten Häuser nach dem Krieg entstuckt wurden, ist viel trivialer: Die Sanierung einer Fassade ohne Stuck (insbesondere bei Anbringung von Wärmedämmung) ist günstiger zu bewerkstelligen als mit. Gleichzeitig hat der Zeitgeist eher nach modernistisch schlichten Fassaden verlangt und den Erhalt von Stuck nicht honoriert.


    Anders gesagt: Bevor der Run auf hübsch sanierte Altbauten begann (ich schätze mal das war irgendwann in den 80ern), hat es sich für Hausbesitzer einfach nicht bezahlt gemacht, in aufwändigere Renovierungen zu investieren. Gebäude, die in diesem Zeitraum (immerhin rd. 40 Jahre seit dem Krieg) saniert wurden, haben ihre alten Fassaden darum zum größten Teil verloren.

  • @ AeG,


    "Ein Irrtum wird auch dann nicht zur Wahrheit, wenn alle Welt ihn teilt." - Goethe


    Die Menschen hatten damals Existenzsorgen und Kriegstraumata. Natürlich haben sie sich nicht für Fassaden und Altbauerhalt interessiert. Es ging um Existenzielleres.
    Mit dem Wohlstand hat sich das geändert.


    Von Weisheit bei Steinewerfern hat gar keiner gespochen. Diese Bemerkung zeigt doch noch eine Ironie der Geschichte.

  • Jai-C, sicher ist das richtig. Nur ist das keine Erklärung für die sogenannte "Stuckabschlagprämie". ;)



    Selbstverständlich regen diese "Altbauten" die Fantasie stärker an. Man kann hinter jedem Ornament einen fleißigen Handwerker oder Künstler vermuten, von jeder knarzenden Diele annehmen, sie wäre deshalb so morsch, weil Personen der Zeitgeschichte unentwegt über sie gelatscht sind (oder mindestens Leute vom Schlage der eigenen Uroma), man kann hinter jedem Stück bröckelnden Putz Kampfhandlungen des zweiten Weltkrieges sehen und glauben, so "natürlich" unterschiedlich, wie sich die Straßenzüge heute präsentieren, müssten sie quasi in Jahrhunderten sukzessive aus dem Boden gewachsen sein. Richtig?


    Aber dass der Gips und die Beschläge aus dem Katalog kamen, die Grundrisse immer die gleichen waren (schon baupolizeilich bedingt), ganze Stadtviertel damals schneller wuchsen als Marzahn oder die Gropiusstadt zusammen, dass Menschen unter unwürdigsten Bedingungen arbeiten und leben mussten um das Ganze zu finanzieren und dass in einem Großteil der Häuser seit Anbeginn auch nur Erna Mischke (hatte TBC), Heinz Kasupke (eingewachsener Zehennagel) und Alfred Plischkowski wohnten (verprügelte regelmäßig Frau und Kinder - was man heute gerne mit den Buchten der Nachkriegsmoderne assoziiert), dieser Vorstellung, die viel mehr an der Realität ist, wird gerne ausgeblendet. Bitteschön, Ihr könnt ja gerne fantasieren was Ihr wollt. Ihr solltet diese Fiktionen aber nicht dazu nutzen, die Welt erklären zu wollen.


    Ausserdem gebe ich zu bedenken, dass die ganze schöne Pracht des "Altbaues" mit all dessen Projektionen nicht mehr viel wert wäre, hätte sich seither stilistisch und handwerklich nichts mehr gewandelt. Dann würden die Sozial-Ghettos genau so aussehen wie die Innenstadt, die Frauenverprügler, Neonazis und Kinderverwahrloser würde man damit assoziieren und überhaupt würde jeder schnieke Neubau, der die herrliche Sicht verstellt, zu Baumfällungen führt und jahrelang als Investruine die Landschaft verschandelt dazu führen, dass man diesen Haustyp genau so wenig verklären würde wie alle anderen auch. Und jetzt könnt Ihr Expereten Euch mal darüber Gedanken machen, ob es diese Phase nicht vielleicht schon eimal parktisch gegeben hat und den Nährboden für die Moderne bildete.


    Was die Kernursache für die Entstuckungswelle war (die ja bereits lange vor dem Einsatz Scharouns begann), darüber wurde nun genug geredet. Wer das ignoriert und weiterhin von Ideologien spricht, der sollte sich mal an die eigene Nase fassen. Ob diese oder jene Fassade dabei "schöner" wirkt, ist doch bei der Debatte vollkommen nebensächlich. Man kann nicht die Realität und die damaligen Sachzwänge ausblenden, nur weil man etwas gerade als "schöner" empfindet!


    LeFay, das ist nicht Dein Ernst oder? Du hast Dich mit Sicherheit noch nie ernsthaft mit diesem Thema auseinandergesetzt. Auf den historischen Postkartenmotiven und in den heutigen Straßenzügen ist soweit alles okay. Das genügt Dir scheinbar, um sich eine abschließende Meinung zu bilden. Traurig, diese zweckoptimierten Scheuklappen! Zu allem Überfluss kommst Du auch noch mit Hundertausenden Erschlagener. Du hast schon mitbekommen, dass heute bereits auf Verdacht Feinstaubzonen angelegt werden und dass eine unglücklich verrutschte Kordel im Kinderannorak dazu führen kann, dass tausend Spielplätze mit dreitausend Warnhinweisen versehen werden (um kurz darauf einen Vertriebsstopp für entsprechend ausgerüstete Textilien zu fordern), oder? Was glaubst Du denn, wie viel Verletzte oder getötete hinnehmbar sind, wenn dadurch Deine architektonischen Idealvorstellungen erhalten bleiben? Na? Und dass es Opfer gab - nicht erst im Nachkriegs-Berlin - ist vielfach belegt! Wenn Du's immer noch nicht glauben willst (äääh, der AeG labert eh nur blödes Zeug und will mich fertigmachen, oder so), dann schau mal in die Polizeireporte der Jahrhundertwende oder in die Baupolizeiakten. Beides kann man in der Senatsbibliothek einsehen.


    Eine breite Abhandlung zum Thema Glasfassade und Ökologie will ich allen ersparen. Nur so viel: die angesprochene Speicherwirkung der 36,5mm Mauerwand (plus Putz) ist wesentlich größer als die einer modernen Doppelverglasung mit niedrigem Wärmeleit-Koeffizienten. Der Verglasungsanteil oder dessen Beschaffenheit innerhalb eines modernen Gebäudes werden üblicherweise flexibel gemäß den Himmelsrichtungen angepasst und sind in Bürobauten meist noch mit zusätzlichen (bisher fast ausschließlich mechanischen) Systemen versehen, die eine individuell angepasste Steuerung ermöglichen. Es ist auch nur noch eine Frage der Zeit, bis diese von hoch effizienten elektrochromatischen oder gasochromen Elementen abgelöst werden. Zur Herstellung von Glas und der Montage und Wartung wird zwar allerhand Energie benötigt, jedoch immer noch weniger, als dass bei Mauerwerksbauten nach alter Väter Sitte der Fall ist. Desweiteren sind die Auflagen, die Wärmeschutzverordnungen (oder Energieeinsparverordnungen) zu erfüllen mittlerweile so hoch und die Berechnungsverfahren so komplex, dass Bauten mit Glasfassade, würden sie tatsächlich so unökologisch seien, niemals eine Baugenehmigung erhalten würden. Ausserdem harmonieren moderne Klimatisierungen (Klimaanlagen oder z. B. Kühldecken) viel besser mit dem Verhalten von Leichtbau- oder Glasfassaden, als mit konventionellen Wandaufbauten (wo die Speicherung immer überbrückt werden muss, egal ob Nord- oder Südseite, ob Sommer oder Winter). Dass Glasfassaden unökologisch seien ist ein Märchen, dass sich vermutlich deshalb so gut behaupten kann, weil die Schnittmenge aus Ökologisten und Ablehnern moderner Bauten und ihrer Investoren einigermaßen groß ist. Einen sinnfällige Begründung konnte bisher aber nicht etabliert werden - was die hilflosen Erklärungsversuche LeFays zeigen :).


    Nachtrag: Lars, es geht doch nicht um Irrtümer sondern um Erklärungen für die historischen Zusammenhänge. Dass Fehler gemacht wurden steht ausser Frage. Nur, nachher ist man immer schlauer. Die Debatte soll von meiner Seite her dazu dienen, das Schwarz-Weiss-Denken zurück zu drehen und den Verschwörungstheoretikern und Fantasten den Wind aus den Segeln zu nehmen. Ich habe die Ergebnisse von Scharoun und Konsorten mit keiner Silbe verteidigt! Wer das Forum aufmerksam verfolgt, der weiß, wie ich selber ticke (aber ich wollte meine persönlichen Präferenzen eigentlich aussen vor lassen).

  • Ich laß mir doch hier nichts unterstellen! Ich habe nichts von Postkartenmotiven und Straßenzügen erwähnt!


    Ich habe nur kritisiert, daß es keine Gründe für Stuckentfernung gab. Vielleicht ist es dir, AeG nicht aufgefallen, daß damals tatsächlich noch Blindgänger rumlagen, Häuserzeilen noch abgestüzt werden mußten.
    So wie Kinder damals draußen rumspielen konnten, wurde das bestimmt nicht für eine Gefahr gehalten. Ich rede ja nicht von der Kaiserzeit, sondern nach dem Krieg. Und damals hatte eben noch nicht jeder Angst vor ner eingeklemmten Kordel im Anorak. Die meisten konnten sich wohl auch keinen leisten.


    Zur Wärmedämmung: Der Wärmeleit-Koeffizient hat GAR NICHTS mit der Sache zu tun, daß die Gebäude aus Glas unökologisch sind! Du hast mir ja sogar nachgeplappert, daß die Fenster selbst besser isolieren, aber darum geht es doch gar nicht, aber das hab ich doch schon einmal erklärt! Mit der Wärmebildkamera erkennt man den geringsten Wärmeverlust inzwischen an den Fenstern, die Mauern geben mehr ab, aber hier geht es um den
    WÄRMEEINTRAG DURCH LICHT!
    Dieser kann durch Fenster nicht verhindert werden. Das Glas läßt zwar die Wärme von außerhalb des Gebäudes nicht eindringen, bei guter Isolation, aber AUCH DARUM GEHT ES NICHT!
    Sondern, das Licht, das einfällt (es ist ja ein FENSTER), wandelt sich nach dem Energieerhaltungsgesetz irgendwann im Raum in Wärme um. Diese durchgedrungene Energie, wird logischerweise nicht vom Wärmeleit-Koeffizienten bestimmt! Es wird einfach heiß im Raum! Egal wie isoliert das Glas ist. Nur wenn das Licht nicht einfallen würde, bliebe es kühl. Daher hat in der Sommerhitze Stein eindeutige Vorteile. Er mag sich besser aufwärmen und Wärme leiten, aber die größte Hitze, durch das Licht, welches in Wärme umgewandelt wird, bleibt draußen.
    Da hatten Ingenieurskollegen demletzt eine Diskussion drüber.
    AeG, wenn du mir es anders beweisen kannst, bitte, ich glaub dir das dann auch, ich bin nicht unbelehrbar! Aber meine Kenntnislage ist zur Zeit eine andere.


    gralsritter: Oder ich hätte es wie Sie ausdrücken können.

  • Du bist echt ein Ideologe vor dem Herrn Gralsritter. Ich würde mir hier nie die Mühe machen so viel zu schreiben, um zu versuchen einen so unverbesserlichen wie dich zu belehren. Was dir fehlt ist eine differenzierte Betrachtung der Geschichte und Respekt gegenüber früheren Generationen und ihrer Ideale. Ich befasse mich gerade mit Alain de Bottons Buch "Schönheit und Architektur", dessen Lektüre kann ich dir und jedem anderen nur wärmstens ans Herz legen. Dort wird mit viel Eifer, Witz und vielen Bezügen zu Epochen, die ähnlich der unsrigen waren! Es war alles schon mal da!


    Leider verfüge ich nicht über so ein umfangreiches Wissen wie AEG, dessen vernünftigen Ansichten ich mich aber durchaus verbunden fühle, dennoch möchte ich auch mal kund tun, das dieses romantische Geschreibsel über die wunderschönen, massenproduzierten Stuckorgien, mir auf den Geist geht! Obi bietet heute für jeden das Richtige aus Polystyrol, ob Rosetten, Putten oder Zierleisten. Also machts euch zu Hause "schön", das ist euer Recht!

  • so viel geschrieben, so wenig gesagt. schade.


    Ich weiß nicht, was sie gerne gehört hätten. Aber danke für den Pass. Besser kann man den Mangel an Argumenten kaum verpacken. Damit ist die Diskussion unter uns dann wohl ein für alle Mal beendet.



    LeFay,


    denke doch mal darüber nach, ob nicht vielleicht gerade im kriegszerstörten Berlin die Gefahr herabfallenden Fassadenschmucks im Besonderen gegeben war. Dass Blindgänger und anderes Zeugs ein noch wesentlich größeres Gefahrenpotential besaßen, bleibt davon unberührt. Nicht umsonst hat man schließlich - auch für heutige Verhältnisse - enorme Anstrengungen unternommen, um die Stadt schnellstmöglich zu beräumen. Die Vergütung von vereinfachten Fassadeninstandsetzungen trat erst viel später in Kraft. Aber grundsätzlich: ich habe die entsprechenden Verordnungen nicht gemacht und auch nirgends unterschrieben! Ich erwähne sie nur, um die fixe Idee vom Scharoun zu entkräften, der heimlich mit seinem Blitzdings durch die Kanalisation von Berlin irrte und die Kommunalpolitiker manipuliert haben soll (oder so ähnlich).



    Die Nummer mit der Wärme aus Licht klingt ja interessant. Stammt die These von einem Prof oder von einem Kommilitonen ;)? Klar gibt es da einen Effekt. Aber der ist doch gegenüber allen anderen Faktoren zu vernachlässigen. Ein wirksames Sonnenschutzsystem (also keine Baumarkt-Alu-Jalousien von Innen) ist heute eh Bedingung für die Baugenehmigung bei Bürobauten mit Glasfassade. Selbst wenn dieser Effekt berücksichtigt wird, ist er doch signifikant nur an klaren Sommertagen in den Tagesstunden und auf der besonnten Seite so stark, das er alle anderen Aspekte überrragt. Die Glasfassaden sind gegenüber konventionellen Wandaufbauten übrigens auch besonders gut vom Rest des Bauwerks entkoppelt, selbst untereinander (z. B. über Eck) ist die Isolationswirkung relativ groß. Dickes Mauerwerk (speziell Ks) hält dort dagegen den Negativrekord. Hier verteilt sich die Wärme bzw. die Kälte noch bis in die letzten Winkel.


    Den k-Wert hast Du zwar nicht explizit erwähnt (Du reitest ja auf der Licht-Theorie rum), Deine Ausführungen betrafen ihn jedoch mehrfach: isolierte Fenster können teilweise besser isolieren als Wände [...] ist die Wärme erstmal im Gebäude, kommt sie durch das tolle isolierte Fenster nicht mehr raus. Warum funktioniert eigentlich die Isolationswirkung nach Deiner Ansicht nur in eine Richtung? Ausserdem würde ich gerne mal sehen, wie jemand reine Lichtenergie (ohne die Strahlungsquelle als Wärmelieferant zu verwenden) verwertbar in Wärme umwandelt, ohne mit Gasen und transparenten Trennelementen zu hantieren. Wenn das klappt bräuchte man ja auch keine Wärmebildkameras mehr (wozu hattest Du die eigentlich erwähnt?), in die richtige Richtung gehalten täte es dann jede normale Knipse ;).


    Erstaunlich finde ich aber, dass Du Glasfassaden magst und gegen sie argumentierst, während ich diesen Dingern überhaupt nichts abgewinnen kann (am meisten hasse ich Gebäude, bei denen man über Eck durchblicken kann) und sie hier dennoch verteidige. :)

  • Zur Ehrenrettung von Dior: es war Hugo Boss, der die zu trauriger Berühmtheit gelangten Uniformen designte und produzierte.


    Die Entstuckung ist kein Nachkriegsphänomen, sondern setzt schon fiel früher ein. Sie rechtfertigt sich selbst explizit ideologisch und ästhetisch. Dass Passanten durch herabfallende Stukkaturen gefährdet wurden, war zwar vereinzelt auch ein Grund, betraf aber vor allem kriegsbeschädigte Häuser in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Kleine Polemik: herabfallende Fassadenteile gibts auch bei supermodernen Bahnhöfen !!


    Die Entstuckungsaktionen hat es meines Wissens nach nur in Deutschland gegeben. Das wundert nicht weiter, da wir ja auch die Heimat der Schildbürger sind. Erst gibt es Geld dafür, den Stuck abzuschlagen, dann gibt es Geld dafür, den Stuck wieder dran zu machen. Erst werden für viel Geld große innerstädtische Straßen gebaut, dann werden für viel Geld große innerstädtische Straßen zurückgebaut. Und es gibt noch jede Menge weitere Beispiele ...........


    Achja, das Geld ist natürlich immer das Geld der Steuerzahler. Und in wessen Taschen wandert das Geld? - Genau !!!

  • New Urban,


    ich bin gar nicht so ideologisch. Vielmehr spreche ich mich gegen Ideologie und für den Respekt für die Leistungen vorheriger Generationen aus. Hätte man in Berlin tatsächlich nur in den komplett zerstörten Vierteln mit diversen neuen Modellen des Städtebaus experimentiert, würde ich nichts sagen. Hätte man ein Berliner La Defense gebaut, könnte ich damit prima leben. Hätte man mit den Neubauten wenigstens den alten Stadtgrundriß respektiert, wie z.B. in Köln, selbst dann wäre ich ruhig.


    Aber hier wurde ganz bewußt architektonisches und damit kulturelles Erbe vernichtet. Und das traditionelle Aussehen ganzer Straßenzüge wurde, so man sie nicht sofort abreißen konnte, möglichst nachhalting zerstört. Das ging einfach: Man reiße ein gründerzeitliches Eckhaus mit Kuppel ab und ersetze es durch zwei Neubauriegel. Diese haben unverbunden zu sein, so daß man durch die Ecke ins Blockinnere blicken kann. Außerdem sollten sie ein wenig niedriger und in einem schrägen Winkel angeordnet sein, damit die Bauflucht gestört wird. Sie sollten einige Meter hinter die Grundstückskante zurücktreten, damit der obligatorische Jägerzaun aufgestellt werden kann. Und möglichst ist ein graubeiger Kratzputz zu wählen.



    AeG,


    ich hätte gerne gegen Ihren Beitrag argumentiert, aber soweit er unsere Diskussion betraf, war es leider eine reine Polemik. Daß Baustoffe produziert, bestellt und gekauft werden müssen, ist heute so wie damals.



    export,


    hoppla Sie haben recht. Pardon!

  • export,


    die Erwähnung der herabfallenden Stuckelemente und die Aufforderungen, etwas dagegen zu unternehmen (z. B. von Seiten der AK formuliert) datiern aber schon lange vor den Kriegszerstörungen.


    Dass man gerade in Deutschland und besonders in Berlin die Entstuckung betrieben hat, liegt sicher auch an der Schildbürger-Mentalität. Ich denke aber, dass begründet sich im Falle Berlins eher im natürlichen Mangel an haltbarem Material für die Fassaden (wie es in den meisten anderen, für ihre Architektur berühmten, Städte Europas eher vorkam) und an der Intention vieler Bauherren, die mit Kunstfertigkeit oder Nachhaltigkeit sehr wenig zu tun hatte. Dort ging es um den schnellen Profit, um potente Mieter oder um den Beleihungswert. Entsprechend kombinierten sich hier minderwertiger, dafür aber umso überladener Fassadenschmuck. Das konnte nicht ewig gut gehen (oft keine zwei Jahre, wenn dann bereits die Farbe abbröckelte, die den Gips zusammenhielt).

  • denke doch mal darüber nach, ob nicht vielleicht gerade im kriegszerstörten Berlin die Gefahr herabfallenden Fassadenschmucks im Besonderen gegeben war. Dass Blindgänger und anderes Zeugs ein noch wesentlich größeres Gefahrenpotential besaßen, bleibt davon unberührt.


    Die Frage, die sich mir stellt, ist, wieso dies in Berlin eine besondere Gefahr darstellte, in Leipzig oder Dresden aber nicht? Waren diese Städte nicht kriegszerstört, waren die Menschen dort etwa lebensmüde?


    Deine ganzen Erklärversuche lassen außer acht, dass die Entstuckung in Berlin in einem Maße betrieben wurde, wie es in anderen Städten nie geschah - worin liegt dies deiner Meinung nach Begründet, wenn nich in entsprechenden Fördermaßnahmen?


    Der Gipsstuck aus dem Katalog wurde übrigens nur bei einfachen Arbeiterwohnhäusern verwendet, es wurde schon mehrmals dargelegt, dass es nicht um den Verlust dieser geht, sonderum teilweise großbürgerlichen Wohnraum, der ebenfalls entstuckt wurde.


    Grüße,
    *D

  • Dase,


    ganz recht. Und wenn man Geld dafür aufwendet, Stuck abzuschlagen, hätte man das Geld auch verwenden können, ihn zu reparieren. Fachkundiges Personal dafür gab es. Und in so schlechtem Zustand war er vor allem wegen des vorangegangenen Krieges und der Wirtschaftskrise. Jeder Bau braucht einen gewissen Unterhalt. Wenn er also alle 20 Jahre mal saniert werden muß, ist das durchaus zumutbar. Und solche Sanierungen waren neben o.g. Faktoren eben oftmals in Berlin auch überfällig.


    Stuckbauten sind überigens, AeG, beiweitem nicht nur in Berlin mit seiner angeblichen Immobilien-Hai-Mentalität zu finden sondern in ganz Mitteleuropa. Auch z.B. in New York wurden bei weitem nicht alle Brownstones aus dem triassischen Sandstein gebaut, der den Namen gab. Viele sind wie in Berlin Ziegelbauten mit -taadaaa- Stuck. Berlin war mit seiner Bauweise sogar vorbildlich für nordamerikanische Architektur, vor allem in Chikago.


    (vgl.: Geraniotis, R.M., Early German Contribution to Chicago's Modernism, IN: Zukowsky, John [Hrsg.], Chicago Architecture, Vol. 1, München 1999, S. 91 et seqq.)

  • AeG
    Dürfte ich trotzdem noch mal fragen, wieso du ständig auf den menschenunwürdigen Bedingungen rumreitest? Ich möchte diese gar nicht in Frage stellen und habe auch schon genug Wohnungen gesehen, wo man sich ohne weiteres in die damalige Situation reindenken kann. Und heute sind sie diskriminierend ggü. Übergewichtigen, weil man sich in diesem engen Raum, um bis zur nachträglich eingebauten Toilette vorzudringen, um Abflussrohre herum schlängeln muss. Aber das hier ist keine Podiumsdiskussion zum Thema "Heinz Kasupke - Das Leben eines Arbeiters mit eingewachsenem Zehennnagel um die Jahrhundertwende". Die damaligen Misstände rechtfertigen die heutigen Fassadengestaltungen (nachkriegs, nachnachkriegs und nachmillenium), das Straßenbild etc. nicht/nur bedingt, um die es hier mitunter eigentlich gehen sollte.


    Ob nun Gips oder handgemeiselter Stein, es besteht nun mal ein offensichtlicher optischer Unterschied zw. den (durchaus teilw. überladenen zweitklassigen) Gründerzeitlern im Originalzustand und ihren verstümmelten Artgenossen (auch die hochwertigen) sowie den glatten Sandstein- oder Glasfassaden von heute, was zu einem anderen Charakter der Straße führt. Die einen mögens, die anderen nicht. Und der Gipsstuck von damals unterscheidet sich sehr von den Lampenrosetten, wie man sie heute oft an einst entstuckten, heute sanierten Altbauten finden kann, die eigentlich an die Decke und nicht unter ein Fenster gehören.



    Es ist doch müßig, diese Diskussion immer wieder von vorne zu beginnen. Der Alex von damals ist weg und wird wohl leider Gottes auch nie wieder kommen. Man kann ja gerne beim Betrachten alter Bilder ins Schwärmen kommen oder melancholisch werden (geht mir auch so), aber sich jedes mal erneut über das nicht mehr zu ändernde aufzuregen, bringt doch auch nichts, außer schlechtem Karma ;). Wer auch immer Recht haben mag, AeGs Argumente werden Gralsritter und Lars nicht von deren Meinung abbringen und anders rum. Kann man also dieses Hickhack vielleicht beenden?

  • Ben,


    es ist doch aber Sinn eines Diskussionsforums, darin zu diskutieren. Sofern AeG (oder jemand anderes!) nicht in reine Polemik verfällt, geht diese Diskussion durchaus auch voran. Andernfalls könnte man diese ganze Seite schließen, da keine der hier geführten Diskussionen irgendeinen Einfluß auf die gebaute Realität haben wird.


    Zum Thema Menschenwürdigkeit/-unwürdigkeit möchte ich anfügen, daß dies ein höchst subjektives Kriterium ist. Ich fühle mich von meiner 30er-Jahre Wohnung mit sehr engem Bad, knarrenden Böden und schiefen Wänden ganz und gar nicht entwürdigt. Ganz im Gegenteil... Zwar würde ein Billy-Regal niemals plan an einer meiner Wände stehen können - ich würde aber auch niemals eines kaufen. Fänd ich viel unwürdiger...

  • Ja, klar kann/soll man diskutieren. Aber wenn es auf eine "Gar nicht:neinnein:-Wohl-Gar nicht-Wohl"-Diskussion hinausläuft und der eine nur immer wieder dem Gesagten des anderen mit bereits mehrfach angeführten Argumenten widerspricht, dann kommt man auch nicht weiter...Und langweilig wirds auch langsam.