Frankfurter Stadtgespräch

  • Oh Mann, was für eine Diskussion.
    Historische Fakten in aller Ehre, selbst wenn jedes deutsche Unternehmen in Berlin gegründet worden wäre, es gäbe nicht einen einzigen Grund, warum das heutige Berlin nun einen "moralischen" Anspruch auf den Sitz auch nur eines Unternehmens hätte.
    Wo kämen wir denn da hin, wenn auf einaml diese historischen Fakten irgendwas begründen würden? Dass wir wegen dem Code Civil zu Frankreich gehören sollten? Oder wenn wir mal ehrlich sind, so gehört doch eh alles nach Rom! Oder denkt jemand unsere Kultur hätte sich so ohne den lateinischen Einfluss entwickelt?


    Und um mal die Komplexe einiger Berliner zu besänftigen: Ich glaube euch, dass Berlin vor langer Zeit mal wirtschaftliches Zugpferd war und auch das Preußentum seine liberalen und fortschrittlichen Aspekte hatte. :troest: Aber das ist alles vollkomen unrelevant.


    Nochmal speziell @ Omnio: Vor was bekommst du denn Angst? seperatistischen Bestrebungen? Sorry, aber dass die Hauptstadt außerhalb auf wenig Sympathie trifft, beruht vielleicht auch auf einer gewissen Gegenseitigkeit.
    Wenn Frankfurt Provinz ist, dann ist Berlin eben ein dekadentes Schmarotzerkaff. Und ein Hauptstädter, der sich was auf seine Berliner Schnauze einbildet, der sollte sich doch von einem etwas rauheren Ton nicht gleich abschrecken lassen.:zunge:
    Was speziell Frankfurt und Berlin betrifft: Ich glaube, dass sich die beiden net vertragen liegt im Selbstverständnis von "Verdienst". Während die Berliner gerne mit Vorkriegszeiten argumentieren, so sind die Frankfurter gerade stolz auf ihre Nachkriegsentwicklung.
    Man sieht sich hier selbst als aus eigener Kraft auferstanden und seine wirtschaftliche Stärke durch eigene Leistung gerechtfertigt. Schließlich hat man selbst den Flughafen hier durchgesetzt (und zwar größer als sonstwo in Deutschland), schließlich sind die Banken hier großgeworden und man kann mit den wichtigsten Börsen der Welt konkurrieren und das, was man an Kultur hat, hat man nach dem Krieg selbst aufgebaut.
    Gerade deswegen kommt die historische Argumentation hier gar nicht gut. Denn Frankfurt hat das, was es hat aus eigener Leistung im 20.Jhd. geschafft und nicht von Königen geschenkt bekommen. Im Gegensatz zu Berlin oder München. Oder eben zu Städten wie Hamburg oder Ruhrgebiet, die durch historische Wirtschaftsfaktoren (Rohstofe, Hafen) profitierten.
    Das historische Faktoren im 20. Jhd. wie das Fehlen einer zentralistichen Hauptstadt die Entwicklung begünstigten, steht außer Frage. Aber gerade im Vergleich mit ähnlich großen westdeutschen Städten, von Hanover über Essen bis Nürnberg ist die Leistung absolut beachtlich.

  • schön, was einen alles hier hineingedeutet wird.;) angst vor separatismus, frankfurt eine provinz. das hört man doch als einer, der 6 jahre lang in dieser stadt gewohnt hat gerne^^.


    ich bin einfach auf das argument von garcia eingegangen. ich zietiere:


    Zu letzt: Das Argument 2.WK verfängt nicht, denn auch Berlin erhielt all diese Unternehmen erst, nachdem es 1871 zur Hauptstadt des neuen Kaiserreiches wurde. So ist nun mal Geschichte!


    und das konnte ich nicht ganz so stehen lassen, da berlin eine industriestadt im 19 jahrhundert schon vor 1871 war.


    komischerweise entdecke ich meiner meinung nach hier auch nicht so viele berliner schnauzen mit rauheren ton, sondern eher ein wenig eingeschnappte frankfurter, die sich mit goethe rühmen. nun gut, belassen wir es dabei.

  • Omnio:


    Wir sollten und müssen uns doch hier nicht den Mund fusselig reden:


    Unterm Strich bleibt ein Fakt, der mich ankotzt, und jedem Steuerzahler (egal wo er wohnt) schwer im Magen liegen muss:


    Berlin ist bettelarm und wirbt einer anderen Stadt (ob arm oder reich) ein anderes Unternehmen ab, mit dem Angebot auf eine mietfreie (oder sonstwie subventionierte) Bleibe! Dadurch wird Berlin noch bettelärmer, aber dann wird laut nach dem BUND gerufen und mehr Geld verlangt, wegen Hauptstadtfunktion. Es wurde ja selbst dem BUND schon mit Klage gedroht, falls Berlin nicht mehr Geld erhält.:Nieder:


    Das ist doch allerunterste Schublade (wäre bei allen anderen Städten, die gleiches tun, genauso zu beurteilen, ich z. B. habe Berlin ja mal gemocht, aber so wird das nichts mehr!)


    ENDE - Thema geschlossen!

  • Da die Stadt Frankfurt am Main durch die hohen Gewerbesteuereinnahmen die finanzielle Stärke des Landes Hessen überproportional erhöht hat, möchte das hessische Finanzministerium künftig 80 Millionen Euro mehr von der Stadt Frankfurt am Main kassieren. Grund für die Forderung sind die Zahlungen des Landes Hessens in den Länderfinanzausgleich. Hier entrichtet Hessen bereits mit über drei Milliarden Euro den Spitzensatz unter allen 16 Bundesländer, während die meisten anderen Bundesländer Geld aus diesem Topf bekommen. Die Stadt Frankfurt am Main zahlte bislang jährlich rund 250 Millionen Euro - oder etwa 15% der städtischen Gewerbesteuereinnahmen - in das föderale Ausgleichssystem. Dies berichtet heute die FAZ.

  • Die Frankfurter Rundschau berichtet, dass die Stadt Frankfurt am Main notfalls mit rechtlichen Schritten gegen die neue Höhe der Kompensationszahlung vorgehen wird. Zugleich betont aber die Stadt, dass rechtliche Schritte nur das letzte Mittel in einer solchen Auseinandersetzung sein dürften. Weitere 80 Millionen Euro seien "inakzeptabel", so Roth.

  • Ich hätte nicht gedacht, dass 250 Mio bereits etwa 15% der Gewerbesteuern einer Stadt wie Frankfurt ausmachen. Das hieße ja Gewerbesteuern von ca. 1,7 Mia sind alles was sämtliche Unternehmen an die Stadt Frankfurt abführen müssen. Erschreckend wenig, wenn man mich fragt. Aber erfolgreiche Unternehmen wissen schon wie man es anstellt.


    Edit:


    Jetzt verstehe ich gar nichts mehr... Was hat das denn mit der vorherigen Diskussion zu tun? Da habe ich mich doch überhaupt nicht drauf bezogen. Habe lediglich angemerkt, dass ich die Einnahmen aus der Gewerbesteuer für relativ niedrig halte. Das sehe ich irgendie schon als relevant an, weil Steuereinnahmen direkte Auswirkungen auf öffentliche* Investitionen und Bauvorhaben haben. Diese Ansicht muss niemand teilen und sie muss auch niemanden interessieren. Aber wenn euch ein Beitrag schon nicht interessiert, braucht ihr ihn auch nicht so unsachlich zu kommentieren. Ich glaube manche hier können entweder nicht richtig lesen oder haben irgendeinen inneren Zwang alles zu bewerten, was nicht ihrer eigenen selbstgerechten Auffassung entspricht. Beides täte mir für die entsprechenden Leid, aber auf so einen - einseitig anonymen - "Dialog" werde ich in der Zukunft verzichten.


    *Meine hiermit ausdrücklich keine staatlichen Bauvorhaben in Berlin.

    5 Mal editiert, zuletzt von jan85 ()

  • Frankfurt arbeitet wirtschaftlich und erzielt hohe Steuereinnahmen und soll jetzt genau aus diesem Grund mehr Geld für das Land Hessen, bzw. für die Zahlungen an den Länderfinanzausgleich, abdrücken. Eine (zusätzliche) Strafzahlung für gutes Wirtschaften? Geht es noch absurder?


    Falls das wirklich so kommt sollte Frankfurt ganz schnell über eine Senkung der Gewerbesteuer nachdenken. Dann hat die Stadt zwar weniger Einnahmen, muss aber auch weniger Geld abgeben und kann gleichzeitig durch günstige Standortfaktoren seine Attraktivität erhöhen. Das wäre natürlich nicht im Sinne des Landes Hessen, doch hier kocht sowieso jeder sein eigenes Süppchen und Unterstützung durch das Land gibt es für den Finanzplatz außer einigen warmen Worten und halbherziger Beteuerungen sowieso nicht ...

  • jan85


    Wie in Beitrag 455 erwähnt sind die Frankfurter Gesamteinnahmen von €1,64 Mrd., alles andere als erschreckend niedrig, sondern eher erstaunlich hoch. In ähnlich großen Städten wie Stuttgart wurden rund €720 Mio. und in Dortmund €300 Mio. an Gewerbesteuern erzielt. München mit einer Einwohnerzahl von 1,3 Mio. erzielte Einnahmen von €1,94 Mrd. Nur mit Eschborn, dem Speckgürtel Frankfurts, kann sich Frankfurt nicht messen. Dort werden unfassbare €5200 pro Kopf eingenommen, in Frankfurt "nur" €2500.


    Es ist betrüblich zu hören wie die schwarz-gelbe Landesregierung nun die "goldene Kuh" Frankfurt schlachten will. Bei bisher 250 Mill. noch mal 80 Mill. draufzulegen, ist geradezu eine schallende Ohrfeige für den gesamten Wirtschaftsstandort. Die Zwangsabgaben an Orte wie Bremerhaven, Duisburg und Magdeburg halte ich zwar nicht für unbegründet, aber bei Berlin, dem selbsternannten Mittelpunkt des Weltgeschehens, sollte der Länderfinanzausgleich vielleicht einer Reform unterzogen werden.

  • @ Golden Age:


    Damit hast Du sicher Recht. Ich hatte aber allgemein angenommen, dass die Gewerbesteuern deutlich höher ausfallen würden. Wenn man überlegt wieviele Unternehmen in solchen Städten ansässig sind und welche Gewinne und Umsätze zum Teil erzielt werden, kann man da schon etwas ins Grübeln kommen. Mitnichten wollte ich den Frankfurter Wert mit anderen Städten vergleichen oder als luschig darstellen. Mir ging es um die allgemeine Tatsache. Ich hatte ja schon mal von entsprechenden Steuereinbußen im Zuge der Steuerreform der 90er gehört, aber so extrem habe ich es mir nicht vorgestellt. Vermutlich wäre aber sonst die Konkurrenz mit anderen günstigeren Staaten zu groß.


    Und bitte beendet doch mal endlich diese leidigen Mutmaßungen und Unterstellungen. Da Du nicht wie andere anonym vorgehst, will ich es doch noch einmal offen mit einer Antwort versuchen:


    1)Ich habe nichts gegen Frankfurt. Im Gegenteil habe ich eine gewisse Sympathie und ein Interesse, sonst würde ich hier gar nichts reinschreiben. Boshaftigkeit und Streitsucht sind wirklich nicht mein Wesen.
    2)Wer in meinem letzten Beitrag eine Provokation gesehen hat, dem kann ich auch nicht mehr helfen. Explizit war keine vorhanden und impliziert habe ich auch keine. Da muss man die Ursache schon bei sich selbst suchen, wenn man sich darüber aufregt. Lest doch noch einmal drüber und seht, ob nicht auch ohne böse Absicht ein Sinn hinter stecken könnte.
    3)Dennoch möchte ich mich entschuldigen, wenn ich irgendwen - unbeabsichtigt - beleidigt haben sollte. Ich würde hiermit gerne jeglichen Streit beenden.

  • jan85


    Meinst Du nicht, dass es müssig ist, sich auf die anonym abgegebenen Beitragsbewertungen öffentlich zu beziehen? Nach meiner (kurzen) Erfahrung tendieren einige Leute zu unfreundlichen und mitunter dummen Abstrafungen von Beiträgen, die nicht ihrem Geschmack (oder ihren politischen Ansichten) entsprechen. Anonym kann man wunderbar Vorurteile abreagieren. Man kann diese Kommentare aber auch ignorieren.

  • Omnio: da gebe ich Dir 100% recht. Frankfurt/M. wird den Umzug von Suhrkamp verkraften. Dieses Neidgezettere von einigen hier in Rhein-Main ist unerträglich. Fast alle großen Unternehmen wie Wella etc. sind erst nach dem Krieg ins Rhein-Main gekommen und hatten vorher ihren Sitz im Osten. Berlin hat indessen jahrelang die Nachteile der Teilung verkraften müssen. Das nun kleinere Unternehmen ins kulturell lebhaftere Berlin ziehen ist absolut nachvollziehbar und sollte nicht Gegenstand einer kleinkarierten Diskussion sein.

  • ^ Es geht nicht um Neid, sondern man ärgert sich über unfaires Verhalten: Berlin nimmt hessische Transferzahlungen, um damit hessische Firmen wegzukaufen.
    Die kulturelle Vielfalt reicht nämlich offensichtlich nicht alleine, um Firmen anzulocken...


    Ps.: bitte jetzt keine Argumente mehr aus der DDR, von Bismarck oder von Hannibal (der andere mit den Elefanten ;)

  • Es geht nicht um Neid (worauf auch, Suhrkamp ist ja schon Frankfurt) sondern um gekränkten Stolz. Wenn ein Unternehmen eine Stadt mit dem Hinweis verlässt, das ein anderer Standort möglicherweise geeigneter oder hübscher ist, dann ist das immer eine Zurückweisung. Die verlassene Stadt reagiert dann in der Regel mit brennender Eifersucht, die sich in Verwünschungen der verschmähten Liebe und Hass auf den Konkurrenten entlädt.


    Wenn dem Suhrkamp Verlag die baldige Pleite vorhergesagt oder die sofortige Abschaffung des Länderfinanzausgleichs gefordert wird, dann sind das genau dieselben Emotionsausbrüche, die das Ende einer gescheiterten Liebesbeziehung begleiten. Bei allen Firmenumzügen, die ich bisher verfolgen durfte, war die Bevölkerung der verlassenen Stadt nie der Meinung, dass es für das Unternehmen an seinem künftigen Standort einen echten Wettbewerbsvorteil geben könne. Stattdessen galt das Management des Unternehmens als desto verblödeter und die Belegschaft als desto klüger, je stärker sie für bzw. gegen einen Umzug argumentierten.


    Wer in so eine Debatte sachlich und ausgleichend eingreift, muss damit rechnen angefeindet zu werden, weil eben jenes überhaupt nicht erwünscht ist. Es geht nur darum, die Emotionen rauszulassen, nicht darum die Lage zu analysieren. Sonst wäre schon früher aufgefallen, dass beide Städte dem Verlag geldwerte Angebote gemacht haben. Während es von Seiten Berlins natürlich vollkommen unfair ist, ein Unternehmen bei der Suche nach einer geeigneten Ruine zu unterstützen, ist es von Seiten Frankfurts nur recht und billig ungefragt mit renovierten Immobilien und Erbpachtverträgen zu werben. Schließlich gehört das Unternehmen nicht seinen Gesellschaftern sondern der Stadt, die es nicht ziehen lassen will.


    Eines muss man jedoch neidlos anerkennen, die FAZ ist eine so gründlich recherchierende Zeitung, wie es sonst keine gibt.
    Wie wär's liebe FAZ? Ich bin sicher Martin Barry würde über seine Domain mit sich reden lassen.

  • Reich-Ranicki sagte einmal das die FAZ der einzige Grund gewesen sei warum er nach Frankfurt/M. ging. Hätte die Zeitung woanders ihren Sitz, wäre er dahin gegangen.


    Unterm Strich haben wir es doch mit einer Neiddebatte zu tun. Denn mit Sicherheit hat nicht nur das Geld die Entscheidung vorangetrieben, sondern das kulturelle Umfeld von Berlin. Hätte z.B. die Wirtschaftsförderung von Halle, Hagen oder Hameln mit Geldern gelockt, wäre Suhrkamp vermutlich nicht der Versuchung erlegen...

  • Unsauber argumentierst vor allem Du, Guderian. Denn den betriebswirtschaftlichen Nutzen des Umzuges hat niemand bestritten. Und die vermeintliche und echte Strahlkraft Berlins wird zumindest von meiner Seite auch garantiert nicht bestritten! Streitpunkt allein ist hier die Vorgehensweise des Berliner Senats und der Länderfinanzausgleich (LFA). Denn von allen beteiligten Seiten unbestritten ist


    a.) dass Berlin auf Suhrkamp zugegangen ist, erstmals vor 3 Jahren (und nicht umgekehrt)


    b.) Berlin mit Subventionen wirbt, namentlich Gebäude und Übernahme der Umzugskosten


    c.) Berlin dieses Angebot (indirekt) aus Mitteln des LFA finanziert


    d.) Berlin ohne den LFA und Bundeszuschüsse pleite wäre und praktisch gar keine nennenswerte Kultur mehr besäße


    Damit bestreite ich nicht die Vorteile und Anziehungspunkte, die Berlin sicher auch besitzt. Es geht mir einzig darum, die unfaire -in Deutschland sagt man auch gerne "unsoziale" - Vorgehensweise der Berliner Regierung. Dieses System, bei dem sich deutsche Länder gegenseitig mit Steuergeldern und nicht mit Standortvorteilen Unternehmen abwerben, anstatt sich echte Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten, wird uns irgendwann auch international teuer zu stehen kommen.

  • garcia
    Unsauber argumentierst vor allem Du, Guderian. Denn den betriebswirtschaftlichen Nutzen des Umzuges hat niemand bestritten.
    Aber den Standortvorteil hat jemand bestritten und das warst du selbst. Zitat: "Im Falle Suhrkamp fiel die Entscheidung mit Nichten aufgrund echter Wettbewerbsvorteile des einen Standortes gegenüber des anderen." Und sie (die Entscheidung) tat es eben doch!


    Und die vermeintliche und echte Strahlkraft Berlins wird zumindest von meiner Seite auch garantiert nicht bestritten!
    Du bestreitest aber, dass daraus ein finanzieller Vorteil für kulturschaffende Unternehmen wie Suhrkamp entsteht. Denn du behauptest, die Entscheidung fiel mit Nichten aufgrund von Strahlkraft / Sogwirkung, sondern aufgrund von Immobilien / Finanzierung. Die sagst im Prinzip: Kultur gibt es, Kultur hat aber für kulturschaffende Unternehmen keine wirtschaftliche Bedeutung.


    a.) dass Berlin auf Suhrkamp zugegangen ist, erstmals vor 3 Jahren (und nicht umgekehrt)
    Richtig. Was ist daran verkehrt? Ich sag es ohne scheu: Berlin freut sich über jedes Unternehmen, das kommen möchte. Diese Einladung richtet sich dezidiert an alle Unternehmen auf der ganzen Welt. Unfair, nicht wahr?


    b.) Berlin mit Subventionen wirbt, namentlich Gebäude und Übernahme der Umzugskosten
    Aber wenn Suhrkamp in Frankfurt bleiben würde, dann brauchte es weder ein neues Gebäude noch hätte es Umzugskosten. Es entsteht also kein direkter Gewinn für das Unternehmen, außer dass es nach dem Umzug an einem Standort ist, den das Management für geeigneter hält.


    c.) Berlin dieses Angebot (indirekt) aus Mitteln des LFA finanziert
    Das heißt also, Bundesländer die Mittel erhalten, dürfen keine Standortpolitik betreiben. Dummerweise steht davon nichts im Gesetzbuch.


    d.) Berlin ohne den LFA und Bundeszuschüsse pleite wäre und praktisch gar keine nennenswerte Kultur mehr besäße
    Das ist der kapitalistische Ansatz, nach dem das Bild in einem Museum den höchsten Wert hat, für das bei der Anschaffung am meisten gezahlt wurde. Echte d.h. nennenswerte Kultur funktioniert anders. Tatsächlich wird Berlin kulturell immer ärmer, je mehr verfallene Industriebrachen verschwinden und je mehr teure Galerien aufmachen. Ironischer Weise ist Berlin für Kulturschaffende je anziehender je ärmer es ist. Arm und Sexy, das ist kein Widerspruch.


    Dieses System, bei dem sich deutsche Länder gegenseitig mit Steuergeldern und nicht mit Standortvorteilen Unternehmen abwerben, anstatt sich echte Wettbewerbsvorteile zu erarbeiten, wird uns irgendwann auch international teuer zu stehen kommen.
    An dem Punkt gebe ich dir sogar recht. Aber du verkennst die Konsequenzen deiner Argumentation. Wenn das föderalistische System scheitert, werden alle Verlage, alle Labels, alle Studios und Sender sich in einer maximal zwei Städten sammeln. Frankfurt gehört nicht dazu.


    P.S.: Jedenfalls findet meine These anklang, dass es sich im Kern um eine gestörte Liebesbeziehung handelt. :Colgate:


    Stellen Sie sich vor, Sie haben einen guten Freund, der in Not geraten ist. Viele Jahre haben Sie ihn unterstützt, haben ihm Geld gespendet, ... Aber dann spannt Ihnen der Freund Ihre Frau aus - nicht zuletzt, indem er ihr teure Geschenke macht.

  • ^
    Guderian auf Laternenfang im Frankfurt Forum...


    Zitat:
    Wenn das föderalistische System scheitert, werden alle Verlage, alle Labels, alle Studios und Sender sich in einer maximal zwei Städten sammeln. Frankfurt gehört nicht dazu.

    Diese Einschätzung teile ich. Frankfurt hat aber bereits jetzt das große Problem, dass das Land der Stadt nicht die politische Position einräumt, die sie als einziges funktionales Zentrum des Rhein-Main Ballungsraumes haben müsste, um ihre Standortvorteile wirklich nutzen und damit auch neue gewinnen zu können. So kanibalisieren sich Teile der Region erst einmal nach Kräften selbst. Dass die Bundeshauptstadt langfristig davon nur profitieren kann mag einleuchten, wie man dies bewertet steht dagegen auf einem anderen Blatt.


    Die Einsicht der Deutschen in die Notwendigkeit der Zentalisierung von Infrastruktur in Ballungsräumen ist wünschenswert und könnte durch den vielbeschworenen demographschen Wandel begünstigt werden. Dennoch sind wir von einer bundesweiten Konsolidierung der Verhältnisse einfach viel zu weit entfernt, um das Vertrocknen funktionaler Ballungsraumzentren (und zu denen gehört Frankfurt nun definitiv) in Kauf nehmen zu können - Chancen für ein 40 mio. Berlin sehe ich jedenfalls auch langfristig nicht.
    Dass man Frankfurt leider in einiger Hinischt seine Bedeutung nicht ansieht, dürfte im Bezug auf die kulturelle Dimension sehr wahrscheinlich ein Standortnachteil sein, dass es nicht das politische Zentrum Hessens ist, ist definitiv einer - die Folgen dieses Problems werden allerdings (leider) nur Wiesbaden zu mildern sein, in Berlin jedenfalls nicht.

  • Ob gekränkter Stolz im Spiel ist, lässt sich abschliessend schwer beurteilen. Es herrscht wohl viel eher Enttäuschung und ein bisschen Ratlosigkeit, aber ein Dauerzustand wird daraus auch sicher nicht. Wahr ist nämlich auch, dass Frankfurt auch oft Gewinner und somit andere auch Verlierer des Städtewettbewerbes sind. Die vielleicht wichtigste Entscheidung für Frankfurt in Jahrzehnten, war der Gewinn der EZB. Dadurch sind unzählige Synergie-Effekte für die Stadt entstanden. Sollte es beispielsweise eine zentralisierte Bankenaufsicht für die Euro-Zone geben oder die Bafin konsolidiert werden, steht Frankfurt sicher ganz oben auf der Liste (und dann reden wir bei Steuern und Prestige ohnehin über ganz andere Dimensionen).


    Der springende Punkt bei Suhrkamp ist: Dieser Verlag ist kein gewöhnliches XYZ Unternehmen, sondern ein Stück Frankfurter Kulturgut. Dass dies nicht nur auf Verständnis und Wohlwollen trifft, ist doch mehr als verständlich. Eine Art Übereinkommen zu finden damit sich Städte bei kulturell wichtigen Institutionen nicht gegenseitig schädigen, wäre denkbar. Eines ist klar: Das kulturell erstarkte Berlin würde auch ohne das Abwerben von kleinen Verlagsunternehmen wohl genügend andere Möglichkeiten finden zu wachsen. Beispielsweise dürfte der neue Flughafen BBI viele positive Nebeneffekte für Berlin mit sich bringen oder auch das eiserne Spar-Konzept von Theo Sarrazin der Stadt auf Sicht eher helfen als schädigen.