Leipzig: Höfe am Brühl (eröffnet)

  • Beim Neubau der Marktgalerie am Markt hat man den Leuten doch eindrucksvoll gezeigt, dass es eben doch geht: Es entstand kein Shopping-Center, sondern ein Stück Stadt, ein Bekenntnis zur traditionellen steinernen Stadt mit steineren Fassaden aus Naturstein (die nicht durch die offenen Fugen als Vorhangfassade erkennbar sind), durch mächtige Lisenen kraftvoll gegliedert, risalitartige Akzentuierungen, dazu eine sinnfällige wie konservative Nutzung: unten Läden, oben Büro/Wohnen. Verschiedene, wieder erkennbare Hauseingänge. Dazu gab es Erinnerungen an den historische Stadtgrundriss: man erkennt (wenn man es weiß), auf welchem Grundstück denn der barocke Äckerleins Hof stand.
    Diese Qualitäten kann ich beim Projekt Brühl derzeit nicht erkennen.


    Da ich weiß, dass Bauherrn und Architekten derzeit diese Qualitäten nicht schätzen und nicht wollen, denke ich nicht, dass sich noch was Entscheidendes ändert.

  • Mir fiel gerade ein, das ich gesten auch ein Prospekt zum Bebauungsplan mitnahm - schnell durchgelesen, *gleich kapiert :D* und nun sollts ihr auch erfahren:


    Für die Hobby-Historiker: Die Plauensche Straße wird wieder hergestellt und soll nur als Fußgängerzone dienen. So hat man vom Tröndlinring einen schönen Blick auf das Romanushaus.


    Die Lieferein- und Ausfahrt befindet sich am Tröndlinring, dort und Am Hallischen Tor können die Pkw's die Ein- und Ausfahrt zu den Parkdecks nutzen. Die Warenein- und Ausfahrt wird es nur am Tröndlinring geben. Geplant sind 840 Stellplätze für Autos.


    Erdgeschoss und 1. Etage: Einzelhandel. 2. und 3. Etage: Parkdecks. 4. und 5. Etage: Wohnungen und ein Kindergarten.


    Die historische Fassade des ehemaligen KONSUMENTS-Kaufhaus (hoffentlich richtig geschrieben), der Blechbüche soll mit einbezogen werden.

  • Schon erstaunlich, wie konsequent die moderne Architektur noch immer am modernen Menschen vorbeibaut. Wenn man mal die Forderungen der Stadt (Traufhöhe, Fluchten, Plauensche Straße) vom Ergebnis abzieht, bleibt nun wirklich nicht viel Positives übrig, nichts womit Charakter gewonnen oder gar Eindruck erzielt werden könnte. Sicher gibt's qualitativ Schlimmeres auch in Leipzig. Banal ist es trotzdem und dafür ist es einfach mal viel zu groß. Was das Ganze mit Höfen oder mit dem Brühl zu tun haben soll, bleibt im Entwurf völlig unklar. Man könnte es genausogut die Dächer von Schwerin oder die Tulpen von Amsterdam nennen. Oder auch vergebene Chance, sowohl für Leipzig, als auch für das was man im Allgemeinen als moderne Architektur bezeichnet. So hat man weiterhin das Gefühl das modern gestern war und dass das Wichtigste am ganzen Gebäude die Innenwinkelsumme ist. Man kann nur hoffen, dass bald die Ära der zeitgemäßen Architektur anbricht, vielleicht auch wieder der zeitlosen, denn so entsteht, wie Leipziger so treffend formuliert hat, kein Stück neue Stadt, sondern nur ein Stück Althergebrachtes - die Enkel von Fischer Art wird's sicher freuen, den anderen ist es im besten Fall egal.

  • Die Plauensche Straße wird wieder hergestellt und soll nur als Fußgängerzone dienen. So hat man vom Tröndlinring einen schönen Blick auf das Romanushaus.


    Schön dass die Plauensche Str. wieder kommt (ist ja nichts neues), aber von Ring aus wird man mehr eine 15m breite und mehrgeschossige Brücke sehen als das Romanushaus.
    In diesem Zusammenhang fallen mir die City-Araden in Wuppertal-Elberfeld ein, bei denen man kurz nach 1999 mit genau so einer "Brücke" den Blick auf die historische lutherische Kirche aus dem 18. Jh. aus Richtung des Bahnhofs völlig verstellte. Gab es also alles schon mal - Sorry, dass ich abschweife...

  • Schade finde ich ja, das man nur einen (halben) Blick zum Romanushaus hat und nicht zur Katharinenstraße zum Alten Rahaus. So kann man dann genau gerade zu gehen, wenn man von der Haltestelle Goerdelerring kommt :D aber versetz sieht ja moderner aus..


    P.S. mal sehen, ob die Höfe am Brühl zu Weihnachten 2010 genauso schön wie der Hauptbahnhof leuchtet und verkleidet wird.. :D

  • Nanana das muss man aber nicht madig machen. Immerhin hat man bei uns als kleinen eye-catcher Autos die durchs Sichtfeld fahren.
    Ach Mist darauf kam ja Zara Hadid auch schon aber was in einer Automobilfabrik gut ankommt, muss in einer Innenstadt ja bombastisch wirken.;)

  • die plauensche strasse lag schon immer so versetzt. laut bebauungsplan darf der übergang im 1. og über die plauensche strasse max. 8,6 m breit sein. die versetzte überfahrt im 3. og darf max. die selbe breite haben.
    kritik ist sicher angebracht, aber sie sollte fundiert sein.


    übrigens sind im bebauungsplan jetzt zwei weitere wege (zwischen brühl und hof1 bzw. hof4) vorgeschrieben. falls es jemanden interessiert...
    platz für fallarmmarkiesen (auf mieterwunsch) sieht der neue entwurf vor. laut verkehrskonzeption für die innenstadt soll der brühl westlich der katharinenstrasse zur fussgängerzone werden. alles puzzlesteine, die keine hochwertige oder wenigstens markante fassadengestaltung ersetzten können, aber prinzipiell in die richtige richtung weisen. für ein markantes design böten sich nach wie vor die lamellen-porträts an. wenn die wiederkämen, wäre das ganze sicher immer noch keine augenweide. aber besser als das, was dort in den 90ern gebaut worden wäre. besser als das brandneue uni-gebäude in der grimmaischen strasse. besser als alles, was mfi bisher gebaut hat. und besser als der vorherige zustand sowieso. auch bei kritik sollte man die kirche in leipzig, dem dorf, lassen.

  • So langsam hast du mich überzeugt, dj tinitus!


    Dass der überwiedende Teil der modernen Bauten in Leipzig (im Gegensatz zu anderen größeren Städten) nicht mit der vorhandenen gründerzeitlichen Bebauung mithalten kann, liegt bekanntlich darin begründet das Leipzig einst eine sehr reiche und wohlhabende Stadt war, deren Bürger und Unternehmen sich dementsprechend hochwertige und teure (teils luxuriöse) Architektur leisten konnten, wenn nicht sogar leisten mussten (aus Image- und Wettbewerbsgründen). Was ich damit sagen will: Man kann nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Andere Grundlagen und Bedingungen ergeben andere Ergebnisse. Da dem heute eben bei weitem nicht mehr so ist, finden bei Neubauten einfachste architektonische Entwürfe Anwendung, die nur noch durch gesetzliche Forderungen und Denkmalschutzaspekte bestimmte Mindestqualitätsstandards einhalten müssen. Sind diese erfüllt, wird der Rest gnadenlos auf Wirtschaftlichkeit hin optimiert. Nachvollziehbar und scheinbar plausibel. Zumindest aus Sicht des Investors. Letztlich kann nur der Kunde mit seinen Füßen abstimmen und damit für Veränderungen sorgen. Aber bei der Lage und Größe dieses Centers wird das wohl nicht passieren. Oder es gibt vermehrt Menschen, wie die eines Hasso Plattners, denen eben neben den eigenen 4 Wänden auch die öffentliche Architektur und das Stadtbild am Herzen liegt und dies zu schätzen und finanziell zu unterstützen wissen. Wobei sich meiner Meinung nach mit dem richtigen Konzept, auch architektonisch teurere Projekte finanzieren lassen. Aber das wäre ja zu aufwändig und weit gedacht.


    So ganz will ich aber doch nicht so meine inneren Hoffungen und Wünsche unterdrücken. Wenn ich bei der Stadt was zu sagen hätte, dann würde ich Folgendes machen:


    Sofortiger Baustopp! Ich schlage ein Konsortium aus allen Leipziger Sanierungsfirmen vor, die gemeinsam das Heft in die Hand nehmen: Licon, GRK Holding, CG Gruppe, Stadtbau AG, etc. Diese lassen wir dann 1 Jahr lang in ihren Räumen tüfteln. Und danach...voila... dann kommt sicher eine Lösung raus, die Leipziger Architekturstile und -traditionen in sich vereinbart, ohne alt zu wirken.


    Oder wir warten eben 20 Jahre, und sprechen uns dann zum neuen Projekt "Echte Höfe am echten Brühl" wieder. :D

  • ^ "Andere Grundlagen und Bedingungen ergeben andere"
    Sollte man meinen, ich habe allerdings den Eindruck, dass die interessantesten und schönsten Bauprojekte gerade in den armen Städten Leipzig und Berlin entstehen, während in vielen anderen Städten Einfallslosigkeit vorherrscht, trotz immenser Wirtschaftskraft. Wenn einem die Architektur wichtig ist, lässt sich auch mit wenig Geld eine Menge erreichen, wie man an vielen anderen Projekten in Leipzig sehr schön sehen kann. Leipzig schöpft seine Möglichkeiten aus, soweit es eben geht.

  • Ich schlage ein Konsortium aus allen Leipziger Sanierungsfirmen vor, die gemeinsam das Heft in die Hand nehmen: Licon, GRK Holding, CG Gruppe, Stadtbau AG, etc. Diese lassen wir dann 1 Jahr lang in ihren Räumen tüfteln. Und danach...voila... dann kommt sicher eine Lösung raus, die Leipziger Architekturstile und -traditionen in sich vereinbart, ohne alt zu wirken.


    Denken Sie, daß unsere Lieblingssanierer, die in Leipzig Hervorragendes leisten (und noch hoffentlich viel leisten werden), die Richtigen für solch ein Projekt wären? Ich weiß, das ist alles Spekulation, jedoch: welcher Projektentwickler wäre denn überhaupt in der Lage, ein Projekt in derartiger Größe an so einer Lage "richtig" im Sinne der Stadtarchitektur zu entwickeln?? Oder: wo gibt es dafür Beispiele?? Das würde mich wirklich einmal interessieren ...

  • Denken Sie, daß unsere Lieblingssanierer, die in Leipzig Hervorragendes leisten (und noch hoffentlich viel leisten werden), die Richtigen für solch ein Projekt wären? Ich weiß, das ist alles Spekulation, jedoch: welcher Projektentwickler wäre denn überhaupt in der Lage, ein Projekt in derartiger Größe an so einer Lage "richtig" im Sinne der Stadtarchitektur zu entwickeln?? Oder: wo gibt es dafür Beispiele?? Das würde mich wirklich einmal interessieren ...


    Naja, ganz ehrlich, das wäre dann eher auf eine Grundstücksteilung hinausgelaufen, was m.E. für dieses Gebiet auch die bessere Lösung gewesen wäre.


    Andererseits muss man natürlich zugeben, dass kleinteiligere Grundstücke in dieser Ecke eine große Konkurrenz für die noch zu bebauenden Brachflächen am Burgplatz, Rund ums Bildermuseum, an der Hainstraße etc. gewesen wären.


    Was die Pläne betrifft - auch ohne (sicherlich wünschenswerte) hochwertige Steinfassade wäre hier mehr möglich gewesen. Alleine schon ein Staffelgeschoss mit vorgelagerten Glaslamellen, die ein Schrägdach 'simulieren', ähnlich wie hier in Berlin am Gendarmenmarkt, würde dem Gesamterscheinungsbild schon gut tun und wäre sowohl mit den 'Stadthäusern' auf dem Dach als auch den Baukosten zu vereinbaren gewesen. Insgesamt finde ich es auch immer noch schade, dass weder der an klassischen Passagen orientierte Entwurf genommen wurde, noch ein Entwurf ähnlich den Passagen anstelle des Kulturpalasts in Dresden eingereicht wurde. Positiv ist dennoch hervorzuheben, dass das Glas der Fassade relativ hochwertig werden und spiegeln wird.


    Was die dann gegenüberliegende Museumsrandbebauung betrifft ist aber wohl eher negativ, dass wir dort eine so lange Glasfassade haben, schliesslich wurden die modernen Fassaden der Randbebauung am Böttchergässchen ebenfalls mit der gegenüberliegenden Fassade begründet. :nono: ma kucken, ne


    Was mich grundsätzlich interessieren würde - ist aus den Bauplänen ersichtlich, ob die Läden nur Schaufenster oder auch Eingänge zu Brühl und Tröndlinring haben?


    Grüße,
    *D

  • wer kein gebot abgibt, an den kann auch nicht verkauft werden.
    zu dases frage: in den textlichen festsetzungen des bebauungsplans steht
    "die ausrichtung von einzelhandels- und gastronomischen einrichtungen auf den brühl bzw. richard-wagner-strasse ist zu gewährleisten. dies beinhaltet auch die zugänglichkeit zu diesen strassen."

  • Naja, manchmal hilft es auch, wenn man, statt über tendenziöse Fotos zu spekulieren, einfach mal den Text liest ;). Demnach fällen Denkmalschützer und Gutachter das gleiche vernichtende Urteil über den Zustand der Sandsteinfassade. Wäre ja auch zu kurios gewesen, wenn Wunsch und Wirklichkeit eine Einheit gebildet hätten. 50 Jahre ohne konservierende Maßnahmen und mit dem speziellen Klima hinter der Vorhangfassade, das musste ja Spuren hinterlassen.

  • ^ Ich glaub eher das da zu DDR-Zeiten die komplette Fassade geglättet wurde, sprich alles abgehackt wurde was nach Schmuck aussah. Das Zeug fällt doch nich von allein ab. Wirklich wahnsinnig traurig das ganze. Vor allem wenn man bedenkt, dass die Fassade durch den Krieg ja an sich nur sehr wenig beschädigt wurde. Da sage nochmal einer, die DDR wäre für Leipzigs Architektur gut gewesen. Wenn man mal die ganzen großen wiederaufbaufähigen Gebäude zusammenzählt die durch die DDR einfach so abgerissen wurden, wird einem bewusst was da für architektonische Kunstwerke für immer zerstört wurden (Konzerthaus, Neues Theater, Bildermuseum, Augusteum, Paulinerkirche, Kaufhaus Knoop, etc.).


    Kurios auch, dass man jetzt erst aufgrund der LVZ die alte Fassade begutachtet hat. Da hätte man auch eher für klare Tatsachen sorgen können. Die Entscheidung von mfi lässt sich nun im Nachhinein natürlich einfacher hinnehmen. Quasi ein Happy-End für mfi.
    Wenn die Alu-Fassade in den nächsten Wochen abgenommen wird, können wir uns alle abschließend selber noch ein Bild machen.

  • Pure Spekulation. die DDR war nicht gerade dafür bekannt, auch hinter den Kulissen aus ideologischen Gründen ganze Arbeit zu leisten. Und warum sollten dann 4,2 Prozent der Fassade erhalten geblieben sein? Die Bilder sprechen m. E. eher dafür, dass das spezielle Klima hinter dem Alu-Vorhang, das u. a. die Feuchtigkeit konserviert (eine Hinterlüftung war sicher nicht integriert worden), dem Sandstein über die Jahrzehnte arg zugesetzt hat. Markante Teile der Fassade wurden ja schon zuvor entfernt (Hauptgesims, Dach, Schaugiebel). Und wer weiß schon, welche Schmuckelemente noch weichen mussten, damit das Alu-Kondom eng angelegt werden konnte und der Raum dazwischen revisionierbar, sprich begehbar blieb?

  • Danke DAvE für die interessanten Links. Der Befund der alten Hänsel-Fassade ist natürlich ernüchternd. Das ganze Ausmaß wird ja in wenigen Monaten für alle zu sehen sein, wenn die alten Alu-Fassade abgenommen wird. Da werden Erinnerungen, Emotionen und Wehmut bei vielen noch einmal aufkommen. Schade ist es um die alte Fassade freilich, aber da wird wohl nichts mehr zu machen sein. Emil Franz Hänsel ist für mich einer der ganz großen Architekten, der wie kaum ein anderer den Reformstil in Leipzig prägte. In der Innenstadt erinnert uns Specks Hof und der Zentral-Messepalast an seine großartige Leistung.


    Alte Brühl-Kaufhaus