ThyssenKrupp-Repräsentanz am Schlossplatz [gecancelt]

  • Alles richtig, tel33, aber weder Gurke noch mir ging es um ein Vergleich oder gar um eine Gleichsetzung von Bauakademie und geplanter ThyssenKrupp-Repräsentanz, sondern um ein Vergleich der Reaktionen. Und ich machte darauf aufmerksam, dass manche hier ihre Moderne-Kritik modernistisch verbrämen, so als ob ihnen die Moderne nicht mehr modern genug sei, dabei aber in der Regel nicht etwa für etwas Neueres plädieren, sondern für etwas Vormodernes, und hierin sind sie eben, trotz des modernistischen Gestus, ähnlich konservativ wie jene von Gurke angeführten Zeitgenossen Schinkels.

  • Der Vergleich der Reaktionen kann aber nicht gelingen. Eine Analogie setzt stets einen vergleichbaren Sachverhalt voraus, der hier aber nicht vorliegt. Wie ich bereits darlegte, muss man hier von zwei völlig unterschiedlichen Ausgangssituationen ausgehen. In ihrer Architektur und Formgebung war die Bauakademie ein Novum, ein Vorreiter dessen, was die Industriearchitektur im 19. Jhd. noch hervorbrachte. Das Unbekannte stieß gerade deswegen auf Ablehnung und nicht, weil es sich nicht in die vorhandene, ebenso oftmals aus Backstein bestehende, Bebauung einfügen wollte.

    Nach der im 20. und 21. Jhd. vollzogenen Evolution der Moderne, die in den kriegszerstörten Städten unfassbar große Freiflächen zu ihrer Entfaltung vorfand, wird uns heute in der Mitte Berlins durch diesen Kubus keine Neuigkeit, keine große Idee mehr präsentiert, sondern eine Gestaltung, die wir zu Genüge kennen und weshalb der Bürger aufgrund jahrzehntelanger Erfahrung mit der Moderne nunmehr mit Fug und Recht sagen kann: „Keine Experimente. Hier nicht.“

    Ich traue dem Bürger eine gewisse Entwicklungsreife zu, und die artikuliert sich heute glücklicherweise in der Ablehnung architektonischer Bevormundung durch eine abgenutzte und gescheiterte Formensprache. Und genau aus diesem Grund, mit genau dieser Erfahrung, baut man in Frankfurt das Dom-Römer-Areal und nicht etwa etwas „noch Moderneres“.

    Der Grund der Reaktionen ist also ein völlig anderer und das ist doch das Interessante dabei. Damals die Ablehnung des revolutionär Neuen, heute die Ablehnung des Überkommenen. Zu sagen, beide Gruppen seien „konservativ“ ist eher gewagt. Der Erkenntnisgewinn, der heute vorliegt, und dessen Schlussfolgerung, ist doch der entscheidende Unterschied in den Ablehnungstatbeständen.

    Immer noch auf die Kraft des Bruches zwischen Alt und Neu zu setzen und zu hoffen, diesmal werde der entscheidende Wurf aber gelingen, ist mittlerweile konservativer, als es sich mancher Anhänger der Moderne ausmalt.

  • Natürlich stieß gerade das Äußere der Bauakademie auf Kritik. Schließlich war man es gewohnt, dass ein Gebäude eine Frontfassade und eine betonte Fassadenmitte aufwies. Die Allansichtigkeit der Bauakademie sowie die Sichtbarkeitsmachung des Baumaterials - das eben NICHT verputzt und mit Stuck versehen wurde - war das, an dem sich die Bevölkerung störte. Außerdem: Fassadensichtiger Backstein war zu keiner Zeit von der Mehrheit der Öffentlichkeit ein akzeptiertes Gestaltungsmittel. Nicht ohne Grund lassen sich Backsteinbauten des 19. Jahrhunderts in Berlin fast ausschließlich an öffentlichen Gebäuden finden. Bekanntermaßen war Schinkel ein Verfechter dieses Materials und natürlich trugen seine Schüler, die an der Bauakademie ausgebildet wurden und größtenteils beim Staat Beschäftigungsmöglichkeiten fanden, diese Tradition weiter, bis sich gegen 1871 aufgrund einer geschmacksverirrten Regierung der Neobarock durchzusetzen begann. Der Backstein wurde letztlich nur noch für Industriebauten, Schulen, Krankenhäuser, Bahnhöfe etc. verwendet.


    Besonders wichtig: Ob Thyssen-Kubus (Stahl-Glas-Konstruktion?) oder Schinkels Bauakademie (Backstein): Bei beiden Gebäuden steht die Sichtbarkeitsmachung der Konstruktion sowie der kraftvolle Baukörper an sich im Vordergrund, was mit einer höchst ökonomischen Bauweise verknüpft wurde/wird.


    Von daher zielt die Kritik von heute und die von damals doch auf dasselbe: auf eine moderne, ökonomische Fassade, die eben kein Stuckblendwerk o.ä. aufweist.


    Außerdem: In den Bauten Nöfers erkennt man Vorbilder der Neuen Sachlichkeit und des frühen Mies; Patzschke orientiert sich am Klassizismus Schinkels; Sind ihre Gebäude weniger wert, weil sie gewissermaßen kein "Novum" darstellen, sondern eine Weiterentwicklung älterer Stile? Auf was genau fußt nochmal die Renaissance und der Klassizismus (Stichwort Vitruv und Antike)? Macht nicht genau das Wiederaufgreifen und die Weiterentwicklung (!) von Baustilen die europäische Architekturgeschichte aus?


    Der Wiederaufbau der Frankfurter Altstadt zielt wiederum auf etwas völlig anderes: auf die Wiederherstellung kleinteiliger Strukturen. Denn komischerweise verkaufen sich selbst radikal moderne Neubauten innerhalb kleinteiliger Stadtquartiere wie geschnitten Brot.


  • Besonders wichtig: Ob Thyssen-Kubus (Stahl-Glas-Konstruktion?) oder Schinkels Bauakademie (Backstein): Bei beiden Gebäuden steht die Sichtbarkeitsmachung der Konstruktion sowie der kraftvolle Baukörper an sich im Vordergrund, was mit einer höchst ökonomischen Bauweise verknüpft wurde/wird.


    Von daher zielt die Kritik von heute und die von damals doch auf dasselbe: auf eine moderne, ökonomische Fassade, die eben kein Stuckblendwerk o.ä. aufweist.


    Nein, eben nicht. Die Kritik von Heute zielt auf die völlige Funktionslosigkeit dieses Baukörpers und seine verkrampft mutwillige Positionierung an dieser Stelle. Es ist kein Signal an die Zukunft.
    Ökonomisch ist da rein garnichts. Ganz im Gegenteil. Es ist im Grunde ein völliger Antagonismus zu allen Schinkelschen Ideen.


    Macht nicht genau das Wiederaufgreifen und die Weiterentwicklung (!) von Baustilen die europäische Architekturgeschichte aus?


    Oh sicher. Aber damit hat man bereits vor so ca. 60 Jahren aufgehört. Von da an wurden Baustile auf ihren kleinsten gemeinsamen funktionalen Nenner reduziert. Die schmucklose Grundform. Die eben auch völlig problemlos wieder entsorgt werden kann, da ohne weiteren Anspruch.

  • Das Gebäude ist eine Konzernrepräsentanz und keine Bauschule. Wie genau soll sich denn seine Funktionalität architektonisch besser ausdrücken? Das definiert wohl jeder Konzern unterschiedlich. Die "verkrampfte" Positionierung ist eher dem Bauplatz geschuldet, der - (noch?) in nächster Nähe zum Staatsratsgebäude positioniert - doch vom Liegenschaftsfonds so verkauft wurde.

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  • Ich meine, dass der Vorschlag TK die Bauakademie wieder aufbauen zu lassen und ihnen im Gegenzug zu gestatten dort ihre Repräsentanz einzurichten eine gute Idee ist. So käme Berlin wieder zu seinem bedeutenden Bauwerk und er würde auch eine Funktion erhalten, nur eben keine öffentliche. Je nachdem wieviel Platz TK braucht könnte man ja auch eine gemischte Nutzung realisieren, also ein Teil des Gebäudes wäre für öffentliche Veranstaltungen zugänglich, z.B. kleine Kunstausstellungen, Symposien, Bürgerdiskussionen, Kabarettisten o.ä. Ich bin nämlich skeptisch, ob das bisher anvisierte Konzept des alten Senats jemals dazu führen wird, dass die Akademie wieder aufgebaut wird. Und Bertelsmann hat sich ja auch ein alterwürdiges Gebäude als Repräsentanz geschnappt und das klappt meiner Ansicht nach ganz gut.


    Damit wäre natürlich die Nutzung eines Gebäudes an der Stelle der jetzt geplanten TK-Repräsentanz frei. Ich bin mir gar nicht sicher, ob da nun wirklich unbedingt noch ein Gebäude hin muss, um den Platz einzufassen oder ob das Schloss und das auch noch nebenan entstehende Einheitsdenkmal nicht den Freiraum bräuchten um eine völlig überladene Raumsituation zu vermeiden?


    Zum Stil: Wirklich traditionell ist die Ecke ja nicht, ein moderner Baukörper der Art wie in den Entwürfen zur Repräsentanz wären aus meiner Sicht kein großer Kontrast, da diese Gebäude nun wirklich keine Vertreter der Brachialmoderne sind und als Solitäre auch nicht sich anschließende Bebauung beschädigen könnten. Die Frage ob sich die Barockfassade des Schlosses mit einem gegenüber liegenden modernen Glas-und-Stahl-Bau verträgt ist subjektiv und ich persönlich würde sagen: Es kommt drauf an, dazu müsste man beides im Verhältnis zueinander sehen.

  • Ja dieser Vorschlag wäre in der Tat die eleganteste Lösung. Dann könnte sich Hans Wall auch komplett dem Wiederaufbau des Turms der Parochialkirche widmen :D... und das bisschen Leerfläche ließe sich auch ohne Bebauung noch recht ansehnlich integrieren.

  • Freunde, die Bauakademie kostet seriös 46 Mio. Euro, das ist mehr als das doppelte des Schweger-Würfels. Das wusste auch Wowi als er abgelehnt hatte die 20 Millionen übersteigenden Mehrkosten seitens des Landes zu übernehmen.

  • Gute Nachricht, denke ich - der Bau an sich gefällt mir zwar, aber die insgesamt drei Solitäre (Humboldt-Forum, Bauakademie, Thyssen-Bau) nebeneinander und gegenüber hätten sich wahrscheinlich nicht besonders gut vertragen.


    Schön auch, dass im Artikel steht, wer der Urheber der Idee war, das Grundstück überhaupt zum Verkauf anzubieten: der gute Herr Stimmann, der schon so einiges in unserer schönen Stadt verhunzt hat. Wäre der Kubus tatsächlich gebaut worden, hätten sich die Traditionalisten im Forum also in erster Linie bei ihm bedanken können. ;)


    Schade, dass man nicht ebenso von so mancher von Stimmann (und Kollhoff) geplanter Bebauung am Alexanderplatz zurückgetreten ist, dann hätte man sich Bausünden à la Alexa, "die mitte" oder das neu entstehende "Alea" (?) sparen können.

  • ^ In dem Artikel steht doch explizit, dass sich Thyssen-Krupp für diesen Vorschlag nachvollziehbarerweise nicht erwärmen konnte. Im Zweifelsfall wird also keine Hauptstadtrepräsentanz gebaut, was ich persönlich wenig bejubeln kann.

  • Ich denke, dass der Verzicht auf den Neubau eine sehr gute Nachricht ist. Der Neubau hätte die Wirkung des Staatsratsgebäudes massiv beeinträchtigt. Zudem zeigt diese Entscheidung auch, dass sich Protest eben doch lohnt und dass die Bürger nicht jedes Neubauprojekt schlucken müssen.

  • BRAVO


    Das Staatsratsgebäude ist, neben dem Fernsehturm am Alexanderplatz, für mich das einzige herausragende und erhaltenswerte Stück "DDR Hauptstadtarchitektur". Dass dieses nun nicht durch einen Neubau, von zudem vielfach kritisierter Qualität, verdeckt wird halte ich für einen Zugewinn. Gemeinsam mit der Rekonstruktion der historischen Schlossfassade wird das Staatsratsgebäude mit seiner sozialistischen Nachkriegsarchitektur einen interessanten Kontrast bilden, architektonisch wie auch geschichtlich (gegensätzlicher könnte der ursprüngliche Zweck beider Gebäude ja nicht sein). Zudem verbindet beide Gebäude eine indirekte gemeinsame Geschichte, siehe das Portal des gesprengten Stadtschloss was in das Staatsratsgebäude eingearbeitet wurde. Ich halte das ehrlichgesagt für eine sehr spannende Situation!! Jeglichen Neubau hielte ich in diesem Spannungsverhältnis beider Gebäude für deplatziert. Aber soweit kam die Debatte ja nie weil der Entwurf ja bereits von vielen Leuten, inkl. mir, abgelehnt wurde. Für mich also in zweierlei Hinsicht eine POSITIVE Nachricht!

  • Das Argument, dass nun das Staatsratgebäude "freigestellt" bleibt ist kaum zugkräftig. Im Zentrum der Stadt kann nicht jedes wichtige Bauwerk "freigestellt" sein, sonst hätten wir keine Innenstadt mehr. Das SRG ist ja auch kein Staatszentrum mehr sondern eine private Uni, also gehört es stätisch gefasst.


    Inkunabeln der Architekturgeschichte wie der Palazzo Strozzi sind auch nicht freigestellt. Die Liste liesse sich beliebig verlängern.



    Schön ist dass der pseudo-technoide Schweger-Bau nicht kommt. Jetzt kann man in Ruhe darüber nachdenken, was an dessen Stelle gebaut werden kann.

  • Gar nichts sollte da gebaut werden. Die Freigabe des Grundstücks ist angesichts der durch das Staatsratsgebäude blockierten historischen Straßenführung ein Fehler. Harmonischer wäre es nur wenn sich das Schlossportal mittig befände, das ist aber nicht der Fall. So wirkt es zwangsweise wie angequetscht und der rest des Gebäudes amputiert.

  • @ Saxonia, so funktioniert doch Stadt nicht. Die Überbauung der Brüderstrasse ist natürlich ein Makel, aber keiner der eine leichte Fassung des Schlossplatz verhindern sollte.


    Wo sich das Schloßportal befindet ist doch schnuppe, Du kannst Dir doch das SRG nicht zurechtbasteln. Aber es ist stark genug um auch eine Einbindung in einen gefassten Platz zu vertragen.


    Sonst gibts wieder nur einen Cluster von Solitären. Der gehört da wirklich nicht hin; Platz dafür ist an der Ebertstrasse oder an der Ost-West-Achse.

  • Für Berlin ist es jedenfalls schade, dass der Konzern offensichtlich auf eine Hauptsadtrepräsentanz ganz verzichtet. Denn das geht ja aus dem Artikel im Grunde hervor. Sie werden nicht hier bauen und auch sonst gar nicht bauen.
    Ich befüchte sie werden sich das Grundstück mit dem Baurecht einfach erstmal 10-20 Jahre erhalten. Im besten Fall mit einer provisorischen Grünfläche. - Keine guten Aussichten.


  • Sonst gibts wieder nur einen Cluster von Solitären. Der gehört da wirklich nicht hin; Platz dafür ist an der Ebertstrasse oder an der Ost-West-Achse.


    Nachdem durch Krieg und Abriss mittlerweile fast alle Füllbauten oder Wohngebäude abgeräumt wurden die dort oder in unmittelbarer umgebung waren läuft es aber jetzt auf Solitäre hinaus. Neue Wohnbauten seh ich dort in absehbarer Zeit nur um die Friedrichswerdersche Kirche und die Bauakademie entstehen (Kronpinzengärten)

  • Genau, Rotes Rathaus. Die haben nur ein paar tausend Euro für das Grundstück bezahlt.


    Das ganze kommt auf Wiedervorlage wenn der Laden wieder wirtschaftlich besser dasteht.