Bahnhofsviertel auf Metaebene

  • Aus aktuellem Anlass - Ortsbeirat 1 mit neuen Vorschlägen

    Da das Thema in den Frankfurter Medien derzeit verstärkt behandelt wird, sollte ein weiteres frisches Echo von den Stadtteilpolitikern des Ortsbeirats 1 nicht unerwähnt bleiben. Die Rundschau berichtete gestern von der Dienstagabend-Sitzung des Ortsbeirats 1. Stark verkürzt: Der Handlungsdruck auf den Magistrat steigt. Immerhin will man sich dort nun um ein Alkoholverbot am Kaisersack bemühen und man gab gerade eine rechtliche Prüfung hierfür in Auftrag.


    Kurze Zusamenfassung:


    • Heftige Kritik aus Reihen der SPD (Gregor Amann), der dem Magistrat Beschwichtigung und aktives Wegsehen vorwirft. Er fordert, dass Landesregierung, Polizei und Staatsanwaltschaft enger zusammenarbeiten. Auch der Fraktionsvorsitzende der SPD, Oliver Strank, äußerte sich in diese Richtung.
    • Costantino Gianfrancesco (Grüne) äußerte sich ungewohnt scharf mit dem auf die Dealer bezogenen Satz:"Wir müssen einmal die Polizei dort reinschicken, um aufzuräumen."
    • Andreas Laeuen (Grünen-Chef) forderte, dass Dealer nicht mehr in aller Offenheit ihren Geschäften nachgehen können sollten. Die Neugestaltung des Karlsplatzes sollte ebenso nach oben priorisiert werden (der fertige Entwurf liege dem Ortsbeirat schon seit 2 Jahren vor).
    • Stephan Korte (FDP) sieht hingegen keinerlei Zunahme von Dealern oder Veränderung in deren Verhalten. Eine Wahrnehmung, die in der Sitzung besondes bei der SPD für Verwunderung sorgte.


    Fazit: Es ist gut zu sehen, dass das Thema generell ernst genommen wird. Da die Druckerstuben die Heroin- aber nicht die Crack-Süchtigen von der Straße holen, scheint man der Entwicklung derzeit hinterher zu laufen. Der Vorwurf steht im Raum, dass die Staatsanwaltschaft einen zu lätscherten Kurs gegenüber den polizeibekannten Dealern fährt. Da wird der Magistrat (aber auch das Land Hessen) von den Verfehlungen aus der Vergangenheit nicht nur überholt, sondern beinahe abgehängt. Das sich selbst feiernde Event-Publikum der Bahnhofsviertelnächte wird in diesem Zusammenhang maßlos überschätzt und hat bei der Stadt scheinbar dazu geführt, sich auf den Lorbeeren der Vergangenheit auszuruhen. Stillstand ist Rückschritt, das trifft nirgendwo in Frankfurt mehr zu als im Bahnhofsviertel.

    Einmal editiert, zuletzt von Golden Age ()

  • Reaktion auf Bericht von Spiegel TV

    Danke für den Post. Ein guter, ausgewogener Bericht von Spiegel TV.


    Interessante Factoids:
    - 3000 Einwohner
    - 7000 Hotelbetten (soviel wie Bonn)
    - 21 Bordelle


    Wichtigstes Zitat: "Es ist nur ein Vergnügungsviertel für diejenigen, die das Viertel zum Morgengrauen wieder verlassen können." Besser kann man es nicht ausdrücken.


    Ich halte es für keine gute Entwicklung, dass sich so viele Hotelbetten im Bahnhofsviertel tummeln. Es wäre mal an der Zeit, dass sich ein größeres 4-Sterne Hotel an der Bockenheimer Landstrasse ansiedelt. Großräumige, freie Flächen stünden hierfür jederzeit bereit. In der Nähe des Westend Campus / Palmengarten / KfW-Geländes gibt es eine totale Unterversorgung. Für die nach Bilanzsumme drittgrösste Bank Deutschlands kann das nicht der Anspruch sein.

  • Ordnungsdezernat nimmt Taunusstr. ins Visier

    Vor 3 Monaten beschwerten sich diverse Geschäftsinhaber und Anwohner im Bahnhofsviertel über die aggressive Drogenszene rund um die Taunusstr. Seitdem ist das Frankfurter Ordnungsdezernat auf Polizei, Staatsanwaltschaft und lokale Geschäftsleute zugegangen. Die FR hat vor 4 Tagen daraufhin ein interessantes Interview mit Markus Frank (CDU, Ordnungsdezernent) abgedruckt.


    Die wichtigsten Aussagen:

    Die von Drogen-Dealern bevorzugte Taunusstrasse soll nicht zur "No-Go Area" verkommen. Man möchte die Leerstände füllen und prüft, welche Mieter oder Nutzungen der Straße guttäten. Auf keinen Fall möchte man die Szene verlagern.


    Leider scheinen sich Polizei, Staatsanwaltschaft und das zuständige Amtsgericht nicht einig zu sein, wie man die Szene zerschlagen könnte. Die Drogendeals würden nur an der Taunusstraße angebahnt, aber woanders vollzogen. Daher ist die Beweisfindung ein schwieriges Unterfangen.

    Es wird über ein Alkoholverbot am Kaisersack nachgedacht. Um den Alkohol-Abhängigen zu helfen, möchte man hierfür Räume schaffen, in denen sie unter Betreuung trinken können. Diese Prüfung sei aber noch nicht abgeschlossen.

  • Och, da müsste man eigentlich nur zwei gesunde Augen im Kopf und etwas guten Willen haben, dann sieht man wo Geld gegen Ware getauscht wird...


    So aus der Hüfte geschossen die Top10:
    - Aufzug B-Ebene zur U4 Richtung Bockenheimer Warte
    - Aufgang B-Ebene zur Karlstraße
    - Niddastraße auf Höhe der Dt. Bundesbank, vorzugsweise an der Pinkelecke
    - Niddastraße 27 auf Marketingdeutsch "Twenty7even", was gerade abgebrochen wird
    - Tauunus- Ecke Moselstraße
    - Aufgang B-Ebene neben Ausgang Karlstraße zur Tram Richtung Messe
    - Bereich zwischen Ausgang Taunusstraße und Apotheke
    - Oberirdisch Taunusstr./Am Hauptbahnhof vor dem asiatischen Kaufhaus am Abgang zur B-Ebene


    :nono:

  • ^^Nennt man die Räume, in denen man betreut trinken kann, nicht gewöhnlich "Kneipe"?
    Oder soll es, analog zu Drückerräumen, die Droge kostenlos, quasi auf Rezept geben?

  • Also wenn das Ambiente stimmt und das gratis gereichte Stöffche schmeckt, zudem die Betreuung charmant ist, könnte ich mir durchaus vorstellen, dort hin und wieder Kunde zu werden.

  • Wer jemals an dem alten Gebäude ohne drei Dutzend Lilien und ner tiefschwarzen Sonnenbrille vorbeigelaufen ist weiß, das Lärm entlang der Niddastraße das geringste Problem ist...

  • ^ Tatsächlich beschleicht mich teilweise das Gefühl, dass das Bahnhofsviertel das neue Sachsenhausen werden soll. Aageplaggte kaufen auf Basis von Visualisierungen in ImmoScout, ziehen dann aus was-weis-ich-woher nach Frankfurt und wundern sich dann, dass es in ihrem neuen Luxus-Heim laut ist, stinkt und man morgens über schlafende Ferttische steigen muss...

  • Das sehe ich etwas anders als Coatilex. Leute, die ins Frankfurter Bahnhofsviertel ziehen erwarten etwas anderes als diejenigen, die bspw. ins Westend wollen. Das Bahnhofsviertel ist interessant für jeden, der einen Mix aus großstädtischer, kreativer und internationaler Athmosphäre zu schätzen weiss. Dabei wird auch das Rotlichtmilieu bewusst in Kauf genommen und als interessant empfunden. Natürlich zieht das weniger die klassische Familien mit Schulkindern an, soll es ja auch nicht. Und auch die Stadt ist sich darüber im Klaren, dass wo Bahnhofsviertel drauf steht, auch Bahnhofsviertel drin stecken muss.


    Daher ist es fantastisch, dass das Bahnhofsviertel seit einiger Zeit bereits wieder eine Renaissance erfährt, aber auch dennoch weiterhin das etwas andere, spannende Viertel bleibt.


    Und das liegt nicht zuletzt auch an solchen Vorhaben wie dem "Twenty7even". Wo bislang ein furchtbarer Klotz eines 70er (?) Jahre-Rechenzentrums stand, der auch die Ausstrahlung eines ebensolchen hatte, erhält diese Ecke bald großstädtische Blockrandbebauung, gut gegliedert mit ansprechender Fassade und Mansardendach. Weiter so!

  • Das war vielleicht am Anfang der Zuzugswelle mal so, aber jetzt? Jeden morgen laufe ich an einer Tafel des Edel-Maklers Von Poll vorbei, die für ein Loft im Bahnhofsviertel mit schlappen 4700€ Kaltmiete wirbt. In der Kaiserstraße wird für Luxuspenthouse-Wohungen geworben (Zitat: "Über den Dächern der Stadt inmitten des historischen Prachtboulevards der Kaiserstraße").
    Ich glaube kaum, dass da irgendwelche alternativen Künstlertypen einziehen werden...

  • Wenn ich das Bahnhofsviertel mal mit St. Pauli in Hamburg vergleiche, dann ergibt sich hier ein ähnliches Bild. In beiden Vierteln entstehen Luxuswohnungen und Neubauten, die Zahlungskräftige Mieter und Eigentümer anlocken, die die Nachbarschaft bewusst in Kauf nehmen.


    Nun ist es in St. Pauli noch um einiges extremer aber auch dort ist es den Leuten egal wenn sie morgens über die Hinterlassenschaften der allnächtlichen Party steigen müssen oder es laut ist. Die Wohngegend ist einfach hip und es ist für viele Grund genug dahin zu ziehen weil man sich als Trendsetter betrachten möchte.


    Ich selbe begrüße diese Entwicklung im Bahnhofsviertel durchaus. Von Milieuschutz will ich da nichts hören, den welchen Schutz soll man denn Kriminellen, Schlägern, Rocken und Zuhältern gewähren? Will man sowas wirklich erhalten?


    Projekte wie das Twenty7even sind genau das richtige um das Viertel nachhaltig umzubauen. Freilich hat die Gentrifizierung, die da grade im vollem Gange ist auch ihre Schattenseiten, im Falle des Bahnhofviertels überwiegen meines Erachtens aber die Vorteile.

  • Ich war zuletzt in FFM und ich muss leider sagen, dass der Bahnhofsbereich in kaum einer anderen Stadt schlimmer ist als in FFM. Die Präsenz von Polizei in den Abendstunden scheint sehr gering zu sein. Man fühlt sich absolut nicht sicher. Hier sollte noch sehr sehr viel investiert werden, um der Stadt gerecht zu werden.

  • Im Zusammenhang mit der Gleiserneuerung auf dem Bahnhofvorplatz (es passt aber m. E. besser hier rein): Alles baulichen Maßnahmen die sich derzeit um den HBF und innerhalb des Gebäudes sind (sofern die historische Substanz nicht zu sehr geschädigt wird oder werden würde), besser als der Status quo.
    An allen Ausgängen ist die heutige Situation nicht mehr tragbar für eine Stadt, die von sich selbst in Anspruch nimmt mit London als Finanzplatz konkurrieren zu können. Es ist einfach eine Schande für Frankfurt und Besucher die im Bahnhof kommen dürften den ersten Eindruck nicht vergesen: Schmutz, Dreck und Belästigung durch Personen an allen Ausgängen...
    Wann wird die Bahn endlich die Sanierung der B Ebene angehen? Es ist nicht zumutbar dort hindurchzugehen, wo es an jeder Ecke nach Urin riecht und offen (!) Drogen konsumiert und verkauft werden.
    Ich kann einfach nicht verstehen, warum sich die Planungen immer weiter hinziehen und es nur bei Andeutungen, Wettbewerben und Analysen bleibt. Die Situation erfordert m. E. sofortiges handeln.

  • ^
    Es würde doch schon reichen wenn man mal von seinem Hausrecht gebrauch machen und betreffende Personen vertreiben würde. Und die Polizei dann an den Ausgängen diese Leute gleich empfangen würde. Aber nein, Law & Order geht ja gaaar nicht.


    Ich finde übrigens auch, dass es nach einer kurzen Besserung wieder schlimmer geworden ist in letzter Zeit. Wie es dazu kam weiß ich nicht, aber die aktuellen Zustände sind wirklich untragbar. Ich habe häufiger mit Gästen von Auswärts zu tun und fast JEDER erwähnt wie erschrocken er vom HBF war.

  • Volle Zustimmung!


    In HH am Hbf werden einfache "Gammler" sogar diskrekt rausgeworfen, in USA und UK zB ist es teilweise verboten oder erst gar nicht möglich als Nichtreisender einige Bereiche zu betreten, schon gar nicht die Plattformen - betrifft auch Fernzüge.


    In Frankfurt wird maximal bei agressiven Bettlern eingeschritten.


    Die Situation ist eben so schlimm, weil man einfach jedes Fehlverhalten erlaubt, zumindest nicht unterbindet (zB offener Drogenkonsum in der B Ebene) + die vielen verwahrlosten Bereiche nicht modernisiert, säubert, usw.


    Hierzu mal die "Broken windows" Theorie:


    https://en.wikipedia.org/wiki/Broken_windows_theory

  • Drogenszene in Frankfurt - Back to the 90's?

    Die gefühlte Verschlechterung im Bahnhofsviertel, ob in der Hbf-B-Ebene, der Elbestrasse/Taunusstrasse oder sogar der Taunusanlage kann ich voll und ganz teilen. Gefühlt sind gerade viele Rückschritte im Viertel zu merken.


    Die FAZ berichtete vor 3 Tagen von zunehmendem Drogenkonsum in der Taunuslange und Obermainanlage. Die klare Aussage der Polizei und des Frankfurter Drogenreferats: Die Junkies sind wieder da trotz des viel (selbst) gelobten Frankfurter Wegs. Dass sich vermehrt wieder Konsumenten in die Anlagen zurückzögen, hänge auch damit zusammen, dass die Druckräume nachts geschlossen hätten. Für mich nicht verständlich warum man die Druckräume abends nicht auflassen kann.


    Richtig ekelhaft ist der grassierende Urin-Gestank im gesamten Viertel bei warmen Wetter. Auch in der neu renovierten Station Taunusanlage stinkt es immer öfter ungeheuerlich. Für mich nicht verständlich, dass man im Sommer nicht umso mehr hinterher putzt? Hauptsache Geld gespart.


    Aus meiner Sicht hat man sich zu sehr blenden lassen vom NY Times Artikel zur Münchener Strasse oder der enormen Aufwertung der Kaiserstrasse / Weserstrasse. Spätestens seit der Bikegang-Schießerei am "Helium" ist die Debatte hoffentlich wieder auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Das Hilton kann noch so viele Garden Inns im Viertel eröffnen, ohne die Fokussierung aufs Wesentliche (also z.B. Druckräume abends öffnen) kann das schnell nach hinten losgehen.


    Guter Gast-Kommentar im Journal Frankfurt der aus meiner Sicht den Nagel auf den Kopf triff:
    Die Drogen- und Integrationspolitik hat versagt

  • Ich denke nicht, dass es eine kluge Entscheidung wäre, einfach alle Drogensüchtigen aus dem Hauptbahnhof und dessen Umfeld zu vertreiben. Verschwinden werden sie deshalb nicht.


    Mal abgesehen davon, dass ich nicht genau nachvollziehen kann, mit welcher Motivation hier einige argumentieren, sollte aber doch klar sein, dass sich dadurch das Problem der Drogenkriminalität nur weiter in der Stadt verteilen oder verstreuen würde und so noch schlechter zu kontrollieren ist.


    Die Druckräume deshalb in der Nähe der Szene zu betreiben ist klug und richtig. Die Polizei sollte vielmehr ein Auge auf die professionellen Dealer haben, die mittlerweile an jedem Ausgang zum HBF patrollieren und dafür sorgen, dass die illegale Szene wieder massiv wächst. Hier braucht es viel Personal und hartes Vorgehen.


    Im Übrigen ist ein Vergleich mit den USA und UK irreführend. Dort gibt es ganze Elendsviertel die mit nix aber auch absolut gar nix in Frankfurt vergleichbar sind. Nur weil der allgemeine Touri das nicht sofort sieht, ist es nicht abwesend, aufmerksame Beobachter nehmen die krassen sozialen Verwerfungen vielmehr fast überall in Städten wie London oder New York wahr.


    Ps: Broken Windows wurde mir damals im Studium als Beispiel für blanken Wissenschaftspopulismus gelehrt. Aber der Wikipedia Artikel berichtet ja ausnahmsweise mal recht ausgewogen über die Rezeption.

  • ^ Da ist sie wieder, die langläufig bekannte Gegenargumentation. Natürlich "verschwinden" Drogensüchtige und Drogendealer nicht, wenn man sie aus dem HBF vertreibt, sondern werden es irgendwo anders tun. Das ist aber genau der Punkt. Mir und vielen anderen ist es lieber, sie tun es an einem nicht so für die Stadt repräsentativen Ort wie dem HBF. Ein Hauptbahnhof ist nicht per Naturgesetz ein Ort für Drogenjunkies und -dealer, sondern es ist für Touristen und Pendler ein Einfallstor in eine Stadt und darüberhinaus ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt für die Bewohner dieser Stadt. Sollen sie sich doch irgendwo alle versammeln, es gibt sicherlich eine Menge "angemessenere" Orte in der Stadt. Natürlich wird dann wieder argumentiert, dass es dort auch Probleme verursachen würde, aber hier ist es ganz klar eine Abwägungssache. Ich will mich nicht ekeln und ich will keine Angst haben im und um den Hauptbahnhof, dem Herzen der Stadt. Und das trifft wohl auf die Mehrheit der Menschen an diesem höchstfrequentierten Ort ebenfalls zu. Und dafür hat sowohl die Bahn als auch die Stadt zu sorgen. Fertig.