Bahnhofsviertel auf Metaebene

  • Ständig hat man Drogentote in den Grünanlagen und auf öffentlichen Klos gefunden, es waren teilweise fast 150 im Jahr. Heute sind es noch um die 20.

    Nun sind Drogentote üblicherweise ein Zeichen für ein hartes Durchgreifen des Staates. Drogentote gibt es dann, wenn der Stoff keine kontinuierliche Qualität hat und zwischendurch - nach Ausfall einzelner Marktteilnehmer - plötzlich deutlich reinere Drogen verkauft werden, so dass aus der bisherigen Regeldosis eine Überdosis wird.

    Eine lockere Haltung des Staates führt dazu, dass langfristig aus den gleichen Quellen in gleicher Qualität bezogen wird, so dass der Junkie ziemlich genau weiß, was er gerade gekauft hat.


    Jedes harte Durchgreifen wird also die Zusammensetzung des Marktes auf der Anbieterseite verändern und damit zunächst einen Anstieg der Drogentoten bewirken.


    Der einzige Weg, eine Drogenszene wirklich nachhaltig zu (zer-)stören, besteht m.E. in einer legalisierten, staatlich kontrollierten Abgabe der Drogen in konstanter Qualität zu überschaubaren Preisen. Damit entzieht man der Anbieterseite die finanziellen Mittel und vermeidet auf Konsumentenseite die mit hohen Preisen des illegalen Marktes einhergehende Beschaffungskriminalität - Lehren aus der Abschaffung der Alkoholprohibition in den USA. Dass die dann verfügbare konstante Qualität Drogentote vehindert und "saubere" Drogen ohne zusätzliche Schadstoffe aus der illegalen Produktion auch den körperlichen Verfall weniger fördern, so dass teilweise sogar eine Aufnahme einfacher Arbeit wieder möglich wird, ist eine positive Nebenwirkung.

  • Um mal auf ein paar Deiner Argumente einzugehen, Simmel:

    • Natürlich war es in den 1980er/1990er Jahren viel schlimmer, aber es war eben seitdem viel, viel besser geworden. Mit dem Argument, dass es früher noch viel schlimmer war, kannst Du vielleicht objektiv punkten, aber subjektiv und psychologisch bei den Betroffenen überhaupt nicht, denn die vergleichen Ihre Lage nicht mit dem Zustand von vor 30 Jahren, sondern dem Zustand von vor 3 Jahren.

    Die Probleme im Viertel sind nicht nur sozialer Natur, sondern eine Gemengelage einer Vielzahl von Problemen:

    • Mangelnde Verfolgung von niederschwelligen Drogendelikten und die Ausnutzung dieser Situation durch eine stark arbeitsteilig arbeitende Dealerszene. Die Dealer arbeiten mit einem Distributionssystem, wo der jeweilige Dealer immer nur geringe Mengen bei sich trägt und regelmäßig von Trägern aus den Lagerstätten neu beliefert wird. Wird der Dealer von der Polizei erwischt, wird das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die gesamte Gruppe aus Dealer, Trägern, Polizei-Spottern und "Lageristen" zu ermitteln und dingfest zu machen erfordert viele Ressourcen und selbst wenn man da erfolgreich ist, spielt teilweise die Justiz dann nicht mit.
    • Deutlicher Zuwachs der Dealerszene mit Personen vor allem aus Nordafrika
    • Mangelnde Abschiebung dieses Personenkreises, der versucht hat, bei uns Asyl zu bekommen und das Asylverfahren als Schutzschirm nutzt, um erst mal hier bleiben zu können
    • Verfehlte Drogenpolitik in den vergangenen Jahren. Der Frankfurter Weg war auf die Verbesserung der Situation der Heroinsüchtigen ausgerichtet. Die Drogen der Wahl haben sich aber geändert (v.a. hin zu Crack) und damit auch die Situation der Drogensüchtigen und die Beschaffungskriminalität. Was sich seit Jahren nicht ändert, ist die Frankfurter Drogenpolitik
    • Abladen der Drogensüchtigen aus dem Umland
      Aufgrund der verkehrsgünstigen Lage von Frankfurt und dem Bahnhofsviertel innerhalb von Frankfurt kommen die Junkies aus dem Umkreis von ca. 150km nach Frankfurt. Das ist natürlich für deren "Heimatstädte" toll, aber für Frankfurt eine Katastrophe, weil sich hier die Probleme ballen.
    • Genereller Trend hin zur Vermüllung. Jeder, der sich in Frankfurter Parkanlagen an einem Samstag- oder Sonntagmorgen umschaut weiß was ich meine.

    Das ist noch längst nicht alles, aber es zeigt immerhin schon mal, was ich in #321 meinte, als ich einen kombinierten Ansatz forderte. Notwendig sind Änderungen in der Drogenpolitik, der Schulterschluss mit dem Land hinsichtlich besserer Verzahnung von Polizei und Justiz in der Bekämpfung der Drogenszene und -Kriminalität, ebenso der Schulterschluss mit Land und Bund zur Schaffung verstärkter Anreize für die Umlandkommunen, Ihre Drogenszene nicht in Frankfurt abzuladen, sondern sich selbst darum zu kümmern, ferner eine Zentrierung der Szene auf ein kleines Gebiet rund um die Taunusstraße und auch ein Schulterschluss mit dem lokalen Handel und der Gastronomie. Zuguterletzt natürlich auch eine gute Sozialarbeit, um die Szene auch von unten etwas auszutrocknen.

  • Dabei steht ab er die Vermüllung eher in Bezug zu nächtlichem Feiern in den Parks, als zur Drogenpolitik. Gerade jetzt mit mildem Wetter und deutlichen Einschränkungen hinsichtlich der verfügbaren Lokale.

    Nachtschichten von Polizei und Ordnungsamt in den betroffenen Parks wären da auch mal ein sinnvoller Ansatz.

  • Das kannst Du aus meiner Sicht nicht trennen. Wenn im Bahnhofsviertel alles total versifft ist, der Müll teilweise auf der Straße liegt bzw. aus den draußen stehenden Müllcontainern herausgeholt wird und es an vielen Ecken nach Urin riecht, dann verschreckt das eine Klientel und zieht wiederum andere an. Das ist somit ein Baustein unter vielen.

  • @ Simmel


    Bei den aufgeführten Lösungsansätzen bin ich dabei. Es muss ein ganzheitlicher Ansatz sein und "Law und Order" allein, sowie "gesundheits- und sozialpolitische Ansätze" alleine werden den heterogenen Problemen definitiv nicht gerecht.


    Eine differenzierte Gesamtbetrachtung und ein Quellencheck finde ich ebenso erstrebenswert, daher halte ich das Motto "shoot the messenger" bzw. Anzweiflung der wahren Motive der Kritiker (also Journal Frankfurt, Ladenbesitzer Cream, etc.), wie es hier einige an den Tag legen, für kontraproduktiv. Auch hier sind wir uns einig, jeder soll seine eigene Meinungen haben und vertreten dürfen.


    Ich verstehe allerdings nicht ganz warum Personen wie Ronja Merkel (Chefredakteurin JF), die jahrelang (andere jahrzehntelang) im Viertel arbeiten weniger "Expertenwissen" zum Viertel haben sollen als Personen, die dort wohnen. Ich würde mir nicht anmaßen Sachsenhausen-Experte zu sein nur weil ich hier lebe und würde mein Wissen auch nicht über das der hier Arbeitenden stellen wollen, da es mir einfach nicht zusteht und wir wahrscheinlich ähnlich viel Zeit im Viertel verbringen. Die Erfahrungen (d.h. wüsteste Schlägereien, schlimmstes menschliches Elend), die ich beim täglichen Gang zum Mittagessen im Bahnhofsviertel gesammelt habe, waren schockierend / teilweise herzzereißend und habe ich so in keiner anderen Stadt Europas gemacht. Sind meine Erfahrungen jetzt weniger erkenntnisreich, wenn ich nicht im Viertel lebe? Ich hoffe nicht.


    Übrigens wurde vor einer Woche am 28.05.2020 ein 44-minütiger Bericht von ZDFinfo mit dem Titel "Drogenalltag im Frankfurter Bahnhofsviertel" veröffentlicht und wirft ein wenig schmeichelshaftes Bild auf den Ist-Zustand:

    https://www.zdf.de/dokumentati…f-dem-pruefstand-100.html


    Es kommen Anwohner, Streetworker, Drogenkranke, Mitarbeiter der "Besonderen Aufbauorganisation" der Polizei und Gewerbetreibende zu Wort. Es werden Szenen gezeigt, in denen Dealer überführt bzw. "Drogen-Bunker" gefunden werden. Ein absolut sehenswerter Bericht und eine Reaktion auf die Abwärtsspirale der letzten Jahre.


    Ich hoffe wir müssen jetzt nicht die Motive der ZDF-Journalisten oder der befragten Gewerbetreibenden in Frage stellen, da sie nicht im Bahnhofsviertel leben? Vielleicht ist das Ganze keine post-faktische "Verschwörung" gegen den liberalen Frankfurter Weg, sondern einfach nur kritischer Journalismus zur passenden Zeit?

  • Super, danke für die weiteren interessanten Quellen. Trotzdem würde ich darum bitten sachlich zu bleiben. Ich habe weder von einer Verschwörung gesprochen, noch die Dame von der Zeitschrift inhaltlich in Frage gestellt, noch mich selbst als Experten beschrieben, noch habe ich den Inhaber des Instrumenteladens der Lüge bezichtigt. Ich spare mir zu allem die Richtigstellung und bitte dich einfach, nochmal sorgfältig zu lesen und im Zweifelsfall nicht gleich böse Absichten zu interpretieren.


    Alle Punkte die sipaq übrigens genannt hat, sind für mich soziale beziehungsweise sozialpolitisch begründete Phänomene. Da stimme zumindest ich überall zu. Ich finde es aber schon wichtig, dass Politik und Wissenschaft weiter denken als 3 Jahre zurück bei der Formulierung von langfristigen und umfassenden Lösungsansätzen. Vermutlich sind Xalinais Ideen da nicht abwegig. Den Bewohnern von heute hilft aber wahrscheinlich am ehesten mehr Polizei, mehr Ordnungsamt, mehr Sozialarbeiter, mehr Müllmänner. Die Stadt sollte Interesse daran haben, bessere Lösungen auf lange Sicht zu entwickeln, weil für all das genannte wohl vor allem das Geld fehlt.

  • Ok, aber es war sicherlich auch nicht weniger übertrieben von "mal wieder im Qualitätsmagazin JF" oder von "Bezeichnend ist auch, dass meist die paar gleichen Leute, die irgendwann mal im Viertel gearbeitet haben (d.h. Leute wie ich) oder manchmal am HBF umsteigen oder Freunde durch Frankfurt führen als Experten auftreten und erklären, wie es besser zu machen ist. Ich als Bewohner finde das nervig und meist auch absolut unqualifiziert. " zu reden bzw. (etwas voreilig) zu richten, n'est-ce pas?


    Ich erwarte nur, dass bestimmte Quellen nicht reflexartig diskreditiert und abgewertet werden, das ist eigentlich schon alles.


    Ansonsten finde ich diese Diskussion keineswegs unsachlich. Der ZDF-Bericht bringt nun viele interessante Fakten auf den Tisch und zeigt wie die momentane, ungeschminkte Realität aussieht. Großes Lob an dieser Stelle ans ZDF und bezeichnend für die Frankfurter Medien (bzw. die überregionalen Zeitungen), dass die meisten Fakten, die im Bericht vorkommen, dort nur noch mit einem gähnenden Desinteresse entgegen genommen werden.

    7 Mal editiert, zuletzt von Golden Age ()

  • Es gibt halt nicht nur eine Sicht auf die Dinge. Ich würde darum bitten, das einfach zu akzeptieren und beim Thema zu bleiben. Spart Zeit und Text.

  • Eine Sicht auf die Dinge oder Einsicht auf die Dinge? ;) Kleiner Spaß am Rande & nichts für ungut, Simmel.


    Ich denke diese beiden letzten Beiträge können dann wieder bei Gelegenheit entfernt werden.

  • Lehr hat wieder an der Leipziger Strasse 21 aufgemacht (und hat zwei weitere Filialen an Berger und Berliner Strasse). [... ]


    Es ist doch genauso plausibel, dass sie die Zustände kritisieren, da sie selber Jahrzehnte lang eng mit dem Stadtteil verbunden war

    Lehr wurde der der Mietvertrag durch die Commerzbank gekündigt und daraufhin ist man in eine ehemalige Douglas-Filiale nach Bockheim gezogen. Bei der Gelegenheit wurde Kritik am Zustand des Bahnhofsviertels geäußert aber der Umzug war nicht darin begründet.


    • Natürlich war es in den 1980er/1990er Jahren viel schlimmer, aber es war eben seitdem viel, viel besser geworden. Mit dem Argument, dass es früher noch viel schlimmer war, kannst Du vielleicht objektiv punkten, aber subjektiv und psychologisch bei den Betroffenen überhaupt nicht, denn die vergleichen Ihre Lage nicht mit dem Zustand von vor 30 Jahren, sondern dem Zustand von vor 3 Jahren.

    Was denn nun? Entweder es ist jetzt so schlimm, dass es Betriebe nach 100 Jahren dort nicht mehr aushalten obwohl sie "bahnhofsviertel-erfahren" und abgehärtet sind und das ist eshalb ein besonders schlimmes Zeichen. Oder die Situation früher ist egal, dann ist auch egal wie lange die Unternehmen zuvor dort ansässig waren.

  • Lehr wurde der der Mietvertrag durch die Commerzbank gekündigt und daraufhin ist man in eine ehemalige Douglas-Filiale nach Bockheim gezogen. Bei der Gelegenheit wurde Kritik am Zustand des Bahnhofsviertels geäußert aber der Umzug war nicht darin begründet.

    Lehr ist zudem immer noch im Besitz von zwei weiteren Filialen an der Berliner und Berger Strasse. Es handelt sich hier ganz sicher nicht um hysterische Selbstdarsteller, sondern hier wurde konkret davon gesprochen, dass die Kundenströme aufgrund der Situation im Viertel immer weniger werden. Das klingt schon nach einem Standort-Nachteil Bahnhofsviertel zumindest für Parfümgeschäfte, die schon seit 100 Jahren dort tätig waren. Das deckt sich mit den kritischen Tönen aus dem ZDF-Bericht.

  • Was denn nun? Entweder es ist jetzt so schlimm, dass es Betriebe nach 100 Jahren dort nicht mehr aushalten obwohl sie "bahnhofsviertel-erfahren" und abgehärtet sind und das ist eshalb ein besonders schlimmes Zeichen. Oder die Situation früher ist egal, dann ist auch egal wie lange die Unternehmen zuvor dort ansässig waren.

    Lies doch bitte, was ich geschrieben habe:

    Zitat von sipaq

    Mit dem Argument, dass es früher noch viel schlimmer war, kannst Du vielleicht objektiv punkten, aber subjektiv und psychologisch bei den Betroffenen überhaupt nicht, denn die vergleichen Ihre Lage nicht mit dem Zustand von vor 30 Jahren, sondern dem Zustand von vor 3 Jahren

    Der Mensch ist nicht objektiv, sondern vergleicht sich subjektiv mit anderen bzw. dem was früher (aber nicht ganz früher) war.


    Beispiel:

    Wenn Du als Student auf 12qm in einem WG-Zimmer gewohnt hast und Dir ein Bad mit drei anderen geteilt hast, dann ist die erste eigene Wohnung (60qm mit 2 Zimmer-Küche-Bad) was ganz tolles. Wenn Du aber dann aus ökonomischen Gründen in eine kleinere 1-Zimmer-Wohnung mit 30qm ziehen musst, geht es Dir objektiv deutlich besser als zu Studentenzeiten. Aber Du wirst trotzdem Dein Schicksal beklagen, denn es ging Dir ja schon mal deutlich besser.

  • Kleiner Nachtrag zu der ZDF-Reportage: der von Golden Age verlinkte Beitrag stammt aus dem Jahr 2017. Schon vor drei Jahren haben die Anwohner, die Polizei, die Geschäftsinhaber und nicht zuletzt auch die Drogenabhängigen selbst die sich verschlechternde Situation beklagt. Insbesondere, weil immer mehr Dealer auftauchen, die Beschaffungskriminalität zunimmt und Crack als dominierende neue Droge die Szene insgesamt aggressiver macht.

    Nochmal: das war vor drei Jahren! Seitdem hat sich die Situation also keineswegs gebessert, und auch an dem "Frankfurter Weg" wird offenbar weiter unverändert festgehalten. Der Gesundheitsderzernent wurde damals auch interviewt, und er sagte, er wäre aufgeschlossen, neue Wege zu beschreiten, würde ihm jemand ein besseres Konzept präsentieren. Das scheint die letzten drei Jahre jedenfalls nicht passiert zu sein, obwohl es offensichtlich sehr viele Großstädte gibt, in denen das Problem nicht so krasse Ausmaße annimmt wie hier.

  • Trotzdem würde ich darum bitten sachlich zu bleiben.

    Naja, wer ist hier denn unsachlich geworden? Du warst es doch, der einen problemorientierten Ansatz direkt als "neu-rechts" (selbst wenn, was soll an "rechts" bitte schlimm sein?) bezeichnet und mit "sozialen Säuberungen" (ein Begriff der vorher nie gefallen ist, sondern rein deiner Interpretation entspringt) in Verbindung gebracht hat. Wohl mit der Intention Gegenmeinungen, die du möglicherweise noch nicht mal richig verstanden hast, zu diskreditieren. Nur eine Bestätigung für Godwin's Law - und das ist (neben den unübersehbaren realen Zuständen) denn auch das einzig Unerträgliche in diesem Strang.

    Es ist nunmal unumstößlicher Fakt, dass die in großen Teilen katastrophal schlechte deutsche Einwanderungspolitik der letzten Jahrzehnte dem nationalen Interesse komplett zuwiderlief, und besonders auch viele soziale Probleme in diesem Land ganz entscheidend verstärkt, nicht selten sogar überhaupt erst erschaffen hat. Und die Folgen davon sind gerade auch im Bahnhofsviertel und den anderen Dealer-Treffpunkten nun wirklich offensichtlich. Ist natürlich bei weitem nicht die einzige Ursache für die Probleme in der Gesellschaft im Allgemeinen und im Viertel im Speziellen, aber vernachlässigen darf man sie auf keinen Fall wenn man wirklich eine nachhaltige Lösung erreichen will. Kriminelle Dealerei in einem Land in dem man zu Gast ist, und bei korrekter Anwendung der Gesetze sowieso nichtmal Bleiberecht hätte, dann auch noch als den "Versuch zu Überleben" abzutun, ist dann auch ganz starker Tobak. Genau solche Denke hat uns viele der Probleme überhaupt erst eingebrockt.


    Anyway, die ganzen Sozialmaßnahmen von denen du schwadronierst, davon hat man ja immer noch ein ganzes Arsenal von Druckräumen, Sozialarbeitern, etc speziell auch fürs Bahnhofsviertel am Laufen. Keiner hat doch gefordert darauf grundsätzlich zu verzichten. Aber wie einer meiner Vorredner schon sagte, die Szene hat sich gewandelt, und Heroin ist nur noch eine harte Droge von vielen. Der "Frankfurter Weg" dagegen hält trotz immer offensichtlicheren Misserfolgs beim Angehen der aktuellen Lage weiterhin stur an alten Rezepten fest - und das noch nichtmal konsequent, denn auch zum Frankfurter Weg hatte ursprünglich mal ausdrücklich auch die Repression gehört. Und das auch völlig zu Recht, aber just jene ist in den letzten Jahren doch immer mehr vernachlässigt worden. Wie oft wurden dann auch die letzten Jahre zB auch resignierende Aussagen von Polizisten in Zeitungen zitiert, die sich darüber beschwerten, dass die festgenommenen Dealer von der Justiz umgehend wieder auf freien Fuß gesetzt wurden und kurz darauf wieder am gleichen Ort ihr Zeug vertickten. Für eine wirksame Repression reicht es halt nicht aus, alle paar Jahre mal ein paar Hintermänner und eins der hunderten Drogenverstecke hochzunehmen, sondern da muss auch generell täglich ein hoher Kontrolldruck in den entsprechenden Gegenden aufrechterhalten und die öffentlichen Treffpunkte der Szene aufgelöst werden. Da es bei gewissen Personenkreisen anders keine Wirkung zeigt, auch mit den maximal möglichen Sanktionen auch schon gegen kleinste Vergehen. Und auch von der Politik gehören da die Rahmenbedingungen für ein wirksameres Durchgreifen gesetzt.


    Aber es ist eben nicht nur die Kriminalität die bekämpft werden muss. Abgesehen von der Dealerei und ab und zu ein paar Auseinandersetzungen hält sich die offen sichtbare Kriminalität immerhin relativ in Grenzen. Und trotzdem sind weite Teile des nördlichen Bahnhofsviertels zu einem absoluten Unort verkommen. Das offen zur Schau gestellte Elend, der Dreck, der Gestank, die große und weiter zunehmende Zahl illegaler Einwanderer die offensichtlich der Dealerszene angehören und sich auch entsprechen verhalten, und diese Massenansammlungen von herumlungernden offen konsumierenden Junkies von denen auch der ein oder andere keinerlei Benimm-Regeln hat. Ich kenne soweit auch keine Frau die sich zumindest nachts noch allein durch die entsprechenden Gegenden traut, die meisten nichtmal mehr tagsüber. Allein das zeigt schon was hier falsch läuft. Nicht nur dass das für sich allein schon extrem rufschädigend und ein eindeutiges Zeichen für Staatsversagen auf ganzer Linie ist, das alles stellt auch noch die mit Abstand wichtigste Visitenkarte der gesamten Stadt dar!

    Dass du als Bewohner die radikale Verschlechterung des Zustands des Viertels nicht bemerkst, ist nicht weiter verwunderlich. Schleichende Veränderungen bemerkt man kaum als solche. Das ist wie mit dem Frosch im Kochtopf bei dem man nur langsam das Wasser erwärmt.

  • Gut, dass du dich angesprochen und die Legitimität deiner Wortwahl in Frage gestellt siehst. Das war die Intention. Inhaltlich ist dieser Strang und die öffentliche Diskussion viel weiter als du. Aber meinetwegen, erzähl ruhig mehr vom "ganzheitlichen Ansatz mit hochfreqenter intensiver Reinigung, und auch wieder deutlich mehr und vor allem wirksamer Repression".

  • Um hier wieder zur Versachlichung beizutragen und anstatt sich in ideologischen Grabenkämpfen selbst zu verzfleischen, wäre es vielleicht besser auf das Fazit der ZDF Reportage zurück zu kommen. Es besteht trotz aller Differenzen hier im Thread ja ein Konsens, dass sich etwas tun muss und Repression alleine oder der alte Frankfurter Weg alleine in die Sackgasse führt.


    Im Bericht waren folgende Vorschläge für einen zeitgemäßeren "Frankfurter Weg 2.0" aufgeführt:

    - Adressierung des öffentlichen Konsums von Crack und Verwendung von wissenschaftlichen Ansätzen, die erfolgreich in anderen Städten umgesetzt wurden

    - Räume für Crack-Konsum einrichten (d.h. Rauchräume)

    - Schwellen für Heroinprogramm anpassen (da nur 100 Personen, also zuwenige, hiervon profitieren)

    - Heroin in Tablettenform (wie aus der Schweiz) oder zum Rauchen zur Verfügung stellen

    - Nächtliche Öffnung aller Druckräume

    - Lockerung des Betäubungsmittelgesetzes auf Bundesebene


    Klingt nicht unvernünftig und auch nicht nach einer Forderung, die jegliche finanzielle Rahmen sprengt. Gerade die Crack-Problematik ist doch wohl kein unlösbares Puzzle. Erfolgreiche Ansätze (der Züricher Weg) und Anschauungsunterricht gibt es weltweit genug. Warum nicht mal was Neues probieren und nicht immer weiter mit dem alten Frankfurter Weg durch die Wand laufen? Die Ideen aus Köln gehen in die richtige Richtung, aber die Adressierung der Crack-Problematik muss unbedingt ein dauerhafter Bestandteil des Lösungsansatzes sein.

  • Die mediale Wiederaufnahme des Themas ist sehr wichtig damit sich was tut, daher sind die FAZ und Bild Artikel wichtiges Wasser auf die Mühlen. Es wäre fatal, wenn der ZDF-Bericht im Jahr 2024 dieselbe Realität abbildet wie in dem erschreckenden Bericht aus dem Jahr 2017 zu sehen und nun in Bildern von der Bild Frankfurt bestätigt.


    Es war mir neu, dass das Drogenreferat an der Fahrgasse mit Blick über den Main angesiedelt ist. Dieses Büro sollte in der Tat ins Bahnhofsviertel umziehen (müssen). Hier scheint es sich eine Behörde deutlich zu bequem eingerichtet zu haben.


    Als (nicht ganz) Off Topic: Ich bin am Samstagabend mit dem Fahrrad durch die Stadt gefahren (von Westend-Liebigstrasse bis Sachsenhausen) und es herrschte ein genereller Eindruck der Verwahrlosung. Die Stadt war eine einzige Partyzone mit ca. 1000 Party-Kiddies auf dem Alte Oper Platz (natürlich komplett vermüllt, wie jeden Freitag und Samstag als neue Alternative zum Friedberger Platz), sowie weiteren aufdringlich auftretenden Partymassen am Willy Brandt Platz, Rossmarkt, Zeil und Mainufer (Höhe Eiserner Steg) mit Wildpinklern und Müllbergen en masse (ganz abgesehen von den E-Scootern, die von angeheiterten Nutzern wie "Unguided Missiles" völlig enthemmt durch die Stadt düsen). Das ist der Stadt, aber auch der Pandemie unangemessen und die zuständigen Behörden (Ordnungsamt) scheinen mit ihren Aufgaben nicht nur ein bisschen überfordert zu sein.

  • Danke, dass Du das ansprichst. Auch ich bin gestern mit dem Rad in der Stadt unterwegs gewesen, vornehmlich Innenstadt und EZB. Überall Scherben in einem Ausmaß wie ich es noch nie erlebt habe, war nur noch am durchmanövrieren um einen Platten zu vermeiden. Müll wirklich überall auf den Straßen und Wiesen in den Parks, mehrere Wohnungslose die wohl leider zusätzlich halbnackt in einer Art Drogenrausch an der Hauptwache herumliefen und herumgeschrieen haben, ich fühlte mich eher in einem Set von The Walking Dead (wie ich es aus San Francisco kenne) denn als in Frankfurt. Eine schlimme Entwicklung. Hier muss die Stadt handeln um einerseits dieses Müllproblem und Scherbenproblem in den Griff zu bekommen und andererseits den Wohnungslosen Menschen helfen.

    Übrigens: Die Drogenszene ist jetzt am Flair angekommen. Wollte mir gestern als Abschluss der Ausfahrt bei CoCo koreanisch holen, am Subway beim Abgang zur U-Bahn standen an die 15 Leute, von denen sich mal 2 gepflegt die Nadel in den Arm schoben.