Am Zirkus 1 [realisiert]

  • Gentrifizierung-/Zombifizierungskritik

    In einem aktuellen Artikel in der FAZ wird befürchtet, dass den Innenstädten eine Zombifikation droht. Die zahlungskräftige Klientel will gern in den angesagten Stadtvierteln wohnen, verdränge dadurch die bestehenden Strukturen und schafft sich eben jene alternativ-hippen Strukturen durch ihre Investitionen selbst neu, nur diesmal vom Reisbrett. Das Yoo-Projekt am Zirkus wird dabei als Paradebeispiel genommen. Interessante Thesen, und wenn man mich fragt sehe ich in dem Artikel wenig Lügen...

  • ^^ Zwar keine Lügen, aber die üblichen Übertreibungen als Ausdruck einer zeitgeistigen Paranoia findet man zuhauf. Offenbar möchte der Autor auf den Zug der allgemeinen Gentrifizierungskritik aufspringen - was man ja nicht übelnehmen kann. Dass durch Bau von ein paar 'Luxus'appartments die Zombiefizierung der Umgebung oder gleich der gesamten Innenstadt droht, glaubt aber noch nicht mal die Großmutter des Autors. Ich sage nicht, dass eine Verödung der Innenstädte unmöglich ist, aber dies ist das Ergebnis von viel tiefer gehenden Umwälzungen deren Begleiterscheinng - aber nicht Ursache - der Bau von teuren Eigentumswohnungen ist.

  • Sehe ich auch so wie unser schwarzerkater.Die Innenstadt ist viel zu groß,um vollständig durchgentrifiziert zu werden.Gerade der aktuelle Zuzug von Arbeitswilligen aus Süd und Osteuropa in die zentralen Bezirke,zeigt dass die Innenstadt für große Bevölkerungsschichten offen bleibt.Da ziehen keine Millionäre,sondern Arbeitssuchende / Studenten zu. Viele Häuser,Wohnungen eignen sich auch nicht als Luxusquartier.


    Lustig ist auch,dass vor ca. 10 Jahren noch ausgiebig darüber lamentiert wurde,dass die Besserverdienenden die Innenstadt verlassen und nur Migranten,Arme und Randgruppen zurückbleiben würden.Von einem Armutsgürtel um das Regierungsviertel war häufig die Rede,die Szenarien erschienen düster.Hausbesitzer würden nichts mehr investieren,weil es sich nicht lohnen würde.

  • Lustig ist auch,dass vor ca. 10 Jahren noch ausgiebig darüber lamentiert wurde,dass die Besserverdienenden die Innenstadt verlassen ...


    Eben, dieselben Leute forderten damals oft die Rückbesinnung auf die kompakte Stadt und beklagen sich jetzt, wenn diese in der Praxis kam und Konsequenzen für den Wohnungsmarkt brachte. Die Bezeichnung "Zombifizierung" für aufstrebende Viertel finde ich inakzeptabel beleidigend - wer etwas besser verdienen durfte, wird zum "Zombie"?


    @Konkretes Projekt - dieses Fast-Hochhaus mit vielen an die New Yorker Zoning Resolution erinnernden Rücksprüngen finde ich sehr interessant - dadurch kann man wohl einem Großteil der Wohnungen Terrassen gewähren. Der einzige Vorteil des Artikels - eine Visualisierung dieses Projekts, auf der ich irgendwelche Fassadenmuster zu erkennen glaube - die die Fassade hochwertig und lebendig gestalten.


    Falls jemand Interesse hat - Fotos der zweiten im Artikel abgebildeten "Zombiestadt" postete ich hier - den böswillig festgehaltenen Holzzaun gibt es nur auf einer Seite und viel länger als die gerade gebaute Wohnanlage.

    Einmal editiert, zuletzt von Bau-Lcfr ()

  • ^^ Intereressant. Danke für den Hinweis. Es ist immer wieder köstlich, wie die Medien(bewusst oder unbewusst) die Meinung der Leser durch Auswahl an Bildern manipulieren. Die Beiträge Forum zu dem FAZ-Artikel auf der dortigen Seite lässt mich allerdings an der Vernunft der Menschen zweifeln - offenabr möchte man belogen, aufgehetzt und verführt werden und akzeptiert gerne alles, was den eigenen Vorurteilen entspricht. An die FAZ_Leser: Ihr tut mir leid.

  • Danke für dein Mitleid :D.
    Der Artikel steht ja nicht umsonst im Feuillton unter dem Signet "Debatten". Wer alles als unumstößlich wahrnimmt was dort steht, sollte diesen Bereich möglicherweise lieber ganz meiden.

  • ^ Dennoch finde ich den Artikel nicht so schlecht. Es handelt sich natürlich eher um eine ästhetische als um eine soziale Kritik und da kann ich seine Wut über die lachhafte Werbesprache von Philippe Starck (dem Designer des Yoo) schon sehr gut verstehen. Culture, Living usw. und das vermutlich mit schwarzer Hornbrille, dass ist schon schwer zu ertragen. Und diese Typen wollen unsere Zeit ästhetisch prägen (und tun es auch), dass darf man ja nicht vergessen.
    Die eigentliche Anklage muss m.E. lauten: "Schlimm, dass die Leute mit viel Geld heute so wenig guten Geschmack haben." Da hat er, was Deutschland betrifft, sicher nicht ganz unrecht.


    Eine Zobifizierung der ganzen Stadt durch drei bis fünf große Häuser ist natürlich kompletter Unsinn. Man sollte diese Begriffe bei diesem recht intelligenten Autor aber doch eher als ironische Übertreibung der Getrifizierungsdebatte verstehen.

  • @Necrokartz: Ich halte weder vom Autor etwas - noch von seinem Artikel. Aber trotzdem sehr viel von der FAZ/FAS. Denn sie verbindet ein eher linkslastiges Feuilleton mit einem eher bürgerlichen Wirtschaftsteil.


    Rotes Rathaus: Ein Großstadt zeichnet sich durch ein breiter Spektrum aus - an Milieus, an Kultur, an Ästhetiken, an Bauten. Man sollte in der Tat nicht gleich in Schnappatmung verfallen, wenn hier in Berlin jetzt eben auch die Welt der Philippe Stark & Co auftaucht - und zwar in verschwindend geringem Ausmaß. Philippe Stark selbst ist sicher schon lange nicht mehr cool, einflussreich oder gar an vorderster Design-Front. Ich halte es für sehr riskant, dass sich der Erbauer für ihn entschieden hat. Man kann nur hoffen, dass das der Erbauer die Nachfrage richtig einschätzt. Ausserdem war es immer schon so, dass es leichter ist, viel Geld zu verdienen als viel Geld mit Stil auszugeben.


    Ich halte schon die Grundthese des Artikels ("Diese Sorte Leute von Aussen schaden der Stadt weil sie schlechten Geschmack haben, verdängen und hier nicht wohnen") für empirisch und historisch nicht haltbar.

  • @rotesrathaus


    was kann denn pilippe starck dafür, dass das gebäude mit seinen interieurs eingerichtet wird. und nein, er trägt keine schwarze hornbrille. er ist auch nicht der designer dieses gebäudes. er ist der beste industrial-designer der letzten 15 jahre und mit sicherheit haben sie auch schonmal auf einem starck-stuhl irgendwo in einem café oder restaurant gesessen. hier im forum gibt es eine unangenehme strömung die alles was neu, unbekannt und fremd ist erstmal in grund und boden kritisiert, hier empfehle ich sich erstmal vorher kundig zu machen. vielleicht hilft das ja schon beim angstabbau.

  • ^^
    Das Gebäude ist von Eike Becker, nur das Interieur von Starck, falls das dem ein oder anderen noch nicht klar sein sollte. Außerdem (das weiß ich aus sicherer Quelle) sind Starcks Einrichtungen und Farben in der Musterwohnung des Showrooms lediglich Vorschläge, letzlich kann jeder Käufer die Materialien und Wandfarben selbst bestimmen.

  • Wie können Leute es auch wagen, ihren Möglichkeiten entsprechend in einer Stadt ihrer Wahl eine Wohnung ihrer Wahl zu beziehen!? Und dann auch noch entsprechend ihrer einrichten, seis nun nach Starck oder à la Louis XIV.! Wo kommen wir denn da hin!?! Mein Kumpel würde sagen "Sei mal nicht so D-D-D-D-Deutsch!": "Ich habe kein Geld, also darfst du auch keins haben geschweige denn deinen Möglichkeiten und Vorlieben entsprechend leben." Nein, man muss sich verstecken, sich gar schämen, dass mans geschafft hast (das "wie" ist ne andere Frage)! "Ich versuche es erst gar nicht, ich will ja nicht so leben, ist mir viel zu oberflächlich!" Man muss deren Lebensstil nicht gutheißen. Aber teure Möbel kann man sich auch in jeder anderen Wohnung hinstellen.


    Diese ganzen Filme ist doch nur Marketing mit blöden Sprüchen, wie DAS Shampoo gegen Schuppen und DIE Creme für zarte Haut. Das sollte auch den Kritikern und Autoren bewusst sein. Dass am Schluss auch bodenständigere Leute dort einziehen könnten, die zwar die nötige Kohle haben, aber dies nicht jedem unter die Nase reiben, besteht ja durchaus. Es gibt ja nicht nur Neureiche. Wir wollen doch nicht verallgemeinern, oder? Die Decke der Kirche hätte auch beim Bau eines Sozialbaus abbröckeln können. Das wird natürlich nicht bedacht, es wäre ja schließlich nicht für den Luxus passiert. Oder dass die aufgemöbelten Altbauten die Preise nicht auch in die Höhe treiben. Das Problem ist eher, wenn diese Wohnungen nur 2 Monate im Jahr bewohnt werden, weil man sonst in NYC residiert.


    Ansprechend finde ich das Ding (grad an dieser Stelle) dennoch nicht ;).

    2 Mal editiert, zuletzt von Ben ()

  • Hm, abbröckelnde Kirchendecke war doch auf dem Friedrichswerder, oder? :confused:


    Ich bin gespannt wie sich der Eindruck von dem Zirkus-Gebäude wandelt, wenn die Fassade fertig gestellt wurde. So erdrückend wie auf den Visualisierungen finde ich den Bau gar nicht. Klar, es ist schon ein ziemlicher Klotz, aber erdrückend würde ich den Bau nicht nennen.

  • Wenn ich mir den Rohbau so anschaue, hätte ich gefühlsmäßig eine Etage weniger verbaut. Ansonsten hoffe ich, daß der Glasanteil und die Bäume davor die befürchtete "Schwere" des Baus etwas nehmen.


    Die angedeutete Genitrifizierungsdebatte kann ich an diesem Ort nicht nachvollziehen. Sollen es doch ruhig gehobene Wohnstandards sein. (Dann "nehmen" die Gutsituierten dadurch keine Wohnungen in anderen Gegenden weg. ;) )

  • ^Wahrlich sehr gewaltig der Bau. Man hätte ruhig auf eine etage verzichten können. Ich hoffe, die Bäume davor werden noch etwas größer und können zumindest in den Sommermonaten die Wuchtigkeit etwas nehmen.

  • Die Planen fallen langsam und die Montage der Fassade beginnt. Die Fenster sind bereits alle montiert - der Fensteranteil ist außerordentlich hoch. Ob dieser allerdings für die versprochene transparente und leichte Wirkung des Gebäudes sorgen wird, ist fraglich. Beim heutigen tristen Wetter war der Eindruck eher massiv.



    Beginn der Fassadenarbeiten:




    Die silbernen Bleche unterhalb der Fenster sind mir auf den Renderings kaum aufgefallen, sie wurden allerdings auch sehr hell und unauffällig dargestellt. Jetzt wirken sie ziemlich markant. Ich bin auf alle Fälle gespannt, wie die vollständige Fassade mit diesen Elementen aussehen wird.

  • Das dürfte vor allem daran liegen, dass spiegelnde Flächen wie z.B. Fenster auf Renderings gerne stark reflektierend dargestellt werden. In der Natura wirken sie aus den allermeisten Sichtwinkeln aber eher dunkel und strukturlos.

  • Mal abgesehen von der Fassade gefällt mir das Gebäude in seiner Wirkung. Berlin kann Gebäude mit etwas mehr Höhe gut gebrauchen!